An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Acht

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Ein Altar der Kirche der Heiligen Getränke / Irish Pub / Hier in Frankfurt / Ostern 2025

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Die letzten Wochen seit Ostern ein noch dauerfeuerendes Dauerfeuer, wie eh schon seit den letzten 5 Jahren. Wenn man hinschauen wollte.  Ich konnte es kaum verhindern, daß die Fernbedienung ständig in meiner Hand lag. Und im Cafe die dritte Zeitung vor meiner Lesebrille. Überdosis. Der Kommentar zum Kommentar und so. Die Hauptstadtkorrespondenten und die Vorortgeschalteten stammeln sich durch ein Weltgeschehen, dessen Tempo ich nicht mehr folgen kann, will, sollte, mag. Es trotzdem versuche. Vergebens. Halte mich aber tunlichst fern von den voreiligen Schlüssen zu all den Lagen. Meistens beruhen diese sowieso auf alt eingeübten Reflexen. Emotionskarusselgedrehe. Und alle sind wir dann Opfer. Immer und überall.

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Die sich selbst an die Spitze des Fortschritts verordneten Medien weiden den sogenannten Bauchplatscher des neuen Kanzlers aus. Eine gruselige Häme, die letztlich nur die Urnen der blauen Braunen fühlt. (Sigi Freud!)

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Die versammelte Linke Gießens zählt sich selbst an zwei Händen ab, hat aber zusammen mit dem Edelfaschisten Wladimir die Welt vom Faschismus befreit und feiert dies in der Fußgängerzone, alte sowjetische Siegeslieder abspielend. Steinmeier hält derweil im Bundestag eine Rede, die mir, was mich überraschte, sehr viele richtige Töne trifft. Vor allem in Sachen stupend verbockter Geschichtsklitterung. Hüben wie drüben.

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Apropos Töne: Ich war doch recht beeindruckt wie das Stabsorchester der Bundeswehr beim Zapfenstreich für Olaf Scholz den Cembalopart in „In my life“ arrangierte. Georg Martin hätte es möglicherweise gefallen.

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Zu den gewissenverhafteten Stimmverweigerern schreibt die FAZ unter anderem nur: „Für eine mickrige innere Selbstzufriedenheit!“ Tja!

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Warum mich der erste Auftritt des frischgewählten Papstes beeindruckte? Ich könnte es nicht genau beschreiben. Aber dem war so. Vielleicht verbinden sich tatsächlich irgendwelche, Hoffnung ist zuviel, sagen wir positiv aufgeladene Möglichkeiten mit diesem offenbar freundlichen Menschen. Und wie das Konklave effektiv und Smartphonefrei und ohne miese kleine Durchstechereien diese Wahl handhabte, trägt wohl dazu bei.

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Als alter Götzendiener an den Tresen dieser Welt bin jedoch über diese meine eine Beeindruckung nicht weiter beunruhigt.

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Ceterum censeo, daß die Mannschaft aus FF, die stets ihre ultramiesen Ultras feige schützt, wenig bis nichts in der Champions League zu suchen hat. Gelle Hessen. Freiburg bitte gewinnen nächsten Samstag. Der BVB eh.

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Seit heute darf ich wieder in der Erde wühlen und unser Gemüse hegen und pflegen. Wahrscheinlich in Zukunft hier hauptsächlich davon. Pax tibi. Und Herr, laß Regen fallen. So gehabt Euch wohl all ihr Aktualitäten hier.

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Ansonsten kämpfe ich mich an der Seite von Winnetou durch eines der anstrengendsten und beeindruckensten Bücher seit langem. Clemens Meyer: Die Projektoren. Eine Zumutung kann sehr oft richtige Freude bereiten.

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(update vom 12. Mai ’25) So täuscht man sich. Haben also doch einige Konklavisten Wahlergebnisse an die italienische Presse durchgestochen. Tja. Das Heilige war immer auch profan. Vielleicht gut so. Und trotzdem.

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Was ich noch vergessen hatte? Ich durfte feststellen, daß ich mittlerweile im papstfähigen Alter bin. Neunundsechzig. Weia! Wenigstens hört jetzt der unsägliche Thomas G. aus ähnlichen Gründen endgültig endlich auf die Samstagabende mit seinem Minipli plus Hörgerät zu belästigen. Auch den anderen zähnefletschenden Thomas aus Bayern werde ich nicht vermissen.

