Wo ist die Zeit ? / Telegram Sam iss tot

…..

…..

Was ist wichtig? Was ist schnell? Wer kommt noch schneller? Und doch nicht zu früh.

*

Man kann auf vieles verzichten. Was davon wird vermisst? „deine oma ist gestern gestorben. bitte anrufen!“

*

Ein Telegramm konnte man anfassen. Eine SMS nicht mehr. Ein Telegramm hing länger mal an einer meiner Wände.

*

Trennung per Telegramm? Gab es, soweit ich weiß, nicht. Zwischen dem Telegramm und Dir vermittelte ein menschliches Wesen. Zwischen der SMS und dem Empfänger: nur Du. Verlust.

*

„ankomme gleich. In liebe.“ Und trotzdem bleibt noch genügend Zeit die Wohnung aufzuräumen. Auch wenn die nur ein Zimmer war. Was ist wichtig? Braucht man schneller als schnell? Zeitlose Zeit. Schnappatmung.

*

Die Jahresabschlusswünsche 2022/23

…..

Lindau / Hafen / Oktober 2022

…..

*

Halt das Maul Kassandra

Endlich einmal dein loses Maul halte

Hatten sie geschrien

Wütend

Die Weissagerin geknebelt

An den Mastbaum geklebt

*

Das Schiff blieb im Hafen

Die Berge im Dunst

Acht Segel gerefft

Zerschnitten mit trotzigem Messer

Stupor

*

Einen letzten Glühwein noch

Aber wir werden schreiten über den See dann

So jubelte man sich träge zu

*

(Gießen / Ende Dezember ’22)

*

Schauen wir mal, wer oder was sich im nächsten Jahr bewegt und / oder rollt. Allen die hier reingucken sei gewünscht eine friedliche Weihnacht und ein gutes neues Jahr. Bis 2023. Jetzt muß ich an den Herd: der Rotkohl.

…..

…..

Vom Gratismut, Plagiaten und wie die Bücherregale Tore schießen werden

 …..

Gießen / Stadtpark Wieseckaue / Januar 2021

…..

Nun ist sie also gelesen die Krönungsmessi. Verdient und dramaturgisch außerordentlich spannend und unterhaltsam serviert. Und zu guter Letzt hat des nun Heiligen Lionel Brötchengeber, an dessen Brust er kurz zuvor noch sein Haupt geschmiegt hatte, dem Vollendeten ein Mäntelchen umgehängt. Sah er ein bisserl lächerlich drin aus. Der ewige Konfirmand ließ grüßen. Nun denn: mitgegangen, mitgehangen! Unsere widerständigen Germanen hätten das fiese Gewebe natürlich empört in den gekühlten Wüstensand gepfeffert. „Ja bischt Du denn blöd, Du Turbokapitalischt!“

*

Apropos Gratismut. Nach der widerständigen, das eigene Konto arg in Gefahr bringenden, Mund zu – Geste des deutschen Teams habe ich meine selbstauferlegte WM – Abstinenz in weiten Teilen aufgegeben. Sinnentleerte Gesten wollte ich jetzt wirklich nicht plagiieren. Und ab Frankreich – England habe ich alle Spiele, die man sehen konnte, geguckt. Ein Spiel unterhaltsamer als das andere. Und beim Schauen habe ich mich immer wieder gefragt wie M. Neuer (Extremskifahrer), O. Bierhoff (Werbefachmann) und HaDe Flick (Seminarleiter Achtsamkeit) im Vorfeld davon sprechen konnten, dass das ehemalige Konstrukt „Die Mannschaft“ um den Titel mitspielen könne. Etwas vermessi!

*

Ja natürlich hat da was gefehlt. Beschwingte germanische Botschafter des wahren Fußballs, die dem französischen Flic mal zeigen, wo der Hammer hängt. Stadien mit einem durchschnittlichen Alkoholpegel von 1,7 Promille. Pyro, die den Hirnen der Entzünder gleich, alles vernebelt. Nackte englische Oberkörper. Halt ein Turnier, dessen Durchführung so gläsern und fair an Land gezogen wurde wie das legendäre Sommermärchen. Und natürlich die morgendlichen zerdepperten Bierflaschen vor der Haustür. Reste des öffentlichen Schauens im Biergarten visavis. Aber dafür durfte man jeden Tag Einlassungen älterer Herren lesen, davon wie es einstens so schön doch war, als wir Weltmeister wurden. Rein. Unschuldig. Und nur der großen Sache verpflichtet. Schön halt. Und Marokko hat nicht weiter gestört.

