Putins Krieg / Fragezeichen / Lampen / Zurückrudern und NORDOST revisited

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Stuttgart 21 / Im kläglichen Rest des Schloßparks ein trauriger Löwe / 5. März 2022

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Der Revoluzzer

(der deutschen Sozialdemokratie gewidmet)

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War einmal ein Revoluzzer,

im Zivilstand Lampenputzer;

ging im Revoluzzerschritt

mit den Revoluzzern mit.

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Und er schrie: „Ich revolüzze!“

und die Revoluzzermütze

schob er auf das linke Ohr,

kam sich höchst gefährlich vor.

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Doch die Revoluzzer schritten

mitten in der Straßen Mitten,

wo er sonsten unverdrutzt

seine Gaslaternen putzt.

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Sie vom Boden zu entfernen,

rupfte man die Gaslaternen

aus dem Straßenpflaster aus,

zwecks des Barrikadenbaus.

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Aber unser Revoluzzer

schrie: „Ich bin der Lampenputzer

dieses guten Leuchtelichts.

Bitte, bitte, tut ihm nichts!

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Wenn wir ihn‘ das Licht ausdrehen,

kann kein Bürger nichts mehr sehen.

Lasst die Lampen stehn, ich bitt , –

Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!“

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Doch die Revoluzzer lachten,

und die Gaslaternen krachten,

und der Lampenputzer schlich

fort und weinte bitterlich.

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Dann ist er zu Haus geblieben

und hat dort ein Buch geschrieben:

nämlich, wie man revoluzzt

und dabei doch Lampen putzt.

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(Erich Mühsam / 1878-1934)

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Ich war mal verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes für unsere Schülerzeitung. Das Ding hieß „Fragezeichen“. Trotz eines Wettbewerbes unter den Schülern der Mittel – und Oberstufe (Die Kurzen wurden natürlich diskriminiert!) und vor allem wegen der anarchischen Zusammensetzung der sogenannten Redaktion fanden wir keinen zu uns passenden Namen und benannten die Leerstelle als solche. Aber um ein kleines Zeichen unserer politischen Ausrichtung zu setzen, angerötet waren wir alle, druckten wir in der ersten Aufgabe obiges Gedicht ab. Voller Löwenmut. Den sozialdemokratischen Weg zu den sanitären Anlagen kannten wir aber auch in – und auswendig. Und nicht nur wir. Sich verpissen in der Not war schon immer ein anerkannt deutscher Volkssport.

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Woher kommt eigentlich der Begriff zurückrudern? Frage ich mich nach der allenthalben geforderten und zaghaft bis selbstkasteiend erfolgten Steinmeierei dieser Tage. Nützt das was? Fragt der Flagellant in mir.

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Wollte ich nicht schweigen? Aber das gestrige Lindenstrassenbild halt. Schon übel, wie ich finde! Und von kurioser Symbolhaftigkeit!

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Unsere Eltern und Großeltern – meistens über Umwege – haben wir ja pausenlos in Sachen Beteiligung am GROSSEN KRIEG genervt. Wer hielt das Gewehr in der Hand? Wer hat die Öfen gebaut? Wer fuhr den Panzer? Wer hat die Züge zusammengestellt? Da haben dann unsere Vorfahren gerne – auch hier meist über Umwege – geantwortet, das habe der HITLER gemacht. Ich dachte dann immer, der hatte ja mehr Arme als Ganesh und einen 2400 – Stundentag zu bewältigen und hat nebenher auch noch die Autobahnen gebaut. Der ADI! Das wiederholte sich nochmal vor etwa dreissig Jahren. Die beiden ERICHE waren es, die alle zu Tode liebten. Und nun dieses fast schon manische Mantra von SEINEM Krieg. German WC?

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Ich hatte vor ewigen Jahren mal NORDOST inszeniert. Jetzt kehren diese fürchterlichen und grausamen Gespenster aus Grosny, die Russland dort züchtete – damals war der „Krieg gegen den Terror“ hüben wie drüben und sogar hier so eine Art von moralischem Gebot! – wieder zurück und massakrieren in der Ukraine rum. Für den alten Feind. Gelernt ist gelernt.