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Der HSV. Da isser wieder. 1979 hatten sie ihr Volksparkstadion noch wirkmächtiger zerlegt. Tja. Wenn der Norden feiern tun tut. Mußte aber vorgestern vor allem an einen alten Wegbegleiter denken, der viel zu früh gestorben ist. Vier Jahre hat er, natürlich von Spott und Häme begleitet (Mea culpa auch!) gelitten als Ex-Dino. Hier unten. Und die letzten drei Jahre wo auch immer. Möge ihm Uns Uwe oben die frohe Kunde kundtun!

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / ’25 / Sieben

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Alter Friedhof Gießen / Abteilung Jüdische Begräbnisstätten

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So stand ich heute etwas länger an der Ampel. Die es nicht mehr gibt. Sie sollte gegen 10h dieses Tages auf grün springen. Grün gibt es aber nicht mehr. Ich blieb noch etwas länger stehen und schrieb ein paar Worte in mein Hirn. Balladen kann man auch vertonen.

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BALLADE VON DEN LEGOSTEINEN

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Es war einmal ein Legostein

Er fühlte sich als Teil zu klein

Er trug stets Teil zum Fundamente

Doch nur ein Teil sein bis zur Rente

War ihm zu fad

Schad‘

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So feilte sich der Legostein die Noppen

Die meinte die ihn hielten klein

Die Noppen die ihn stets verbunden

Von diesen feilte er sich los und hoffte so

Daß all die Wunden

Die er als Teilchen hat EMPFUNDEN

Verschwunden sowieso

Fortan

Der Stein

In aller Ewigkeit

Befreit vom Leid

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Der Sturm blies gegen’s Legohaus

Er wackelte die Lichter aus

So gingen sie und finstre Nacht

Es warnten Stimmen: Habet acht

Vereinzelt schon die LEGOS fliehen

Denn alle Macht ist nur geliehen

Denn alle Macht

Das Ego auch

Hab acht Oh Habet acht

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Nicht eine Boe es waren tausend

Dem (l)EGOstein ins Leben brausend

So löst er sich aus tragend‘ Wand

Und schreit und schreit

Dies nicht mein Land

Das Haus zerbröselt

Und auf den Plätzen

Wo Möchtegernelegos hetzen

Da liegt nun unser Legostein

Und endlich ist er nicht allein

Denn ich bin klein etcetera

Ich nicht allein

Sind viele da

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So liegen sie die Blauen Roten Violetten

Die Grünen Schwarzen Gelben und die Netten

Die Tiere schützen oder Varianten

Vielleicht auch nur das Erbe ihrer Tanten

Und denken endlich mal auch ICH

Allein die Bühnen füll‘

Mein Denken wird in Hüll‘ und Güll‘

Dem Hause dienen

Welches leider liegt herum

Zertrümmert

Was niemand kümmert

Ach ne wie dumm

Ich aber trotze allem Staatsgeraun

Huch

Rechts wie links die LEGOS

Braun

Der Kompromiss nur Fliegenschiß

Badenweilermarsch

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PS: 16h25 heute:

Ein Egolein ist nie zufrieden

und jetzt wurd einer doch gewählt

was das Egoschweinchen weiter quält

und gern ein neues Lied

doch schrecklich müd mein Glied

Und meine Finger

It’s not das Lied

Sondern der Singer

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / ’25 / Sechs

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Hinter nassen und hessischen Gittern / Palmengarten Frankfurt / Ostern dieses Jahres

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Es gibt Tage, da bilde ich mir etwas ein. Auf ein gelegentlich vergleichsweise freieres, sagen wir unabhängigeres Denken. Auf die Fahigkeit öfters mal die Richtung zu wechseln, um Dinge von mehreren Seiten zu betrachten. Singe das Lob meines schnell Gelangweiltsein von Ritualen und gerne recht fordernden Bestätigungsschleifen. Die Ungeduld als mein Lebensbegleiter. An diesen Tagen bin ich damit einverstanden, wohlwissend daß dies meiner sogenannten Karriere an den Theatern nicht unbedingt förderlich war.

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Dann gibt es die Tage, und es werden mehr und mehr, in denen ich die Fragwürdigkeit, manchmal gar Lächerlichkeit dieser sogenannten Haltung spüre. Handfest. In der Magengrube. Und sonstwo. Das Gefängnis, in dem ich sitze, mag zwar etwas anderes ausgestattet sein als die der Denknachbarn oder Denkgegner, aber es ist und bleibt ein Gefängnis. Und reinregnen tut es auch. Wie überall. Das kann man dann frohgemut leugnen.