*

Wichtige Erkenntnis aber, dass wir uns nicht vor der Welt hertreiben lassen. Was früher gut, soll bleiben so auch morgen. Also wurde beschlossen, dass der Seminarleiter Achtsamkeit die schwäbisch – badische Dynastie in Sachen Übungsvorstand weiterführen darf. In scheinwiderständiger süddeutscher Behäbigkeit. Nestbeschmutzer schallt es mir entgegen, aber wer dort unten aufgewachsen … wosch scho, gell?

*

Ah, hätte ich fast vergessen, den Peinlichkeits – Oscar. Nein, nicht Infantilo. Der läuft außer Konkurrenz auf therapeutischem Gelände rum, auch wenn Jessy und Experten anderes verschäumen. Wer selbst ordentlich abkassiert in Sachen Pöhlerei und Binse, soll schweigen brav oder abreisen. Nein, der Seminarleiter fürs Gestern und das Morgen hat in der Heimat ein Interview gegeben. Conclusio? Er werde nochmals mit Thomas Müller sprechen. Auch wenn er, natürlich mit badisch geballter Hecker – Fauscht im Sack, den Rummenigge und Tante Käthe fragen muss. Und dann werden wieder ohne Ende Torchancen kreiert. Aber da wir Germanen schon immer das Volk der Dichter und Denker waren, zählt eben das theoretisch erzielte Tor mehr als das gefallene. War es nicht auch so mit all den deutschen Revolutiönchen und Befreiungskämpfles? So reiht sich Hansi Flick ein in die Phalanx der großen Theoretiker des Landes. Ein Adorno der Eckfahnen. Ein Habermas des Strafraums. Ein Bloch der Elfmeter. Ein Precht der Rückpässe. Zwischen den unreflektierten Reflexen ruht die Hoffnung auf den nächsten feuchten Traum. Tu felix Germania somnia porro!

…..

…..

Wo ist die Zeit? / Die Kakerlake Keef

…..

…..

Wenn ein Prominenter und dann auch noch eine, wie die bedenkenlos nachplappernde Journaille in und außerhalb der Netze gerne schreibt, „Legende“ Geburtstag hat oder gar stirbt, purzeln die ewig wiedergekäuten Bonmots aus den Tastaturen. Aber dieses „gute Wort“ ist dann doch zu hübsch, um hagestolz ignoriert zu werden:

*

„Den nächsten Atomkrieg überleben nur die Kakerlaken und Keith Richards!“

*

Heute hat „Keef“ Geburtstag und auch noch Hochzeitstag. Möge der ewige Blues ihm treuer Begleiter bleiben. Und der Anblick dieser verwachsenen, verwundeten, wieder zusammengewachsenen Hände macht mich jedes Mal fertig. Aber vielleicht geht es darum. Das Ganze einfach durchstehen.

*

Als mich die letzten Tage Mr Covid umgeschmissen hatte, las ich Lesley – Ann Jones‘ „The Stone Age“. Ein sehr lesenswertes Buch über 60 Jahre Rolling Stones. Die Autorin lässt keine Arschlöchrigkeit der Bandmitglieder aus. Und davon gibt es unzählige. Die Wirkung ihrer Musik aber bleibt. Über Qualität oder Nicht – Qualität mögen andere urteilen, die sich dazu berufen fühlen. Und dieses schöne Zitat merkte ich mir noch: „Die Vergangenheit ist ein fremdes Land. Man macht die Dinge anders dort.“

*

Damit wären wir bei „Vernichten“ von Michel Houellebecq. Die zweite Covid – Lektüre. Davon demnächst.

…..

…..

Wo ist die Zeit? / Endlich Weltmeistern

…..

Thomas Müller / Manuel Neuer / Hansi Flick / oben Jogi Löw / 11.10.2022 / Schaufenster in KN

…..

Entschuldigung. Hallo. Die Chancen. Der Pfosten. Die Latte. Die Spanier. Die Japaner. Wo liegt eigentlich Costa Rica. Oder Bremen. Können Zahnlücken die Nation retten. Oder gar Kiel. Entschuldigung. Bremen. Entschuldigung. Wir waren kurz davor bis ans Ende aller Tage Weltmeister zu bleiben. Statt zu werden. Haben die 9 wieder entdeckt. Dann wurde sogar der götzliche Mario einverwechselt. Der Krug geht so lange zum Zahnarzt bis man davon berichtet. Nein. Das darf man sich doch schenken. Als ewiger Weltmeisterer.

*

Nein. Niemals nie nicht zynisch werden und so tun, als wären die Pöhlerei und das Feuilleton irgendwie miteinander verwandt. Die BILD von gestern ist der Bildmann von morgen. Ick freue mir über verdiente Enttäuschungen.