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Sind wir nicht alle Fußgängerzonen – Punker, ein dickes Anti – Fa – Stickerchen auf der Joppe? Anti – Fa? Hä? Ich will mich nicht mehr ständig reinwaschen? Verantwortung? Schwer! Ganz schwer! Muß ich doch noch ein bisserl länger in den Spiegel gucken. „Wenn der Ozean nicht zu Ihnen kommt!“ Früher haben wir Seife gefressen, in der Hoffnung, daß wir Fieber kriegen und nicht in die Schule müssen. Schon blöd. Gelle! Statt zu lernen.

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Dann ist die Lindenstrasse abgerissen!

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Die Lindenstrasse wird abgerissen / Foto / dpa

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Verzeihung! Ich war ja eigentlich schon wech vom Laberacker hier vor Ort. Aber dann – ich muß das halt machen, weil ohne die gedruckten Buchstaben kein Kaffee, der mir schmeckt – sehe ich dieses Bild oben auf Papier: die machen in Köln – Bocklemünd die Lindenstrasse platt. Tja. Das ist der endgültige Tod unserer Bundesrepublik, in der wir reichen und linken und obergescheiten Nasen immer noch wohnen, obwohl die schon seit spätestens der letzten Meisterschaft von Schalke 04 so nicht mehr existiert.  Aber dieses Foto? Tschulligung? Nineeleven? Kiewer Vororte? Tirana vor dreißig Jahren? Grosny? Die Erinnerungen unserer Eltern oder Großeltern? Was soll dieser Scheiß? Denk jemand nach, der dieses Bild dieser Tage schießt und dann verkauft in diesem lächerlichen Zusammenhang? LINDENSTRASSE? Bitte ergebenst um die Telefonnummer des – sagt man so? – Bildverwursters. (Gestriges Schimpfwort ersetzt!)

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Ei komm, isch drink, dann kanns du fahre und dann laß ich es krache! Ei!

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Thomas Hoepker / Blick von Williamsburg auf Manhattan / Brooklyn, 11. September 2001

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Ah – oh!

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Lauterbach macht schon wieder Winter. Eben war doch Frühlingsfreiheit.

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Der dritte Tag einer Kur soll ja besonders anstrengend sein. Stimmt schon. Man ist ein bisserl verhalten. Wird das was werden? Forget it! Drauf gepupst. Viviane de Queiroz Pereira traute sich nicht zu furzen. In gewissen Momenten. Kollabierte folglich. Implodierend. Krankenhaus. Jetzt ihre Erkenntnis: „Von nun an lasse ich es krachen, Leute!“ Ich bin dabei.

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Normalerweise lade ich hier eigene Fotos hoch. Da oben. Aber der Hoepker passt einfach zu gut. Und meine Überschriften klaue ich auch nicht sonst so und überhaupt. Gelle! Jedoch: obigen ultimativen Hipster – Ironiker las ich gestern auf der Türe eines Weinladens hier in der Bahnhofstraße. Habe ihn ein bisserl gepimpt. Ähem? Gibt es eigentlich noch Hipster? Ja. Gestern sah ich einen aufgedunsenen Julian Reichert bei SERVUS TV. Er will die Ukraine verteidigen. Aber so richtig. Do simmer dabei. Dat ist prima. Ich schwiff ab.

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Der neue Friederich rechnet ab mit der alten Angie. Er tut dies nicht auf einem Bierdeckel, sondern in der Baumvernichtungsgazette (Achtung! Großbuchstaben!) ZEIT. „Ich irrte nicht, du irrst ständig und sie hat eh keine Ahnung. Und alle: …“ Vielleicht doch lieber Bierdeckel? Danke BILD!

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Anna Besenkammer und ihre Mama haben London verlassen. „Wir wünschen Boris viel Glück und hoffen, daß es ihm gut geht!“ Das berührt mich ungut. Als solidarischer Badener. Geht „Uns Bobbele“ jetzt für unser aller Gier und erlöse uns von dem Übel symbolisch in den Knast? Hosianna!

