Meersburg / Jan. 2024 / Links: Fischerboot / Rechts: Zweifler auf der Promenade / Foto: A. Haas
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Wenn das Netz leer bleibt
Ist es pure Eitelkeit auf dem Markt
Seine Aufwartung zu wiederholen
Selbst wenn dem einsamen Angler
Die Aufgabe schmeicheln mag
Den antwortlosen See voller zu fischen
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(Gießen kurz vor Februar 2024)
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Bis nach Ostern übernehmen meine zwei Freunde. Sollte Ihnen ein Gedankenfischle ins Netz flosseln. Hier schweigendes Aufräumen. Lesen.„Wirkungswille ohne Letztbegründung“. Dank an Heinz Bude für dieses Zitat.
Die kaufgierig fluten seit Jahrzehnten die aufgesuchte alte Heimat
Die abhängig
Wer liest was schon unter vollem Einkaufsbeutel
Als ich stehenblieb und bemerkte und ich mich fragte
In meiner schlauen Manteltasche ein Zitat
Das Spiel, das wir Gesellschaft nennen ist zu einer Schlägerei geworden
Patient Gesellschaft Klient Familie
Stets und wieder das Karussell an den Ketten
Dreht und dreht sich
Die Erinnerungen minütlich alt und älter als
Der tote Kaiser angeleimten Armes über Mexikos Rasen schlich
Als der Mann dessen Namen auf meiner pubertierenden Zunge verging
Eine ewige Sonne herbeisehnend
Gigi Riva
Oder rombo di tuono
Das Donnergrollen tauften sie ihn wie ich las eben
An – ausgerechnet – Schnellinger vorbeirauschte
Ausgerechnet Schnellinger
Stahlblonde deutsche Sehnsucht nach Arkadien
Schiffe versenken Admiral Dönitz C 7
Verlierer sind wir alle allemal
Wenn uns die Tage verlassen
Wohin auch immer hin
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Nachklapp: Was ich nicht wusste, dass eben jener Luigi „Gigi“ Riva als Kicker auf Sardinien gelandet war, die Insel dann nie mehr verließ und mit dem Inselclub Cagliari Calcio sogar im Jahre 1970 Meister wurde. For sentimental reasons. Die Erzählung Treue.
Gegenüber von Kiel an der Förde / Ein Pirat / Ein Fischkutter / Januar 2015
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Wir brauchen neue Kanzler*innen oder mit dem Volk nach vorne denken
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Heut‘ ist mal wieder Weltuntergang
Es schiebt leere Stühle
Sein Blicken so bang
Ein Wirt durch die Kneip‘
Hadert mit der Gäste Verbleib‘
Zu Haus‘ in den Nichtorten
Vor den Toren der Stadt
Warum nur mein Gott
Geschneiet es hat
Und blitzgeeist
Was heißt
Dass Straßen leer
Die Germanenseele bitter und schwer
Etliche Minuten ganz ohne Konsum
Der EßYouWie bleibt leider stumm
Seit halben Tagen
In beheizten Garagen
Sowie in des Wirtes Port du Car
Drei Benze schweigen wunderbar
Der Krisen mehr
Kommt bitte her
Dann werden
Woll’n wir wetten
Die Schreiber der Lokalgazetten
Wenn’s taut die Pfützen zählen
Und wird’s dann heiß
Derselbe Tastenscheiß
In kurzen Sätzen
Zum nächsten Weltuntergang hetzen
Give the people what they want
Anders sieht es Meister Kant
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PS1: Dieser Beitrag wurde nachträglich nicht mit KI scheinverbessert.
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PS2: Dieser Blog wird gelegentlich von einem gelernten Schriftsetzer kritisch beäugt. Das begrüße ich. Ernsthaft. Und augenzwinkernd.
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PS3: Ich schaue mir gleich die Trauerfeier in München an. Schlimm genug. „Weniger Licht! Stattdessen gestalten!“ Ist das ein Zitat von Goethe, der nicht für die Feierlichkeiten zur Verfügung stand? Der Uli, der Hoeneß, er war da!
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PS4: Die unfassbar gute Menschendarstellerin, die Thalbach, wird heute 70.
Torgau (Sachsen) / Aufgegebenes Ladengeschäft / Sommer 2023
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In den Zeiten leerer Auslagen voller Hoffnung
Den Krieg den Hunger die Schuld
Noch im Profil der abgelatschten Stiefel klebend
In den Sand der Lausitz getreten
Schrieb der junge Schichtarbeiter Volker Braun
Kohlenstaubverschmiert
In seinem ersten Lyrikband
„Provokation für mich“
Den folgenden Reim nieder:
Kommt uns nicht mit Fertigem! / Wir brauchen Halbfabrikate / Weg mit dem faden Braten – her mit dem Wald und dem Messer! / Hier herrscht das Experiment und keine steife Routine. / Hier schreit eure Wünsche aus: Empfang beim Leben.
