Mit Dylan durch ein Leben latschen / 10

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Ich bin ein Mann die Trauer ist mein ständiger Begleiter

Kein Tag vergeht ohne Ärger Schwierigkeiten und die Sorge

Ich verabschiedete mich von zu Haus‘ einst

Dort ward ich geboren und aufgezogen ich wuchs heran

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Die Tür zur Welt stand weit offen ich musste nur loswandern

Durch Eis und Schnee die Graupelschauer und den Regen

Ich nahm immer den einen ersten Zug frühmorgens

Möglicherweise werde ich in diesem Zug sterben müssen

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Deine Mutter sagte zu Dir der wird ewig ein Fremder bleiben Dir

Sein Gesicht wirst Du bald vergessen müssen

Eines nur aber kann ich Dir versprechen

An Gottes letztem Ufer sehen wir uns wieder gewiß oh Liebe

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Nun kehre ich also heim nach Hause vielleicht sogar

Von hier brach ich auf damals

Hätte ich gewusst daß Du mit mir nichts anfangen konntest

Vielleicht wäre ich zu Hause geblieben vielleicht

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Der Mann, der mich als Sänger, Musiker und Dichter ein Leben lang begleitete, lebt noch. Er wird bald 80 Jahre alt werden. Deshalb ab heute ein kleiner Countdown to Zimmermann`s Birthday. Noch 9 Tage. Get prepared!

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bagatelle neunundzwanzig / ostwärts

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Westward ho die Pfiffe das Schnalzen der Peitschen

Scheuende Pferde ausbrechende Rinder Stampede

Staub auf der Mattscheibe des kleinen rauschenden flimmernden

Fernsehapparats große Bubenaugen von da an der lange

Traum die Strasse nach Westen hinunter und raus und

hinein in rote Sonnenbälle nicht enden wollend

Reiten fahren sich reden sich fluchen keine Minute älter als

Die Vorherigen liegen lassen

Irgendwo am Rande der Welt werden wir das Gold schürfen

Heute wo es begann am letzten Zipfel der Republik kniend

Der Blick gen Osten neuen Tag erwartend

Ihm schon nachsinnend

oh Eos

(Konstanz / Hörnle / Sommer 2008)

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PS: Als ich dies eben schrieb, sang Bruuuce dazu. Schöne Coincidencia.

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PS2: Danke der lieben Gattin für das Foto.

Damals / heute der Tag des Limericks

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Es weinen die Identitären

Bitterlich sauere Zähren

Es blubbern die Klagen

Aus vollem Magen

Wie gerne ein Opfer wir wären

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Es jagen die Sprachpolizisten

Es wachsen und quellen die Listen

Man kackt die Korinthen

Den Fehler wer`n finden

Die an den Hängen da pissten

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Empörte Gärtner die jäten

Mit scharfer Klinge sie mähten

Stramm stehen die Halme

Man erklettert die Palme

Als wir im Winde verwehten

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Ein Rüde aus Thessaloniki

Dem war nach ordentlich Ficki

doch die Dacklin aus Kiel

die war ihm zuviel

die war ihm zu schicki zu micki

*

Ein Eisbär der froh und munter

Sich rubbelte einen runter

In seinem Hotel

Doch er kam viel zu schnell

Das Leben war auch schon mal bunter

*

Was ist der Empörung der Zweck

Der Juckreiz der soll bitte weg

Doch er wird nie verschwinden

Auch wenn wir uns winden

Ich höre jetzt Schobert und Black

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Heute ist der Tag des Limericks. Schobert und Black waren da die unangefochtenen Weltmeister. Als wir auch Weltmeister waren. Nicht nur mit dem Bomber der Nation, der diesen Titel trug und ignorierte. Unter anderem eben im mehr Demokratie wagen. 1974. Heute habe ich mehr und mehr das Gefühl, ich werde als Altlinker ständig von den Junglinken rechts überholt. Dabei schaue ich selten in den Rückspiegel. Weil da keiner ist. Mein Fahrrad braucht keinen. Obwohl, die sich wie Karnickel vermehrenden rasenden I – Beiks? Die Zukunft von hinten rollt sie heran, sozusagen.

