„Es sind die Zeiten nicht zum Schlafen da!“ (Dieter „Maschine“ Birr)

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Damals als der Schlaf überraschend heftig nach uns gegriffen hatte im sehr warmen Frühling 2020

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Zeiten und Weiten

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Frage mich nicht

Meine Hand neben ihrem Knie

Was ich heute besser wüsste

Da ich wieder so handelte

Wie vor Deiner Frage

Wo steht unser Geräteschuppen

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Sperrstunde

Den Zapfenstreich mitträllernd

Den Rechen hinter mir herziehend

Wo nochmal war die Weitsprunggrube

Was klopfte der Specht

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In der Art eines Zen-Meisters

Reche ich den Sand

Und grabe aus den Absprungbalken

Man darf übertreten

Oder schreibt man räche ich

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(gießen heute / vor vier jahren der erste lockdown / man nahm es gelassen / fast schon erfreut / christian streich hört bald auf / was für eine absurde nachricht / obwohl vorhersehbar / wann stirbt dylan / wann aber endlich lese ich davon, daß man wladimir trump kein staatsbegräbnis zugesteht / morgen mehr zur maschine die heute 80 und rostock / und oben am revers sogar noch der pin der deutsch-russischen freundschaft / weiterhin rund um die verluste rumtippen)

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„Da sind wir nun und leben im Abspann am Ende des Filmes.“ (Sheila Heiti)

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Wolziger See / Wolzig / Wolziger Hauptstrasse / Brandenburg / Juli 2014

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In den Sonnenuntergang reiten

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Nun da wir feststellen müssen

Blumenblätter zupfend

Es liebt mich es liebt mich nicht es liebt mich

Was uns täglich verlässt

Es liebt mich es liebt mich nicht es liebt mich

Weil es uns verlassen muss

Es liebt mich es liebt mich nicht es liebt mich

Sind wir die Ersten und Lautesten

An den Rändern der ausgehobenen Gräber

Die beklagen was zu unseren kalten Füßen nun ruhen mag

Da wir einst den Tod wünschten verächtlich

Wissend wie wir stets glaubten

Den müden Leichnamen dort unten

Nun aber klopfen wir uns hagestolz an die Brust

Wir wären die ersten Zeugen einer Apokalypse

Häschen in der Grube

Am Ende der Welten

Heute den Kaffee ausnahmsweise mit Zucker

Drei Teelöffel

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(gießen heute / über verluste lesen weiter / gar nicht mal vom tod / die etlichen verluste legen sich übereinander wie zwanzig tortenböden / während man den letzten, den obersten zu verschlingen sucht, stößt einem der unterste auf / schon wieder? / wäre die frage / sodbrennen des schicksals? / wäre eine antwort)

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„Ich kann niemanden, der einmal tief in meinem Herzen war, hassen! Warum auch? Keine Zeit dafür!“ (Erika Pluhar)

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Aachen / Oktober 2023

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Der Schauspieler

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Es hatte geregnet und es war neblig und strenger Frost

Und die Sonne schien als die Türe ins Schloss

Gefallen tu mir bitte einen Gefallen

Umschluss heute nicht

Die Zellentüre stand offen gen Flucht

Ohne Verzicht

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Zur Feier dieses Tages

Wankte er ins vorläufige Hotelzimmer

Handschuhe und Lesebrille vergessen

Unterwegs und der Brustkorb

Eng und enger durch diese hohle Gasse wird

Sie

Nicht mehr kommen geschweige denn

Aber Schweigen

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Heimkehr unter alte Decken

Der Kühlschrank steht offen leer

Draußen rumpeln Müllfahrer ihre Weckrufe ins Morgengrau

Freudig frustriert

An seiner Seite die welche tiefer schläft

Unter dem Kopfkissen

Seine Pistolen

Angedacht

Ständig müd‘

Nie erschöpft seine Gefallsucht

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(giessener varianten verschiedener positionen / heute und gestern schon scheint die sonne / frühe narzissen / vielleicht zu früh / reimen als selfie / tuchel trägt heute einen spezialschuh / kann mann machen / nach dem zeh bricht das herz)

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„Mit dem Aufhören kann man nur anfangen!“ (Axel Hacke zitiert H. Hesse)

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Skulturenpark Hoyerswerda / Sommer 2019

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In der Erinnerung sieht alles anders aus

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Man kann sich keine private Welt schaffen

Säuberlich getrennt von der

 Die uns umgibt

Wir haben gelernt den Mund zu halten

Keine unbequemen Fragen zu stellen

Einflußreiche Leute nicht anzugreifen

Wir sind ein bißchen unzufrieden

Ein bißchen unehrlich

Ein bißchen verkrüppelt

Sonst ist alles in Ordnung

Wer trennt sich schon gerne von seinen Idealen

Man tut was man kann

Aber das ist zu wenig

Gemütlichkeit wärmt

Wer warm sitzt wird träge

Trägheit hat kein Gesicht

Es ist so bequem feige zu sein

Eine komische Sorte Glück

Das nur für Minuten vorhält …

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(ein kleines poem, zusammengestellt aus zitaten, unerlaubterweise, aus dem großartigen bilderbuch „in der erinnerung sieht alles anders aus“. zum internationalen frauentag desweiteren grüsse aus avignon.)  