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Ho Ho Ho Chi Minh! Wo Wo Lo Di Myr! Wer erinnert sich noch, wann und wo er laut skandierte? Manchmal etliche Jahre später? In Sicherheit. Sind wir nicht alle ein bisserl Oskar? Zu lautes Wissen erst. Gefolgt vom tragischen Zweifel. Und dann ab dafür? Pustekuchen. Geht doch auch ohne Moralzumba. Von BILD lernen heißt Wendemanöver lernen. Tut dem Konto besser. Beherrschet die Halse, meine geschwätzigen Freunde (m/w/d)!

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Ha! Hab ich recht oder hab ich immer recht? Alle Leitmedien und Buchstabenschleudern haben heute die Ohrfeigen zum Thema gemacht. Wahlweise unter „Panorama“, „Von der Welt“, „Unser aller Wissen“ oder „Wir und die Gesellschaft“. Warum nicht auf der Sportseite? Unser Döner – Poldi? Wo ist dieser Tage Jogi? Steht das Stadion in Charkiw noch? Oder der Laternenpfahl in Sotschi? War Watuniki eigentlich eine Insel in der Südsee?

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Einmal in meinem Leben möchte ich so traurig aussehen wie Scholz. Aber da eh alles den Bach runter geht? Heute hat er Geburtstag. Nein. Nicht Olli.

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Winke – Winke!

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Tinky Winky, Dipsy, Laa – Laa, Po / Warum in Krisenzeiten BILD so sinnvoll ist

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Kardamili (Mani – Greece) / 18. Juni 2018

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Ah – oh!

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Manchmal in der Nacht, so eben wieder, verjagen Privatgespenster, Dienstgespenster (eher selten zurzeit) und Weltgespenster (ganz vorne!!) den Schlaf. Das Gespenst „Alter Sack“ tut sein Übriges. An vielen dieser Störfaktoren trägt man mit. Es ist sinnentleert zu glauben das Betrachten von Nachrichtensendungen, Talkshows und all den gescheiten Erklärbär – Dokus zur Weltenlage und seiner Entstehung – sei es im Netz oder im Old School Glotzing – fördere den Schlaf. Vom wiederholten Durchwühlen alter Kompendien (Wann hatte ich das nochmal mit Erkenntnisgewinn gelesen? Vor oder nach Stalingrad?) mal ganz abgesehen. Und was nützt mir ein in die Welt gehustetes „Was habe ich wieder intensiv nachgehirnt in dieser doch sehr kurzen Nacht!“, wenn ich das morgens im Spiegel sehe, was ich sehe? Der vielen Wörter Gewicht kann niederdrücken.

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Nach solchen Nächten und Kaffee Nummer 3, der nicht mehr duftet nach neuem Tag, sondern einfach nur noch den Suchtcharakter bedient, gucke ich gerne mal nach, was ich am Vortag in die Tasten gehauen habe. Gut, ich schäme mich nicht nach der Lektüre (meistens), aber: ist das alles nötig? Auch wenn man nichts anderes zu tun hat? Das Geschlaue auf sicherem Boden? Und ich spüre, eben auf Earl Grey umgestiegen: ES IST ZEIT FÜR DIE KUR!

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Man muß sich dem nähern, was die Menschen in diesem Land wirklich denken und wollen und fürchten. Es gibt viele, die mantramäßig runterbeten, die GROSSBUCHSTABENZEITUNG manipuliere ein zu Veränderungen, Einsicht und Systemwechseln (Benzinpreise? Die nächste Aufstellung der Nationalmannschaft?) geneigtes Volk. Ich befürchte andersrum wird daraus der SUV … äh … Schuh. Fünf Tage Kur? Reicht das?

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Die Watschn ist heute das Thema. Deine Frau wird dummdreist zum Gegenstand eines Witzes gemacht. Du – Voraussetzung, du liebst deine Frau – stehst auf und haust dem HaHaHa (#steck#euch#comedy#dahin) eine aufs Ohr. Du weißt eine gut gezielte Fotzn kann durchaus das Hörvermögen des Gegenübers entfernen? Nicht? Lies nach! Wo? Steht aber nicht in der SZ. Vor wenigen Minuten hat ein Filmdrama eben über die Gehörlosigkeit den Hauptpreis abgeräumt. Steht erst morgen in der TAZ. Jetzt bist du dran. „And the Winner is …!“ Einen Typen hast Du gespielt, der seine beiden Töchter zu Tennisfreaks … Achtung! Wortwahl! … intensiv begleitete. Geht das so durch? Ok? Uff! Die FR wird zur Zeit von Wladimir gehackt! Und der Witzdepp hört gerade gar nüscht mehr. Krieg … Sorry Freud! … kriegt der jetzt dafür (Hallo!! Querverbindung!!) deinen Oscar? Was macht eigentlich Lafontaine? Stand er wieder auf dem Balkon? Man hört sein Ziehsohn sei aus den Entenpuscheln inzwischen rausgewachsen.