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bagatelle achtundzwanzig / grinsekatze glitt aus teflonpfanne auf die bühne

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Las die Zeitung ein Zitat von Mickey „Bad ass and distorted face“ Rourke

I hate actors. They are some oft the creepiest puke – asses I`ve met in life

Denke an Walter ein schwarzer Riese mit Boxerhänden und der

Seele eines neugierigen Schmetterlings

Schauspielcoach aus NYC ich war sein Übersetzer einige Wochen lang

Wie er schwärmte vom Boxer im Mimen Rourke

In der alten Schokoladenfabrik in Köln

Marathonsessions Seele aufrubbeln sich selbst durchsieben bis an

und über Grenzen hinaus Zeitreisen das Erinnern üben an alle Bagatellen

gefährliche Spiele manchmal

aber eines will ich

nicht vergessen den Rat des stets lachenden schwarzen Riesen

you gotta have commitment man commitment

wenn Dir nicht nach Grinsen ist tue es nicht du bist

Künstler keine Teflonpfanne

Und ehre deine Wunden die sind Dein Benzin

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idiotenwinde pusten durch das land der germanen die keine mehr sein wollen aber dies verbissener sind nun denn je

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Die Sprachpolizei jagt Schwachmaten durch die Labberlandschaften grüne gelbe und anders angepinselte Balltreter pinkeln sich an die Schienbeine man scheucht sich gegenseitig auf die Palmen des Bösen die Bären bocken und ein verspießertes Land jammert sich in den Sommer der neuen Freiheit hinein alte Männer sollen schreiben Texte mit * und * wie auch * die sie in ihre Einlassungen einfügen mögen und so lassen ihr verflossenes Leben außen vor und schon wieder Bayern München man mag so grüner werden hinter den Ohren dieser Republik die sich Erlösung von der Erbsünde Reichtum erträumt ohne ihre Schulden begleichen zu wollen sondern weiterhin verdienen will sich dumm und krumm und dämlich küß die Hand Madame die anderen mit schwarzer Klappe vor den Augen jeder Wetterbericht der Regen ankündigt ist eine Beleidigung der neu erträumten Fröhlichkeiten also verlasse Du der nicht atmet in meinem Takte meinen Strafraum Elfmeter für alle gegen jeden sofort ich aber unschuldig stets angeschossen nur meine Hand so bleibe ich wohlverdienend und hysterisch und werde gut und besser mit jedem meiner wohlfeilen Worte nicht handelnd aber faltet die Hände um unsere Geldbeutel aller mit mir Amen

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Mancher aber wünschte Deutschland regte sich ab und die eigenen Haufen von der Fahrbahn klaube es grün gelb lila gesprenkelte Würste stinken mal so dann anders eben Spieglein Spieglein an den Wänden oder mal bremsen 

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Nachtrag: Obiges schrieb ich heute Nacht in nicht nur nüchternem Groll, heute lese ich dazu von einem schön nüchternen Soziologen. Sehr gut.

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bagatelle siebenundzwanzig / slubice 2

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wütend

müde

mütend

einen nagel in den pudding gehämmert

passt wackelt keine luft

dein duft irrt immer noch

rum in den

vernachlässigbarkeiten

gestern stolperte ich

über das vergessen

blieb liegen

heute graupelschauer

der winter winkt mir hinterher

herzensmuskelkater

ein lied meine bagatelle

ein lied noch erinnernd

immer und hin

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(frankfurt an der oder / 1999)

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wohin auch immer sich die waage auf dem marktplatz der eitelkeiten neigen möge es schreite ein der eichmeister

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Las unlängst eine Meldung. Weiß gar nicht mehr, ob auf Papier oder auf einer der etlichen Mattscheiben. Inzidenz in Köln – Hahnwald 0. Inzidenz in Köln – Chorweiler 543. Das tat mir erhellend richtig weh.

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Ich lebte lange in Kölle. Südstadt. Wenn man Richtung Süden am Rhing entlang spazieren ging wuchs das Einkommen der dort Ansässigen in 100Meter – Schritten exponentiell. Rodenkirchen. Marienburg. Hahnwald. Auf den letzten Metern in Hahnwald kam man sich vor wie ein Oscar – Gewinner. Von rechts und links im Visier der Kameras. Wir winkten dann immer in die Linsen. Wie damals Honecker. Oder die Queen. Manchmal royste leise ein Rolls vorbei. Oder Christof Daum. Oder halt Hans Gerling.

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1983 drehte ich meinen einzig nennenswerten Film in Chorweiler. Chorweiler ist eine dieser typischen sozialdemokratischen Frühsiebziger Sozialbau – Monsterburgen. Gut gemeint und übelst gelandet in der Realität. Ich spielte in diesem WDR – Werk (bekannter Alt 68er Regisseur / sein Motto: rein in die sozialen Brennpunkte, ich aber wohne in acht Zimmern in Neu – Ehrenfeld / mein Nachbar Wallraff hat nur sieben, dafür aber allein) einen Skinhead, Neonazi. Dumm wie Brot? Oder einfach nur verletzt vom Leben? Bei den Dreharbeiten machten uns dann echte Skins an. „Wat wollt ihr eijentlich hier, ihr Heiopeis? Allet besserwissen, oder watt?“

