Der Schwarze Hund ist ohne Ruh‘ 13

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In den letzten Tagen sprachen wir wenig miteinander, der Schwarze Hund und ich. Mir war sein Zerren und Zuppeln irgendwann eins zu viel geworden. Ich dachte darüber nach ihn Oliver oder Kahni oder gar Titani zu nennen. „Weiter! Immer weiter!“ Nee. Eben nicht. Die ständige Ruhelosigkeit, die Suche nach einem nächsten Kick, der eh nur – meine Güte, ich werde bald 66 – eine laues Lüftlein ist, eine Art von Erinnerungskaraoke. Kann man nicht einfach wie ein in Würde gealterter Grieche sein inneres Komboloi kreisen lassen und aufs Meer schauen? Oder so fürchterlich das auch gelegentlich ist: auf die Lahn gucken und ab und zu reinspucken? Auch Zwangsheimat ist eine Art von Heimat, die zu ertragen und zu akzeptieren dem Seelenfrieden zuträglich ist. Frage nach bei den Flüchtlingen aller Couleur und Herkunft.

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Dachte heute darüber nach, warum Schlagzeuger gerne mal vor den übrigen Bandmitgliedern sterben. Vielleicht hat es damit zu tun, daß sie ihr ganzes Leben lang einen riesigen Sack voll Wut in ihr Instrument geklopft haben, ganzkörperlich. Das mag müde machen. Aber vielleicht befreit es auch und man sagt sich: ok, war gut so. Und Tschüß.

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Also heute nochmal etwas vom bleiernen Zeppelin – Sollte ich den Schwarzen Hund nicht so nennen? – und bei den nächsten Malen oben Schlagzeugsoli. Und die nicht unter 5 Minuten. So trommelt er auf mich ein. Gelegentlich. Der Schwarze und ruhelose Hund. Am steten Schmerz und dem Regen – der leider auszusterben scheint – mag ich dieser Tage nicht mehr riechen. Und so muss ich zu Hause bleiben. Nixe ramble on. Gelle!

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(Gießen, 18. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Wo ist die Zeit? / Wenn jeder Sommer zur Plage wird und so bleibt lediglich Gegenstand einer hirnleeren Hysterie in Sachen vermeintlicher Leichtigkeit

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Ich höre gerne Radio. Aber warum brüllen sie mich alle an dieser Tage, während Vater Rhein sich auf wenige Zentimeter Pegel zurückzieht, die hysterischen Mikrophonbesprecher und legen mir die neuesten, meist dreißig Jahre alten Sommerhits ans überhitzte Herz? Und dann jubeln sich die Werbungssprecherinnen – es sind halt die hochgetunten weiblichen Quietschestimmen – mir entgegen, daß wir jetzt endlich wieder alle feiern dürfen. Mit Billigbier. Tönnieskotletts. Und WAAACKEN! Und man möge endlich wieder die Harley aus der Garage ziehen. Selbst wenn du die nicht besitzt. Aber die Straßen wären trocken. Die Stadt sei ein Fest. Die Stadt nun fest in fremden Hälsen. YEEEAH! Der Oberbürgermeister trippelt erregt vor dem Photoapparat der für Billiggeld arbeitenden Schreibhilfe hin und her und freut sich wie Bolle, daß seine verarmte Gemeinde jetzt wieder leben täten darf.  Sacht er so. Und die Rentner spüren ihre maladen Körper nur noch in chlorgetränkten Bassins. Die Hartgesottenen unter ihnen springen in verseuchte Flüsse. Weil früher auch schon immer Sommer war. Den Sommer nochmal spüren. Jetzt oder früher? Jetzt. Wie früher. Weia!

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Wir brauchten früher jede große Reise

Wir wurden braun auf Kreta und auf Kos

Doch heute sind die Weißen rot Verbrannte

Denn hier wird man die eig’ne Haut schnell los

Ja, früher gab’s noch Regen und den leise

Das Freibad war im Mai geöffnet auf Verdacht

Ich saß bis in die Nacht in meiner Kneipe

Habe über die Verbissenen gelacht

Die als Riesenquallen lagen rum an Stränden

Und jeder Schutzmann ließ die Mütze auf

Und Du, Felix Germania

Du sauf

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Wann wird’s mal wieder richtig Sommer

Ein Sommer, wie er früher einmal war?

