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Ich denke nach, während ich rumsitze. Habe ich mich damit abgefunden, daß dieser Schienenbus steht. So vor sich? Hin und nicht her. Wie die gute alte Raute. Sich nicht bewegen als eine Art von Lebensvortäuschung. Vielleicht müsste man Angst haben vor dem Leben und nicht vor dem Tod. Der Schienenbus wächst mir ans Herz. Eben. Wünsche ich mir noch Besuch. Oder reicht der warme Mantel und die Aussicht. Können Schienenbusse fliegen. Bereitet sich der Wagen, in dem ich sitzend warte lesend, darauf vor zu FLIEGEN. Etwas Großes ante portas. Die eine endgültige Überraschung. Das Buch vor mir aufgeschlagen auf einem Knie. Ich lese nicht. Blättere lediglich hin oder her und zurück. Fetzen. Wortfetzen. Es dämmert. Taschenmesser. Taschenlampe. Stofftaschentuch. Überlebenshilfen.
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Dort, wo der Schienenbus nicht mehr hinfahren mag: Kriege. Kriege von denen ich sah und hörte, bevor ich den Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte. Mit den letzten Zeitungen die verschimmelt stinkenden Gemüsereste umwickelt hatte. Die Küche verlassen. Und in der Flucht mein Heil. Heil. Heil. Wohin. Reime aus einem überfallenen Land. Kriegsreime. Wer entscheidet, ob der Schienenbus stehen und bleiben. Muß! Ein paar Wortfetzen. Trost. Vor mich hinsprechen. Kaum noch zitternd. Trotz der Kälte. Wohlig frierend. Geht das? Wortfetzen. Serhij Zhadan: der Dichter schreibt eine Chronik seines eigenen Atems. Ich beglückt. Frierend wohlig.
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Hier nun macht der Winter dieses Jahr die Bäume fahl.
Was sind das für Menschen, die die Ankunft des Herrn
Feiern?
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Das sind Menschen, die sich Christen nennen.
Gute Menschen eigentlich, solange es nicht um Vergebung
Geht.
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Umblättern
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Der Himmel ist wie ein Schüler, der zum ersten Mal
Die Odyssee lesen muss,
die Fenster sind warm wie Frauen, die in Liebe geboren
haben,
die Sprache ist wie ein Rasierer:
höchst sicher, höchst nah.
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Nochmal weiterblättern
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Doch an den traurigsten Tagen
Kreis über mir –
Vogel des Vertrauens.
Und in den trübsten Zeiten,
inmitten von Lärm und Erstarrung,
bleib bei mir, Sprache –
Sprache des Zweifels,
Sprache der Freude,
Sprache des Dankes.
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Es klopft an die Scheibe. Aus der Dämmerung heraus winkt mir ein Paketbote zu. Ein Paket. Ein großes Paket. Ein sehr großes Paket. Etwas unförmig. Ich erhebe mich. Ein Hieb in den Rücken. Stechend. Zur Tür.
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