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Morgen steht das … Tja! Sowas steht inzwischen in der FA(S)Z. Und sie lügen nicht. Es geschah. Genau so. Nach der Kur kehre ich zurück. Wohin?

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Nachtrag: Es gab schon die ein oder die andere Erwiderung auf Anmaßungen, die ich doch lieber in Form eines Backenstreichs …

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Winke – Winke!

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Ein weiterer Morgen in unserer schönen Welt! Wird schon werden! Macht Euch keine Sorgen!

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Haut den Typ durch die Wand! / Sprach so der Präsident? / Honne? / Tatemae?

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Tilsit (Sovetsk) / 31. August 2017

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Ich habe mich immer gefragt, wie schafft es der President elect, nachdem eine Horde von gefährlichen Schwachmaten – etliche Putinesen wie ihr faschistischer Ex – Chef unter ihnen – das Capitol in Washington gestürmt hatte, die Contenance zu wahren. Seine Knie zitterten, sein Gaumensegel begann den Zugriff auf die Sätze zu verlieren, die Augen verschlitzten sich; jedoch: er hielt stand. In Warschau gelang ihm dies bis kurz vor Abpfiff.

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Tyrannenmord? Systemchange? Schön wär’s. Schlagen wir nach bei Büchners König Peter. (aus Leonce und Lena)

Peter. „Wenn ich so laut rede, so weiß ich nicht wer es eigentlich ist, ich oder ein Anderer, das ängstigt mich. Nach langem Besinnen. Ich bin ich. – Was halten Sie davon, Präsident?

Präsident. gravitätisch langsam. „Eure Majestät, vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so.“

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Biden spricht – Tatemae – nicht uns aus dem Herzen? Er spricht – Honne – aus seinem Herzen? Die gut beheizten Medien mögen sich jetzt nicht in kollektivem Aufschrei die Fingernägel abkauen. „Huch! Jetzt ist der Putin aber richtig beleidigt!“ Gewiß, man sollte auch dem übelsten Finger in einer Auseinandersetzung noch die (Zweite? Dritte? Hundertzehnte?) Chance gewähren, sein Gesicht zu wahren. Der Zyniker in mir ruft: „Und wenn es auch nur die Totenmaske ist!“ Es wird wohl anders kommen.

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Polen und Ungarn. Ungarn und Polen. Nicht auch noch dieses Kapitel aufschlagen. Bemerkenswert die Anzeigen, welche die ungarische Regierung ganzseitig in den deutschen Printmedien schalten lässt dieser Tage und aufruft für die Flüchtlinge zu spenden. Strange. Ehrenwert aber und deshalb nachvollziehbar: Ungarn hat schon 1 Millionen aufgenommen. Gut. Müssen wir zulegen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. Fehlen noch 8 Millionen. Budapest 2015 hin oder zurück.

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Als ich – siehe die Fotos oben und unten – die Intendantin des Theaters in Sovetsk auf dieses waffenstarrende Mahnmal mitten in der Stadt, den die Kinder als Spielplatz nutzten, ansprach und vor allem auf die im Boden versenkte Tafel: „Beuge Dein Haupt, Hundesohn aus dem Ausland!“, antwortete sie: „Wir sind stolz, aber manchmal schämen wir uns auch!“

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Man spürt sie wieder auf dieser Tage: die legendären Putinversteher. Sie sollen bei den „Linken“ und den diese begleitenden Literaten, Künstlern und Medien beheimatet sein. Wusste gar nicht, daß McDonalds, Gucci, Mercedes, Rolex, Apple, Exxon und Facebook bis vor kurzem noch aus Respekt vor den „Werten“ der untergegangenen CCCP mit Moskau regen Handel trieben.