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Frohgemuth war ich

Als nicht der Zweifel mich

Beleckt und ich den Brief

In den Kasten ohne Verschwendung

Nach- aber morgen denkte ungelenkte

Und weitere Kerben ritzte in den

Holzaugen seid wachsam

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Ich erwäge diese Seite zu kündigen, denn der Anbieter hat die Kosten vervierfacht. Was ich früher für ein Kalenderjahr berappte, verlangen sie nun für ein Quartal. Nur auf daß das funktioniert, was immer funktionierte. Die Crux ist, kündige ich, lassen sie nicht etwa das Bisherige im Cache stehen und lösen lediglich meine Bearbeitungswerkzeuge auf, sondern sie hauen den gesamten Inhalt aus dem Nest. (Danke für den Verschreiber, lieber Sigmund! Sie wissen, was ich meine!) Recht frech. Ich überlege noch.

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Ceterum censeo: da eine neue Regierung schon vor Arbeitsbeginn ihren Abgesang lauschen darf, scheint mir, daß unser mit Ansprüchen bis zum Platzen gemästete Wählervolk kaum noch regierbar. Die Zumutung stirbt aus. Und Christian Lindner hat, nun da er nichts mehr zu tun hat, einen kleinen Hund überfahren. Die Welt ist schlecht. Gelle.

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Unlängst überholte mich mal wieder an einer Ampel, die eben auf Grün gesprungen war, ein „E-Pelecker“ fortgeschrittenen Alters. Und zwar rechts. (Nein den Naheliegenden spare ich aus.) Helm auf den Kopf, Typus emeritierter Professor linker Coleur oder Oberstudienrad. (Oh Sigmund, der zweite!) Er drängelte sich flugs an mir vorbei, da links von ihm sonst die bösen Autos. EsYouWie. Die folgende Ampel überfuhr er dann bei dunkelorange, kürzte über den Gehsteig ab um daraufhin den nächsten Fußgängerüberweg bei rot zu verputzen. Ich wartete auf Grün und hätte ihn, mit purer Oberschenkelwut, es ging sogar bergauf, fast eingeholt, um ihn zu seiner postpubertären, von Resten gemüderter Revolte getragenen Aufsässigkeit zu gratulieren, als er zielstrebig die Abzweigung in ein sozial höherstehendes Wohngebiet rechterhand des Alten Friedhofs nahm. Ich war ein bisserl außer Atem. Das soll man einmal am Tag sein. Und freute mich das sie noch existiert: die Bereitschaft die Verhältnisse vom Kopf auf die Füße zu stellen. Hasta la siempre victoria. Und wenn es nur die STVO ist.

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Morgen werde ich mich der zutiefst philosophischen Frage widmen, ob man an einer roten Ampel stehenbleibt, auch wenn die Straße verkehrsfrei weiterhin, oder ob man sich, auf grünes Licht wartend, zum Opfer des allgegenwärtigen und stets überwollenden Staates macht soll wie kann.

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PS: Sollte die Rotphase etwas länger dauern, verschiebt sich der Beitrag um ein bis zwei Tage.

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Fünf

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Die Kartoffeln warn gesetzt / Die Verträge warn gemacht / Parzelle unbepflanzt im April 2024

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Jahrestage. Jahreskringeln. Heute vor damals. Achtzig Jahre her. Gröfaz endlich suizidiert. Stalin sagte: Njet. Solange WIR nicht sagen: Da, es ist der Kleine Prinz hinter mir nicht wirklich tot. Sagte Stalin. Der ganz große aller Großen. Aber was sage Wladimir Duck? Oder Donaldo die Pute?

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Ich schwankte damals zwischen etlichen Abiturarbeiten rum. Fünfzig Jahre her. Am 1. Mai aber mußte ich heraus. Und vor allem hinein. Die erste Freundin mit der. Nicht nur Geknutsche. Am Vorabend ohne Tagesschau und Getwitter in der besoffenen Vorabkneipe: Die Amis geben auf. Ho Ho Chi Minh. Verkaterte Demo. Die üblichen Lieder absingen. Schnell raus aus dem Genossenpaket. Bodanrück. Hochsitz. Grillen. Hochsitz. Ich würde gerne jetzt. Versuche scheitern gerne mal.