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„Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“ (Horst Hrubesch)

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Irgendwo auf Kefalonia / Juni 2023

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Weniger Zutaten

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Manni Banane

Ich Kopf

Tor

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Ein Stück Brot

Olivenöl

Salz

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Gelegentlich die alten Schinken abstauben

Gelesen oder ungelesen

Und die Elefantensammlung

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Wenn sie lacht

Und ich kein Schlaumeier bin

Krokusse

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(gießen heute / keiner spricht das eigentlich sanktionierte wort mädels freundlicher aus denn horst hrubesch, den ich mir seit spätestens 2016 anstelle des ewig trist und eitel blickenden jogi wünschte / vielleicht hätte er das ein oder andere mädel bei den jungs zum coming out bewegen können / siehe krokusse)

„Der Mensch ist für das 21. Jahrhundert nicht geschaffen!“ (Rene Pollesch)

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Konstanzer Hinterhof / März 2022

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Die Schauspielerin

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Vielleicht hatte es geregnet.

Vielleicht lediglich der zähe Nebel draußen, den der See im Winter ausatmet, wenn er seine Ruhe braucht.

Die Tür mit aufgeregtem Knall in den Morgen geschmettert blieb offen.

Stand in ihren Angeln ratlos rum. Da sie den Bus verpasst hatte.

Auf der Suche nach dem Theaterschlüssel in den Seitengängen ihrer Taschen fröstelte es ihr.

Umkehren sei keine Option. Wer immer es ihr gesagt hatte.

Ameisen krabbelten ihr Schienbein hinauf.

Bevor das neue Stück gelernt ist das alte Stück nicht vergessen.

Ich darf mich nicht jucken.

Jedenfalls nicht vor der Premiere.

Ihr Smartphone summte. Heute keine Probe.

Da sie sich abwandte fährt der verspätete Bus um die Ecke.

Bald ein neues Stück das kein Stück werden wird.

Die Haustür noch offen. Der Schlüssel nicht auffindbar.

Ein Müllmann rempelt sie an.

Warum hat Sie ihre Gelbe Tonne nicht rechtzeitig rausgestellt?

Die Bühne wird gewischt. Jeden Morgen.

Vor den Proben. Keine fremden Worte mehr lernen.

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(gießen / heute)

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 21

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Balkon / hinten die Bucht von Lourdata / Kefalonia / 3. Juni 2023

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Es lebe der Irrtum!

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Es mögen hoch leben die Irrtümer. Vor allem jene, die man mit Ach und Krach gerade noch korrigieren konnte. Ein Abschiedsreim aus Kefalonia.

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Und wie die Sonne fiel ins Meer

Als sei’s ein letztes Mal

Sang ich ein Lied

In die hereinbrechende Nacht

Der Abendwind strich meine Wangen trocken

Aus dem Zimmer hörte ich Deinen ruhigen Atem

Charon bat ich noch zu warten

Bis die Grillen schweigen

Für immer

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 20

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Garage / Fischerhafen / Argostoli / Kefalonia / 2. Juni 2023

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Die ureignen Reflexe ersetzen? Womit aber?

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We drove that car as far as we could

Abandoned it out west

Split up on a dark, sad night

Both agreeing it was best

(Bob Dylan)

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Wie trennt man sich von seinen Irrtümern? Möglichst geräuschfrei und ohne sich selbst und den in den Verwickelungen Verwickelten zusätzliches Weh zuzufügen? Den Tod wünschen seinen wohlfeilen Vorhaltungen?

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Man meint es mit seinen Münchhausen-Geschichten ja überhaupt nicht böse. Vielmehr ist man es so gewohnt, die Realität mit fiktiven Ereignissen und Details wild auszuschmücken, daß es einem selbst schon gar nicht mehr auffällt, daß man sich immer weiter von der Wahrheit entfernt und immer tiefer in seine Lügen verstrickt. Vor allem sehnt man sich nach Anerkennung der Mitmenschen und denkt, daß man diese nur mit Lügengeschichten bekommt. Man fürchtet irrtümlicherweise, dass man sonst nicht genügt.

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Ein sich einem Ende entgegenneigendes Leben ist eine rechte Schrottkarre. Meist war man selber zu blöd richtig einzuparken, aber oft genug ist auch irgendein Depp einem aufs Heck oder in die Seitentür gerauscht. Gerade wollte man eigentlich aussteigen. Auch da man vergaß rechtzeitig zu tanken und sich dann über den Kolbenfresser echauffierte. Peching! Formulierte es ein lebenslanger Freund gerne mal. Hatte man aber DAS Glück, wohnte in engster Nachbarschaft eine kundige Schrauberin, die die Kiste wieder flott gemacht hat. Aber das Ding eintauschen? Gott bewahre! Ein SUV – Leben hätte ich wohl nicht überlebt. Lieber Pflaster kaufen Tag für Tag als an Langeweile verschrumpeln bis zur Unkenntlichkeit. Und ständig auf der Suche nach einem Parkplatz durchs Leben huschend bös‘ klagen. Dabei Lebenslügen jonglierend. Nicht daß ich das nicht auch täte immer wieder!

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Jetzt verabschiede ich mich hier von Kefalonia, obwohl noch hunderte Bilder auf der Festplatte lauern. Inklusive vieler kleiner Geschichten. Eine Verschwendung eigentlich. Aber ohne Co2 – Fußabdruck. Immerhin. Was mit dem restlichen Sommer auch immer geschieht. Werde nicht zu heiß!

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Katalixi: Griechenland ist das Land, wo mich mein ständiges Nachhirnen weniger schmerzt. Das Zweifeln und das fröhliche Bereuen liegen dort freundlich in der Luft, die kleinen Bescheißereien, die charmanten Lügereien, die selbstironischen Übertreibungen, die Rituale jeder Begegnung und die Irrtümer inklusive des grinsenden „kai loipon“. Tut gut.

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Zurück und weiter, auch wenn die alte Kiste in der Wüste abgestellt wurde, mit dem Meister. Sie rostet dort aber langsamer. Es lebe der Irrtum!

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