Ja, mit Regenfall von Juni bis September

Und nicht so krank und so hysterisch, wie die letzten Jahr‘

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Und wie wir da wir noch permanente Tiefs begrüßten

Die Regenschirmverkäufer waren froh

Da gab es auch mal fünfzehn Grad im Schatten

Und mit Pullover war es uns noch warm

Die Sonne verbarg sich auch mal hinter Wolken

Da brauchte man die Klimaanlage nicht

Das Schaf war einst noch froh, daß es nicht doof war

Wir lebten nicht in Mali sondern hier vor Ort

Wer niemals fror, der machte dann halt FKK

Doch heut‘, heut‘ summen alle Wespen laut im Chor

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Wann wird’s mal wieder richtig Sommer

Ein Sommer, wie er früher einmal war?

Ja, mit Regenfall von Juni bis September

Und nicht so krank und so hysterisch, wie die letzten Jahr‘

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Der Winter war der Reinfall des Jahrhunderts

Nur über tausend Meter gab es Schnee

Mein Milchmann sagt: „Dies‘ Klima hier wen wundert’s“

Denn Schuld daran ist nur die FDP

Ich find‘, das geht ein bisschen arg zu weit

Doch bald ist wieder – Hosianna – Urlaubszeit

Und wer von uns denkt da nicht dauernd dran

Weil wer beschränkt ist halt und auch nicht anders kann

Trotz allem, glaub‘ ich unbeirrt

Dass unser Wetter besser wird

Nur wann und diese Frage geht uns alle an

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Wann wird’s mal wieder richtig Sommer

Ein Sommer, wie er früher einmal war?

Ja, mit Regenfall von Juni bis September

Und nicht so krank und so hysterisch, wie die letzten Jahr‘

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Wäre ich doch in der Lage einen wirksamen Regentanz auf unsere trockenen Böden zu hüpfen!

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Der Schwarze Hund ist unhöflich 12

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Manchmal ist der Schwarze Hund ein recht selbstgerechter Begleiter. Gewiß, es gibt Zeiten, da ist die pure Gegenwart selbst geschätzter und gemochter und gar geliebter Menschen kaum zu ertragen und man schielt ständig nach Möglichkeiten zu fliehen. Ist zum Essen geladen und verabschiedet sich während der Vorspeise. Gerne auch französisch. Das Rumoren in dir hat dir dazu die Genehmigung erteilt. Und du gehst so weit, daß du ein Recht darauf hast, so zu agieren. Selbstredend.

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Manchmal bist du eingeladen und an der Tafel sitzt ein geschätzter, gemochter oder gar geliebter Mensch. Auch er hat den Schwarzen Hund im Nacken sitzen. Aber er bemüht sich. Oder zwingt sich gar. (Auch nicht gescheit!) Zwischen Dessert und Kaffee aber dann steht er auf und geht. Er war erschöpft vom etwas zu langem Durchhalten. Er winkt etwas verhuscht zum kurzen Abschied. Aber er hat gewunken. Und du bist verletzt, empört, manchmal sogar wütend. Von Null auf Tausend. Jetzt schau kurz mal in den Spiegel. Oder doch etwas länger.

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Manchmal ist gar nicht so schlecht dem Schwarzen Hund ein strengeres „Platz“ entgegenzuschleudern. Ohne anschließendes Leckerli.

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Manchmal hat die Oma gesagt – oder war es der Pfarrer? – ich weiß es nicht mehr: “ Geben ist seliger denn Nehmen!“ Werde ich versuchen bei den nächsten Spaziergängen mit dem Schwarzen Hund zu berücksichtigen. Oder bei eventuellen Einladungen!