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Und Ursula „Fast wäre ich Angela geworden“ von der L. ist rechtschaffen empört. „Wir bezahlen doch nicht unseren warmen Pöter mit Rubeln! Wir haben Verträge!“ Da wird mir der Kanzler, der alles schon immer kommen sah (seine Kanzlerschaft, den Krieg, den wiederholten Nichtaufstieg des HSV, die Rückkehr der Kraniche, diesen Frühling, Lauterbachs nächste Warnung und die siebte Scheidung seines alten Chefs Gerhard S.) fast schon sympathisch in seinem hanseatischen Fatalismus. „Was kostet das alles?“

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Und der noch! Las oder hörte ich heute: „Vor allem Arbeiter und Alte haben der SPD im Saarland die absolute Mehrheit beschert!“ Genossen! Es ist noch nicht vorbei. Und Kinners: Dreiundzwanzig Stimmen hättet ihr doch noch irgendwo her ziehen können statt Farbe und Frühlingserwachen. Fragt doch mal nach beim rührigen Botschafter der Ukraine, was der so zur Wahlbeteiligung in unserem Land zu bemerken hätte. Drauf gepfiffen. Hauptsache das Wochenende war chillig. Mit letzter Tankfüllung. Quatsch. Akkuladung. Herr, sende die Kaltfront und Schnee bis in die Niederungen.

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Den Stift in der Hand

An den Zitzen des Erinnerns

Saugen

Das müde Ritual

Saure Milch

Vergießen mögen

Noch nicht mal das

(KN / Anfang März 2022)

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Sovetsk (Tilsit) / 31. August 2017

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Der Liegestuhl / Die Apokalyptiker / Das Böse / Drei Varianten des Naiven

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Ausgang Schloß Friedenstein Gotha / 7. Oktober 2021

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„Schaaatz! Hatten wir mal dieses Problem? Noch oder gerne wieder? Beim Blick aus dem Fenster sehen wir unseren Liegestuhl belegt. Englische Handtücher. Nein. Es waren doch die Holländer. Es ist Fünf Uhr Fünfundfünfzig. Sehr früh. Also beim Blick aus dem Fenster. So nicht. Nein. So nicht. Ich war nur mal vorsorglich wach. Man kennt sie ja. Die Engländer. Die Holländer desgleichen. Verstopfen unsere Autobahnen. So war es doch. Schon immer. Doch. Genau. In den gemütlichen Tagen. Warum sagte mir keiner, daß die Ferienanlage vor Jahren von Roman Abramowitsch gekauft wurde? Ich habe da ja auch grundsätzlich nichts dagegen. Mein Junior steht auf Kai Havertz. Und ich finde immer noch, daß man Thomas Tuchel nicht nach Paris hätte ziehen lassen sollen. Ach so, das waren Scheichs? Man blickt ja auch gar nicht mehr durch. Jetzt sehe ich jedenfalls keine Liegestühle mehr vor dem Fenster. Komisch. Schaaatz, wo ist denn der ALDI – Prospekt für nächste Woche? Es gibt da doch preiswerte Liegestühle im Angebot. Wetterfest und so. Muß man sich mal vorstellen. Handtuchkrieg hieß das früher. Schon witzig unsere Welt. Schaaatz! Ich bestell mal die Liegestühle! Okay? Was? Die werden in der Ukraine hergestellt?“

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„Der Turm stürzt ein? Nachrüstung und Doppelbeschluß? Was soll der ganze NATO – Stuß? Was soll das ganze Apokalyptikergejammer? Das sag ich. Immer schon. Wir haben doch gewonnen. Der Iwan hat den Schwanz eingezogen. Wandel durch Handel. Sagte ich doch schon immer. Die haben wir verwandelt. Und in die Vergangenheit gehandelt. Nimm dem modernen Iwan – ok, der in Moskau halt – seinen BIG MAC weg und er kotzt. Der Rest soll halt seinen Wodka saufen. Und Borscht zu kochen dauert mir eh zu lange. Wo war ich stehen geblieben? Ok. Scheißwitz. Aber die Mäuse aus Moskau und Kiew? Das sind halt noch Frauen. Tschulligung! Wir sehen uns auf Zypern. Hey. Leute. Da scheint die Sonne. Da iss warm. Da schmecken die Drinks. Steckt Euch Eure Weltuntergangsversionen irgendwo …? Wohin nochmal? Rein halt! Wohin müßt ihr doch selbst wissen. Die Welt iss halt so! Hart wie meine Morgenlatte! Entschuldigung! Ich muß da mal ran. Nee, nicht an die Maus. Ans Telefon. Was? Die Ferienanlage stürzt ein?“

