„Su hann ich geliert im Jegner den Minsch zu sinn!“ (Toni Schumacher)

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Kölner Südstadt. Alleine vor dem Schwarz – Weiß – Fernseher im „legendären Sommer von 1982“. In der Nacht von Sevilla kütt der Tünn anjeflogen. Davon berichtet er fünf Jahre später aka lässt berichten in seinem „Anpfiff“. Mehr im Anschluss. Viele Menschen, gerne Männer, laden sich im Laufe ihres Lebens ein Paket auf den Buckel, welches sie kaum mehr runterkriegen. Toni Schumacher hatte gleich zwei bis mehrere solcher Kisten hochgehievt.

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In den 80er Jahren war ich regelmäßig im Müngersdorferstadion. Nicht im Freibad nebenan. Aber der Sound von nebenan lag stets in der Luft. Festes Ritual: der Einmarsch des Tünn. Als Erster oder Letzter des EffZeh. Kulturbeutel unterm Arm. Vom Nordtor einmal längs und quer über den Platz – Huldigungen benötigen ihre Zeit – rüber in die Südkurve. Man feierte den King vom Rhing. Dieser Tünn isset und nit der Dummse Tünn, obwohl dieser möglicherweise der einzige Lude auf Wikipedia. Meister Schumacher fing meist alles, was zu fangen war, auch mit gebrochenen Fingern. Siehe ganz unten. Sogar den BIG MÄC. Außer 1986, wieder ein Sommer in der Südstadt. Die WM der Hand Gottes und Toni griff im Endspiel daneben wie man nur daneben greifen kann. Noch ’ne Paket am Hals? Letztlich drissejal.

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Im Jahr drauf diktierte er den besagten Anpfiff. Was stand drin? Kicker dopen. Etliche Kicker sind schwul. Kicker saufen und zocken. Und Loddar ist nicht die hellste Kerze auf der Torte DFB. Sowie Rumminiga ein Schleimer und Karrierist. Remenber the Schlucksee! Was ist daran falsch? Und – etwas ungelenk, siehe Überschrift – schrieb er sich die Causa Battiston von der gekränkten Seele. Die Nationalmannschaft entledigte sich des kickenden Autors und so dann auch – wahrscheinlich tausendmal verletzender – der EffZeh. Feige wie sie halt sind, die Taktiker und Bettvorleger. Also ein erzwungener Wechsel gen Schalke. Höchststrafe?

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Wieder ein Jahr später im Mai. Schalke zu Gast in Kölle. Das letzte offizielle Bundesligaspiel – ok, später durfte er als Dortmunds Torhütertrainer ein paar Minuten Meister sein – des Schumacher. Eine verpflichtende Pilgerreise für uns Jünger. Die alten Gefährten Icke und Litti netzen gegen ihn ein. Das ganze Stadion entschuldigt sich dafür. Eines meiner emotionalsten Fußballspiele. Ich mochte diesen freundlichen Verrückten sehr. Nur die wirklich Coolen werden von Andy Warhol porträtiert. Und reden im Theater über ihre alten Pakete. Später mal.

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Von der Sinnhaftigkeit versunkener Currywürste im Leben eines Rentners

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Meersburg am Bodensee / Januar 2024

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Mit „Hömma hier getz!“ im Sinne Helge Schneiders mag man diese Blogschwurbelei beginnen. Wobei et umme Ernsthaftigkeiten gehen tut. Der Alltag eines Rentners ist erst ja mal vor allem viel Leere, aber da noch wat Schwung in Stand- und Schussbein rumliegt: man nimmt sich zusammen und jeder Atemzug ist ja von Bedeutung, auch wenn selbige im rasanten Tempo verlustig geht. Haben wir ja begriffen. Oder auch nicht.

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Man tut Dinge. Radio hören. Fragen Sie mich nicht welchen Sender. Man verliert seinen Ruf schneller als man über den Seltersweg strolcht im Rahmen der Sinnhaftigkeit. Beweg‘ Dich bitte auch ab und zu mal, sprach die Gattin, die noch im Erwerbsleben. Bis zum nächsten Wein ist es, Dionysos sei es gepfiffen, nicht so weit. Dazu später, zurück zum Radio.

