dem mythos erfolg folgt der müde tod niemand der unter druck ist besser die arbeit nicht als leben wäre ein traum

…..

…..

Ja, der Gevatter mit der Sense streunt durch unser aller Stuben dieser Tage. Man mag es glauben oder nicht und anmerken, das sei doch mal wieder maßlos übertrieben, so was von. Durchaus in Ordnung. Dem Gevatter aber ist das wurscht. Er hat ausreichend Arbeit.

…..

Komme von der Trauerfeier der Stadt Gießen zu Ehren der Coronatoten. Mehr als überfällig und trotzdem sehr gut, daß es überhaupt noch möglich gemacht wurde. Sehr bewegend, sehr gescheit, aber auch ganz seltsam verstörend. Morgen mit wachem Kopf davon mehr.

…..

Aprilwetter passend zur Lage der Nation. Zwischen Frieren und Schwitzen mag es sich nicht entscheiden können. Bisserl mehr Gleichmaß, Herr Lenz.

…..

Der Tod erntet nicht nur bei uns Menschen. Das Foto oben nahm ich auf vor zwei Wochen. An einem der paar Tage vor Ostern, als plötzlich 24 Grad Celsius über uns hereinbrachen. Das ist ein Stück Wald, Südhang, vor drei Jahren noch blickdicht bewachsen. Wiederhole mich: Das ist ein Foto eines Stücks deutschen Waldes im Frühjahr 2021. Hier vor meiner Haustür. Unbearbeitet. Die arme Sau Natur. Die Bäume sind so müde.

…..

Das alles ist schon eine seltsame Suppe, in der wir so rumrühren zur Zeit, meist ohne den Willen oder die Fähigkeit klare Entscheidungen zu treffen. Der Tod der Jahreszeiten. Neue Komposition von Vivaldi? Unten Meister Beckett, hat er verfasst nach dem letzten großen Krieg. Wer sich selbst kennt, kennt den Menschen. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.

…..

es lebe tot meine einzige Jahrzeit

weiße Lilien Chrysanthemen

frische verlassene Nester

Aprilblättermorast

rauhreifgraue Sommertage

(Samuel Beckett / Sechs Gedichte / 1947 – 1949)

…..

Trostmusik.

…..

wie viele tote eintauschen gegen das freie leben willst du dir leisten dürfen

…..

…..

Aufgestanden. Zähne geputzt. Gefrühstückt. Oder andersrum. Dann – Routine nun – statt im Cafe wie – Darf man schon „damals“ sagen? – na ja, eben wie einst, nun die Zeitungen gelesen wie man es halt so tut dieser Tage im weltweitem Netze. Meist auch das lediglich Routine. Neue Zahlen. Keine Feste ohne Teste. Söder, Löw und Fink und Star. Wo ist denn jetzt der Frühling? Der nächste Urlaub wieder nicht möglich? Was tun? Aufgeblasene Luftballons, die sich weigern zu platzen. Karussellfahrten kostenlos, aber vom wohligen Schwindel befreit. Unzählige Hamsterräder, simulierend gestriges Glück. Besserwissen ist geschissen. Eigene Nase anpacken. Das mentale Sieb braucht schon große Löcher. Dann aber das sehr berührende Interview. Freue mich immer, wenn es jemandem gelingt das Persönliche und das Allgemeine in eine Art von sinnvollem Zusammenhang zu führen. Fällt uns schwer. Müssen wir halt dranbleiben. Vielen Dank für den Text!

…..

boredom is my inspiration / bob dylan

…..

…..

Ich habe mich dieser Tage an den Dialog mit den alten Gefährten gewöhnt. Bleiben wir also dran am Alterndem Egoist. Oben der aktuelle Wanderstock.

*

hinter mir der Weg liegt vor mir das neue Jahr schon gestorben vor der Zeit

das Nest verließ ich singend im Aprillaunengewitter am Stock

drücke ich mich in die erhofften Höhen

neue Lieder wie die ersten Schmetterlinge stammelnd

taumelnd Rauhreif auf den Flügeln durch die hohle Gasse hinauf

flatterhaft ohne Ziel Trommelwirbel Ungewißheit in den Innereien knirscht

des Winter Laub unter dem Fuß gnädige Erinnerung

und wäre ich dieses eine welke Blatt

und wäre man dieses eine Blatt das welken wird

und bliebe man ein Blatt welkend

man bliebe dieses Blatt

und welkte

eben noch erwacht

so ein Blödsinn aber auch

*

(Archibald Mahler / Freund der Ambivalenzien und Zimmermannologe)

…..