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„Hallo? Klar. Der Mann ist böse. Nicht der Mann an sich. Aber der Jabba The Hutt aus dem Kreml. Echt. Das ist das Böse. Also der. Wieso ich seine Telefonnummer noch? Hey Alter, komm mir nicht blöd. Du kannst mir gerne den Preisnachlaß für Deine Scheißheizung, den ich in den letzten zwanzig Jahren für Dich rausgehandelt habe, auf mein gesperrtes Konto überweisen. Ok. Lösch ich jetzt die Nummer. Weil mit dem Bösen an sich hab ich nichts zu tun. Wenn ich bescheiß, dann korrekt. Alles mit Verträgen. Ich bezahle meine Rechtsanwälte. Tschulligung. Hallo! Schaaatz, wenn Du die Hände faltest, mußt du auch die Augen schließen. Kommt besser rüber. Wo waren wir stehen … Nee … von mir nicht. Dieser Witz. Der Gute sein ist gar nicht so einfach. Den Bösen züchten muß man erstmal. So als Gegenthese. Macht echt Arbeit. Und das Ergebnis ist auch nicht in Stein gemeiselt. Die einen sagen so. Die Anderen. Na ja! Ich habe das doch auch schon immer gewußt. Der Mann ist böse. Und? Zeig mir doch mal Deine Kontoauszüge! Eben! Ich kaufe Dir nicht nur die Handtücher, sondern die gesamte Ferienanlage. Und reservier mir einen Liegestuhl. Tschüssi!“

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Komm Herr Jesus

Sei unser Gast

Und segne

Was Du uns

(Man räuspert sich da oben am Kreuz und spricht: “ Don Camillo! Das kannst Du besser!“)

Tschulligung!

Herr, manchmal bin ich unaufmerksam!

(Noch ein Einwand: „Du meinst ein Mensch, mein Lieber! Gelle!“)

Komm Herr Jesus

Und sei unser Gast

Und segne

Was wir uns

In den Teller

Eingebrockt

Und erlöse uns von …

(Vom Kreuz herab: „Schaun mer mal!“)

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Durch diese hohle Gasse muß er kommen! Knalle ihn ab, Wilhelm!

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Grenzgebiet zwischen Litauen und der Oblast Kaliningrad (Russland) / 23. Juli 2011

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Erst roch es nach Krieg

Ich schliff mein Schwert zur Gabel

Die Suppe einzubrocken

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Es zog ein der Krieg

Ich schliff die Gabel zum Schwert

Suppen auslöffeln

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In unserem Krieg

Gibt es nur Kränze die

Wir – ach klage nicht

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Am Sonntag telefonierte ich mit einem meiner ältesten Freunde. Ich wollte ihm mitteilen, daß ich seit etwas mehr als einer Woche wieder beidhändig bin und sogar schon – Gruß gen HH mit Dank – Gitarren sinnstiftend anfassen kann. „Dann kannst Du ja jetzt Putin erwürgen!“ Seine Antwort, unser gemeinsamer Humor. Ich dachte an meinen Deutschlehrer, den gescheiten Herrn L. und wie er uns dringend davon abriet Staufenbergers und Weizenäcker als Kohorten des tatsächlichen Widerstandes zu begreifen. „Meine Damen und Herren, diese Herren erheben sich gerne anstelle des Kalifen oder wenn die Messe gelesen!“ (obiges aus der Erinnerung zitiert!) „Und beschäftigen Sie sich mit Georg Elser!“ Und dann lasen wir den Tell und ich schnitzte mir eine Armbrust. Ein Jahr später erwählte ich mir den ausgerufenen „Freiheitskämpfer“ Mao Tse Tung (so geschrieben als Peking noch nicht grammatisch einfühlsam gesprochen wurde) als Vorbild. Traurig, aber wahr. Wenn einer endlich den kleinen dicken Vixer P. abserviert, ist es wohl einer aus dem inneren Zirkel. Begrabe Deine romantischen Anfälle an der Krümmung der Gasleitung. Und: Freunde des unreflektierten Gekickes! Lieber Franz und Lichtgestalt! Freuen wir uns auf Katar im Winter! Zu Gast bei Freunden!