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Die Neuigkeit, die aufhorchen ließ heute in der Früh‘: in Hannover ließen sich Schutzleute – Darf man das noch sagen? – mittels Currywurst nicht gerade bestechen, aber dazu bewegen, mal weg zu sehen. Hannover? Hillu, die unserem Bundes-Gerd diese Köstlichkeit einst verboten hatte? Scheidung folgte auf den Fuß. Vollstes Verständnis. Meine Ausbildung zum Mimen in Kölle ohne Currywurst angesichts der Finanzlage schlichtweg unmöglich. Einzige Alternative die Rievkooche-Bud vor dem Kölner Bahnhof. Die schwammen in wahren Pools von Fett. Die Rievkooche. Wohlstand?

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Jeder, aber zumindest jeder dritten bis vierten Ausbildung, folgte im reichen Germanien der 70 / 80er eine damit verbundene Tätigkeit. Ich war irgendwann in Tübingen engagiert. Näher am Geburtssee als an den Genusstempeln in Sachen Currywurst. War schön, jedoch: wir spielten viele Abstecher (Nichtkundige bitte googeln: Abstecher Theater!) und vor der Vorstellung durchstreiften wir, einige in NRW sozialisiert, die Ortschaften des Südwestens auf der Suche nach? Eben. Wir verfassten darauf das viertdünnste Buch der alten BRD. Nach den bundesdeutschen Beiträgen zum Humor, altlinks gelungenen Revolten, den Meisterschaften des S04, punkteten wir mit „Die besten Currywürste südlich des Mains!“ Hömma, die hauen Dir die komplette Wurst auffem Teller und dann muß Du die auch noch selber schneiden tun. Glaub ich dat? Seit Ewigkeiten arbeite ich an dem Werk: „Darf man Brezeln nördlich von Heilbronn verkaufen, geschweige denn backen?“

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Dann saß ich im Café. Der Spaziergang war kürzer als angeordnet worden war, aber – Entschuldigung! – es stürmte heute wie wild. Eben! Wenn da ein Ast auf meinen noch mitdenkenden Schädel? Genau! Las die zwei hiesigen Lokalgazetten, die sich inzwischen etwa 70% der Beiträge teilen tun müssen! Zwischenruf: Denkt an die Bäume und lasst es sein! Aber zwei Perlen, die des Rentners Leere füllten, durfte ich dann doch beäugen tun. Die Prognosen. Sarahs BSW in Umfragen bei 3%. Unter Anmerkungen stand noch: Fehlertoleranz bei 2,5%. Gen unten wie oben. Oskar: gehe schon mal auf den Markt. Rentner kochen ja gerne. Falls noch eine Frau in Herdweite.

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Und: ich bin ein entschiedener Befürworter des Limburger Modells in Sachen Taubenhege. Denn in den Innereien der toten Tauben lasen die alten Römer von der Zukunft, keiner Gegenwart und kaum von einer Vergangenheit. Eh egal. Und gebraten haben sie die Viecher auch, bevor die Viecher dem Germanen späterer Tage ins Maul geflogen waren. Meinen Kaffeesatz benötige ich zum Düngen meines Gemüses.

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Und, ich find‘ ja heut‘ kein End‘, eben den TV-Apparat angemacht. Vielleicht ist ja Wintersport. Die wahre Sinnhaftigkeit des Rentnerdaseins. Und was machen die da „Volle Kanne“? Vier Jahre Covid. Gedenksendung. Die Covidelei, der deutsche que(e)rdenkende Verkehrversuch. Was uns denn alle verbindet, wenn gestorben werden muss? Oder was die Geplagten dann alle trennte im gewiss lauteren Schmerz? Lamentatio pensionario? Der Sinn haftet an den Rändern der eigenen Vergewisserung. Vielleicht!

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Auf zur letzten oder ersten Currywurst. Erinnerung 1982: Eben war es Kohl, der neue Helmut, der traurigerweise der neue Schmidt geworden war, wir spielten in Köln Theater, mit des Sängers leider später verstorbenen wunderbaren Frau saßen wir in der Küche der Regisseurin und erzählten uns in Dauerschleife schlechte Witze. Und lachten. Die besten Witze erzählte – Hömma hier getz! – der junge Bochumer, der fünf Monate älter denn ich und eine ganze Nacht uns durchlachen ließ. Und dann hatte man Appetit auf: andere Würste auch.