Unten mein Beckettgedicht zum heutigen Tage

*

Musik der Gleichgültigkeit

Herz Ruhe Luft Feuer Sand

der Ruhe Einsturz der Lieben

übertöne ihre Stimmen damit

ich mich nicht mehr

schweigen höre

*

(Samuel Beckett / 1937 – 1939)

…..

Stille die Liebe den Haß die Stille stille

…..

…..

Las eben in der Zeitung seit zehn Jahren nun sei dieser April wieder ein rechter April. Wie er früher einmal war. Sollte man eigentlich dankbar frieren und das Auf und Ab, Hin und Her, Holterdiepolter genießen mögen. Man gewöhnt sich wohl zu schnell daran, wenn es zu angenehm wird gegen alle Vernunft. Man sollte sich vielleicht doch schneller an Unvermeidliches gewöhnen können sollen. Ist möglicherweise vernünftiger trotz Gänsehaut. Nochmals der Verweis auf den Weggefährten. Er ist momentan gewitzter im Kopp als ich. Er wird dies aber bezweifeln wollen. Dafür liebe ich ihn.

*

ich will es nicht wissen

was mir das Fremde in mir hielte ich es in den Händen gestern war

Bergwerke tiefe Gräben gesprengt in den Karst schuppender Erinnerungen

Laub im Lenz schon runzelnd

mein Finger streicht über

rauhe Häute Schürfwunden liebevoll Gewebe vernarbt

diese Landkarte mag ich lesen morgen wenn übrig mehr

an verlorener Zeit

*

(Archibald Mahler / Poet der Meteorologie und Meisterschüler)  

…..

Ich hatte mich mit einem Beckett – Gedicht in die Bühnenpause verabschiedet. Hier wieder eines zur Rückkehr. Dylan. Beckett. Ä Gläsle Spätburgunder. Soviel mehr benötigt man eigentlich nicht. Und natürlich: das Vergessen können lernen. Freiwillig. Und jemanden der zurückliebt.

…..

gut gut es gibt ein Land

wo die Vergessenheit

sacht auf die unbenannten Welten drückt

da verschweigt man den Kopf der Kopf ist verstopft

und man weiß nein man weiß nichts

der Sarg der toten Münder stirbt

am Strand er ist angelangt

es ist nichts zu beweinen

..

mein Einsamsein ich kenne es ja ja ich kenn‘ es kaum

ich habe Zeit so sag ich mir ich habe Zeit

doch welche Zeit hungrig Gebein die Zeit des Hunds

die des stetig verblassenden Himmels meines Stückchen Himmels

des Strahls der zitternd emporschimmert

der Mikronen der Dunkeljahre

..

es heißt ich soll von A nach B gehen ich kann es nicht

ich kann nicht `raus ich bin in einem fährtenlosen Land

ja ja es ist eine feine Sache die sie da haben eine ganz feine

was ist das fragen sie mich nichts mehr

Spirale Staub von Augenblicken was es ist das gleiche

Die Stille die Liebe der Haß die Stille die Stille

*

(Samuel Beckett / Sechs Gedichte / 1947 – 1949)

……

Die Probe läuft! An alle! Die Probe läuft!

…..

…..

Was ist das Anstrengende? Warum fiel mir nichts ein in meiner ruhigen Schreibklause, wo mich – das hatte ich mir gewünscht – morgens Vögel weckten und nicht ein Müllauto und die Innenstadt? Es ist, glaube ich, das Leben in Simulation, was man gegenwärtig führt. Das Tun als wenn und ob. Statt komplett den Stecker draußen zu lassen, solange nix Halbes nix Ganzes ist, sich selbst Durchhalteparolen um die Ohren hauen. Deutscher Denker ruhet nicht und konzipiert Hygiene. Durchhalten. Na ja. Wollte und sollte Texte schreiben für Auftritte. Gibt sogar Vertrag, aber: Finden die statt? Wie? Draußen? Lebendiger Leib, welcher zuschaut? Doch wieder Digital? Schau’n mer mal und tun wir halt als und ob. Wie geht es so? Muss ja! Ist das Leben eine aufblasbare Puppe? Nee. Ich will Abgabetermine. Reelle Szenarien. Genug rumimprovisiert. Ansonsten lieber eine richtige Ruhe. Solange es nötig. Darf also der Weggefährte heute nochmals ran.

