Wo ist die Zeit? / Umkleidekabinen

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Bank / Belgien / Wallonie / Weris / 11. Oktober 2023

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Der Kostümwechsel

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Auf die längeren Bänke geschoben

Vermeintlich aufgehoben

Irgendwann grüßt von ganz oben

Der Apfel an dem Schneewittchen sich verschluckte

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Die Sitzgruppe also leer

Ach so lange ist’s schon her

Mir war damals so schwer

Und man schwieg wenn es juckte

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Letzten Auftritt verpasst

Stattdessen fröhlich gehasst

Sich ins Koma gemaßt

War dies hier unser Ort

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Mancher Traum ungestüm

Braucht ein neues Kostüm

Verzichte auf’s Blüm –

Che schon länger fort

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Was war das Wort

Das stach zur linken Zeit

Allzeit bereit

Bevor alle fehlen

Und die meisten Bänke unbesessen

Langsamer vergessen

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Unten ein Lied eines alten und sehr wichtigen Weggefährten. Wir hatten uns dummerweise aus den Augen verloren. Schau’n wir nochmal nach.

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Wo ist die Zeit? / Hokus Pokus Fidibus

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Im Juni 2023 auf einer griechischen Insel nach dem Abendessen heimwärts gehend

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Der Heimweg

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Die Taschen voll und

Die Gamaschen

Im Rucksack sammeln sich die Flaschen

Und ein paar Worte

Wenig Welt

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Entlaubte Hoffnung

Stein im Schuh

Neben mir verliert die Ruh‘

Deren Hand und Haar ich rieb

Den Atlas

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Ein altes Lied begrüßt das Finster

Zecken springen aus dem Ginster

Hexenwerk

Und Gartenzwerge

Kaum noch Luft

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Der schwarze Hund

Nach Trüffeln buddelt

Das alte Lied den Berg hoch trudelt

Ich hak‘ mich unter

Keine Gipfel mehr

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Die alten Tricks aus den Manegen

Die Kaskadeure und die Jongleure

Suchen in den Sägespänen

Halt und finden

Grillen zirpend noch

(Gießen Nov. 2023)

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Wo ist die Zeit? / Das Nachbessern

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Das Versprechen des Schauspielers

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Du sagtest aber einst

Dass und zwar immer

Egal was da sei und werde

Als der Himmel mir gegen den Kopf schlug

Obwohl hinter den mageren Hügeln Deiner Heimatlosigkeit gewiß

Ein Meer und die Zusicherung einer Muschel an meinem Ohr

Rauschte und der Regen regnete einen jeglichen

Tag dieser Tage

Darf ich malen das tiefe Grau in dem alle anderen Farben

Wohnen auf eine letzte Postkarte

Die ich lege

Auf die Straßenseite drüben

Falls du nochmal aus dem Fenster blickst

Das Meer zu hören lautlos

Auftritt

Probebühne

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(Gießen / wieder November / 2023 / Regen regnet täglich)

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Oh, it’s a long, long while / From May to December / But the days grow short / When you reach September / 13

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Regal / Keller / Gießen / Heute nachmittag / September 2023

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Aufräumen könnte man. Das Trottoir fegen. Nicht für sich, aber für andere. Also letztlich für sich. Das selige Geben. Remember? Lohnt es sich noch die Fenster zu putzen? Was liegt denn so rum im Gemüsekorb? Bevor es verrottet, noch Einmachgläser kaufen? Wenn der Herbst und der Winter, der diesen schon mal belästigen will, an die Pforte klopfen? Den Bart abnehmen? Oder nun das Gesicht mit Haarbewuchs wärmen vor kaltem Wind? Einmal noch mit der Mistgabel den Kartoffelacker durchwühlen? Und ein gelassener Blick zum Himmel, der dir früher oder später auf den Kopf fallen wird? Die Steine aus deinem Acker heute schon herauslesen oder warten bis zum nächsten Frühjahr? Wird der Winter deine Steine spalten? Alte Träumereien begraben? Mistgabel? Spaten? Man mag sich verzeihen.

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Vanitas! Vanitatum Vanitas!

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Wir rechnen jahr auff jahre/

In dessen wirdt die bahre

Vns für die thüre bracht:

Drauff müssen wir von hinnen/

Vnd ehr wir vns besinnen

Der erden sagen gutte nacht.

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Wie viel sindt schon vergangen/

Wie viell lieb-reicher wangen/

Sindt diesen tag erblast?

