Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 12

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An der Seite des Geheimrats / Ilmenau im Oktober 2021

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Zeigefinger auf hohen Absatzbewegungen

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Beschwingt zerknirscht schwingt das hochdesignte Schlaghosenbein

Hinter dem geschwungenen Pult hervor im Studio der

Zeitendeuterinnen

Und ich versuche mit druckergeschwärzten Fingerspitzen

Mir die Zeigefinger aus den Augen zu kratzen

Die auf mich eindringen moralingesäuert

Die Meldungen überschreiend

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In NY grinst eine Prinzessin Gernegroß in die Linsen

Kein Eintopf

Winkt heran einen alten Backfischtraum stampft auf

Und rumpelstilzt

Nein nein nein

Meine High Heels laß ich mir nicht verbieten

Der Dienstwagen hält auf Passanten

nicht mehr halten aber

kann es der farbige Chauffeur welcher lachend

sich erleichert an einen Hydranten

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Wie gut ginge es mir

Ohne all die

Die mir weismachen wollen

Es ginge mir schlecht

Schrieb mal Andre Gide

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(September 2025)

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Umzingelt von Besserwissern und Rechthabern aller sieben Geschlechter, meide ich die Bildschirme nicht immer, aber immer öfter, halte mich an einer Zeitung aus Frankfurt fest, auch wenn die nicht mehr soviel Druckerschwärze hinterlässt wie anno tobacco road und ansonsten bleibe ich in der Nähe von Reimen. Den unten mag ich. Selber denken.

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du heilige

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wie hast du

alle hinters licht

geführt

ganz ohne

insignien

der ohnmacht

du bist die beste

scheinheilige

alle kerzen

zünde ich dir an

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(Doris Runge)

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Ein Ritter findet immer noch, zu guter Letzt, ein Mauseloch!“

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Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 11

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Abendliche Altstadt / Gernsbach / Nordschwarzwald / September 2024

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Daheimgefühl versus innere Freiheit

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Wenn das Müde nach uns greift

Der Himmel nur noch Donnerblech

Zum Abendmahle Schwefel Pech

In überhitzten Kesseln schmurgelt

Beginn Dein Ende ohne Arg

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Wenn das Fade nach uns fasst

Der Fluß versiegend Ufer meidet

Ein Storch durch Auen trocken schreitet

Frosch ungeküsst im Brunnen tobt

Begeh Dein Ende Tag wie Nacht

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Wenn eine Reise ohne uns

Gestade fern und unbesehen

Ein Berg verborgen unter Wehen

Schnee fiel die ganze Woche leicht

Sing nicht vom Ende heut noch nicht

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Wenn Stunden alt und klapprig atmen

Bieg nochmals um die selbe Ecke

Erinner Dich an die Verstecke

Die Bilder hingen nicht umsonst

Denkt nicht an Ende häng sie um

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(gießen / anfang september 2025)

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Verloren wäre ohne Schwan der Lohengrin in seinem Kahn!“

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Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 10

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Bei Nonnenhorn / Bodensee / Oktober 2022

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Sand auf der Seele oder Du hattest mich an die Dinge gemahnt, die heimlich in mir waren

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Sie sind nicht voll

Die Flaschen leer

Und unter deinen Schwingen

Mit was soll ich noch ringen

Da ich nach Hause roll

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Auf morschen Pfaden hingemalt

Der Abdruck Deiner Schuh

Das Ächzen meiner Knochen

Soll ich Dir heut was kochen

Die letzte Rechnung nicht bezahlt

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Es dräut ein Schweigen langer Mut

Und Fingerspitzen tippeln Hast

Der Herbst fällt schüchtern über’s Land

Der Sommer halt erschöpft den Rand

Feuchte Felder Kartoffelfeuerglut

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Die Stadt tanzt ihre Häßlichkeiten

Passanten hasten ohne Pläne

Ein trudelnd Blatt ich fing es auf

Hoffnungsbrösel Dauerlauf

Wir sollten uns wohl vorbereiten

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(gießen / ende august 25)

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Wer sich ganz in Eisen hüllt, hat noch nie vor Schmerz gebrüllt!“

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Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 9

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Bank, altersschwach und Abfalleimer / Sowetsk (ehemals Tilsit) / 2. September 2017

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poesiealbum des alterns

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seit beginn des jahres sammle ich die

schmerzen des dahinschwindens die

wenn sie mir nicht zufliegen nächtens

oder wenn der griff zur kaffeetasse zu heftig eine

unerwartete drehbewegung weil ich ein

knirschen ziehen rasten überhörte dies

wollte gar und nicht anders kann ich dies

doch

zwischen die zipperzapperlein hüpfen sie tanzen

herein herein rufe ich nicht die uralten

die fröhlichen nie auskurierten nie kuratierten

schmerzen eines einstigen jünglings die nicht siedeln in den

knochen aber im kopf

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wohin gehen die tage wenn sie

vorübergehen bleiben sie

hinter der nächsten ecke stehen um

zu warten dort auf mich

einandermal

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(unlängst in einer schmerzhaften nacht / gießen sommer 25)

