Will alles und jetzt / Der zentrale Irrtum

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Ich weiß nicht, wann es anfing. Ich weiß nicht, wer damit anfing. Ich weiß nicht, ob überhaupt jemand damit anfing oder ob es einfach in der Luft lag oder Gott an seiner Spielkonsole eingeschlafen war. Ich weiß nur, es muß irgendwann im schlimmsten aller Jahrzehnte in welchem sich Deutschland ununterbrochen seinen Bauchnabel massierte, in den fürchterlichen neunziger Jahren, geschehen sein, als die Gastronomie jener ewigen Jugend, welche damals auch schon in ihren späten Dreißigern rumschlich, Salat mit Putenstreifen und Nachos mit Klebstoff überbacken als letzten kulinarischen Schrei anbot, zynische Besserwisserei namens Harald Schmidt abgefeiert wurde, die Stadttheater milde gezwungen wurden statt Woyzeck Musicals auf die Bühne zu stellen, die Mimen leider mitmachten und auf dem Theaterfest Backstreet Boys intonierten, Privatsender Kirschen und Bananen verteilten, statt echte Pornos zu zeigen und der dicke Ranzen West sich in seinem Spiegelbild suhlte, während der Osten seine angebliche Schuld versuchte wegzuschweigen. King Cabbage – „You can say you to me!“ – regierte sich in die Agonie hinein und sein Nachfolger servierte den letzten Resten der arbeitenden Klasse Brionianzüge, SUVs als Volksfahrzeuge, die Abschaffung sozialer Absicherung und einen selbstverliebten Politikdarsteller und Marathonläufer auf dem Lauf zu sich selbst, der behauptete die vergossenen Tränen über die gescheiterten Revolten hinaus in die Welt zu tragen, mögen sie nun zu Diamanten gerinnen, ab jetzt ohne weiße Turnschuhe und Oskar verzichtete beleidigt auf den Oscar, den entenbeschuhten Junior auf den Schultern, Sarah ante portas. Der Koch aus Wiesbaden dann ließ das Volk abstimmen über doppelte Pässe und jene, die eben noch den ewigen Helmut in die Schwarzgeldrente geschickt hatten, heulten sich schon wieder zurück in ihre um sich selbst kreisende Vergangenheit. Türkman Gemüse billig gib und Strand, aber nix hier Häusle baue. Man begann den Widerspruch in sich zu einem Vektor zu formen und schrieb das Wörtlein ich ab sofort nur noch in Großbuchstaben. Der sogenannte Aufbruch, rot wie ein wunder Pöter und grün hinter den Ohren, mit Eiern und Farbbeuteln beschmissen, sackte recht bald in sich zusammen, Liebling Krugberg verkaufte im Auftrag der sterbenden Post Aktien, die in kurzer Zeit implodierten, an den Ohren klebten die ersten beweglichen Sprechapparate, man schrie hinein, die Städte wurden noch lauter, der Krieg klopfte an Germaniens Türen, Titos Brille zerknirschte unter den jetzt grünen Turnschuhen und – im Hintergrund müßte Angela schießen – was sie auch tat, the Girl of King Cabbage, um anschließend, die Raute fest im Griff, den eben eingesetzten rasenden Stillstand, der Bewegung nur simulierte, zu zementierten. Und wir begannen sie zu lieben, weil ab jetzt bereiteten wir uns darauf vor stets die Ersten zu bleiben. In jeder Beziehung. Ohne handeln zu müssen. Weil der Germane das einfach verdient. Nach den tausend Jahren. Man war ja in sich gegangen. Der Nivea aus Freiburg und the Raute, they ruled ok. Den Stillstand feiernd. Das nahm kein Ende. Dann wurde Götze eingewechselt und unsere Füße blieben stecken im Zement. La Bundesrepublik. Nun vier:

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Nun haben wir alles. Endlich. Sicherheit und Todesangst. Den heißesten Sommer, der der feuchteste ist. Die Freiheit wieder, die keine ist. Schuldige suchen dürfen wir mit Verve, Helden auch und keinen Plan brauchen wir. Impfverzicht und Gesundheitsgarantie. Party for Future. Nachhaltigen Müll. Schweigend und eingeschnappt miteinander zu reden versuchen. Zahle Du bitte für meine Rituale. Hinter Masken grinsen. An der Supermarktkasse halten wir mit vorwurfsvoller Miene den Trenner in der Hand. Altes Arschloch. Dumme Maid. Bitte nicht drängeln. Und jetzt dürfen wir wählen.

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Aber Vrzeihct können wir immer noch nicht richtig buchstabieren. Denn da wo Deutschland draufsteht ist immer der kommende Weltmeister drin. Seltsamerweise wird dieser Tage gerne mal verloren. Wird aber geflissentlich von alten „Helden“ begeistert wegmoderiert. Und die Kanzlereikandidatennen albern rum, tauchen ab, digital oder egal. Viva le Jammertal. Dem Wähler scheint es Wurscht. Aber die bitte bleibe billig.

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Es ist noch Suppe da? Bis ans Ende aller Tage? Denkste Puppe. Wollte heute was essen gehen. Es gab Salat mit Putenstreifen und Nachos mit Klebstoff überbacken. Immer noch auf den Speisekarten der Vollkaskorepublik. Ich verzichtete. Blieb stehen. Oder blieb ich stecken? Wo? Warum? Wann?

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PS: Ersetzen wir das unschuldige Wörtlein Klimawandel durch die korrekte Definition Klimazerstörung. Machen die öffentlichen Verlautbarer mit?

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