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Wo ist die Zeit? / Umkleidekabinen

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Bank / Belgien / Wallonie / Weris / 11. Oktober 2023

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Der Kostümwechsel

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Auf die längeren Bänke geschoben

Vermeintlich aufgehoben

Irgendwann grüßt von ganz oben

Der Apfel an dem Schneewittchen sich verschluckte

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Die Sitzgruppe also leer

Ach so lange ist’s schon her

Mir war damals so schwer

Und man schwieg wenn es juckte

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Letzten Auftritt verpasst

Stattdessen fröhlich gehasst

Sich ins Koma gemaßt

War dies hier unser Ort

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Mancher Traum ungestüm

Braucht ein neues Kostüm

Verzichte auf’s Blüm –

Che schon länger fort

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Was war das Wort

Das stach zur linken Zeit

Allzeit bereit

Bevor alle fehlen

Und die meisten Bänke unbesessen

Langsamer vergessen

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Unten ein Lied eines alten und sehr wichtigen Weggefährten. Wir hatten uns dummerweise aus den Augen verloren. Schau’n wir nochmal nach.

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Wo ist die Zeit? / Das Nachbessern

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Das Versprechen des Schauspielers

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Du sagtest aber einst

Dass und zwar immer

Egal was da sei und werde

Als der Himmel mir gegen den Kopf schlug

Obwohl hinter den mageren Hügeln Deiner Heimatlosigkeit gewiß

Ein Meer und die Zusicherung einer Muschel an meinem Ohr

Rauschte und der Regen regnete einen jeglichen

Tag dieser Tage

Darf ich malen das tiefe Grau in dem alle anderen Farben

Wohnen auf eine letzte Postkarte

Die ich lege

Auf die Straßenseite drüben

Falls du nochmal aus dem Fenster blickst

Das Meer zu hören lautlos

Auftritt

Probebühne

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(Gießen / wieder November / 2023 / Regen regnet täglich)

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Wo ist die Zeit? / Ach was!

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In einer Küche / Der Gatte / Gegenüber unsichtbar die Gattin / Früher November 2023

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Nein, dies ist keine photographische Inszenierung. Obwohl ich zwei Loriot – Abende zusammengestellt und auf die Bühne gebracht habe. Man hatte mich beauftragt und dann auch gebeten damals. Wir saßen nun in der Küche beim Abendbrot, die Gattin und ich, und sprachen über den dieser Tage allgegenwärtigen Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow, als mein geliebtes Gegenüber ansatzlos in wilde Heiterkeit ausbrach. „Du hast da was!“ „Ach was!“ „Sagen Sie jetzt nichts!“ Und sie griff zum Telefon und photographierte mein Gesicht.

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Den ersten Abend hatte ich vor etwa 11 Jahren am Wallgrabentheater Freiburg gebastelt. Ein Anruf: „Loriot ist gestorben!“ Gründer, Grandseigneur und auf dem Weg in den endgültigen Ruhestand war dort Heinz Meier, unvergesslicher und neben der herrlichen Evelyn Hamann zentraler Partner des Meisters, der mir in den Rückblicken ein wenig zu gering gewürdigt scheint und mit ausdrücklicher Genehmigung von Loriot, dessen Szenen als Erster und lange Einziger aufs Theater bringen durfte. Ich hatte die Riesenehre und muß dies erwähnen, obwohl mir das „Namedropping“ eine ungute Version von Eitelkeit ist , Heinz Meier, der mich knurrend duzte, ich ihn ehrerbietig siezte, inszenieren zu dürfen. Da wir schon rumeiteln, hier ein Presseausschnitt: „Wer die legendären Loriot-Abende aus dem Fernsehen kennt, hat deren Szenerie und Spielfluss vor Auge. Aber muss man das wirklich Detail für Detail imitieren? Regisseur Christian Lugerth antwortet hierauf mit einem klaren Jein. Denn, und das zeigt der knapp zweistündige Abend unter dem Titel „Ach was! Loriot“ deutlich: Die Texte wirken schon aus sich heraus. Der Abend gibt da schon früh den Takt vor. Da steht ein älterer Herr vor dem Fernsehapparat und betrachtet kritisch einen Sketch, der ihn um ein paar Jährchen jünger zeigt. Der Herr macht eine abweisende Geste, schaltet die Kiste aus, ein Loriot’sches „Ach was!“ auf den Lippen. Der wirsche Tonfall indes ist nicht Loriot – er ist klar Heinz Meier. Als ob der Grandseigneur des Wallgraben-Theaters noch einmal Bilanz zöge über seine Rolle(n) in Loriots Stücken, mit zwei Worten und einer Geste, die viel mehr aussagen als lange Abhandlungen. Dem besagten Sketch, es ist der vom Lottogewinner Erwin Lindemann, gilt auch das virtuose Finale des Abends. Heinz Meier alias Lottemann, äh Lindemann, mit herrlich ostpreußischem Akzent und all den geplanten Versprechern, die, darf man das so sagen?, eine Spur rauer, eine Spur resignativer klingen als früher: Aus Erwin ist ein Estragon geworden, und vielleicht wartet der nicht auf Godot sondern auf Loriot.“