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Unlängst las ich von der neuesten Aufgeregtheit in Sachen Verfassheit Germania. Auf unsere Feiertage verzichten wir nicht. Nein. Nein. Diese Suppe ess ich nicht. Keiner besucht mehr die Kirche, aber versucht an den vererbten christlichen Feiertagen seine CO2-Bilanz nach oben zu wuppen.

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Vorschlag. Den ganzen Krempel weg und den 30. April als Ersatz. Uns Adilein der Feige kreuzigte sich selbst. Unsere Befreier kriegten ordentlich auf die Nuss. Trotz Agent Orange. Und den 9.November noch. Feiertag 2. Brennende Synagogen. Mauerfall. Und damals noch was früher – Einhundertsibbe Jahr vorbei – dankte der Kaiser ab. Feiertag 3 dann der 9. April. Todestag von Georg Elser. Und die Preußen vergessen. Den Rest einfach streichen. Und schaffe statt konsumiere auf Kosten fremder Konten.

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Net rumjammere, ihr Beamte und Pengsionäre. Heraus zum ersten Mai mal.

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Vier

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Hinterzarten / Schwarzwald / Stier mit Migrationshintergrund / April 2014

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„Diskutieren statt betonieren!“ Las ich gestern im Eingangsbereich des Museums Judengasse. Ich war nochmals in Frankfurt. Das Ticket vom Ostermontag galt drei Tage lang. Für beide Jüdische Museen plus Sonderaustellungen. Beispielhaft. Wenige Menschen verloren sich dort. Die Schlangen vor den Eisdielen waren entschieden länger.

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Das Schlangestehen. Der Westbürger blickte einst etwas herablassend auf den schlangestehenden Ostbürger. Hatte man doch alles. Während da drüben Mundpropaganda die Schlange vor einem plötzlich gefüllten Regal wachsen ließ. Heute, da die Regale Ost und West nicht nur voll, sondern meist sinnbefreit überquellen, steht der, vor allem, Westbürger begeistert Schlange. Eiscreme. Besonders gutes Brot. Mundpropaganda. Lifestyle.

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„Die Vergangenheit bewahren, statt mit Baggern drüberfahren!“  Siehe oben. Das Verdrängen war und bleibt das, was den Aufrechtgeher ausmacht. Daran ändern auch ausdauernd emanierte Erinnerungen nichts. Man muß davon ausgehen, daß diese Ein- oder eher Auslassungen nichts mit der Realität zu tun haben. Die Aufspaltung einer Gemeinschaft in das vielgepriesene Individuum führt zu nichts. Außer zum Verlust innerer und äußerer Gebetsräume. Was schade ist. Eine Gemeinschaft erinnert genauer als das abgespaltene LEGO-EGO.

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Wenn man im Museum Judengasse um den Schlüssel bittet, darf man den nebenan gelegenen Friedhof besichtigen. Wenn man als Mann seinen Kopf bedeckt. Ich habe seit langer Zeit nicht mehr einen Ort betreten dürfen, dessen Atmosphäre mich derart gefangennahm. Ab und zu tut es ganz gut sich als Eindringling und Fremder zu spüren. Ich hatte überlegt meinen Fotoapparat mitzunehmen. Gut, daß ich ihn zu Hause gelassen hatte.

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Seit etlichen Jahren bedecke ich meinen Kopf. Mützen im Winter. Hüte in den anderen drei Jahreszeiten. Gingen wir damals im Familienverband sonntags spazieren, setzte mein Vater, obwohl Prolet, sich den Bürgerhut auf und lupfte ihn zum Gruße, trafen wir Bekannte oder auch nur Passanten. Warum ich meinen Kopf bedecke weiß ich nicht. Und ich spreche nicht von Baseballkappen. Der Himmel mag mir gerne auf den Kopp fallen. Wäre vielleicht gar nicht schlecht. In Sachen Mahnung und Erinnerung.

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Was mich mit dem Theater versöhnen könnte? Ende der 80er durfte ich in Münster den Shlomo Herzl in George Taboris „Mein Kampf“ spielen. Die deutsch zweite Aufführung des Meisterwerks. Den Hitler spielte mein bester Freund. Im Jahr darauf tourten wir mit der Inszenierung auf Einladung des Goethe-Instituts durch Polen. Inklusive Besuch von Auschwitz.

