Nachricht aus dem Nachlösewagen 12

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Ich muß mich entscheiden. Ich muß mich bald entscheiden. Entscheide Dich. Eins Zwei oder Drei. Du mußt Dich entscheiden. Wer nicht für uns. Gegen uns. Drei Felder sind frei. Finde den Fehler! Entweder oder? Von dem Oder bis zum Wohin? Eins Zwei oder Drei. Letzte Chance. Vorbei. Es ist vorbei, bye bye. Junimond. Auf eine Kreuzung hatte ich mich, auf das Kollar blickend, hinfantasiert. Ich vermisste auf den Wegweisern einen ehemaligen Hinweis. Der eine noch. Eventueller Weg. Der Dritte. Das Kollar grinste ausdauernd. Kniff abwechselnd das eine Auge zu. Dann das andere Auge. And so on. Again and again. Grinste weiter. Und griff sich schließlich an die Nase. Ich war erleichtert. Auch die Nase des Kollars rot. Die Kälteschuld. Heißt Kollar gar Rudolf? Ja iss denn scho wieder Weihnacht?

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Der Himmel draußen hatte sich entschieden wieder tiefer zu hängen. Subjektiv auf Kniehöhe. Himmelhochgrummelnd. Das Töten geübt. Eines meiner Augen juckt. Verengt sich. Rötet sich. Ich kratze reibe jucke. Die Stimme der Mutter. Der Frau. Nicht dies tun. Nicht dies. Was dann? Dulden. Zuschwellen. Lassen. Gelassen. Es seinlassen. Geschehen. Siehst DU? Jetzt hast Du ein schlechtes Gewissen. Nein. Falsch erinnert. Siehst Du jetzt hast Du… Man rüttelt an meinen Schultern. An einer der beiden. Der mittleren.

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„Man muß kein gutes Gewissen haben. Auch wenn es bald zu Ende geht.“

„Habe ich im Schlaf gesprochen?“

„Und wenn?“

„Ist ja manchmal peinlich!“

„Machen Sie sich da keine Sorgen. Die Peinlichkeit ist die conditio sine qua non Deiner Sippe! Verzeihung! Ihrer!“

„So schlimm?“

„Tja! Wer von ganz oben abstammen will, muß dies in Kauf nehmen! Und: besser komplett blind, denn nur auf einem Auge dies und allwissend!“

„Das versuche ich einzusehen!“

„Sie versuchen es mit Humor. Ich schenke Ihnen ein Buch!“

„Die Bibel? Bitte nicht!“

„Entspannen Sie sich. Nehmen Sie dieses. Bis später!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 11

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Ich warte. Warten ist die wahre Zeit. Warten ist die Zeit vor der Wahrheit. Warten auf den Messias. Er wartet. Sie wartete. Es hat gewartet. Wir hatten gewartet. Ihr wurdet gewartet. Sie sind gewartet worden. Dieser Schienenbus offensichtlich länger nicht mehr. Ich warte. Kälte kriecht von den Füßen her in die Glieder. Höher. Synapsen runtergekühlt. Kollar Zero. Eiswürfel im Hirn. Sollte ich auf meine nächste Reise eine Wärmflasche mitnehmen? Oder alte, leere Batterien und Alufolie. Daraus kann man Handwärmer basteln. Restenergien. Wenn der Stecker gezogen, der über Jahrzehnte zuverlässig. Eine mit einer freundlichen Stimme verbundene Hand legt sich auf meine hochgezogen rinkse oder lechte Schulter.

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Da sitzt es. Mir gegenüber. Ich übe noch. Mich im Gegenüber. Üben. Was ist falsch. Das ist falsch. Wer nicht üben will vielleicht. Ich werde mir schlagartig einer ominös fassbaren Schuld klar. Unfassbar. Wie jede Schuld. Und wir vergeben sie gerne. Unsere statt den Unseren. Sein Kollar leuchtet mir ins frostige Antlitz. Aha. So so. Ja ja. Na ja. Und er schweigt. Geflissentlich. Nicht unangenehm. Keine Forderungen. Das sind meist die Schlimmsten. Die Verständigen. Die Lärmflaschen. Die Zu-Tun-Listen der Guten. Denke ich so. Nichts denkend. Meine fünf Finger bilden etwas. Sie wollen etwas. Sie wollen etwas bilden. Ein Früher. Eine Kampfansage. Fünf Finger waren eine. Mal. Habe nun ach! Jetzt sind sie nichts. Kein Meer. Die fünf Finger. Eine runzlige Orange hat die fünf Finger geentert. Verwurstung. Gebrüll. Habe ich Fieber? Das Kollar kann sprechen.

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„Wir verpassten alle den Bus ins Paradies! Ich nicht minder!“

„Ist das hier jetzt eine Ertüchtigungsmaßnahme?“

„Wie Sie wollen! Inzwischen nennt man sogar die Neugestaltung oder Renovierung eines Daches so.“

„Meinen Sie, ich müßte mal wieder zum Barbier von oben?“

„Sie dürfen duzen! Wenn Du zehn Finger benutzt!“

„Will ich nicht. Stellen Sie sich vor das Glaubensbekenntnis in der Höflichkeitsform.“

Überraschend. Sie überraschen mich.“

„Kriegt man so den gezogenen Stecker wieder rein! Gesteckt? Vielleicht?“

„Beten Sie mal! Lackmustest!“

„Schilt nicht den Haderer, der sonntags nicht zu irgendeiner Kirche geht. Sein zerknirschter Blick zum Himmel ist voller der Hingabe denn jedes laute ‚Ich weiß wie’s geht!‘ Was sagst Du? Dazu? Mein Gott aber auch!“

„Mein Sohn! Erwarte nicht, daß Dein Schienenbus morgen sich setzt in Bewegung!“

„Amen?“

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