Hier kehrt nun wieder Ruhe ein. (Zitat oben ist von Stefan Zweig entliehen.) Nicht das mir nichts mehr einfiele, eher im Gegenteil, aber gelegentlich sollte man die Füße länger stillhalten im Öffentlichen und in der Stube still sitzen, nun da der Herbst usw und sofort.
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Hauptgrund aber, das erste Mal nach knapp zwei Jahren – damals die Gundermann – Premiere und meine letzte Arbeit am örtlichen Theaterbau – werde ich wieder in meinem Hauptberuf als Regisseur arbeiten dürfen. Zwei Arbeiten oben an der Förde bis kurz vor Weihnachten. Endlich ans Meer und mal wieder länger absteigen von mittelhessischen Karussellen.
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Ob es noch geht? Die Vorbereitungen fallen mir dieser Tage sehr schwer. Die Selbstverständlichkeiten alter Tage scheinen perdu. Und nichts ist mir unangenehmer als ständige Wiederbekäung meiner selbst. Vermeiden lässt es sich dennoch sehr schwer. Dies sollte aber vermieden werden. Nun denn!
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Also dann bis nächstes Jahr!
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PS: Eine kleineTastenruhe erspart mir auch Kommentare zu bevorstehenden Wahlergebnissen. Jedoch: in der Hinterhand lauert hinterhältig mein Freund Archibald Mahler plus Gefährte. Wohlsein!Stößchen!Und Gesundheit auch!
Ich hatte schon mal Anfang Juni von den lieben Tobenden auf dem Nachbarsgrundstück geschrieben. Vor ein paar Tagen saß ich wieder unten im Hinterhof im milden Septembersommer, trank billigen Wein, wie stets ein bisserl zu viel davon. Also und nicht nur aber deshalb lauschte ich grinsend dem Getöse jenseits des Zaunes und war ordentlich erfreut.
„Die Bayern sind Scheiße!“
„Das stimmt überhaupt nicht!“
„Die Bayern sind Scheiße. Die sind so was von Kacke!“
„Die haben 5:0 gewonnen!“
„Das ist es doch!“
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Die Kinder, die da drüben kicken, sind so plus minus 7 oder 10, die meisten Migranten und auch noch Mädels. Das volle Programm also. Sie geben sich gegenseitig Namen. Aishe ist Thomas Müller, Samra ist Lewandowski, Alia ist Marco Reus und Bassam ist ein Schiedsrichterwesen namens Steinhaus.
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Wir kickten einst auf dem Acker, auf einer Lichtung im Wald neben dem Friedhof, wo der Vater liegt, selten auf einem gepflegten Rasen. Ich war Emma. Der, der mich umsenste, nannte sich Horst Höttges und natürlich war da noch ein Franz, der uns alle nass machte. Der hieß Gernot. In echt.
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Die Lütten da drüben tun es immer noch. Den rollenden Ball in Rollen rollen lassen. Sind sie lauter als wir damals? Hoffentlich. Es wächst also was nach an Hoffnung. Frühkindliche Erkenntnisse arbeiten an der Überwindung des Turbokapitalismus. Ätsch! Oder vielleicht doch nicht ganz so unbedingt?
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Gestern kam meine liebste Gattin vom Wäscheaufhängen hoch und berichtete von folgendem Kurzdialog. Wieder zwei der wilden Mädels.
„Du willst immer nur Geld. An Weihnachten. Zum Geburtstag. Immer!“
„Ja und?“
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Die meine, glückliche und verwöhnte Generation fordert von den Nachfolgenden den Verzicht. Nach intensiver Lebensnutzung. Schon strange. Ich weiß immer noch nicht was ich wählen werde. Ich werde versuchen eine Entscheidung jenseits meines Bauchnabels zu finden. Aber die sind schwer in Ordnung da drüben. Die Mädels jenseits des Zaunes.
Die Sprache ist die, die man schreibt. So war das mal gewesen. Vielleicht. Die Sprache ist die, die man spricht. Teils, teils ist’s noch so. Eventuell. Die Sprache dieser Tage scheint die zu sein, die einem um die hilflosen Ohren und Augen gehauen wird. Gewiß. Es sei denn, man meidet öffentliche Plätze, verschrottet die Glotze, versenkt das Radio im nächst erreichbaren Gewässer. Leider sollte man auch etliche Printmedien – vor der Lektüre – nur noch zum Gemüse einwickeln nutzen. Tschüß FRAZ. Hallo FAZ.