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(Gießen, 10. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Des Schwarzen Hundes Streitsucht 11

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Es gibt die Tage, da zieht der Schwarze Hund an der Leine und ist nicht einzufangen. Er hechelt, kriegt kaum Luft und zerrt und zerrt. Seine Augen quellen fast aus den Höhlen und – da habe ich meine Zeit gebraucht, das zu begreifen – er sucht wohl Streit. Er benötigt Reibung. Wahrscheinlich um sich seiner selbst mal wieder gewiß zu werden.

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Ist natürlich Blödsinn. Es ist nicht der Schwarze Hund. Ich bin es. Habe ich manchmal das Gefühl zu verschwinden, wie damals ein Tropfen Tinte auf dem Löschpapier, rufe ich Thor an. Man zerfließt sonst. Einen Streit vom Zaun brechen und die erhoffte Wucht des Gegenübers bringt Dich wieder in Form. Wäre die schale Hoffnung. Augen zu und durch. Jedoch: der Schwarze Hund ist kein Blindenhund. Wenn er zieht und zerrt an der Leine ist es gescheiter die Augen weit offen zu halten. Oder ihn einfach mal laufen lassen. Loslassen. Gelle! Er kommt eh wieder zurück zu Dir. Die Strassenseite wechseln in Vermeidung unnötiger Konfrontation? Wäre auch noch zu begreifen als eine weitere Denkaufgabe. Gibt es auch Fühlaufgaben?

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Tief drinnen in mir rumoren aber noch die Gesänge der Väter. Viel Feind, viel Ehr. Wie man einst sang. So eine Art von seelischem Heavy Metal. Vom Solitär zum Eigenbrötler ist es ein kurzer Weg. Na ja! Der Romantiker sentimentalisiert sich zum einsamen Nörgler. Einzelhaft, selbstverordnet.

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(Gießen, 9. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Des Schwarzen Hundes Familie 10

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Vorletzte Nacht fragte ich den Schwarzen Hund: „Hast Du eigentlich Geschwister?“ Er lachte laut auf, soweit ein Schwarzer Hund laut auflachen kann. „Meine Familie ist so groß, daß selbst das Schloß von Versailles und auch nicht Windsor Castle nur Teile meines Clans unterbringen könnten!“ „Habt ihr denn alle ein eigenes Zimmer?“ „Besser ist das!“ „Wenn ihr Euch auf den weitläufigen Fluren trefft, dann sprecht ihr aber? Oder?“ „Gelegentlich! Aber nicht über Schwarze Hunde!“ „Warum?“ „Familien sind gigantische Verdrängungsmaschinen! Man muß die Mauern hinter sich lassen und draußen jemanden finden! Zum Reden! Am besten einen, der dich nicht kennt, aber kennenlernen will. Und Distanz bewahrt!“ „Distanz?“ „Ja. Meilen und Abermeilen!“ „Hinter den sieben Bergen?“ „Ja. Hinter den Hügeln. Und noch weiter weg!“ „Und wenn man dann wieder ins Schloß zurückkehrt?“ „Kann man über Rezepte, Schallplatten und Rückenschmerzen sowie Gurkensalat reden. Darf sogar ein bisserl klagen.“ „Aber ohne Zeigefinger!“ „Aha. Was gelernt?“

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Gibt es so etwas wie eine Liebespflicht? Oder die Pflicht sich lieben zu lassen müssen? Oder hatten die eigenen Eltern auch Eltern? Und so weiter und so fort und zurück. Und weil sie längst gestorben und liegen hinter den sieben Hügeln, sollte man sie nicht vergessen. Mit eingeklapptem Zeigefinger. Stammt natürlich nicht von mir, sondern vom Schwarzen Hund.

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(Gießen, 8. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Des Schwarzen Hundes Gedächtnis 9

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„Ich bin ein Elefant, Madame!“ „Ich küsse ihre Hand, Madame!“ Peter Zadek hat für seinen ersten Spielfilm eine schöne Verballhornung (solche Worte sind ein Grund dafür, daß man sich öfters hinsetzt und schreibt) des Titels eines Liedes aus den späten Zwanzigern des letzten Jahrhunderts gefunden. Richard Tauber. Warum dies hier? Nun, der Schwarze Hund ist ein Elefant in Sachen Gedächtnis. Jedoch erinnert er sehr einseitig. Jede tatsächliche oder vermeintliche Kränkung wird in Bernstein konserviert und mit der nächsten Flut wieder an Land gespült. Steht man die Ebbe feiernd am Ufer und blickt etwas zuversichtlicher auf das Gewoge kann man jedoch gewiß sein, drehst du dich um, von hinten gurgelt sie heran die alte Verletzung. Schwer fällt es dem lieben Seelenköter Gutes in seinem Erinnerungskästchen aufzubewahren.