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Heinz Meier war ein großer Fußballfan. Was uns verband. Wir schauten also oft gemeinsam auf den kleinen Fernseher hinter der Bühne, wenn die Bälle rollten. Und redeten eher wenig. Umso mehr redete aber der „Kleine Prinz“, wie Meier den designierten Leiter des Theaters gerne nannte, der – man war „not amused“ – sich das kleine und sehr feine Theaterchen angeheiratet hatte. Er war sich sehr sicher zu wissen, daß es nur eine Sichtweise  auf den Humor des Altmeisters gäbe und zwar die seinige. War stets ein freudlos anstrengendes Zuhören, er stand auch auf der Bühne, bis Heinz – inzwischen durfte – Ach was! – mußte ich ihn duzen, ein Machtwort sprach. „Der macht das schon!“ Gerettet! Holleri du dödel di!

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Unlängst las ich Erinnerndes von Tim Moores, ein britischer, nein, ein walisischer Regisseur  – Wie passend! – der die ersten Fernsehsendungen von Loriot bei Radio Bremen einrichtete. Der Bremer Sendechef damals war ein Schwabe. Tim Moores erinnerte sich, daß jedesmal wenn der Schwoab an ihrer Humor-Arbeit herummäkelte, sie so wussten, daß sie richtig lagen. Der „Kleine Prinz“ war – Ach was! – der Sohn eines schwäbischen Häuslebauers. Sagen Sie jetzt nichts. Ist Ihr Gatte auch dieser Ansicht?

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Der erste Loriot – Abend lief zwei Jahre lang mit Warteliste. Der Sommer 2013 war ein sehr heißer. Ich arbeitete wieder in Freiburg und war verantwortlich für die dortige Rathaus – Innenhof – Sommer – Inszenierung. Ab und an traf ich Heinz, der inzwischen ziemlich geschwächt. Er schleppte sich ins Theater für die letzten Vorstellungen. Kaum stand er auf der Bühne geschah diese Verwandlung, die unseren Beruf ausmacht. „Freue mich auf die Sommerpremiere. Du machst das schon!“ Sagt er noch. Nebenher auf den Proben die üblichen „Humordiskussionen“ mit dem inzwischen beförderten „Kleinen Prinzen“. Nach einem größeren Knall, ich hatte die Faxen dicke und dann im guten alten „Litfaß“ die Nacht durchgemacht, klingelt um 7 Uhr in der Früh das Telefon. „Der Heinz ist tot.“ Man hatte ihn in seinem Lehnsessel gefunden. Ein Gläsle Ihringer auf den Tischle und ein Buch in seinem Schoß. Am Tag der Generalprobe die Trauerfeier im Foyer des Theaters. Als – man verzeihe die Eitelkeit – letzter Regisseur des großen Heinz Meier – hielt ich eine kleine sentimentale Dankesrede. Der „Kleine Prinz“ weinte feuchte Lügen in die Dreisam.

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Drei Jahre später ein Anruf. Ein zweiter Loriot – Abend. Das Theater humpelte in Sachen Auslastung etwas am Soll vorbei. Die zweite Erfolgs – Platte auflegen. Noch mal eitle Presse: ‚Spielen Sie doch einfach, was da steht‘, heißt das Programm – und das ist auch die Idee, von der sich Christian Lugerth leiten ließ. Der Regisseur hat Loriots Geschichten von womöglich aus der Zeit gefallenem Beiwerk befreit und sich auf den Kern, auf die zerbröselte zwischenmenschliche Kommunikation, das Aneinander-vorbei-Reden, konzentriert. Sinnfällig wird dies nicht nur im Titel des gut zweistündigen Abend, sondern auch im Bühnenbild auf der Kellerbühne: Das rot-samtene Loriot-Sofa steht als Vergewisserung am Bühnenrand, als Requisiten aber reichen ein paar schlichte Stühle und ein Gazevorhang, mal ein Tisch, mal eine Stele. Und natürlich ein Klavier.“ Moment! Der inzwischen „Große Prinz“ sprach dazu was? Man wiederholte sich in den Auseinandersetzungen. Premiere. Abreise. An der Wiederaufnahme wurde später noch unnötig rumgedoktert. Nicht von mir. Dann starb auch noch Evelyn Hamann.

