Wenn der Mond im siebten Hause steht

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Glaube ich dem Deutschlandfunk Kultur, den ich eben hörte, treten wir heute ein ins Zeitalter des Wassermanns. Dachte stets das hätten wir schon mal erlebt, aber ein Astrologe oder Astronom sagte eben, ab heute werde es richtig ernst und ante porta stellarium warte eine Aera der Harmonie und des Friedens. Und ich beginne zu verstehen.

Seit Wochen hat sich eine Horde Raben, die täglich anwächst, zwei kahle Bäume schräg gegenüber unseres Schlafzimmerfensters zur nächtlichen Ruhestatt auserkoren. Mit Einbruch der Dämmerung und lautem Geschrei über die Lahn in die verödete Innenstadt einfallen, dann die mit Lebensmittelresten überquellenden Müllbehälter plündern, eine anarchische Deko hinterlassen und ab in den Baum, aber nicht nur zum Schlaf. Durch die Ausgangssperre wohl so richtig angestachelt, gilt es nun einiges zu bereden. Zum Beispiel warum, obwohl da unten weniger Humanoide als sonst rumhuschen, der Tisch reicher gedeckt ist denn je, ob man die Tauben vor dem Schlafen gehen nochmal jagen sollte und wer weckt morgen und wann.

Der Rabe, ein mir symphatisches Tier – werde bald hier eine kleine Geschichte aus meiner frühesten Musentempelzeit hinterlegen – ist seit je her der Barde des Vergehenden, der Sänger der Entschwundenen, der Troubadour des Todes. Und er ist nicht schwarz, nein, in sein Gefieder hat der Schöpfer ein metallisch glitzerndes Blau eingewoben, als spiegelte sich darin ein letztes Mal die davoneilende Seele der Besungenen. Und er hat ihm vor allem ein Organ geschenkt, das Steine spalten kann und krächzen wie Tom Waits. Ein musisch begabtes, gescheites Tier. Besonders mag ich es zu beobachten, wenn die räuberischen Sängesbrüder oben auf einer Ampel sitzen, eine Nuss im Schnabel – eben schweigt er der Rabe! – und die, kaum sprang die Ampel auf Rot, aus großer Höhe auf den Asphalt klatschen lassen. Guten Appetit!

Zurück zum erhöhten nächtlichen Gesprächsbedarf der Horde vor unserem Fenster. Vielleicht liegt es ja daran, daß sie als Troubadoure des Todes zurzeit überbeschäftigt sind und das muß man sich nachts mal von der Seele reden. Kenne ich sehr gut. Siehe oben: einst im Musentempel. Also wache ich immer wieder auf in den letzten Nächten, ob es die Raben vor dem Fenster oder jene in meinem Kopp sind, die mich auf die Beine stellen, nichts ist gewiß, geistere ausdauernd und den Schlaf herbeisehnend durch die Wohnung, lauschend dem auf – und abschwellenden Gesang und blicke auf leere Blätter.

Morgens, meine Gattin verläßt früh um sieben das Haus gen Arbeit, die mich nährt, aufmerksam beäugt von den Barden, schwillt das Getratsche ein letztes Mal richtig an, einzelne Schreie verkünden den neuen Tag, vielleicht ist es ja der Weckbeauftragte, vielleicht wird die Tagesparole ausgegeben oder die Liste der in der Nacht Verstorbenen aktualisiert und – zack – brechen sie auf, ein letztes Getöse und Flügelschlagen und ich finde endlich noch etwas Schlaf.

Davor aber sehe ich aus dem Fenster und zähle die neu emanierten Sterne auf dem Pflaster. Der Rabe trägt keine Windel. Diese Sterne sind zwar aus Scheiße, sind jedoch trotzdem Sterne und in Sachen Hoffnung sollte man als Mensch derzeit nicht allzu wählerisch sein. Es ist die Dämmerung des Zeitalters des Wassermanns. Die Raben befinden sich in der Umschulung.

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Well, I’ve been to London and I’ve been to gay Paris

I’ve followed the river and I got to the sea

I’ve been down on the bottom of a world full of lies

I ain’t looking for nothing in anyone’s eyes

Sometimes my burden is more than I can bear

It’s not dark yet, but it’s getting there

(Bob Dylan)

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PS: Obiges Lied sang der Meister mir zu meinem vorletzten Geburtstag.

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