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Ich küsse Ihre Hand, Madame, und träum’, es war Ihr Mund.

Ich bin ja so galant, Madame, und das hat seinen Grund.

Hab’ ich erst Ihr Vertraun, Madame, und Ihre Sympathie,

wenn Sie erst auf mich bau’n, Madame.

Ja, dann werden Sie schau’n, Madame

Küss’ ich statt Ihrer Hand, Madame,

nur Ihren roten Mund.

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Besonders mühsam ist es, einem geliebten Subjekt oder Objekt oder Traumziel, das für sich andere, deinem Wünschen, Begehren, Benötigen vielleicht sogar, komplett entgegengesetzte Entscheidungen getroffen hat, wahrscheinlich treffen mußte, diese Entscheidungsfreiheit zuzugestehen. Oft fährt man dann ausdauernd Kettenkarussel, als hätte man das Recht die Außenwelt in sich aufzusaugen und entzieht ihr aber so das Eigenleben. Das füttert leider nur den Schwarzen Hund. Und aus dem kleinen und eigenwilligen Dackel wird eine übel gelaunte, dauerkläffende Dogge.

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Auch jener oder jene, der die das ging, wie verquer und stolpernd auch immer, hat geliebt. Ernsthaft. Schwer dies anzunehmen. Wohl notwendig.

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Was wäre das Gegenteil eines Schwarzen Hundes? Eine weiße Katze? Das weiße Kaninchen?

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(Gießen, 6. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Der Schwarze Hund am Küchentisch 8

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Wenn man die Krankheit nach ihrem Lieblingsinstrument fragen würde – falsch – wenn man der Krankheit „signature instrument“ benennen sollte, dann ist es die Mundharmonika aka die „harp“. Einst von Seemännern oder Kuhhirten über die rauhe See Richtung ferner Heimat geblasen oder von Kuhhirten ins Lagerfeuer. Oder vom „Schwarzen Mann“ auf die „frontporch“ der Angebeteten geworfen. Wichtig ist die Abwesenheit eines geliebten Objektes. Dort hinten an den fernen Gestaden der Heimat das lustvoll Verlassene oder da drüben – westward ho – das GROSSE VERSPRECHEN, dem man entgegen atmet. Vor allem aber der ewige Betrug am eigenen Wünschen, den man selbst ständig – so geht die Saga – erleiden muß. Stets klagen die Stimmzungen, trifft der Hauch sie und versetzt sie in Schwingungen.

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Der Schwarze Hund – ich spiele dieses Instrument ganz leidlich und tat ich dies in Gegenwart eines Hundes, begann der meist zu jaulen – liebt die Mundharmonika. Er liebt den Blues. Anfangs ist sein Jaulen eine Art von Echo, Verlängerung, Feier des Fernwehs, des Heimwehs. Doch irgendwann mutiert das Geheul zur Klage über den Zustand der Welt. Heute hier, morgen dort. Nie ankommen können, wollen. Stets unterwegs sein zu einem Ort, an dem man angeblich immer schon gewesen war. Oder erwartet werden soll in Hingabe. Vielleicht ist der Ort dort, wo der Atem entstand.

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Ich kenne etliche Menschen, die auf eine Mundharmonika leicht gereizt reagieren. Gerne wird dann Bob Dylan als Beispiel herangezogen. Ich schätze die Harp, weil sie meist ohne vorgegebene Notierung auskommt. Sie jault aus dem Moment heraus. Dieser Moment aber ist vollgesogen mit Erinnerung. An Geschehenes. Geträumtes. Verdrängtes. Verletzung. Man kann versuchen dem Ort, wo der Atem entsteht, zu vertrauen. Das ist nicht einfach. Und jedes Jaulen macht Angst. Vor allem, wenn man selber gerne jault. Dann ist das Jaulen eines Gegenüber Bedrohung. Wie ich schon sagte: zwei Schwarze Hunde in einer Hundehütte. Dann noch Rüde und Hündin.