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Das was im Faß, ist meistens naß!“

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Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 5

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Gießen / vorletztes Wochenende

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Unlängst stand ich vor einem „legendären“ Pavillon vor Ort. Weil diese Stadt, wie jedes Leben, sich gerne an die Reste, die man freudvoll noch erinnert, klammern mag. Und die dann oft im Superlativ etikettiert. Dachte könnte da ein nettes Photo (Ich klammeraffe mich an die alte Rechtschreibung!) machen für diesen Block. Hinter den leeren Scheiben lauert möglicherweise ein restliches Funkeln. Wertvolle Erinnerungen. Ich habe hier unseren Hochzeitsstrauß gekauft. Und meiner Mutter sehr oft Muttertagssträußle gefleuropt. Und das wunderbare Paar, welches den Laden betrieb? Aber wie mer sieht, sicht mer nix. Nur in meinem Rücken Menschen. In Bewegung. Was mache mer jetzt? Schreib ich einen Roim.

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Elche Kritiker Narzissten

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Elche Kritiker Narzissten

Sitzen oft in kleinen Kisten

Wo sie nicht nur einst vermissten

Liebe allumfassend ja

Von Papa Tante und Mama

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Der Frühling geht der Sommer bald

Der Herbst noch wartet dann wird’s kalt

Was es schon seit Jahren war

Mein Leben war nie wunderbar

Ich lebe zwar der Sorgen bloß

Mein Konto und die Wohnung groß

Doch Geister Zecken und Lemuren

Ach mein Leben voller Spuren

Narben darben voll der Bauch

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Der Kritiker den Elch beschimpft

Weil der sich viel zu spät geimpft

Der Elch dem Kritiker den Vorhalt macht

Er habe will zu spät bedacht

Man sei doch ein und ganz der Gleiche

So wie der Therapeut sacht zum Kliente

Du hast doch nix nicht mal niente

Und jetzt mein Leid tu akzeptiere

bevor ich die Geduld verliere

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Und der Narziss in seiner Kist‘

Den Zeigefinger gen Himmel hißt

Und blökt zum Ende des Gedicht‘

Keiner keiner liebt mich nicht

Also mach ich’s selber mir

Herr Doktor schnell noch ein Klistier

Da will mich was verlassen

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Dann schmiert man sich ein Butterbrot

Und salzt es isst es und der Kot

Am Ende Deiner Lebensmühle

Wo Herr im Himmel bist Du bitte

Doch der sagt

Spüle

All Deine Geisterchen hinab

Es wird ein lustig‘ Rauschen

Dein endend‘ Leben wirst Du nicht tauschen

Gegen Illusionen und selbstverordnet‘ Grandiosem

Zu spät doch übe Gnade

Besser iss gewiß

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Für einen Ritter ist die Rache so wertvoll wie ein fetter Drache!“

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Gestern war ich noch länger auf dem Stadtfest. Alles ein bisserl hysterisch massenhaftig. Wie es halt iss. Die malade Hüfte war aufsässig. Man trifft sich. Geht sich auch gerne mal aus dem Weg. Zu lange in dieser Stadt. Den einen Tag eben. Aber am Schluß – mir ist das Hessische immer noch ein humorlos und gewöhnungsbedürftiger Dialekt – das Folgende mochte ich dann doch. Weil es halt passte. Und manche Geister auch überleben sollen.

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„Seit Wochen jede Nacht dieser Nebeldunst über den Teichen. Irgendwo da draußen schlägt immer einer auf ein totes Pferd ein.“ (frei nach Bob Dylan)

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Lob der Vernachlässigungen

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Und ich hatte doch noch was auch immer

Ich wollte aber

Morgens die unaufgeräumte Küche Mahnung an den Abend davor

Und was war es eigentlich was ich wollte

Die Versprechen die goldnen wo sich verirrt

Warum die Ampel heut‘ rot

Und dann dreht man sich um

Schon wieder jemand in Not

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Was war’s was gegolten

Als wir noch konnten vertraun

Was war’s was gegolten

Statt johlend sich zu verhaun

Was war silbern statt golden

Wir erinnern uns nicht

Es stolpern die Reime

Über mein letztes Gedicht

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Was immer wir wollten

Vergessen wir’s schnell

Heute war’s dunkel

Morgen wird’s wieder hell

Und der Mann auf dem Mond

der passt auf uns auf

Unsere Erde bleibt rund

Und läuft ihren Lauf

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Lasse ich die toten Pferde liegen und strenger riechen

In Ruhe als

Die eigenen Zeigefinger

Fuchtelbefreit

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„Der Sturm wird immer stärker. Das macht nichts. Ich auch!“ (Pippi L.)