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Ach was ein vorsichtiges und vorsorgliches Land, in dem ich lebe. Da gehe ich als 65-Jähriger in die Apotheke und will mir kaufen die etwa hunderttausendste Packung Schmerztabletten meines Lebens. Nach all den ungezählten Katern, Erkältungen, Rückenschmerzen. Die junge PTA: „Sie wissen, wie man mit diesem Medikament umgeht?“ Die grauen Falten unter meinen müden Augen bemühen sich nicht zu zucken und meine Lippen zerbeißen eine Unflätigkeit. Mit Schwung rollt heran das Gefährt des Gefährten der Fürsorglichen. Ab nach Hause in die Vorstädte. „Gib Gas! Hab Spaß! Hier geht noch 180 km / h!“ Noch ein halbes Jahr bis zum nächsten Pulli. The Heat is on. Und dann schaun mer mal. Weiter.

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Ihr Vater habe immer gesagt, wenn man freundlich sei zu den Menschen, seien diese auch freundlich zu Dir. Sie grinste mich an. Das sei doch so. Ich nickte, weil ich sie mochte. Warum, das wagte ich nicht zu sagen, haben wir vergessen uns zu wehren und beten Tag und Nacht – wahrscheinlich noch nicht mal dies, wir setzen es einfach voraus -, daß der Krug in unseren Fingern zerbricht, ohne uns zu schneiden? Eine Woche Leid ertragen und dann ist aber auch gut? Ich habe doch gespendet. Nein. Die Ruh‘ ist hin, wenn sie hin ist.

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Wird schon werden Welt

Will ich rufen über den

Tisch der zwischen uns

Schweigt nicht abgeräumt

Noch nicht gedeckt wieder

Bleib sitzen

Zeit

Die wir nicht haben

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Es ruhen Herzen und baden in Angst

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Der große FZ schrieb einst auf die Rückseite einer seiner Plattenhüllen: „Don“t forget to register to vote!“ In unserem Land der Quengler und Steuerhinterzieher kriegen wir den Wahlschein zugesandt. Das ist doch was. Also dürfen wir bald wieder wählen. Etliche sagen wir müssen dies tun oder tun es so erst gar nicht. Wahrscheinlich haben sie Angst davor, daß ihnen im Wahlbüro heimlich eine Spritze in den Oberarm gejagt wird. Ich schwanke leider auch wie ein entpolitisierter Halm im Spätabendtalk hin und her und habe so mal den Wahl – O – Mat befragt. Hä? Nein, natürlich nicht! Hätte ich gefragt gehabt, hätte ich wohl folgendes reimen können.

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wahl o mat oho

o wahl o wahl oh

mat he mat hicks und so

was tun

noch nicht immun

vielleicht gefeit

sein nicht bereit

angst vor’m pieks

aber kicks kicks kicks

die ohne ende

doch eine wende

mit toter lende

am ende des beckens

ach nee

dann lieber auf die wände zu

rauschen mit der brems` kaputt

enkel oh mach du den schutt

doch weg

mir geht es gut

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epilogisch dann das lob des schreckens

längst vergess’ne geister wecken’s

da die toten zahlen

tanzen im digitalen

im nirgendwo statt lebensfroh

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PS: Talking about Talkshows: What ever happend to humor?

Aus dem Bauchnabel Sternchen puhlen

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Eigentlich geht mir das ganze Sternchengezappel am Sitzfleisch vorbei. Seit frühesten Lesezeiten war mir die erlernte Sprache Freund, Helfer, Brötchenbeschaffer und verläßlicher Lebensbegleiter. Und ist es immer noch. Selbst die erste sogenannte Rechtschreibreform ignoriere ich seit nun bald 25 Jahren konsequent. Nun las ich auf den Blog eines befreundeten Journalisten im Ruhestand, daß er auf der Instagramseite (Heißt das so?) des ZDF folgende Perle entdeckt hat. Unter dem Photo eines Taliban stand folgender Satz. „Die Islamist*innen ziehen in immer mehr afghanische Städte ein.“ Weil es so unfassbar schön ist, gleich nochmal in Cinemascope.

