Lisboa / Largo di Carmo / Foto vom Foto / Installation 40 Jahre Nelkenrevolution / 15. Juni 2014
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Die Wucht der Jubiläen. Seit Jahresbeginn geistert das Jahr 1974 intensiv in der Gegend rum. 50 Jahre sind vorbei gerauscht. Der erste Golf. Drecksack Günter Guillaume. Willy Brandt gibt auf. Hölzenbein fällt. Stirbt fast schon kitschig fünfzig Jahre später. Ein Landschulheim in Meransen. Meine ersten Finger in fremder Mimi. Gerd Müllers Drehschuss. Kippen drehen lernen. Mit afghanischer oder tunesischer Füllung. Wir lassen uns die Heilkräuter vom Bodensee nach Südtirol liefern. Gegen die DDR verliert man dann. Und die wurde auch noch eben anerkannt durch die Blume. Helsinki. Unser Klassendealer rastet aus. Die Nachwirkungen des Vorjahres, die Ölkrise und der selbstgewollte Abgang meines Vaters mildern sich ab und machen Platz einer Art von Aufbruch. Aufbrechen. Die Nelkenrevolution. Rumble in the Jungle. Der erste nächtliche Boxkampf in der Glotze ohne den Vater. Zypern wird geteilt. Als verantwortlicher Redakteur unserer Schülerzeitung stehe ich kurz vor dem Schulverweis. Schließe mich der Schülergruppe des KBW an. Solschenizyn fährt in die Eifel und findet Asyl bei Heinrich Böll. Wir lesen vom unendlichen Tag im Leben des I. D. im Deutschunterricht. Ich halte weiterhin eine rote Diktatur für eine Form der Befreiung. Helmut Schmidt hält dagegen. Aber in Portugal wird doch so schön gesungen. Mein Mofa ist aus Frankreich. Ab und an sitzt auf dem Lenker oder auf dem Gepäckträger eine verzückende Blondine. Klosterschülerin und Tochter eines Grundschuldirektors. Die nächste Katastrophe naht. Die Amis verlassen Vietnam. Nachdem ich mir von Mutter 100 Mark erbettelt habe, fahre ich mit zwei Freunden nach Amsterdam. Es regnet zu oft und wir liegen im Vondelpark durchnässt unter alten Bäumen. Die Niederländer, frisch entmüllert, finden uns nicht sympathisch. Wir reißen aber auch zu gerne das Maul auf. Die Dealer vor Ort lachen uns Flaumbärtige aus. Damals schon nach zwei Amstel blau. Die Musik wird immer schlimmer. Sugar Baby Love. Selbst meine Mutter wagt sich inzwischen auf die Tanzfläche. Jack Nicholson wird in Chinatown die Nase aufgeschlitzt. Wir sitzen im Kino und lachen uns tot, wenn im Großen Fressen das Scheißhaus explodiert. Der Club of Rome veröffentlicht damals schon seine Warnung. Alles frisst auf mein Kommando. Ich lese ein erstes Mal Kerouacs „On the road“. Bob Dylan geht wieder auf Tour. Man munkelt in den Kneipen, dass es nun ernst werden würde mit unser aller Leben. Als ob es dies nicht schon längst gewesen wäre. Jedoch auch eine große Hoffnung, welche ich zwischen den Fingerspitzen hin und her rieb wie ein Komboloi, tanzte leise Sirtaki. Die Zukunft vielleicht ein Schmirgelpapier. Nicht wissend was unten und was oben. Was bleiben wird, wird später mal. Viel weiter heute ich? Eher kaum. Sehnsucht und Selbstironie zumindest leben noch. Darauf einen Dujardin.
