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Das mag er gar nicht der Schwarze Hund, ruhig, gemessenen Schrittes, geradeaus gehen, Ebenen. Gipfelglück! Drunter macht er es nicht. Und dann da oben? Kurzes Verweilen und schon wieder weiter. Zum nächsten Gipfel geht es erst mal runter. Das geht auf die Knie. Und auf’s Gemüt manchmal. Was spricht gegen das Gleichmaß der Ebene? Wahrscheinlich das Loch, das unersättliche, in welches du gemeinsam mit dem Schwarzen Hund blickst, dieses Loch, welches mit nichts zu stopfen ist, da alles, was du in dieses Loch stopfst dir im Moment des Reinquetschens schon wieder sinnleer erscheint. Nur auf den Anhöhen, nur in der Nähe des ständigen Kicks scheint zu warten, was an Bestätigungen benötigt, herbeigesehnt. Das dann aber annehmen zu können, gelingt oft nicht. Der nagende Selbstzweifel und der Schwarze Hund kläffen in die schlaflose Nacht: „Das hast du eh nicht verdient!“
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Ich kenne Menschen, die befällt, stehen sie auf flachem Land und können uneingeschränkt in alle Himmelsrichtungen blicken, kilometerweit und sehen nichts als Horizonte, eine regelrechte Panik. Keine Hügel an denen sich das Auge festhalten kann, lediglich der riesige Himmel, der alles oder nichts verspricht und der ständige Wind, der aus der Vergangenheit in die Zukunft bläst und die Grashalme tanzen lässt. Diesen Höhenjägern kommt das Wandern über die Ebenen einem steten Abstieg gleich.
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Was ist dies für ein Loch? Der Eingang zum Hades? Vor bald zehn Jahren wateten wir den Acheron hinauf, wir wateten flußaufwärts in Richtung einer Höhle aus welcher der Fluß tritt und wo die Griechen einst den Eingang zur Unterwelt vermuteten oder besser gesagt verorteten. Das Wasser war eisig und es benötigte einige Versuche bis sich Füße, Waden und der Kreislauf an diese Temperatur gewöhnt hatten. Eine gute dreiviertel Stunde kämpften wir uns vorwärts, immer wieder unterbrochen von die Füße wärmenden Pausen auf den erhitzten Steinen am Ufer, bis wir an eine Stelle kamen, wo die Schlucht sich verengte und der Acheron schlagartig an Tiefe zulegte. Meine Frau wollte nicht mehr weiter, doch mich trieb es vorwärts. Als mir das eiskalte Wasser bis zum Hals stand, gab ich auf und drehte um. Bis zum Eingang der Höhle hätte man noch ein ganzes Stück schwimmen müssen. Vielleicht ist dies der kalte Schauer von dem man spricht, tippt einen der Sensenmann auf die Schulter. Charon musste noch auf mich warten. Auf der Fahrt den Acheron entlang Richtung Meer und seiner Mündung begannen unsere Füße zu glühen. Lebenshitze.
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Möglicherweise gilt es gar nicht das unersättliche Loch zu fühlen. Möglicherweise reicht es aus von ihm zu wissen. Möglicherweise ist ein Starren in eine Leere auch die Möglichkeit ein geduldiges Warten zu erlernen. Oder wie Meister Tabori einst sprach: „Warten ist die wahre Zeit!“ Der Tod kommt von alleine. Man braucht ihm nicht entgegen jagen.
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(Gießen, 21. September 2022 / Nachts / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)
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