Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 08

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Taverna Alexandros / Parkplatz / Divarata / Kefalonia / 5. Juni 2023

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Mann braucht keine Worte, wenn mann mal sehr müde ist.

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An der Kreuzung in Divarata, gegenüber der Taverne gab es einen der herrlichen griechischen Mini – Markets, kaufte ich mir einen neuen Hut. Meine Frau übernahm meinen alten Hut. Und auf dem Parkplatz ließen wir ihren noch älteren Hut zurück. Zur freien Verwendung. Dann fragte meine Frau den Hutverkäufer, ob es vor Ort einen Geldautomaten gäbe. „No, no. Not here. But soon. May be in three oder four weeks!“ Was heißt? Drei Jahre? Oder vierzig? Braucht man den Geldautomaten? Ach Veränderungen!

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Unter den älteren Hüten brodelt ein seltsames Wüten

Schaut man in den Spiegel sitzt du auf einem Igel

Im fremden Fleisch der Stachel juckt mich nicht

Doch meine Angst die sticht und sticht klare Sache kurz mal Rache

Über’s eigene Versagen stellt uns keine Fragen wir antworten später oder nie

Mundwinkel zucken und verziehen sich wo gestern noch Verlass mich nicht

Heute geh‘ ich selber und auf der Schlachtbank Kälber im Ringelreih’n versammelt

Altes Vertrauen gammelt schweigend vor sich hin sage sage deine Klage auf und lauf

Den abgelaufenen Hut an einen Ständer hänge und ändere die Gesänge oder kreisel weiter

Dann wenigstens ein bisserl heiter

Junge Köpfe alte Hüte meine deine gute Güte hüte oder nicht

Kommst du vorbei der alte Hut ist frei

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Giorgos Dalaras wieder. Pame Gi‘ Allou. Gehen wir woanders hin.

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 07

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„Schule des Homer“ / bei Stavros / Ithaka / 7. Juni 2023

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Das WIR ist wirrer denn je.

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„Sage mir, Muse, die Taten des vielgewanderten Mannes, welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung, vieler Menschen Städte geseh‘n und Sitte gelernt hat, und auf dem Meere so viel unnennbare Leiden erduldet, seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft.“

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Mit 10 Jahren war ich wohl noch lernfähiger oder – bereiter wie dieser Tage. Die üblichen Alterserscheinungen halt. Am Ende der Quarta – entsprach auf einer höheren Bildungsanstalt einer 7. Klasse – wurde ich auf Grund großen Engagements im Deutsch – und Geschichtsunterricht mit einem Buchgeschenk ausgezeichnet. Gustav Schwabs unsterbliches „Die Sagen des klassischen Altertums“. Ein Wunder. Mehrfach verschlang ich die Geschichten, Mythen und Göttersagen. Besonders angetan hatte es mir natürlich die Odyssee. 10 lange Jahre irrte der Held kreuz und quer übers Mittelmeer bis ihn die Götter aus ihren undurchsichtigen Ränkespielen entließen und der Gott der Winde Aeolus den Weitgereisten an die Gestade seiner Heimatinsel Ithaka warf.

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Schon als Bub war mir einleuchtend, daß da jemand nicht für sich und den Nachruhm seine Abenteuer durchleidet, die oft genug herzliche Irrtümer und Dummheiten waren, sondern Homers Erzählung so eine Art Stellvertretersaga war, die sich an ein WIR richtete. Lese Menschenkind und verstehe. Im Schicksal des Heroen spiegelt sich die Welt und ihre Mühsal, also auch Du. Es bedarf keiner besonderen Betonung, daß Bob Dylan seine Dankesrede in Sachen Nobelpreis mit einem Zitat aus der Ilias begann. “Sing in me, oh Muse, and through me tell the story.”

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Also saß ich unlängst auf Ithaka unter einem uralten Olivenbaum, rechts und links davon ein paar spärliche steinerne Reste, die darauf hindeuten, daß hier vielleicht der Palast des Odysseus gestanden haben könnte. Könnte wohlgemerkt, bis zu 3 Weiler auf der Insel beanspruchen Heimat des Helden gewesen zu sein und vor einigen Jahre hat ein Altertumsforscher sogar rausgefunden, daß der Palast eigentlich auf der Halbinsel Paliki stand, welche ein wunderschöner und wild abgelegener Teil von Kefalonia ist. Da nicht nur Gott, sondern auch die Götter inzwischen tot sind, kann man die auch nicht mehr fragen. Es war ein glücklicher Moment, jedoch spürte ich auch eine ungeheure Müdigkeit in mir.

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Zurück zum WIR, welches seit einiger Zeit, auch angesichts toter Götter schrumpelt und ächzt und reduziert bleibt auf Heldengesänge auf ein angeblich allmächtiges Ego. Verbindende Erzählungen tun Not.

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Mein ganz persönlicher Held aber war Argos, der alte Jagdhund und vielleicht gar Schwarze Hund des Vielgereisten, der seinen Herrn erkannte, der unter einem alten Olivenbaum saß, er erkannte ihn, obwohl er schon im Sterben lag, räudig und vom Ungeziefer eines langen Lebens und Wartens zerfressen. Nach zwanzig Jahren, Odysseus zehn Jahre vor Troja und die zehnjährige Irrfahrt durchwartend, erkannte er den geliebten Herrn, wedelte dies kundzutun einmal mit dem Schwanz und ließ sich dann von Charon in den Hades rudern. Falls es einen Hundehades gibt. Eine wunderbare Treue, zu der man selber oft nicht fähig und erst in Zeiten der Anfechtungen und Krisen erkennt, was eine solche Treue wert ist. Sollte ich jemals sterben und ich werde dies nicht verhindern, auch wenn es noch etliche Jahre dauern mag, man spiele dieses Lied. Mann braucht keine Worte, wenn mann mal sehr müde ist.

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