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Gestern Nacht am Küchentisch schwiegen wir lange, der Schwarze Hund und ich. Als mir endlich die Augen zufielen, da die heiße Nacht draußen etwas abkühlte, trat er mir noch mal ans Knie und flüsterte: „Ständig wird von Liebe geredet. Meist in Form von Vorwürfen. Keiner weiß doch wirklich, was das ist! Oder? Denke mal nach!“ Oder war ich da schon eingeschlafen?

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(Gießen, 4. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Des Schwarzen Hundes Geschlecht 7

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In den letzten Tagen waren wir oft zusammen unterwegs, der Schwarze Hund und ich. Na ja, wie man es nimmt. Ich hatte gedacht, ich könne ihn eventuell schon an die Leine legen, wenn wir da draußen rumlatschen. Ein bisserl überoptimistisch. Er zerrte an dem Führstrick, daß es keine Freude war, zog mich in Wälder, an Ufer, in Schluchten und in manche Einbahnstraße, daß mir ganz schwindlig wurde. Ich versuchte die Leine kurz und stramm zu halten, das ein oder andere „Sitz“ oder „Platz“ oder „Bei Fuß“ versuchend. Die Wirkung? Vernachlässigbar. Manchmal hatte ich das Gefühl, er höre mir zu, verstehe mich sogar, aber wenn er mich hechelnd und mit grinsend hochgezogener Lefze anblickte, las ich in seinen Augen lediglich ein – nein, höhnisch war das nicht, so interpretierte ich das vielleicht – eher ein etwas müdes: „Ach? Plötzlich! Nach Jahrzehnten der ignoranten Angst? Wohlan denn!“ Aber ich hoffte noch ein angehängt gehauchtes: „Nun gut immerhin! Toi Toi Toi!“ gehört zu haben.

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Viele Kilometer haben wir allerdings nicht gemacht. Der Schwarze Hund wird schnell müde. Oder ist es nur meine Erschöpfung? Wir saßen auf einer Bank an der Lahn und starrten, ja starrten, blickten eben nicht offen mit sich bewegenden Augäpfeln die Welt aufnehmend, nein wir starrten starr auf das was uns umgab und umlebte. Als sei es eine Modelleisenbahnanlage. Aber irgendjemand hatte wohl den Stecker gezogen. Die Züge standen still. Was uns nicht weiter interessierte. Wichtig war uns, daß die Gleise da noch liegen, wo sie schon immer lagen. Und die kleine Plastikfigur, die über dem Eingang zum Tunnel steht, dem Triebwagen zuwinkt. In dem wir sitzen. Und dies bis ans Ende aller Tage. Dachten wir. Erstarrend starrend.

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Und wie wir da so saßen und miteinander schweigend die Lieder, welche die Welt uns sang, nicht hören könnend, wollend, leckte mir der Schwarze Hund mit seiner rauhen und stinkenden Zunge erst über den Handrücken, was ich nicht wahrnahm und dann über die Stirn. Ich erwachte, bewegte mein Zwerchfell, atmete ein und aus und fragte: „Bist Du eigentlich ein Rüde oder eine Hündin?“ „Weshalb fragst Du?“ „Ja, es heißt doch die Krankheit?“ „Ist eigentlich Wurst! Gegendert werden muß ich nicht. Tags sind alle Hunde schwarz!“ „Hast Du Hunger?“ „Eigentlich immer!“

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Gestern Abend haben wir beschlossen ab heute gelegentlich getrennt spazieren zu gehen. Tagsüber. Nachts werden wir uns aber wieder am Küchentisch treffen. Und das ist nicht nur schlecht. Mal sehen was das Schwarze Rüde mir dann mitzuteilen hat. Und ich entgegnen will oder kann.

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(Gießen, 3. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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