Ying und Yang auf den Weg in den Backofen letztes Wochenende in unserer Küche
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Wenn Du einen Wal sehen willst
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Wenn Du einen Wal sehen willst
Kannst Du nach Alaska fahren
Aber Dein Geldbeutel
Wird den Kopf schütteln
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Wenn Du einen Wal sehen willst
Kannst Du Deinen besten Freund bitten
Dein Moped hochzumotzen
Der Schupo wird Dich von der Fahrbahn holen
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Wenn Du einen Wal sehen willst
Umarme sie nicht zu heftig
Und höre auf jede Nacht zu denken
Mit Geschenken sie zu lenken
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Wenn Du einen Wal sehen willst
Wirst Du keinen Delphin sehen wollen
Oder Du musst Deinem Kaninchen
Schwimmunterricht erteilen
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Wenn Du einen Wal sehen willst
Ist es nicht zu vermeiden
Dass die Wale aus den fremden Badewannen
Deinen Abfluss verstopfen werden
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(bedanke mich bei einem alten weggefährten für die wunderbare anregung zum reim / kalt am arsch draussen heute / saß an der lahn / keine wale / aufgeregte kormorane / flügelspreizen soll ja das gefieder wieder in gang setzen / auf auf)
Die letzte antifaschistische Sekunde des Stjepan Filipovic am 22. Mai 1942 / Später ein Denkmal
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Schweigende Gehirne
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Der Teller ausgekratzt
Als ich einen düsteren Traum träumte der keiner mehr
Nur zu wahr wurde
Der Löffel klackte schiefen Takt auf das schrundige Porzellan
Viel blieb nicht über
Denn Dunkelheit und kein Hauch von Liebe
Müde Versuche mit den Gewalten zu leben
Vor dem Ende meiner Zeit
Spiele zu spielen verlor ich den Mut
Habe die Ehre verneigt sich das schweigende Gehirn
Ein letztes Mal vor einem wohlfeilen Emoticon
Weltenlauf der hängt sich selber auf
Kein Aufschrei außer #
Das Treppenhaus hinab
Trippelt alte Leichtigkeit
Einst forsch
Einst furchtlos
Gläserklang zumindest noch
Hallt nach
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(heute / drohnen von rechts nach links / drohnen von links nach rechts / boxhandschuhe nur noch digital angezogen / lief eben über den markt in gießen / das land hessen wirbt in sachen fortschreiten / las statt digitales hessen auf den albernen promozelten: digitales heizen / die welt im halbfinale / wird schon)
März 2012 / Nordzypern / Oberhalb von Tatlisu / Kaputtes Kreuz vor zerstörter Kirche lehnt sich an
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Gelegentlich
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Gelegentlich mal sind wir schlauer
Gelegentlich ertragen wir die Schauer
So wütend sie auch seien
Üben wenn es geht Verzeihen
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Gelegentlich klagt man moralversauert
Da Leben stets zu lange dauert
Weil es verzichtet letzte Hoffnung zu gießen
Aber nicht auf das Elfmeterschießen
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Mit altem Freund bei frühen Promillen
Man spricht erst über seine neuesten Pillen
Bevor man sich zum Thema schleicht
Das Halbfinale wär´ erreicht
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Das Herz ein wilder Lügenwicht
Das wollt‘ ich doch und krieg es nicht
Man denkt und hadert durch die Nacht
Zeus Buddha Jahwe es wird gelacht
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Zu Hause wartet das Geschirr
Die Spüle zwinkert zu nur mir
Die Hände feucht das Wasser schäumt
Gelegentlich wird nichts versäumt
Gelegentlich
Ich deck‘ den Tisch
Und denk an Dich
Gelegentlich
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(gießen heute / lob gelegentlich auch mal alten verwirrungen / selbst wenn die einen großen sinnlosen haufen geld kosteten und vielleicht noch tun es / bvb im halbfinale / nicht schlecht / fußball macht mal wieder freude dieser tage / das erste gemüse wird angezüchtet / mal zu kalt / mal zu warm / aprilleben rules ok)
Vor der Fallmühle (sic!) / Bei Pfronten (Allgäu) / 14. Juni 2022
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Unter dem Kreuz des Wartens
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Als des Esel Ballack gestrecktes Bein
Unterhachingang bringend
Den Kurvendoofen neues Liedgut schlechter
Servierte nur noch
Toppgemüllert zwei Jahre später
Zwei hoch mal drei
Nie nie nie der Brasilianer auf den Knien schrie
In einen bayrischen Samstagnachmittag hinein
Und der Dicke
Heute mal nicht so calmundig
Weinte wie ein Kind
Da half kein Aspirin mehr
Und auch keine Verklappung der ewigen Niederlagen
In den Tiefen der Fortsee
Nur ein Warten auf Godot
Besingen noch geduldigst
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Gestern dann war er aufgetaucht
Als hätte er einen Plan gehabt
Der Junge
Als Esel gescheiter
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(ich habe mich aufrichtig gefreut gestern / der vernünftige schiedsrichter, der rechtzeitig, fast schon rheinisch, der freude, in dem er abpfiff, ihren raum ließ / dieser wirtz und wenn der früher von mir verehrte fc kölle su’nem jong kein perspektiv bieten kann: wat willste maache? / leverkusen meerbusen hängen em rään, loss mich jetz erus he söns hann ich dich noch jään / sang der jächt / kann gar nicht zählen wie oft ich nachts im zug auf der rückkehr gen kölle nach proben oder vorstellungen in essen, düsseldorf, münster, duisburg am leuchtenden bayer-kreuz vorbeirollte / leverkusen alaaf / alter stern mal neu)