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Uff! Wurde jetzt letztlich ein Plädoyer für die Heinz Meier dieser und vergangener Bretterwelten. Heinz Meier hatte mir – PSST! – beim Fußball gucken mal erzählt, daß Loriot sich in den Arsch gebissen hatte, ihm den Erwin Lindemann überlassen zu haben, der, wie er fallen ließ, für ihn lebenslanger Fluch und Segen war – und ich bin schuld – auch noch die letzten Worte wurden, die er auf der Bühne sprechen konnte / durfte / musste / wollte. Auf was warten wir? Auf Godot. Zurück zu Loriot.

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Krawehl, krawehl!

Taubtrüber Ginst am Musenhain

Trübtauber Hain am Musengibst

Krawehl, krawehl!

(aus: Die Reime des jungen Bülow)

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Außerdem hat die deutsche Sprache wunderbare Substantive,

die im Rahmen einer Liebeserklärung enorme Wirkung haben,

Auslegeware oder Sitzgruppe beispielsweise.

(aus: Minima Loriotika)

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Moment! Untiges lag noch hier rum. Es flog auf Wunsch des Prinzen – der sich nicht aufblasen wollte, es aber tat – aus dem zweiten Abend. Ach was.

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 04

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Torgau / Sachsen / 21. Juni 2023

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Das Theater da lang und ich bog ab.

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Selbstredend ist es nicht die Regel und über einen Kamm geschoren. Aber eine Conclusio wäre, daß ich letztlich unter den wohlsituierten Bürgerkindern, welche die Theater dominieren und dies mehr und mehr tun, ist doch der wütige Aufsteiger von unten her schon länger als toxisch markiert, immer etwas fehl am Platze war. Und die Sache mit den eingeschmierten Ellenbogen, ich konnte es nie. Die Schafe anmalen mit angeblich wissendem Herzen schon gar nicht. Wie gesungen: keine Klagen.

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Menschen und Landschaften, welche ihre Wunden und Narben überschminken, sind mir fremd. Menschen und Landschaften und Städte, welche ständig von ihren Verletzungen singen und für ihre Narben und Wunden Denkmäler bauen und Feiertage einführen, sind mir auch fremd. Am fremdesten jedoch sind mir jene, die behaupten durch ein Leben gekommen zu sein, ohne jemals einen Schaden angerichtet zu haben.

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Theaterseelchen

Gekränkte Idioten die wir

Puhlen die eine Erbse

Auf der wir unsere Empfindlichkeiten

Wollen zu Ende liegen

Bis uns Denkmäler gesetzt

Und schneller vergessen sind als Morgentau

Wenn aber diese gestürzt vor der Zeit

Welch Erlösung für die Hülsenfrüchte und Seelchen

Unter den durchgelegenen

Matratzen wohlfeiler Scheinwütelei

Es schwenkt nach Dir der Verfolger

Heller Bühnenfleck der Rest

Säuft ab zum Hintergrund und

Rein in die Kulissen Abgang

In Schmoll

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Was, bitte, wolltest Du eigentlich von mir? Sprich!

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 03

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HoyWoy / siehe oben

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Ein Meister klagt nicht, noch jammert er.

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Die letzten zwei Tage ein durchaus sentimentaler Ausflug nach HoyWoy. In Sachen Gundi. Eine sehenswerte, manchmal wild hin und her springende, aber die Musik Gundermanns überraschend neu interpretierende Aufführung des Staatsschauspiel Dresden in der dortigen, ja, legendären Lausitzhalle. Viele Altvordere vor Ort, die wußten, von was gesungen wurde. Und vor allem, dank der wunderbaren Auswahl von Gundis Texten, was da verhandelt wurde. Ergreifend teils. Und nie sentimental. Nix Ostalgia. Nichts vergessen wurde, aber vorwärts gedacht wird.