Heute spiegelt sich vor vollen Schaufenstern
Nicht als verlorene Wut
Auf die dahineilenden Zeiger
Die sich weigern rückwärts zu laufen
Revolutionen finden auf dem Sofa
Statt
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(Hoyerswerda / Sommer 2023)
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Wühle mich in den ersten nervig „positiven“ Tagen des Jahres durch ein großartiges Buch, welches mich ungemein erfreut in diesen Tagen der GROSSEN ANSPRÜCHE und des kleinen mutes zu VERÄNDERUNGEN.
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Auf Brigitte Reimann war ich erst gestoßen – typisch Mann, obwohl mir DDR–Literatur, vor allem Franz Fühmann, immer sehr nah war, blieb doch der größere Teil meiner Familie im Osten – als ich 2019 in Hoyerswerda für meine Gundermann–Abende recherchierte und sofort in Bann gezogen war von dieser Schriftstellerin. Da macht es jemand sich nicht einfach. Mit sich. Mit der Welt. Carsten Gansels Werk hat die Faszination vertieft. Ich lerne viel Neues über die Verfasstheit des Landes, welches meine Mutter mit mir im Bauch 1956 verließ. Es stellen sich über und über neue Fragen. Und die Verunsicherungen schleichen um alle Ecken. Es kippeln und wackeln die Erinnerungen, Einordnungen, Wertungen. Machen Platz für Neues. Gut.
Paul Celan hat dieses Gedicht übersetzt, nachgedichtet, von dem ich nur die letzte Strophe kannte, diese letztlich verwurstet als einen vielseitig interpretierbaren und / oder einsetzbaren simplen Merksatz. Oder eben Selbstvergewisserung in den dunkleren Stunden, von denen etliche in den letzten Jahren. Fand ich neulich in der FAZ. Lesenswert. Reim und Artikel.
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Wes diese Wälder sind, das weiß ich recht genau.
Allein im Dorf erst, drüben, steht sein Haus.
Der Schnee füllt ihm den Wald – steh ich und schau,
dann sieht er mich nicht, macht er mich nicht aus.
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Mein kleiner Gaul, der findets wohl verquer:
kein Haus, kein Hof – und dahier hält sein Herr;
ein Teich, gefroren, und nur Wälder um uns her;
der Abend heut – im ganzen Jahr kein finsterer.
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Das Zaumzeug schüttelt er – die Schelle spricht:
Ist das ein Mißverständnis – oder nicht?
Ich lausch und horch – ich hör sonst nichts;
doch, dies noch: leichten Wind, die Flocken, erdwärts, dicht.
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Anheimelnd, dunkel, tief die Wälder, die ich traf.
Doch noch nicht eingelöst, was ich versprach.
Und Meilen, Meilen noch vorm Schlaf.
Und Meilen Wegs noch bis zum Schlaf.
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(Aus dem Amerikanischen von Paul Celan)
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Robert Frost spricht von „der alten Stimme“, welche ihm das Gedicht eigentlich diktierte. Ich – obwohl bei weitem kein Poet – meine sie zu kennen. Ich versuche nicht nachzudenken. Las die Finger machen. Keine Zensur. Keine Selbstzensur. So wenig Korrekturen als möglich. Innerer Monolog. Fehler mitnehmen. Peinlichkeiten. Aus dem Moment heraus. Siehe unten Meister Dylan. Am nächsten Tag stehe ich vielleicht wie der Ochs vor’m Berg vor dem Erguß. Belebend sind die Zweifel. Und niemals ist eingelöst, was ich versprach. Nur wem? Rauf auf den Wachturm. Zwei Reiter in ferner Ferne. Nähern sich. Wissen sie Bescheid? Oder die Wildkatze.
Wahrscheinlich wiederhole ich mich. Aber nun tue ich es aus quasi aktuellerem Anlaß. Die Wiederholung: Wenn ich am Schreibtisch sitze und schreibe, schaut mir der älteste aller Altkanzler über die Schulter, garniert mit seinem „Lieblingsgedicht“, wovon ich wohl mal las und es sogleich verwurstete. Weil es mir gut gefiel stets und noch gefällt. Bisserl Olli Kahn: Weiter! Immer weiter! Schön naiv bleiben. Weniger klagen halt! Dinge tun!
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Letzte Woche sah ich eine Dokumentation über JFK im TV und guckelte nach. Das Gedicht ist gar kein Gedicht, sondern lediglich die letzte Strophe. Und gewünscht hat sich die Reime Kennedy zur Amtseinführung. Manchmal dauert es halt 60 Jahre, bis man was begreift. Oder nie. The complete poem:
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Whose woods these are I think I know.
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.
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My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.
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He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound’s the sweep
Of easy wind and downy flake.
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The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.
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(Robert Frost)
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Robert Frost? Bob Frost? Seit etlichen Jahren, seitdem Dylan seine Platten selber produziert, was gut so ist, nennt er sein Produzenten – Alter Ego: Jack Frost. Mein zweiter Name ist Hans. Vater eben. Ich mag diese Coincidencien. Mit oder ohne jegliche Bedeutung versehen. Verbindungen.