Die lange räitung machten/

Vnd nicht einmahl bedachten/

Das ihn ihr recht so kurtz verfast

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Wach‘ auff mein Hertz vndt dencke;

Das dieser zeitt geschencke/

Sey kaum ein augenblick/

Was du zu vor genossen/

Ist als ein strom verschossen

Der keinmahl wider fält zu rück.

(Andreas Gryphius / Exzerpt)

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Vom Schreiben auch dies: Es ist tatsächlich eine Freude in den Keller gehen zu können und dort Eingemachtes zu erblicken. Die Mägen sind voller als die Seelen. Ab morgen grüßt nun der Oktober, der liebe Geburtsmonat. Da übernehmen die Genossen wieder. Nach der Rückkehr aus einem Ausflug in die Ardennen. Mitte Oktober. Vanitas aka Eitelkeit benötigt stete Pausen. Zumal Herr September sich als ein recht kindischer Mai präsentierte. Spiegel der Gesellschaft nun. Pubertät bis in die Kiste. Hier Frankie Boy. Wie am Anfang, so am Ende. Als der September noch ein Erwachsener war.

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Oh, it’s a long, long while / From May to December / But the days grow short / When you reach September / 12

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Russland / Sovetsk / Bank wartet auf die Rückkehr des Sozialismus / September 2017

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Jazz auf der Autobahn

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Jazz summend auf der Autobahn

Zwei Spuren die reichten

Den etwas Eiligeren

Deren mit Altersflecken verschönerten Hände

Umklammern das Lenkrad

Noch immer wie ein Stück Brot in der Wüste

Oh Manna Manna vom Himmel falle

Unter dem faltigen arbeitslosen Arsch aber

Wackelt gewaltig die Bank der Gewißheiten

Immer öfters prügele ich mich in meinen Träumen

Mit älteren Freunden

Wache auf verstört betört

Von der Weisheit des eigenen Gehirns

Und verzweifle an den Spiralen der Synapsen

Ein Lied noch aus den Rippen geschnitten

Das keine Wiederholung

Einen Schorf noch vom Knie gepult

Der nicht antik

Einen Popel noch unter die Parkbank geschmiert

Den der Blinde in mir mag lesen am nächsten Tag

Eingetrocknet

Als ein Versprechen

Herbsterwachen

Der Sheriff ist gestorben

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Mein heutiges Morgenlied in Sache Apokalypsen. Countdown September.

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Löwen zu Wildsauen oder an den Rändern der Dorfstrasse wird applaudiert

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Istanbul / 27. März 2012

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Des Schauens müde

Die Fernbedienung im Schoß

Gibt das Blutdruckmessgerät keine Entwarnung

Irrlichternd den Trichter Neu Neu Neu ausgesaugt

Tik Track und Tok fieselschweifen arbeitsscheu vor sich hin

Und auf dem etwas zu hartem Sofa

Hyggeliger Stupor

Werden die Kissen befeuchtet

Mit der Traurigkeit des Überflusses

Unter dem Balkon die Wut schwappt höher

Der Westen ist am besten

Der Osten tut nur kosten

Brillenputztücher momentan ausverkauft

Die Welt steht Schlange

In der Berggasse

Slomkaesk

Freud Euch

Nicht zu spät

Hilfe

Schwarz die Wasser im Pool

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 21

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Balkon / hinten die Bucht von Lourdata / Kefalonia / 3. Juni 2023

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Es lebe der Irrtum!

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Es mögen hoch leben die Irrtümer. Vor allem jene, die man mit Ach und Krach gerade noch korrigieren konnte. Ein Abschiedsreim aus Kefalonia.

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Und wie die Sonne fiel ins Meer

Als sei’s ein letztes Mal

Sang ich ein Lied

In die hereinbrechende Nacht

Der Abendwind strich meine Wangen trocken

Aus dem Zimmer hörte ich Deinen ruhigen Atem

Charon bat ich noch zu warten

Bis die Grillen schweigen

Für immer

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 18

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Vathy / Ithaka / 6. Juni 2023

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Es ist alles gut

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Hinter den Horizonten lauere es

Am Ende des Regenbogens auch

Warum aber die Erfindung der Schreibmaschine

Verlängern ins Unendliche

Zurück zu den Bleistiften

Und wer jeden Sonntag sein Knie beugt

Muss die Nacht weniger fürchten

Sie bleibt unerbittlich

Auch wenn die Götzen in die Dunkelheit recken

Ihre einst verbotenen Abbilder

Bleibe zu Hause und wehre Dich redlich

Sprach ein alter Freund

Der stets auf Reisen

Leiser leben

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Zimmerman again: Überleben jenseits der Verletzungen. Das Schiff bleibt im Hafen. Und blickt auf die Berge der Vergangenheit.

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