Der Schwarze Hund am Küchentisch 8

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Wenn man die Krankheit nach ihrem Lieblingsinstrument fragen würde – falsch – wenn man der Krankheit „signature instrument“ benennen sollte, dann ist es die Mundharmonika aka die „harp“. Einst von Seemännern oder Kuhhirten über die rauhe See Richtung ferner Heimat geblasen oder von Kuhhirten ins Lagerfeuer. Oder vom „Schwarzen Mann“ auf die „frontporch“ der Angebeteten geworfen. Wichtig ist die Abwesenheit eines geliebten Objektes. Dort hinten an den fernen Gestaden der Heimat das lustvoll Verlassene oder da drüben – westward ho – das GROSSE VERSPRECHEN, dem man entgegen atmet. Vor allem aber der ewige Betrug am eigenen Wünschen, den man selbst ständig – so geht die Saga – erleiden muß. Stets klagen die Stimmzungen, trifft der Hauch sie und versetzt sie in Schwingungen.

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Der Schwarze Hund – ich spiele dieses Instrument ganz leidlich und tat ich dies in Gegenwart eines Hundes, begann der meist zu jaulen – liebt die Mundharmonika. Er liebt den Blues. Anfangs ist sein Jaulen eine Art von Echo, Verlängerung, Feier des Fernwehs, des Heimwehs. Doch irgendwann mutiert das Geheul zur Klage über den Zustand der Welt. Heute hier, morgen dort. Nie ankommen können, wollen. Stets unterwegs sein zu einem Ort, an dem man angeblich immer schon gewesen war. Oder erwartet werden soll in Hingabe. Vielleicht ist der Ort dort, wo der Atem entstand.

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Ich kenne etliche Menschen, die auf eine Mundharmonika leicht gereizt reagieren. Gerne wird dann Bob Dylan als Beispiel herangezogen. Ich schätze die Harp, weil sie meist ohne vorgegebene Notierung auskommt. Sie jault aus dem Moment heraus. Dieser Moment aber ist vollgesogen mit Erinnerung. An Geschehenes. Geträumtes. Verdrängtes. Verletzung. Man kann versuchen dem Ort, wo der Atem entsteht, zu vertrauen. Das ist nicht einfach. Und jedes Jaulen macht Angst. Vor allem, wenn man selber gerne jault. Dann ist das Jaulen eines Gegenüber Bedrohung. Wie ich schon sagte: zwei Schwarze Hunde in einer Hundehütte. Dann noch Rüde und Hündin.

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Gestern Nacht am Küchentisch schwiegen wir lange, der Schwarze Hund und ich. Als mir endlich die Augen zufielen, da die heiße Nacht draußen etwas abkühlte, trat er mir noch mal ans Knie und flüsterte: „Ständig wird von Liebe geredet. Meist in Form von Vorwürfen. Keiner weiß doch wirklich, was das ist! Oder? Denke mal nach!“ Oder war ich da schon eingeschlafen?

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(Gießen, 4. August 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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