„Das sogenannte Romantische einer Gegend ist ein stilles Gefühl des Erhabenen unter der Form der Vergangenheit.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

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Auf Rügen / Nach einem Unwetter / Juli 2011

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Schwermut statt Depression. Als bekennender Romantiker Lebenslust und Verzweiflung in den morgendlichen Kaffee rühren. Jeden Tag aufs Neue. Den Humor auch den vermeintlichen Gegnern gestatten. Möglicherweise.

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Las eben, dass Caspar David Friedrich lange Zeit etliche seiner Bilder nach Weimar senden ließ. Der ewige Geheimrat hat sie aber noch nicht mal ausgepackt und unbesehen zurückgesandt. Da er angeblich wusste, dass das Romantische die Welt nicht fassen kann. Welche Welt? Wessen Welt ist die Welt? Derweilen stand er – sein Rücken am Arsch, dauerblau – an seinem Stehpult und schrieb sich getrieben und sehr laut in die Almanache aller ihm nachfolgenden Deutschländer.  Sehr schönes Interview.

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Die Schwermut

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Gewaltig bist du dunkler Mund

Im Innern, aus Herbstgewölk

Geformte Gestalt,

Goldner Abendstille;

Ein grünlich dämmernder Bergstrom

In zerbrochner Föhren

Schattenbezirk;

Ein Dorf,

Das fromm in braunen Bildern abstirbt.

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Da springen die schwarzen Pferde

Auf nebliger Weide.

Ihr Soldaten!

Vom Hügel, wo sterbend die Sonne rollt

Stürzt das lachende Blut —

Unter Eichen

Sprachlos! O grollende Schwermut

Des Heers; ein strahlender Helm

Sank klirrend von purpurner Stirne.

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Herbstesnacht so kühle kommt,

Erglänzt mit Sternen

Über zerbrochenem Männergebein

Die stille Mönchin.

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(Georg Trakl)

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Der Krieg kann einem das Schweigen beibringen. Oder die Geschwätzigkeit. Der Schwarze Hund ist nur eine der vielen Varianten des Kriegs. Und gerne Auslöser der letzten Gefechte. Und der sie auch über das Verfallsdatum hinaus am Leben erhält. Die Schwarzen Hunde des Gegenübers füttern den eigenen Schwarzen Hund. Macht Angst. Oder blau. Nur ein Bild. Singend.

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Caspar David Friedrich / Mönch am Meer

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Halt Dich an Deiner Liebe fest! Oder besser doch nicht? Was sagt Rio dazu?

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Anfang September 2017 / Teatral’naya Ulitsa, 5, Sovetsk, Kaliningrad Oblast, Russland, 238750

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Anfang September 2017 stand ich im Grenzland-Theater in Sovetsk auf der Bühne und sang u.a. „Halt Dich an Deiner Liebe fest!“ und ein paar Songs von Elvis. Was genau, habe ich vergessen. Nicht vergessen aber ist das begeisterte Publikum, welches – es lebe das Klischee – schön sentimental nah an russischen Wässerchen gebaut war und schunkelte und jubilierte. Die gab es danach in rauhen Mengen, die Wässerchen, wobei unsere Übersetzerin uns schon beim Empfangswässerschen am Vorabend gesagt hatte: „Verglichen mit sowjetischen Zeiten wird kaum noch getrunken hier!“ Na dann, nastrowje. Jetzt, wo ich es hinschreibe, vermute ich, dass ich mich wiederhole. Nicht zu vermeiden. Kurz vor 68. Mein nächster Geburtstag.

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Auch wenn ich mich wiederhole, es war eine seltsame Reise. Ich hatte mich gefreut wie Bolle, befeuert auch von alten Klischees. Deutsch-Russische Freundschaft. Seele. Literatur. Wässerchen. Der Große Vaterländische Krieg, der unseren heutigen Wohlstand erst ermöglichte. Rosa- bis knallrot gefärbte Erzählungen meiner Verwandten oder später dann Kollegen in der DDR oder ihren Resten nach 1989. Inklusive der Wut. Subkutan. Das Morbide, das mich als Schwarzen Hund schon immer anzog. Utopie. Träumerei. Die Erinnerung an die jugendliche Verteidigung roter Kugeln.

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Das Mulmige? Das, was ich sah, war nicht morbid mit Charme, sondern einfach kaputt und großräumig verschimmelt. Auf der Fahrt zum Theater wurde uns eingeschärft – Wässerchen hin oder her – auf jeden Fall auf politische Einlassungen aller Art zu verzichten. Den damals noch engen Freund und Erwärmer unserer Ärsche in den deutschen Wintern Putin am besten überhaupt nicht zu erwähnen. Nach dem Auftritt trafen sich die zwei Ensembles sehr intensiv, ich sang dann noch mit dem schwäbischen Theaterdirektor, gut bewässert, „Auf dr schwäbsche Eisebahne“ und als ich trunken ins Hotel fliehen wollte, lief plötzlich jemand neben mir her und lieferte mich ab. Im Hotel. Gerne hätte ich noch ein wenig auf die Memel geblickt und nachgedacht. Oder wäre reingefallen.

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Natürlich habe ich nach Rückkehr stolz von dem Aufenthalt überall herumerzählt. Bisserl geschönt. Man muss ja nicht alles verraten, was einem quer im Halse hängt. Und im Rückblick ist man eh schlau wie der Fuchs, der rote Gefährte. Auch wenn er die Gans nicht gestohlen hat.

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Was war das noch mit den roten Kugeln? Nur noch diese roten Kugeln? Nun gut. Wenn man sich einmal verstrickt hat, hilft es nicht mal rechts, mal links eine neue Masche fallen zu lassen. Fast jeder erlebt über kurz oder lang eh sein blaues Wunder. Was nicht weiter verwunderlich ist.

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Den unten nannte man den russischen Bob Dylan. Hinweis von Maxim Biller. Danke dafür.

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