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Lob der Lethargie

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Wie ich beschloß ein schlechter Mensch zu werden

Der ich schon immer

War mit dem nackten Arsch gen Bestätigung

Da wo er mich lecken mag

Empor empor empört schon lange nicht

Mehr mehr sagte der kleine Häwelmann und ich mache mir

Die Welt wie sie vielleicht

In den alten Unterhosen und Almanachen nur noch gelbe Flecken

Pippi konnte Pferde in die Luft

Schlösser

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Als kleiner Junge träumte ich vom Dietrich

Der öffnende Öffner der verschlossenen Schlafzimmer

Töte den Vater schlaf mit der Mutter

Oh Jimi Morrison Schreivogel

Der Diederich die alten Geschichten wundersam befreie

Wie ich mein trauriges Glied von mir selbst

Jahre später verabschiedete sich eine Bildschirmtante

Nacht für Nacht

Alles wird gut

Grinste sie

Ach

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Jetzt liege ich auf der Matratze meiner letzten Sätze

Roch besser schon

Doch meine Frau verzeiht mir

Was ich mir niemals

Und die Jugend vermodert endlich sich

Müde so müde

Und führe mich nicht

Versuche mich

Chimären kostenbefreit und von der Erlösung

Singen die ewigen Konfirmanden

Und die Weltenretter tanzen in ihren Gummizellen

Den Klammerblues allein

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„Wenn ich nicht allen zu Recht sein kann, kann ich genauso gut niemandem zu Recht sein.“ (frei nach Dylan)

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Lob der letzten Pandemie und jener die folgt

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Beim Betreten von Räumen links vor rechts und umgekehrt

Oder neues Recht so vielleicht der Strich in der Mitte der

Trennt Zimmer von Plätzen

Und Eile von Vorsicht

Getrennt einmarschieren und

Verlieren ist Menschenpflicht

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Die Einsamkeit schätzen zu lernen

Da man nichts zu sagen hatte denn

Ich und in allen unteren Hosen Streifen der Ängste

Leider bei etlichen sich braun oder braunrot verfärbend

Freie Kreuzungen und vor den Ampeln

Stehenbleiben maskiert verwirrt

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Weniger Maulgerüche verzichtend auf dieses Verspritzen

Der Urlaubserlebnisse und Aerosole

Notspaziergänge Durchhalteparolen

Wären nicht nötig gewesen

Die Behauptung gelebtes Leben sei

So wertvoll wie manischer Erinnerungsterror

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Meine alte Mutter mich beruhigend

Ach Junge die Katastrophen

Dein Teller stets voll war

Was sucht Dein falscher Hunger noch

Ein leerer Magen der schmerzt der

Cave vanitas schwindelt es oder ich

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„Eimer voll geregnet. Eimer voll geweint. Es läuft mir inzwischen aus den Ohren heraus!“ (frei nach Bob Dylan)

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Als der Regen endlich regnete

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Und als der Regen dann endlich regnete

Regnete er fest entschlossen pausenlos

Drang ein in alle Ritzen ließ schwellen den Jackenkragen

Zog die Ärmel lang tropfend und verschlammte das Profil

Der dicken Schuhe die standen zwischen dem Gemüse

Fremd dem ewigen Geplätscher jegliche Mässigung

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Bald wird die Sonne gnadenlos wieder versiegeln den Boden

Hart härter ohne Drama geht es nicht mehr

Höher der Ton das Quietschen der Empörungen

Regne Regen solange es Dir lieb

Jedoch

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Meine Liebe benötigt kein Ölzeug

Mein Leben ermüdet mich als freundliche Last

Die Frau an meiner Seite zu

Mir passt und tue nun was zu tun ist

Ohne Hinterlist und unterwegs bleibe ich stets

Bei Dir stetig

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(gießen / kurz vor pfingsten 2025 und happy birthday auch noch)

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„Nein. Nein. Nein. Der bin ich nicht. Nicht der den Du suchst. So lange schon. Der, eben, der war ich nie! Gestern vielleicht.“ (frei nach Bob Dylan)

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auf den feldern von morgen keinen anweisungen mehr entgegeneilen

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nichts

nichts tun

das nichts

das tun des nichts

tu das nicht

das nicht

aber

später

wenn der nebel

tee geworden

trink ihn aus in ruhe

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ein stück bergauf noch

im gleichmass atmen eventuell

den lungen noch etwas

letzte zeit geben

den jungen pflänzchen mulch düngung zueignung

zeigefinger nähren nicht eine letzte ernte

altklug werden sie nie

die früchtchen

auch wenn der bourgeois salonlink und die elche welche

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eine messerspitze vielleicht

eine halbe tasse dazu

und vorsichtig noch den teelöffel voll

träufelnd einstreuen ohne

glorifizierung und das überrumpeln deiner

gäste falls es noch

jemand schmecken sollte außer

deiner überheblichkeit

die wahrheit bleibt was sie bleibt

ein weiterer irrtum

*

danach erweise deine referenz den gurken

neige dich huldvoll hinab zu den tomaten

und allem hoffnungsvollen grün

lächle zu

keine macht und niemand

der blick in den himmel

bittet um regen

stet und nicht zu heftig

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auf den knien zu rutschen

die hände in erden

wird werden

und wenn nicht dann

nichts

nichts tun

das nichts

das tun des nichts

tu das nicht

das nicht

aber

später

wenn der nebel

tee geworden

trink ihn aus in ruhe

gottes hand

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(auf der hardt / heute kürbisse / melonen / auberginen / gesetzt statt gesetz)

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