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Sechs Gundermänner und Gunderfrauen teilten sich die Worte und die Lieder. Do it like Dylans „I’m not there“. Mehr Ambivalenz auf der Bühne geht kaum. Stimmig, aber am Ende wurde es lang und länger. Klar. Da müssen noch die Hits gesungen werden. Hoyerswerda jubelte. Schön. Gerührte Mimen.

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Danach dann doch die Traurigkeiten. Die Gundermann – Projekte 1 & 2 waren meine letzten ernstzunehmenden Theaterarbeiten. Dann kam Corona und danach – Sorry Kiel – nur noch schwachbrüstige Komödchen, denen ich versuchte wenigstens einen Hauch vom Ernst des Lebens und Liebens einzuhauchen. Doch diese Mühsal ist Vielen nicht mehr geheuer oder gar emotional etwas zu teuer. Also trennten sich unsere Wege, traurig, aber klaglos. Das Theater da lang und ich bog ab.

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Geburtstage? Im Mai? Wir sind dabei!

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Meine liebste und (einzige) Schwester hat zwei Tage vor dem Meister Geburtstag. An der Kante der Sternzeichenwende. Eben hatten sich die bockig verbissenen Stiere vom Firmament gemacht und überließen den ambivalent bestimmten und fröhlich verwirrten Zwillingen das Himmelszelt. Es wurde so entspannter. Aber auch etwas uneindeutiger.

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Ich glaube dieses Sternzeichen wurde für Dylan erfunden. Und für die beste Ehefrau aller Zeiten. Und sogar für den Bruder. Selbstredend wissend von den unzähligen Turbulenzen. Meine erste Ehe war eine in Sachen Stier. Nun, jeder macht und ich das auch gerne mal mit unüberlegter Überzeugung, schwere Fehler. Zahle aber dann ohne lautes Murren alle Rechnungen.

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Ach und unvergessen die Abende in kölschen Kneipen. Nachts. Alle breit. Letzte Runde. Zahlen. Proteste. Nie habe man 12 Kölsch getrunken. Höchstens 11. Alaaf. Habe ich gerne mal den leeren Geldbeutel gezückt. Machet op minge Deckel. Drissejal. Dat letzte Hemd hätt keine Däsche. Stößchen. Gelle. Und auch für den Kurzen, den Roman. Aber das war schon wieder in Gießen. Wo beginnt und wo endet Humor? Mit oder ohne Galgen?

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Mein guter alter Mentalmentor wird heute mal wieder älter und alt. Also oben ihn feiern und unten feiert er einen anderen. Schön dies zu sehen.

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Las die Tage ein wunderbares Buch. Wie man von Okapis träumt und dann wird irgendwo im Dorf gestorben. Und wie die Liebe selbst bis nach Japan reichen kann. Und zurück. Und wie irgendwann jemandem auffällt, daß die Hauptfigur und Mutter und Oma, mit dem herrlichen Namen Selma versehen, aussieht wie Rudi Carrell. Geht das? Ja. Es geht. Und bleibt.

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Irgendwann in den frühen „Nullern“ hatte ich meine Schwester und ihren Gatten (Einwurf: Hömma! Mach Dich keine Sorgen! Wir werden Maista!) zu einem Dylan – Konzert nach Düsseldorf eingeladen. Die Jugend soll ja was lernen dürfen. Und die Schwester sagte, der Meister sähe aus wie …

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Meine Mutter ist Krebs. Sternzeichen natürlich. Und da lauern dann schon wieder neue Geschichten. Und Reime. Und bald ist vorbei auch dieser Mai. Als extrem launischer April verkleidet schleicht er laut von dannen. Vom Ruhme kaum bekleckert. Meine Mutter heißt nicht Robert Zimmermann.

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Nachtrag zwei Stunden später. Da kommt die teure Gattin nach Hause. Etwas zu laut singt das Geburtstagskind von der Katze, der es prinzipiell gut geht, die aber dann doch auch mal schlafen sollte. Eines dieser eher belanglosen Lieder des Meisters. Das sind diese, welche ich liebe. Dann werde ich noch im Vorbeigehen aufs andere Geburtstagskind hingewiesen.

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Auf den Knien meines Herzens gedenke ich also stante pede des zweiten Mentalmentors und wertvollen Wegweisers zu Zeiten, da ich zwischen und unter den Probebühnen hin und her irrte. Dauernd verwirrt. Aber: Warten ist die wahre Zeit. Hat er gesagt. Als er „Mein Kampf“ schrieb. Der Györgi!

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