Von dem steten Menetekeln statt sich vor den Konsequenzen mal zu ekeln / Fangen wir wieder an zu rauchen 13

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Schwangau / 16. Juni 2022

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Da haut sich ein Gletscher ins Tal, weil er in den letzten Tagen das erste Mal in seinem gewiß mehr als 50000 Jahren altem Leben 10 grad Celsius PLUS erleiden mußte. Und nimmt ein paar Bergsteiger*innen (Verzeihung! Ich verzichte auch auf meinen Vortrag morgen an der Uni Sowieso!) mit in die Hölle. Da soll es ja noch wärmer sein als hier oben. Obwohl? Sicher dat?

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Hörte eben davon in den Nachrichten im Radio, während ich spülte. Das Wasser kommt so warm aus der Leitung, daß mein Wasserkocher binnen kürzester Zeit abschaltet. Na also, tu klagendes Germania, die finsteren Wolken über unserem Geldbeutelhimmeln, so schlimm können sie gar nicht sein. Ach, vergaß ich fast: dann noch mein Lieblingsspruch am Ende der Nachrichten. Konzentration: „AUCH DEUTSCHE UNTER DEN OPFERN!“ Die Opfer der Deutschen sind meist entschieden leiser.

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Weniger als fünf Minuten duschen? Weia! Abu Ghreb ante portas!

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Befürworte die Wiedereinführung des Prangers. Auf den wesentlichen Flughäfen des Landes werden die Nasen, welche nicht in der Lage waren die Dinger rechtzeitig zu Ende zu bauen und die Bösewichte, die für das „Chaos“ dieses Sommers zuständig sind, an die guten mittelalterlichem Schimpfpfähle gekettet und wir Selbstgerechten dürfen ihnen die ausgestreckten Zeigefinger ins rechte oder wahlweise linke Augen stechen. Das ist wahre Demokratie.

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Gibt es Flughäfen, die von einer Gletscherschmelze bedroht sein könnten? Die Suche nach den Schuldigen sei hiermit eröffnet.

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RAUCHPAUSE / Teil 13

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Wenn ich hier so stehe, möchte ich mich gar nicht mehr sehen. Nicht nur lange Unterhosen, ich glaube irgendjemand hat mir auch einen Morgenmantel übergestreift und ich habe es gar nicht bemerkt. Herr Marlboro sucht sein Pferd. Da bist Du kein Altbundeskanzler. „In allen Theatern herrscht Rauchverbot. Nicht für mich. Ich bin Teil der Inszenierung.“ Sagt der und gibt seiner Loki Feuer. Vom Schulhofheld zum Hinterhoffeigling. Große Karriere.

Nach einer Woche auf meinem AB die Stimme von Gitti. „Ruf uns mal an. Hansi und ich wir müssen Dich unbedingt sprechen. Es geht um das Aquarium.“ Das war vielleicht ein Treffen. Das erinnerte mich an die Abrüstungsverhandlungen Anfang der 80er. Rechts Reagan, links Breschnew, in der Mitte ein langer Tisch mit Kaffeekannen und Wasserflaschen sowie 10 Brötchen. Kalter Krieg und kalter Braten. Meist redete Gitti. „Also erst mal, wir haben uns verlobt.“  Meine Gesichtshaut erstarrt zur Maske. Bei Gitti kurzes Aufblitzen des Lächelns. Hansi nickt. Knetet sich den Handrücken und tritt mir unter dem Tisch auf den Fuß vor lauter Aufregung. Gitti: „Schau nicht so konsterniert. Ein ganz normaler Vorgang auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Zum Eigentlichen: Hansi ist ja noch ein bißchen labil. Und leider umgeben von verantwortungslosen „Freunden“, die nichts dabei finden, einem Rekonvaleszenten Alkohol und Nikotin einzuflößen.“ „Wie meinen?“ „Laß mich bitte ausreden, auch wenn ich nur eine Frau bin. Also ich habe gekündigt in der Klinik.“ Hansi: „Ja, der Job hat sie am Ende echt fertig gemacht.“ Gitti: „Du Mausebär, laß mich mal machen. Du mußt dich noch schonen.“ Mausebär? Ok. Wenn es der Wahrheitsfindung dient. Gitti: „Wir haben uns mal was überlegt wegen dem „Wind und Wasser“ „Wie, was? Wind und Wasser?“ „Der neue Name von der Kneipe. Auf chinesisch heißt das Feng-Shui. Wind und Wasser eben.“ Hansi: „Im Wasser lebt ja das Aquarium noch fort.“ Blödes Gekicher. Gitti weiter: „Mausebär, bitte. Also im Feng-Shui ist man bemüht durch richtiges Handeln und Betrachten der Dinge die Geister der Luft und des Wassers sinnbringend und positiv zu vereinen, um heilende Energie freizusetzen. Also Ihr habt, sag ich mal so, bis jetzt nur die Flüssigkeitsseite betrachtet, und das sehr exzessiv, und die Geister der Luft habt ihr tagtäglich mit Qualm gefoltert. Das spürt doch jeder, daß da kein Qi drinnen fließen kann. Und dem wollen wir ein Ende setzen. Wir wollen das „Wind und Wasser“ zur ganzheitlichen Kneipe machen. Was meinst Du, warum der Hansi eigentlich damals kollabiert ist? Unterversorgung mit Qi.“ „Ne, eher Überversorgung mit Grappa und Schwarzer Krauser. Und zu viel betrunkener Verkehr mit viel zu jungen Mädels.“ Scheiße. Wieder hatte ich es nicht geschafft mich zu beherrschen. Aber dieses immer im Nachhinein Bescheid zu wissen. Als hätte ich mein vorheriges Leben nur im Fernsehen angeschaut. Geht mir gehörig auf den Sack. Da neige ich zur Verwundung. Ich wurde etwas lauter. „Hansi, tut mir leid, aber das ist gequirlte Kacke mit Schlagsahne. Wir sind hier keine Krankenhauskantine. Sondern sozusagen ein Zuliefererbetrieb.“  Gitti: „Mausebär, wir gehen. Mich wundert, daß du es neben so einem herzlosen Monster überhaupt so lange ausgehalten hast. Du hörst von uns.“ Knall. Peng. Tür zu.

Ich würde ja gerne mal wissen, wie Mausebär auf Chinesisch heißt. Und ich würde gern mal wissen, wie Kälte auf Chinesisch heißt. Und warum da keiner mehr rauskommt. Aber bis ich die Geschichte zu Ende erzählt habe, halte ich durch. (holt einige seiner Zettel aus der Tasche, legt sie in den Aschenbecher, zündet sie an und wärmt sich daran die Hände) Worte können auch warm machen.

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(Gießen / Spätherbst 2009 / to be fortgesetzt)

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