 „DIE ISLAMIST*INNEN

ZIEHEN IN IMMER MEHR

AFGHANISCHE STÄDTE

EIN.“

Und ich sehe weinenden Auges der / die / das eine Karriere anstrebende Assistentchen über sein Tablettchen gebeugt im vorauseilenden Gehorsam über das Bildschirmchen wischen. Hatten wir nicht gemeint den Kadavergehorsam überwunden zu haben? Wohlstandslemminge. (Ha! Wieder dreimal um die Ecke einen Lieblingssong gepostet!) Am schlimmsten ist es aber, wenn althergebrachte Gedankenlosigkeit als die neue Feinfühligkeit verkauft wird. Der Bauchnabel als Wohlfühlzone der Reichen.

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PS: Inzwischen kriege ich schon ab und an private Mails, in denen Kollegen und alte Freunde mir Sternchen schicken. Weia!

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Von Mäusedreck und Koriander, dem Überdruß an der Überlegenheit und dem Scheitern der faulen Vorhäute

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Heute Nacht glotzte ich in die Glotze. Konsterniert. Stundenlang. Zwanzig Jahre lang dachte ich immer am Hindukusch wird eben nicht unser aller Freiheit verteidigt, sondern dort wird sie auf dem Altar unser aller Selbstgerechtigkeit und wegen des Rachebedürfnisses unserer transatlantischen Väter und Befreier geopfert. Verzweifelte Menschen hängen an den Rädern eines Düsenjets und fallen wie Spatzenkot auf die Landebahn. Es ist Wahlkampf. Oder doch nicht? Irgendwann schlafe ich ein.

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Dann muß ich erwachen. Ist auch besser so. Helter Skelter. Sollte Bob Dylan gar ein Kinderficker sein? Brauchen wir wieder Mauern? Beton meterhoch? Ich sehe täglich zu wie die Mauern in den Köpfen gebaut werden so hoch wie nie seit September 1939. Auf allen Seiten. Bei allen Beteiligten. Die Handflächen der Selbstgerechten sind verhornhautet vom täglichen Rubbeln. Fassungslosigkeit wird zu einer Art Metronom meines Alltags. Tic Tac Toe. Leider äußert man sich dieser Tage gerne komplett humorfrei und ironielos. Verächtlichkeit ist der gesellschaftlich allseits akzeptierte Sound. Lechts wie rinks. Mein Gott, wie müde und seiner selbst überdrüssig ist dieses Land. Als sehnte man die nächste Flut herbei, um sich wieder zu spüren als ein tätiges und lebendiges Wesen. Das Aufräumen haben wir ja gelernt. Nach den großen Niederlagen. Die sind nun leider wieder Alltag.

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Manche hatten mal gehofft Ost und West könnten sich gegenseitig befruchten. Hüben wie drüben. Fragen wir den ewigen Geheimrat.

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Keinen Reimer wird man finden,

Der sich nicht den besten hielte,

Keinen Fiedler, der nicht lieber

Eigne Melodien spielte.

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Und ich konnte sie nicht tadeln;

Wenn wir andern Ehre geben,

Müssen wir uns selbst entadeln;

Lebt man denn, wenn andre leben?

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Und so fand ich’s denn auch juste

In gewissen Antichambern,

Wo man nicht zu sondern wußte

Mäusedreck von Koriandern.

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Das Gewesne wollte hassen

Solche rüstige neue Besen,

Diese dann nicht gelten lassen,

Was sonst Besen war gewesen.

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Und wo sich die Völker trennen

Gegenseitig im Verachten,

Keins von beiden wird bekennen,

Daß sie nach demselben trachten.

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Und das grobe Selbstempfinden

Haben Leute hart gescholten,

Die am wenigsten verwinden,

Wenn die andern was gegolten.

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(aus dem „Buch des Unmuts“ im „West – östlichen Divan“)

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PS: Für obiges Bildchen des Goethehäuschen zu Weimar gilt es der liebsten Gattin zu danken. Wann war das nochmal? Glaube 2008 oder so.

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