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Die anstrengenden Tage sind jene, an denen der Schwarze Hund nicht mehr nur wie eine Stola dir am Hals hängt, sondern – wie auch immer – sich Zugang verschafft hat zur Kommandozentrale. Dein Hirn. Dein Wille. Dein langsam erkaltendes Herz. Meist tut er das während den üblicherweise unruhigen und vergrübelten Nächten. Du erwachst, unendlich müde, gelähmt. Und dann stehst du auf und tapperst als eine Art von Marionette durch den Tag, der sich furchterregend lang und sinnlos vor dir ausbreitet. Als wäre der Schwarze Hund ein bösartiger Baggerfahrer lässt er dich die Baggerschaufel runterfahren und du schiebst alles, was zu tun, zu erledigen, dir Freude bereiten könnte, vor dir her. Es knirscht und knarzt die Schaufel über den Boden und du schaust einfach nur zu. Stundenlang. Vergisst zu essen. Trinkst. Das Radio dudelt. Google dudelt auch vor sich hin und du hoffst, dieser Sommer möge enden und eine Horde von Tiefs das Land beregnen. Und die hektisch belebten Straßen leer waschen.
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Der Schwarze Hund mag sie nicht die Sonne, die fröhlichen Menschen, die nächtliche Lautstärke, die aufgeheizten Städte. Er mag nicht die meist zu lauten Urlaubsprahlereien. Er mag Gewitter. Er mag dieses trügerische Gefühl allein auf der Welt zu sein. Der Schwarze Hund sehnt sich nach der Welt.
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Ich hatte dem Schwarzen Hund nicht zugehört. Er hatte gejault, gewinselt. Er bat mich auf tausend Arten ihm zuzuhören. Mehr als ein „Ich schaffe das schon!“ habe ich ihm nicht hingeworfen. Einen abgenagten Knochen. Hätte ich dem Schwarzen Hund schon früher zugehört, vielleicht hätte ich folgendes vernehmen können. „Hör mal zu, Alter! Es fließt nicht. Du jagst und treibst das Wasser vor dir her. Es fließt zu schnell. Tritt also über die Ufer. Und erreicht so nicht das Meer.“ Oder: „Deine Flüsse sind übervoll. Deine Deiche sind löchrig und von den Maulwürfen des Zweifels und des ständigen Haderns zerfressen. Irgendwann wird der Damm brechen. Denn der nächste Grauburgunder wird die Löcher nicht stopfen.“
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Ich glaube der Schwarze Hund ist kein Monstrum. Ich glaube der Schwarze Hund kann zu einem freundlichen Gefährten mutieren. Das wird allerdings einiges an Arbeit erfordern. Welche Werkzeuge für diese Baustelle zu erstehen sind: die nächste Zeit wird es weisen. Müssen.
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(Gießen, 21. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)
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