*

So tun als ob und was wäre wenn jede Glühbirne eine Sonne

Und schien so hin auf das erwachende Haupt und regte redlich an und

Dann die Füße bewegt geschwungen und mit Schwung bewegt es sich

Und die leichten Gedanken ohne alle Schranken posaunt ins Himmelblau hinaus

Fegt weg alles Grau aus den Synapsen nie mehr tapsen

Und vermuten nein sich sputen weil das Leben rast

Doch all diese Schatten der Realitäten im Leben dem verpassten

Voll jener Erkenntnis der späten so ach

Die fallen herab auf den Boden als ob es geschehen wäre

Zu spät all die Wehen nach der Geburt was nicht ist wird nicht werden

Phantasie nur im Koppe eine Druckstelle der Erinnerung und

Drum stoppe dies Beharren auf Wiederholung das Wrack dümpelt friedlich

Es schneit noch immer kein Gewimmer die Höhenlampe ist keine Sonne

Die Leisten dieses müden Jahres bei denen bleibe und schustere nicht rum

Im Nebel dem wundersam ungefähren und überqueren wir den Fluß wenn

Die reißenden Wasser gezähmt solange gelähmt das Verlangen

Es rauschet das Blut nicht es fließet gemächlich

Doch jucket es in den Nasenflügeln es grüßen von den Hügeln

Die Kreuze man wird steigen wieder höher und hinauf

Solange kauf Dir was am besten nüscht

War das jetzt ein Gedüscht

Laß den Schnee solange er liegen mag bleibe müd‘

*

(Archibald Mahler / Küchenphilosoph und bekennender Privatier)

…..

Achtung! Die Probe wird fortgesetzt. Wiederhole. Die Probe wird fortgesetzt.

…..

…..

Konnte mich jetzt eine Zeit lang in ein Arbeitszimmer am Waldesrand zurückziehen. Schöner Zufall und Glück alter Beziehungen! Gearbeitet sprich geschrieben habe ich so gut wie nichts, aber beim Wandern durch die Wälder (Weia, in was für einem fürchterlichen Zustand die sich doch befinden! Spätsommerlich knackt es schon unter den Sohlen.) spüren, daß dieses ins Leere Fuchteln der letzten Monate doch Spuren hinterlässt und das ständige den Kopf oben halten wollen und müssen „scho au“, wie Jogi sagen würde, Nackenschmerzen hinterlässt. Die strahlen dann gerne aus. Abstand dazu gewinnen, tut jedoch wie immer gut. Nun wieder sortieren und suchen, wie es hier weitergeht. Lasse erstmal einem alten Weggefährten den Vortritt.

*

Als der Frühling noch ein Lenz gewesen und buntes Band durch laue Luft vom Eise befreit

Ein Bach vor den Toren lachend durch frisches Grün murmelte

Wie man so reimte und Volk schritt hurtig drängelnd hinaus zum Tore

Bald auch die ersten Immen schwirrten taumelnd wild noch und wirr

Um Köpfe die nach vorne blickten naiv und freier jedoch

War’s Erwachen mir die größte Freude nach langem Winter

Doch heute da von Feuchte schwerer Schnee ruht noch auf Fensterbrett und Herzen

Wie Blei und in den Gliedern rheumatisch klammer Schmerz pocht

Da mag man doch verbleiben innerlich in jeder Hinsicht sowie Art

Statt zu singen, lärmen und mit Freudenkrach dem Leben an den Hals

Ich werde nicht wach in dieser grauen Feuchtigkeit

Nein bin es leid

Wenn selbst der Winterschlaf die Welt nicht lässt erblühen

Warum dann all die Mühen sich wiegen in den Schlaf durch langen Winter

Auf Träumen wild zu reiten und bei Zeiten dann den Kopf zu recken

Ob hinterm Horizont schon Lachse in die Mündung strömen

Den Büschen Beeren wachsen aus den Federn

Und das Bärenweib treibt des letzten Jahres Freude aus der Höhle

Tollend und neugierig

Dreh Dich um ein langes Viertelstündchen noch

*

(Archibald Mahler / mittelhessischer Heimatdichter und Traditionalist)

…..