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Am 3. November 2001, vor 23 durch die Zeitachse davon gejagten Jahren, starb Thomas Brasch. Auf vielfältige Art und in vielen Zusammenhängen mir eine aufploppende Projektionsfläche und Identifikationsfigur.
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„Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.“
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(Thomas Brasch / Kargo. 32. Versuch auf einem untergehenden Schiff aus der eigenen Haut zu entkommen)
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Im Sommer 1980 hat mir meine damalige Geliebte dieses Buch geschenkt. Mit gereimter Widmung. Wo ist das Buch? Ich habe es – glaube ich – im Rahmen meiner Arbeit an der „Tankstelle für Verlierer“ – irgendwohin verliehen. Manches kehrt nie mehr zurück. Ich erinnere mich, wie ich mich durch diesen wilden Wust versuchte durchzulesen. Viel begriff ich nicht. Was ich aber begriff: wie wuchtig die Heimatlosigkeit, das Atmen ohne Wurzeln, die verlassen, das blinde Tasten namens Wut in diesen Texten. Damals befremdete mich das. Inzwischen ist es Bestandteil meiner Sicht auf das Außen. Obiges Gedicht war Motto meiner Gundermann–Arbeit.
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„Wieviele sind wir eigentlich noch.
Der dort an der Kreuzung stand,
war das nicht von uns einer.
Jetzt trägt er eine Brille ohne Rand.
Wir hätten ihn fast nicht erkannt.
Wieviele sind wir eigentlich noch
War das nicht der mit der Jimi-Hendrix-Schallplatte.
Jetzt soll er Ingenieur sein.
Jetzt trägt er einen Anzug und Krawatte.
Wir sind die Aufgeregten. Er ist der Satte.
Wer sind wir eigentlich noch.
Wollen wir gehen. Was wollen wir finden.
Welchen Namen hat dieses Loch,
in dem wir, einer nach dem andern, verschwinden.“
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(Brasch / DDR-Lyrikreihe Poesiealbum)
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Kurz nach der Biermann-Ausbürgerung 1976 verschob sich auch Brasch mit seiner Geliebten Katharina Thalbach in den Westen. Ließ sich auf eigenen Antrag hin verschieben. Wer bereut was und wann? Das Wortungetüm namens Ausreiseantrag. 1980, eben in Köln auf der Schauspielschule angefangen, sah ich im Schauspiel Köln Flimms Inszenierung des „Käthchen von Heilbronn“. Die junge Thalbach eine Explosion der Darstellungskunst. Tief beeindruckt. Damals verstummte Brasch eine längere Zeit lang, zumindest öffentlich, und besoff und bedröhnte sich, wenig beeindruckt vom „Versprechen West“. Der Grenzgang, das Faszinosum Euphorie, war mir nie fremd gewesen. Früher noch mit etwas mehr Glitzern versehen. Heute gelegentlich erschreckend banal mit dem eigenen Untergang jonglierend. Nie vergessen werde ich den Schluß des Theaterabend zu Kölle. Die Rückwand der Bühne öffnete sich, man sieht die nächtliche Krebsgasse. Kalt zieht und sieht es in den Zuschauerraum hinein. Draußen stehen die Schauspieler und glotzen zurück. Ein Poem von Brasch?
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„Und wenn wir nicht am Leben sind
dann sterben wir noch heute.
Die Liebe stirbt, du lebst, mein Kind
Die Mädchen werden Bräute
Ach, wenn ihr mich gestorben habt,
lebt ihr mich weiter heute,
gemeinsam wird ein Land begrabt
und einsam sind die Leute.“
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(Brasch / Gedichtsammlung: Die nennen es Schrei)
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Der ewige Riß. Laut oder leise. Wie einst der Vorhang im Tempel zu Jerusalem. Die Welten werden weiterhin Pharisäer beheimaten, denen eine gezielte Beerdigung ihres Landes am Schrumpelhirn vorbeigeht. Man setzt lieber fremdes Eigentum am Roulettetisch namens Leben denn den eigenen Arsch. Brasch ging, wie man heute so gerne schwafelt „All in“. Das mochte ich stets und mag es noch, wissend um die Risiken. Und sie auch gerne negierend. Wissend negieren? Geht das? Vor den Vätern sterbend als Sohn, der man ewig bleiben muß, wenn kein Vater? Dann Gott? Anderer Vater?
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„DAS FÜRCHTEN NICHT UND NICHT DAS WÜNSCHEN
darf mir abhanden kommen, auch mein täglich sterben nicht
das seellos süchtig sein auf keinen fall
nur hirnlos reimen wie ein wicht muß beendet werden
da ist ein gott und setzt sich zwischen alle stühle
er sieht genauso aus wie ich mich fühle“
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(Brasch kurz vor seinem Tod 2001)
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Und nun welches Lied? Ich kann nicht begründen warum, glaube aber es passt. Verdammt. Neat übersetzt: sauber. War auch einmal ein höchschtes Lob. „Und wie isches? Sauber!“ Beachten Sie den Bassisten links im Bild!
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