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Wenn ich aus dem Fenster schaue – siehe Foto oben – blicke ich auf ein Gebäude der Wohnbau Gießen. Als wir hier einzogen, wohnten da drüben hauptsächlich Rentner. Ruhige Nachbarn. Seit zwei / drei Jahren hat sich das geändert. Viele Kinder. Flüchtlingsfamilien. Es wird lauter und lauter. Stundenlang jagen und toben 20 und mehr Kinder übers Gelände. Unsere Bierbank unten im Hinterhof? Da gemütlich rumsitzen? Nicht mehr so dolle dort. Manchmal kotze ich, sitze ich doch hier oben an den Tasten und versuche meine coronabeschädigte Konzentration aufrecht zu erhalten. Warum eigentlich empöre ich mich? Oh du Sensibilität? Oder Arroganz?

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Vorgestern feierten sie da unten einen Geburtstag. Abstände? Vergiß es. Aber bevor ich meinen Moralfinger ausfahren konnte, dachte ich an die obige Meldung und sah die Kinderaugen strahlen und toben. Führen wir eigentlich die Diskurse an Orten, wo wir nicht betroffen sind? Gut möglich.

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Ich glaube, ich bin Mitglied einer Generation, der das Glück unter die Nase gerieben wurde. Wir durften unsere Eltern beschimpfen und wurden auch noch bezahlt dafür. Wir konnten aus unseren Traumata Geschichten basteln. Wir haben als ewige Besserwisser das Logo „Das wird man doch mal sagen dürfen!“ erfunden. Jetzt entzieht man uns halt das Copyright.

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Vorgestern regnete es wieder heftig. Möge es dies noch lange tun, spricht der Gärtner in mir. Ich ging nach unten, um den Müll in den Tonnen getrennt zu versenken. So 10 / 15 der Kinder tobten noch durch den Graupelschauer. Eines sagte: „Wir müssen jetzt rein!“ Antwort: „Nee, hier draußen ist doch viel toller als drinnen!“ So isses. Wollen wir wirklich wissen, was hinter den runtergelassenen Rolläden geschieht? Ich werde mich nie mehr wieder über lärmende Kinder in der Nachbarschaft aufregen. Das Schlauchboot mit dem ich mal auf dem Mittelmeer rumschipperte war nicht überlebenswichtig, sondern: FUN! Eben. Nachdenken ist anstrengend.

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d‘ nasentrompeter gibt kei‘ ruh‘ also du

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Hör zu was ich gepfiffen hab‘

uff meiner langen Nas‘

so halte ich die Sau auf Trab

sie jagt durchs Dorf mit Spaß

auch schon gehört fragt man verstört

ertrinkt in Reizes Flut

Zeigefinger sich reckt empört

ein Bürger badet in Wut

und postet printet kommentiert

so langsam den Verstand verliert

sogar auf seinem Nagelbrett

im fernen Kloster Ruhebett

der Fakir und die letzte Nonne

Verzweiflung an der Welt ist Wonne

so hallt es allenthalben

auf Plätzen Straßen Foren

sogar die Gletscher kalben

ham im Galopp verloren

Vernunft Verstand und Maß

und weiter pfeift die Nas`

auf ihrem letzten Loch

wie lange ach wie lange noch

sogar die Engel liegen auf dem Rücken

ohne jegliches Entzücken

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PS: Nein nein, obiger Nasentrompeter ist nicht der weltbeste Reimer und Sangesbruder, welcher bald 80 werden wird, sondern er hängt mit der Trompete nach unten im Hauptportal des Freiburger Münsters, rechts oben. Ich habe ihn mal etwas auf links gedreht. Jetzt liegen dafür die Engel, die sonst aufrecht stehen neben ihm auf ihrem Rücken.

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PS2: Weshalb i etz da druff kumm? Stand heute in einer mittelhessischen Bäckerei neben einem alten Herrn der gnadenlos Dialekt sprechend Brezzele (die heißet so und schmecke halt au wie se heiße!) bestellte. Der Verkäufer war etwas irritiert. Ich übersetzte dann ä wengele. Und denn noch so drei Mohnweck. Hätter au no gsagt. Und machet ses in ein Beutel! Und was macht etzt en Badener in Hesse? Ho, de Bub schafft do! I au! Des henn i denn gsagt. Isch aktuell it so, aber egal. Schöne Begegnung in Sachen Alte Heimat. Aus aktuellen Anlässen den Nasentrompeter aus dem Archiv geholt.

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damals und heute heraus zum 1. mai

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Komme eben von der 1. Mai – Demo und stelle fest, daß ich egal wo und wie, kaum eine Kundgebung zum „Internationalen Kampftag“, wie es so schön heißt, verpasst habe in den letzten 48 Jahren. Nicht nur Ritual, sondern auch Überzeugung. Nötiger denn je: Zusammenhalt gegen soziale Kälten.

