„The hollow horn plays wasted words, proves to warn, that he not busy being born is busy dying.“ (Bob Dylan)

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Doppelter Bob / „True Dylan“ von Sam Shepard / Inszenierung im Herbst 2013 / TiL Gießen

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Heute Nacht war ich mal bewusst wach. Sonst gerne meistens ungefragt. Das ist anstrengend, aber halt das Alter und seine schmerzlichen Rechnungen. Ich schaute TV. Das Duell der Vizekandidaten überm Teich. Und gleichzeitig war Jimmy Carter 100 Jahre alt geworden. Ein Grund ein bisserl in die Tasten zu seufzen und im eigenen Bauchnabel rumzupuhlen.

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Einen sehr großen Teil des Jahres 1979 verbrachte ich in den Staaten. Zwei Monate Schauspielschule. Woyzeck über dem Teich. Schrieb unlängst davon. Vieles von dem, was seit etlichen Jahren hier auch Alltag wurde, erlebte ich dort, staunend und kopfschüttelnd, ein erstes Mal. Horden von Adipösen. Das Schimpansengrinsen hinter den Bedientresen, welches dir mit einem „Can I help you?“ ins Gesicht springt. Der inflationäre Gebrauch des Wörtchens „Ich“. Das schreckliche „You’re welcome!“ Heute: GÄRNÄ! Das Entschwinden der Fähigkeit zuzuhören. Monologe und gefletschte weißgestrahlte Zahnleisten. TV rund um die Uhr. Dauerbeschallung in gigantischen Einkaufstempeln. Die Malls, das Glück in den Regalen und Bällebad. Die Tanke ist 24/7. Man kann also Zuckersäfte und Sixpacks und dreitausendvierhundert verschiedene Chipssorten neben den Joint legen.

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Präsident war damals Jimmy Carter. Ich trampte nach der Schauspielschule zwei Monate kreuz und quer durchs Land. Unfassbar viele Begegnungen. Viel Verächtliches. „He’s just a peanutfarmer.“ Das hat ihm wohl auch der damals etwas präpotente Helmut Schmidt – „Ain’t your chancellor a communist?“ (irgendwo in den Südstaaten) – vermittelt, der natürlich wusste wie die Welt funktioniert. Und die Wirtschaft. Also die Welt. Einst.

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In den Tagen meines Hitchhikens schlief ich unten Brücken, in Wäldern, auf Baustellen oder einfach gar nicht. Wurde eingeladen in Villen, Hütten, Mobile homes und miese Motels inklusive Belästigung. Der Dollar war innerhalb weniger Jahre vom Wechselkurs rund um die 4 DM auf 1,80 runtergeschlittert. Die Amis nagten ihre Knochen Vietnam und Watergate ab. Alkohol, Gas (Benzin) und Weed kosteten wenig bis nichts. Jahre später, der Nachfolger des unsäglichen Nixon war – der gute alte immer stets hysterische Unruhestifter Iran wollte die Geiseln nicht freigeben – vom noch unsäglicherem Cowboypräsident und Zweittarzan benachfolgt worden – las ich von Carters musikalischen Lieben. Es war eine gute Zeit. Die Krise.

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Bob Dylan war mir damals eher fern. Allman Brothers. Johnny Winter. Ich suchte das Blut der Indianer auf den Highways klebend in memoriam Jim Morrison. Jack Keroucs lange Strassen waren aber lediglich nur noch eine postpubertäre Behauptung. Aber in Ferlinghettis Buchladen im Northend hauchte mich ein paar Stunden eine Ahnung an. Von der Ekstase. Es war vielleicht die beste Zeit. Die sich geflissentlich widersprechende Illusion.

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Die Menschheit schreit dieser Tage immer schneller, lauter auf. Das Vernichten des Gegenüber scheint wieder Spaß zu machen. Carter ließ sich von Andy Warhol porträtieren. Viele Farben in einem Gesicht sind möglich.

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Letzte Nacht? Ein Gescheitle gegen einen Teddybären. Zwei Werbetafeln. Etikettenschwindel. Who cares? Sollte ich demnächst wiedergeboren werden müssen, dann bitte als Erdnussfarmer. Oder blöd ginsender Jack.

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