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Drei

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Ithaka / Das war mal ein Haus / Die Reste nach dem Erdbeben / Juni 2023

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„Geht an die Ränder!“ Dies habe, so lies man heute, der gestern verstorbene Papst als erste Botschaft an die Priester seiner Kirche versendet. Obwohl ich es damals gar nicht mitbekommen habe, wie stets erst im Rückblick, klingt mir das symphatisch. Auch wenn nicht alles gelang dort an den Rändern, was er so vorhatte. Ich halte mich da weiterhin lieber auf als in den Mitten.

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Dreimal schlug einst der Camerlengo mit einem kleinen Hämmerchen auf die Stirn des Papstes, welcher reglos auf seinem Diwan liegend in andere Gefilde zu reisen bereit war. Wenn sich nichts mehr regte, verkündete er das Ableben. Heute übernehmen das die Ärzte. Den letzten offiziellen Gast, welchen Papst Franziskus empfing, war der Stellvertreter des Affen mit der Schreibmaschine.  Ich kann gut nachvollziehen, daß man dann einfach nur noch diese Erde verlassen will. Drei Hammerschläge Tag für Tag auf das Haupt, welches man mal bezeichnen durfte als: Democracy

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Axel Hacke nennt den leitenden D. Duck den Mann, dessen Namen ich nicht mehr schreiben werde. Ich, einen nicht namentlich genannten amerikanischen Diplomaten zitierend, greife ab nun zu obiger Bezeichnung.

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Wir waren über Ostern zwei Tage in Frankfurt. Rippchen, Äppler, Handkäs in Variationen, Palmengarten, Mainufer, Nizza und Bockenheim. Vor allem aber verbrachten wir gestern gute drei Stunden im Jüdischen Museum. Und, als wäre es mir neu, peinigte mich die Erkenntnis, daß der Affe mit der Schreibmaschine einfach nur ein mieser Faschist ist. Wie sein Jammermachofreund aus dem Kreml. Es sind stets dieselben Maßnahmen. Der kleinkarierte, faule, vom Dauerneid befallene und von Minderwertigkeitsgefühlen nach vorne gepeitschte „Rächer der Enterbten“ zerstört erst mal alles, was er nicht begreift aka sein vermeintlich grandioses Mickerego bedroht: Universitäten, Wissenschaft, Philosophie, das Nachdenken vor seinen ausgekotzten Worten, die wirklichen Tempel, die nicht den Götzen dienen. Alte Kontrakte, die auf Grund schmerzlicher Nachdenkarbeiten entstanden. Gewachsene Freundschaften. Und vergisst auf welcher Grundlage er überhaupt sein mieses Geschäft besingen kann. Und rechts und links an den Rändern der Mitten wird eifrig abgenickt.

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Wir saßen, um die Heimreise etwas herauszuschieben, ein meist von mir initiertes Ritual, noch im irischen Pub gegenüber des Hbf Frankfurt. Cider und Guinness. Von den sanitären Anlagen zurückkehrend, fand ich die liebste Gattin etwas erschüttert vor ihrem Nachrichtenportal namens Smartphone. Der Papst ist gestorben. Tags zuvor im Hotel hatten wir in den Nachrichten gesehen, wie er im Papamobil durch die gläubigen (?) Massen fuhr. Ich sagte noch, dies sieht aus wie eine Abschiedsrunde. Ich habe demnach vor der Heimreise noch einen Whiskey bestellt. Auf das Hämmerchen. Unsicheren Beines zum heillos überfüllten Zug nach Gießen.

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Conclusio. Der Tod des Papstes berührt mich eher als der Tod von Lichtgestalten oder in den 70ern hochgejubelten Gitarrenniedlern oder Sentimenttransporteuren aller musikalischen Arten. Warum? Weiß es nicht. Es gibt wohl noch etwas jenseits des Strebens nach der Vergoldung des eigenen Spiegelbildes. Womit wir wieder beim Theater wären. Und zurück im Jüdischen Museum.

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Ein Pfarrer zu einem Juden: „Ich will Ihnen eine hübsche Geschichte erzählen: Ein Jude wollte in den Himmel. Petrus wies ihn ab. Der Jude versteckte sich aber hinter der Türe. Und als Petrus nicht achtgab, schlüpfte er hinein. Drin war er nun und man konnte ihn auf keine Weise loswerden. Aber Petrus hatte einen großartigen Einfall. Er ließ vor der Himmelstüre draußen die Versteigerungstrommel schlagen. Da rannte der Jude schnell hinaus und Petrus schloß hinter ihm zu.“
Der Jude: „Die Geschichte ist noch nicht fertig. Durch die Anwesenheit des Juden war der Himmel entweiht und mußte neu geweiht werden. Man suchte daher im ganzen Himmel nach einem Pfarrer. Es war kein einziger zu finden!“

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Möge, sollte der Affe mit der Schreibmaschine tatsächlich am Begräbnis des Papstes teilnehmen dürfen, ein großer Blitz vom Himmel fahren. Und treffen. Bleiben wir naiv. An den Rändern.