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Gut, ein schön polarisierendes Duell Habeck versus Söder mag so nicht stattfinden. Lieber mögen sich alle in der Kuhle namens Mitte wohlig gestresst rumwälzen. So haben wir nun drei – wer hat da eigentlich das Copyright (Ricola natürlich, Du Sirch. Gruezi, dä Säzzer!) – TRIELLE. Oder Trielli? Wurst oder Salsiccia! Schlimm genug das schon. Samstagabend aber, in irgendeinem der komplett sinnfrei gewordenen – ich schau trotzdem – Strafräume der Liga stiegen zwei Undercutler nach einem Eckball hoch und ein Dritter rumpelte, wie die Faust des kleinen Boatengs ins Gesicht seiner Ex, in die sich in der Luft befindliche Zweiertruppe. Der Kommentator – die achtundvierzigste Kopie des mich schon damals nervenden Marcelo Überreif – schrie, die Hand am eigenen Glied, das neue Wort in meine Lautsprecher: ein Kopfballtriell! Ich wiederhole: DAS KOPFBALLTRIELL! Da wir, blöd wie wir sind, unsere Glotze eben auf Internetgucken aufgerüstet haben, steht der Empfänger immer noch gegenüber von unserem Sofa und schwimmt nicht lahnabwärts.
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1965 oder so mein erstes Spiel für den 1. FC Wollmatingen als Halbrechter. WM – System hieß das damals. Oben der Platz des Gegners. Getuntes Photo von diesem Sommer. Kunstrasen jetzt. Damals war das noch Ascheplatz. Ich war sehr engagiert und schoß gleich im ersten Spiel – 2:2 – den Ausgleich. Nach dem Spiel pickte meine Mutter dem Buben mit der Pinzette die Kiesel aus den Knien und Jod drauf. Ein schöner Schmerz ist das nach so einem wichtigen Tor. Wenige Hütten sollten folgen. Fünf Spiele später der Trainer: „Lugerth, Du bisch ein Schatte von Deinem Selbscht!“ Der erste Gegner hieß DJK Konstanz. Erst heute habe ich mal geguckelt, was DJK eigentlich heißt. Deutsche Jugendkraft. Weia. Deutsche Jugendkraft. Halleluja. Hät mr au wisse könne solle. Gegeüber vum Kickacker war‘s Kolpingheim. Ein Unentschieden gegen die Kirche erzielte ich also. Isch au heut noch so.
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Zurück zum Driell. Der Gute, die Böse, der Häßliche? Die Gute, der Böse, der Häßliche? Der Gute, der Böse, die Häßliche? Ich werde Eli Wallach wählen. Der gräbt wenigstens die Leiche der Mutti aus. Wenn auch unter Druck.
… als nicht etwa Leutnant Pfeffer seiner Combo die Flötentöne beibrachte, sondern mein Telefon klingelte, eine Stimme mich – ja! – anschrie, ich solle sofort den Fernseher einschalten und zehn, hundert, tausendmal flog ein Flugzeug in den zweiten Turm. Die Abendprobe fiel aus.
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Ich lebte seit ein paar Wochen, da wo ich heute noch lebe, in einer noch nicht komplett renovierten Wohnung, zwischen Pappkarton und Gyros und der Tod hatte mich umzingelt. Die Stimme am Telefon gehörte zu meiner damaligen Liaison, wir beide schwer verwundet noch von fiesen Trennungen (Alle Trennungen sind fies! Schönen Gruß vom Säzzer!) und so auf eine nächste Trennung zustürmend. Die Frau war Pneumologin und begleitete in ihrer Klinik vor allem am Kaposi – Sarkom erkrankte HIV – Positive auf die andere Seite. An manchen Abenden half nur viel Wein. In meiner Geburtsstadt lag mein Bruder auf der Intensivstation. Ein Arzt, der später freiwillig den Planet verlassen sollte, hatte ihm das Leben gerettet. Knapper als knapp. Hatte ich mehr als 24 Stunden probenfrei rauschte ich in den Süden. Ich sprach, als eine Art Familienältester, ein / zweimal mit diesem Arzt. Beeindruckende Persönlichkeit. In Flur der Klinik stehend rauchte jeder von uns in einer halben Stunde ein halbes Dutzend Gauloises bleu weg. Die Pneumologin tröstete mich mit den Worten: „Christian, das härteste für uns Ärzte sind die nahen Angehörigen und die Ungeduld!“
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Zu dieser Zeit spielte ich – meine erste Rolle hier – einen dem Tod geweihten alten Familientyrann, der die Hochzeit seiner Tochter mit einem Künstler und Freigeist mit allen Mittel verhindern wollte. Racine, der Vorgänger und Wegbereiter von Moliere hatte diese Geschichte verfasst. Der Regisseur kam aus dem Osten und ließ mich zu einem über Hundertjährigen, der über die Bühne humpelte, mit Krückstöcken um sich schlagend, schminken. So zwanzig Minuten war ich auf der Bühne, jedoch neunzig Minuten – manchmal sogar länger – in der Maske. Jedes Mal, blickte ich nach der Prozedur in den Spiegel, sah ich Dustin Hoffman am Anfang von „Little Big Man“ oder schlimmer noch, ich erblickte meinen Vater im offenen Sarg damals.
