Melankomie, Morälchen, Ritterregeln 1

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Erinnerungsruine Costa del Sol / Konschtanz / 23. Juni 2025 / Heilandzack aber au

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Heimatkunde ist halt stets auch Heimatwunde. Der Leithengst aller linken Bescheidler namens Teddi vom Wiesengrund setzte einem seiner früh und später viele Spätkonsumenten prägenden Werk das gerne wiedergekäute Zitat vom falschen Leben im richtigen Leben oder umgekehrt als scheinbar donnernden Vorgedanken auf die ersten Seiten. Wurst oder Jacke wie Hose waren mir immer diese wiederzukäuenden Weisheiten und in meiner Jackentasche fand sich nie eine mich ewig begleitende Ausgabe zur auch noch ewig gültigen Gedankenanregung. Eher eine Packung Camel ohne Filter. Man stirbt schneller als man denkt auf der Matratze namens Vergangenheit. Karl Lagerfeld sagte mal: „Ich möchte auch nicht gesehen werden, wenn ich tot bin, find ich furchtbar. Tuch drüber und weg. In den Mülleimer. Aus. Vorbei.“  

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Ich habe eben eine sehr angenehme Woche in meinen Vergangenheiten verbracht. Konschtanz. Mutter wurde neunzig Jahre alt. Und fuhr drei Tage nach den Feierlichkeiten mit ihrem Freund, fünfzehn Jahre jünger als sie, mit dem Bulli nach Norwegen. Drei Wochen lang trauen sie sich das zu. Gut. Meine Frau ist fünfzehn Jahre jünger als ich. Sind das jetzt Prägungen? Oder einfach nur einer dieser Zufälle, welche man Leben nennen mag.

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Heute lief ein Mensch mit beschriftenen T-Shirt vor mir her. Was ich eigentlich nicht wirklich mag. Da stand: „Ich sammle Fehler. Andere nennen das ein Leben!“ Sehr schön. Der Mann schwankte ein wenig.

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Dann noch zwei Tage Feierlichkeiten am See dazu. Fünfzig Jahre Abitur. Gute siebzig Prozent der ehemaligen Absolventen anwesend. Der Tod hat nur zweimal zugeschlagen in der Gruppe und zweimal noch an den Rändern. Selten so viele lachende Gesichter um mich herum. Keine Penislängenvergleiche. Kaum Aufplustern. Eine seltsame Gelassenheit im Blick zurück. Glück gehabt. Wobei: in Baden-Württemberg wohnen nicht die Hungerleider. Deshalb wohne ich nicht mehr dort.

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Mit meiner Frau auch noch Geburtstag gefeiert auf dem Säntis. Wir könnten dann von ganz oben auf das alles was war blicken. Hatte ich auf die Geschenkkarte geschrieben. War nicht nötig. Wir haben Herisauer Geschnetzeltes gegessen. War nicht ganz billig. Besser so. Wenn die Kasse leer ist, ist es wohl besser keinen Geiz zu zeigen. Auch sonst nicht nötig.

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Ich hatte anderen Tags, wie immer, vorgeschlagen eine Kleinigkeit und viel Flüssigkeit im Costa del Sol in Konschtanz zu uns zu nehmen. Tja. Die alte Hütte nur noch eine Ruine der Erinnerung. Da war dann ein wirklich wesentlicher Teil Vergangenheit von mir unbemerkt den Acheron heruntergerauscht. Adios. Sammeln wir weiter Fehler ohne Besserwisserei.

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Mal schaun ob aus dieser Kategorie was wird. Melankomisch. Moralfrei.

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Ritter Runkel von Rübenstein einst erlaubte sich diese Bemerkung mal: „Selbst auf der längsten Leiter kommt man schließlich nicht mehr weiter!“

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