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Zwei

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Schwarzwald / Über dem Schluchsee / Kunst im Wald / 15. April 2014

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Und dann stand da der Rothirsch im Wald. Ein schwarzer Rothirsch. Seine Konturen in die sehr heiße Aprilluft geschnitten. April! April? Weit über zwanzig Grad. Der Schwarzwald knirschte bedenklich unter unseren Schritten. Der Schluchsee halb leer. Deja vu. Von heute aus zurück.

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Zwei Tage nach einer Premiere unten in Freiburg wanderten wir da rum. Die Regiokarte hatte noch Gültigkeit. Kein einfaches Thema in der Arbeit der vergangenen Wochen. Selbstmorde. Trauerarbeit. Vorwürfe. Vor den Vätern sterben auch die Söhne. Nach der Mutter auch. Wir haben an Grenzen gekratzt und uns nicht blamiert. Im Gegenteil. Und dann steht da der Hirsch, genauer der Hirschdarsteller, im knirschend verdorrenden Wald.

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Wie heißt es so kokett? Kaufen Sie, wenn Ihnen nichts mehr einfällt: die witzige Postkarte! Harhar! Ist das Kunst oder kann das weg? Der Hirsch blieb stehen. Im Wald. Trotzdem. Blechspielzeug. Eitel.

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Ich hatte mich für diese Inszenierung tief in meinen persönlichen und familiären Trauerwald begeben. Selbstredend von der Umsetzung diffuser Erinnerung überzeugt und wohl auch immer mal wieder selbstgerecht. Aber ohne Krokodilstränen. Sagte mir zumindest die Liebste, die nun auch vor dem Blechhirsch stand. Noch amüsiert.

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Habe ich in den letzten Wochen nicht auch nur eine blecherne Behauptung in den Theaterwald gesetzt? Auch wenn die abgefeiert wurde?

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Der Chef des kleinfeinen Theaters da unten war begeistert. Vorgestern noch. Premierengeschmier. Er hatte vor Jahren, Sohn eines schwäbischen Geschäftlemachers, eingeheiratet in den theatralen Familienbetrieb. Als der Patriarch im Jahre vor unserer Wanderung gestorben war, hatte der kleine Prinz sein Ziel, einst nur ungeliebter Thronfolger der er war, erreicht. Ich bin der Kalif an Stelle des Kalifen. Isnogod. Ab sofort erklärte er mir, wie ich Komödien zu inszenieren habe. Palim. Palim.

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Mal stehen die Hirsche im Wald. Immer auch die berühmten Elefanten im Raum. Theater sind letztlich nur Porzellanläden. Colonel Hathi übernimmt!

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An den Bordsteinkanten / Spiegelfechtereien und Begegnungen / 2025 / Eins

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Castrop-Rauxel (Gastvertrag) / stillgelegte Zeche / April 2008

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Ich kann das Wort Bordsteinschwalbe nicht aus meinem persönlichen Wörterbuch streichen. Es existiert. Ich verbinde damit keinerlei Bedeutung. Keinerlei Scham. Keinerlei Reue. Aber auch kein Bedürfnis damit in irgendeiner senilen und pflegeheimnahen Selbstgerechtigkeit den gichtigen Zeigefinger in die müde Welt hinaus zu strecken. Palim Palim und Depp.

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Anfang der Neunzehnneunziger war ich ein paar Jahre am Landestheater in Tübingen engagiert. Eine gute Zeit. Naiv und einer damals so nicht erahnten Zukunft zugewandt. Spaziergänge in den Probenpausen führten gerne mal an das Grab von Ernst Bloch. Kaum was von ihm gelesen. Jedoch auf den Grabstein blickend bedeutende Luft einatmend. Schlaumeiernd. Walter Jens sei heute im Publikum. Raunte der Intendant. In der Pizzeria nahe meiner Wohnung verkehrte gerne der erblindete Hans Mayer in seinen letzten Monaten. Weltgeist atmete den Duft von Grappa aus. Oder ein. Der Neckar rauschte. Die Stocherkähne stakten. Und die hiesigen Burschenschaftler tranken Bier. Die besoffene Linke protestierte dagegen. Stocknüchtern?