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Ich saß vor der Glotze, telefonierte, dieses sei doch einer jener spekulativen Weltuntergangsblockbuster mit denen Hollywood seit ein paar Jahren die Kinos dieser Welt penetriere, so das hilflose Gestammel. Die Stimmen der Kommentatoren, anfangs von fassungsloser Ungläubigkeit, wechselten binnen weniger Stunden in kieferknirschende Racheschwüre. Die Geburtsminuten von Guantanamo und Abu Ghraib. Das alte Prinzip eben, die Menschenverachtung mit der Menschenverachtung zu bekämpfen. Und die Vorbereitung einer weiteren schrecklichen Niederlage unserer Befreier. (Tja, der Blutzoll der Roten Armee wird gerne vergessen! Noch e‘ Grüßle vom Säzzer!) Man komme bloß nicht auf die Idee gegenzurechnen.
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Am nächsten Tag saßen wir schon um elf Uhr morgens im Burghof, direkt gegenüber vom Theater, damals Kantine, Debattierclub und Rettungsanker bis nachts um drei. Grazie, Maestro Parisi! E molto grazie Donna Parisi naturalamente! Axel, der Regisseur wollte hinschmeißen. „In diesen Zeiten kann ich doch keine Scheißkomödie auf die Bühne stellen!“ Wir waren erst ratlos, dann betrunken. Zuhause rief mich die Ärztin an. Ihr Chef schicke sie per Flugzeug in die USA. Ich weiß nicht mehr, was ich in den Hörer brüllte. Ein paar Tage später flog sie tatsächlich los. Die Premiere fand dann doch statt. Die Trennung folgte auf den Fuß. Mein Bruder überlebte.
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Ich weiß nicht, wer es erfunden hat. Vielleicht die frühen Italiener in San Gimingiano oder Bologna? Oder die Bewohner auf diesem wilden Finger des Peloponnes, der Mani? Um den Nachbarn, der gerne auch der Feind ist, zu beeindrucken und zu zeigen, wo der Hammer hängt, baut man den höchsten Turm im Dorf. Und die Antwort folgt sogleich, der Nachbar rüstet nach beziehungsweise auf. Ständerpolitik. Pimmelarchitektur. Karl Heinz Stockhausen – ach welcher Schrei der Empörung damals – hatte recht, als er davon sprach, was für eine wirkmächtige Inszenierung dieser Anschlag auf das großkotzige Symbol des Siegers der Geschichte vulgo Kapitalismus doch gewesen war. Er erschrak, kaum waren die Worte über seine Lippen gerutscht. Man kennt sie diese Reflexe. Es wird nicht gerne gesehen, wenn Du den Fluß überqueren willst. Die höchsten Türme der Menschheit bauen heute die alten Förderer der Piloten vom 11. September. (Danke dafür nicht 9 / 11 wiedergekäut zu haben. Der heute etwas geschwätzige Säzzer!) Deren einstige Förderer wiederum, es lebe die Vergeßlichkeit, waren die Erbauer der eingestürzten Türme. Davon berichtete schon Tolkien. Bände 3 & 4.
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Dem anderen den Krieg zu erklären, selbst in verständlichster Verzweiflung, zerstört letztlich Dich selbst. Dieses in die Wege zu leiten sei einem jeden gestattet. Aber die Strecke, die der Jäger nach der Genugtuung hinterlassen hat, sie ist immer eine viel zu lange. Da hilft auch kein Halali!
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Als Rio obiges Lied – meine Lieblingsstelle, wenn Rio ein Solo des Gitarristen mit einem herzhaften ‚Lanrue‘ einruft! – sang, regierte die sogenannte Heimstatt der Tapferen (Hähähä von wegen tapfer! Agent Orange und Drohnenkrieg! Etz halt ich die Gosch! Der Säzzer!) ein Sternenkrieger und Tarzandarsteller. Wir dachten, schlimmer geht es nicht. Das war aber erst der Anfang. Ronald MC Donald! Dig it, Stupid! Hinterher ist man meist nicht klüger, sondern macht einfach weiter. Die Rechnungen bezahlen eh die anderen. Davon gehen wir gerne aus. Schaun mer mal!
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Ach so, die Lichtgestalt hat heute Geburtstag und Herr Zimmermann veröffentlichte vor zwanzig Jahren sein Album „Liebe und Diebstahl!“ Sang von den brechenden Dämmen. New Orleans knows about it. Schon wieder.