…..
…..
Ein alter Klassenkamerad hat einen alten Karton gefunden. Mit Briefen und Karten. Dabei auch ein Brief seiner Mutter, die ihm, dem heimatfernen Studenten, von ihren Begegnungen in der Stadt am See berichtete. Erst der Fensterputzer, darauf ein alter Freund von mir. Ein getippter Brief einer Mutter an den fernen Sohn. Im Oktober 1977 verfasst. Wie ergreifend. Im Rückblick. Damals wohl kaum so recht begriffen.
…..
Gäbe es den Zeittunnel, heut‘ würde ich eine kleine Reise zurück buchen und elegant das Fensterleder schwingen. Einer meiner schönsten Jobs. Und gut bezahlt. 10 DM auf die Hand. Und fertig. Wenn wir schnell waren, und das waren wir, die Schtudende, gab es am Freitag noch einen Zehner bis Zwanziger Akkordlohn für die Woche dazu. Und ein, zwei Viertele. Ernie hieß der Mann, mit Nachnamen wohlgemerkt, sprach breitestes Mannemerisch und verabschiedete mich nach Köln mit den Worten: „Ei, des is en Zigeune! Dä muss fott!“
…..
Vor ein paar Wochen, als ich begann diese Erzählseite ins Leben zu rufen, stieß ich in einem Regal auf einen längst vergessenen Ordner. Hunderte beschriebene Zettel. Die frühen Versuche des Schreibens. Ende der Schulzeit. Die „wilden Jahre“. Lieben. Reisen. Schauspielschule. Ob ich mich da ran wage? Uff.
…..
…..
Alltag
Irgendwann kommt der Punkt
An dem wir die Fähigkeit
Die Zeit zu formen und zu kontrollieren
Verlieren
Und wir werden zu Zeigern auf einer
Der ständig hetzenden Uhren
Selbst Einzigartigkeit und Tiefe
Krachen hohnlachend durch die dünne Eisdecke
Die sie vom Mittelmaß getrennt hatten
Und ertrinken
Und dann wenden wird sehnend den
Blick und über uns gehen Neue
Auf dünnen Eisdecken
(Und so unendlich sicher)
(Konstanz / Oktober 1977)
…..