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Jene alte Zukunft ist inzwischen vergoren, übelriechend und schon länger noch nicht mal mehr Vergangenheit, sondern lediglich Erinnerung. Beachten Sie bitte das Verfallsdatum. Am Flaschenhals. Am Flaschenboden. Oder an den hängenden Hoden Ihrer Erinnerungen in Sachen Matratzen.

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Weshalb Tübingen? Bordsteinschwalbe? Was erlaube Gedankenflug?

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Wir Mimen wohnten damals in von der französischen Armee aufgegebenen Siedlungen. Dünne Wände, große Terrassen, preiswerter als preiswert dank der Landesregierung (CDU), viel Grün drumherum und die rauschende Steinlach rechterhand. Einer meiner Kollegen und Mitbewohner, ein wilder Niederbayer, der kraushaarige Michi, schlug die Faust auf den Tisch, wenn das Bier, welches er uns gerne aus seiner Heimat mitgebracht hatte, in Strömen in uns hineingeflossen war. „Dös woas mir mochen. Dös ist nur ein dreckater Nuttenberuf! Nutten sammer! Mir alle! Nutten!“

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Wenn ich auf die letzten Bühnenjahre zurückschau, versuche ich gelegentlich in den beschlagenen Spiegel zu sehen. Eine Art der Selbstvergewisserung? Die Bordsteinschwalbe taucht auf. Stets und gerne. Bei mir. Den Anderen. Das Wort Nutte wird aber vermieden. A bisserl Feigheit vor dem Feind namens Einsicht muß schon bleiben. Wie einen friedlichen Abschied finden von seinem alten Gewerbe? Schreiben wir mal!

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 27

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Da stehe ich rum. Immer noch. Vorsätze. Frierend. Schwitzend. Inzwischen gar nicht mehr denkend. An das. Anklopfen. Aber. Das Danach. Später.

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Widde Widde Wit. Alles so schön bunt hier. Vor der Türe verriegelt ich. Rumstehen. Inzwischen. Nicht vor dem Gesetz. Pegel runter. Besser. Vor den Toren stehen die Toren. Stolze Esel. Was haben sie verbrochen. Ein Leben. Lediglich. Ach mein Schienenbus. Bleibe er stehen. Die Fahrpläne singen doch von der Beliebigkeit nur. Von den Toren und vor den Toren der Stille. Stehen. Still. Es verhasen die Harren. Quatsch. Es verharren die Hasen. Setzen sich eine Perücke über die Löffel. Wären. So gerne. Ein Löwe. Mal.

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Alles so schön grau hier. Heute Nacht. Aber. Werde ich sein. Ein Schauspieler. An den Tagen unsichtbar stets. Die Dämmerung. Nun denn. Ich ein Glühwürmchen. Zeigefinger ins Auditorium. Stumm. Dumm. Bewunderung. Ersehnt. Morgen wieder Eckensteher. Denkdrückeberger.

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Akku leer. Wo. Bitte. Darf ich meinen Welterkenntnis-Fundus aufladen. Alle Ladesäulen besetzt. Die Klagen lauter. Es gäbe sie nicht. Die ewigen Säulen. Man fühlt sich so. Verladen. Und suhlt sich in den Sumpfgenüssen unverbindlicher Schmerzen. Löse mich auf. Komme mir abhanden. Soso?

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Die wiederkehrenden Träume. Gleißender Schnee. Schneeblind. Meine Augen verweigern den Dienst. Tränen. Aber nur. Ein Mensch. Der Eine. Einzige. Wird Dich weinen. Lassen. Sonst schafft das keiner. Aber das Ego.

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Alles so schön bunt hier. Vor der geschlossenen Türe. Es rüttelt der Falke. Ich nicht mehr. An den Gattern. Ich streichle meinen Nachlösewagen. Von rechts. Von links. Bleib. Stehen. Alter Genosse. Bleibe stehen er nur.

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Ein alter Freund. Wenn er besoffen. Sagte er zu mir. Ich lass Dich jetzt. Ich trank dann weiter. Ohne ihn. Weiter. Bis ich aufhörte. Bis denne dann.

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