…..
…..
Den Frühling auf den Wangen
den Winter im Herzen
brachen wir auf
leugnend unsere übereilte Flucht
Als wir stolperten
lachten wir auf laut und zu schrill
als wollten wir spielen mit dem
Schmerz
Wir zogen uns
mutig kichernd wie einst auf dem Bolzplatz
die Kiesel mit Pinzetten
aus den schrundigen Knien
liefen weiter
mehr wissend von der Vergeblichkeit
nicht dies nein nicht dies
Schweige bitte
*
Als ich vor der Mauer stand
mich umdrehte in Panik
blickte ich in voll aufgeblendete Scheinwerfer
Ich schrie auf
unter Wasser schwerer Traum
Das Licht implodierte
Es blieb nicht als ein funkelndes Katzenauge
welches reflektierte die Glut des Eisbrockens
der wuchs in mir unaufhörlich
Ein Passant lobte mich ob meiner gesunden
Gesichtsfarbe
Wenigstens auf meine Wangen ist
Verlaß
Mich aber nicht
*
Ein Traum endet mit dem Erwachen
Manchmal
Ich schlug die Augen auf
Spatzen pickten die Brotkrumen des gestrigen Tages
von meinem Fensterbrett fordernd
Die Tauben verscheuchte ich
vom Dach
und streckte die Hand aus dem Fenster
Hagelkörner fielen
aus einem stahlblauen Himmel
Eisheilige
die wir waren
*
(gießen / türmchen / 11. mai 2022 / grauburgunder)
…..
Das war die Anregung:
GOUVERNANTE. Denken Sie nicht an den Menschen!
LENA. Er war so alt unter seinen blonden Locken. Den Frühling auf den Wangen und den Winter im Herzen! Das ist traurig. Der müde Leib findet sein Schlafkissen überall, doch wenn der Geist müd ist, wo soll er ruhen? Es kommt mir ein entsetzlicher Gedanke: ich glaube, es gibt Menschen, die unglücklich sind, unheilbar, bloß weil sie sind.
(Leonce und Lena / 2. Akt / 3.Szene)
…..
Und das noch:
„Es wäre schrecklich, wenn Russland siegt, aber womöglich noch schrecklicher, wenn es verliert!“ (Jens Stoltenberg)
Ich weiß: Zweifel rettet keine Menschenleben. Aber erlaubt sollte er bleiben.
…..