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Obiges Fotos kuckelte ich unlängst beim seemoz, einer Netzzeitung, die ich gerne mal besuche, wenn mir nach alter Heimat ist. Das Bild aus dem Jahre 1973 bestätigt mein allererstes Herausgehen zum ersten Mai.

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Aufgenommen wurde das Foto auf der Marktstätte zu Konstanz. Die alte Hauptpost im Hintergrund. Da habe ich später dann eine Zeit lang gejobbt. Da liegen auch noch schöne Geschichten rum. Ich lief, glaube ich mich zu erinnern, beim vierten Transparent mit. Man forderte ein selbstverwaltetes Jugendzentrum. Das waren die etwas Älteren. Ich schaute zu ihnen auf. Einige von denen haben dann Wochen später das erste Haus in KN besetzt. Rosenlächerweg 2. Und das wäre der Sound dazu, die Gruppe aus Berlin.

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Nächstes Jahr gehe ich sicher nochmal raus in den Mai. Hoffentlich dann wieder „mit einem Schoppe in der Hand“, wie einer der vielen alten „Genossen“, die ich jedes Jahr hier vor Ort treffe, heute richtig bemerkte.

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PS: Dank nach KN fürs klaue könne vun sellem Foto. Oder it? I zahl aber au!

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papa wann sind wir endlich zu hause mama der hat die hat ich hab aauaaa

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Ein Renault 4. Hellblau. Baujahr 1964 oder 1965. „Unser“ zweites Auto. Das erste war ein Leukoplast – Bomber gewesen, ein Lloyd. Wer mein Alter hat, erinnert sich an die Beschaffenheit der Rückbank eines R 4. Die Mittelstrebe aus Eisen. Eigentlich war das eine schlecht gefederte Gartenbank. Meine kleine Schwester musste in der Mitte sitzen. Mein Bruder meist hinter dem Fahrer oder der Fahrerin – meine Mutter war eine ausgezeichnete Autofahrerin, meinem Vater standen der Autofahrerei gerne seine schwankenden Launen im Weg – ich also saß auf der Beifahrerseite hinten. Das habe ich dann auch den Rest meines Lebens im Wesentlichen so gehalten. Ein Autolenkrad ward mir nie zum erstrebenswerten Fetisch. Freiheit geht auch anders. Und – sage ich mal frech – es gab einige die mich gerne chauffierten oder mitnahmen – Daumen im Wind – da ich wohl recht unterhaltsam sein konnte. Zigaretten und so rollen, Bier aufmachen, Witze erzählen oder einfach nur Stuss reden. Zurück in den Renault 4. Natürlich wurde gezankt auf der Rückbank. Manchmal so heftig, daß mein Vater nur noch eine Hand am Lenkrad hatte. Die andere, meist rechte, versuchte hinter ihm für Ruhe zu sorgen. Was wiederum meine Mutter nicht so schätzte. Dadurch war der Zank in den Fond gerutscht. Und weshalb ich mich daran erinnere? Weil die Zankerei auf der Rückbank meist dann eskalierte, wenn man kurz davor war zu Hause anzukommen. Eine lange Fahrt hatte man halbwegs entspannt überstanden, aber kaum sah man den Münsterturm der Heimatstadt am Horizont blinken, ging es ab da hinten. Mein Vater, der ein paar erinnerungswürdige Bonmots sein Eigen nannte, sagte dann gerne: „Wenn der Esel den Stall riecht, wird es ihm zu wohl!“

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Sah gestern – dies eine letzte Bemerkung zur Aktion der „53“ Dichtmacher – Maybritt Illner. Die Traurigkeit und Zerstörtheit von J. J. Liefers hat mich – bei aller Kritik an seiner extrem unbeholfenen Nichtrechtfertigung der blöden Aktion – fast schon wieder angerührt. Man muß wohl aufpassen auf den letzten Metern der schrecklich anstrengenden Reise auf der Rückbank nicht die Nerven zu verlieren. Dort ging es auch immer der kleinen Schwester am schlechtesten. Die musste auf der Eisenstrebe sitzen und bekam abwechselnd von rechts oder links einen ab. Und jammerte kaum.

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Oben das Foto meiner ersten Impfdosis. Mitte Mai werde ich durch sein, vorerst. Die mir dadurch neu zustehenden Rechte werde ich dann bei E – Bay an besonders Ungeduldige auf den Rückbänken unserer Republik versteigern. Davon kaufe ich mir ein Bier. Nee, zwei! „Well, I woke up this morning, I got myself a beer. Future’s uncertain and the end is always near.“

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