*

Roberto von Moralia und Nancy Faeser haben Katar gezeigt wo der Hammer hängt. Her mit dem Gas! Frieren ist kein Spaß! Kicken ohne Müller? Wird Annalena dem Finale beiwohnen? Verhandeln in Sachen Außenmeniskus?

*

Ich weiß nicht warum, aber offensichtlich ist krachendes Scheitern in diesem unserem Lande keine Option mehr für einen Wechsel. Sondern im Gegenteil. Heiter und weiter auf der eigenen Leiter. Jogi, please kamm beck.

…..

Bei Kardamili in Griechenland am Strand im Juni 2018 / Erstmal zu Penny

…..

Brenn Lichtle, brenn! Auch wenn’s nur der Weihnachtsmarkt wär, der wo weg!

…..

Gießen / Küche / 27. November 2022

…..

Dann habe ich heute noch einen Adventskranz gekocht. Und Rory Gallagher machte dazu Musike. Da isch es doch, das erschte Lichtle. Und es leuchtet again. Und wie. Draußen kocht sie, die Seligkeit, vor sich hin. Nach zwei Jahren endlich wieder Weihnachtsmärkte. Müdigkeit kriecht aus den Poren.

…..

…..

Wo ist die Zeit / Hendrix beinahe 80

…..

…..

Das Geld für drei Platten hatte ich zusammengebracht zu meinem 16. Geburtstag. Einmal von Mama, dann erspartes Eigenkapital und noch ein Geschenk von Klassenkameraden, vor allem *innen, die zusammengelegt hatten. Also auf zu Bertelsmann, obwohl die Auswahl da doch leicht eingeschränkt war in Sachen, was wichtig war in jenen Tagen. Aber da gab es auch noch Rabatt, weil die Eltern seit Jahren Abonnenten waren. Lesezirkel hieß das, meine ich mich zu erinnern. Begleitet wurde ich von zwei Klassenkameradinnen. Hinter der Einen war ich schon seit einiger Zeit hinterher. Als sie mich dann im Jahre drauf auf einer Südtiroler Landschulheimwiese erhören sollte? Eigentor. Die Andere war die beste Freundin der Einen. Und dann gab es noch eine Dritte. Und mehr Mädels waren zu der Zeit nicht in unserer Klasse. Dann noch, je nach Lage in Sachen Auf- oder Abstieg, um die zwanzig Buben.

*

So eine Art Tresen. Barhocker. Man konnte sich die Platten anhören. Zwei oder drei Hörplätze mit zwei bis drei Kopfhörern. Riesenteile. Weich und manchmal was klebrig und garantiert nicht desinfiziert. Als erstes „Derek and the Dominos“. War klar. Das große Liebesjammern von Eric Clapton. Layla und die anderen klagenden und bettelnden „assorted“ Lovesongs. Auf den Knien. Grauenhafte Selbstentäußerung eigentlich. Aber da konnte sich der Bub in seine unerfüllten Sehnsüchte reinfallen lassen. Immer die schwer bis nicht Erreichbaren im Visier. Als ob er Niederlagen als Ersatz für die Bestätigung herbeirufen müsse. Das manchmal ebenso lange Jahre lang eine Dritte, hier sogar die Dritte, entflammt am Rande der Tanzfläche stand, erfährt der Bub vielleicht beim 30 – jährigen Abiturtreffen. Zu spät und ein bisserl kokett.

*

Ok. Aber jetzt musste noch der vermeintlich „harte Kerle“ in dir bedient werden. Black Sabbath. Paranoid. Gleich der erste Song War Pigs trifft. Mehrere Fliegen sind geschlagen. Mit der plakativen Wut auf die Kriegsschweine ist einiges unter den Hut zu bringen. Der junge Maoist. Der Pazifist. Natürlich mit der revolutionären Knarre in der Hand. Der Sohn eines armen Soldaten. Der kleine Träumer. Der Selbstzweifler. Der Klassen(laut)sprecher. Und die noch nicht entdeckte Wut, ein treuer Begleiter später. Man steht aber auf der richtigen Seite. Rein in die Tüte.

*

Und dann ist da noch der Schwarze Mann. Der akkurat getrimmte Wuschelkopf. Das schreiend bunte Hemd. Und der verliebt gesenkte, fast schon meditative Blick auf seine Gitarre. Aber die hängt doch falsch rum am Musikus. Warum? „Der ist Linkshänder!“ Ich doch auch. Eigentlich. Aber wir wurden bei der Einschulung umgepolt. „Gib dem Onkel die rechte, nicht die böse Hand!“ Was wissen die schon! Was weiss ich schon? Jimi Hendrix und seine Bande der Zigeuner antwortet. Und dann das damals überhaupt nicht nachvollziehbare Anfangsgeschrammel von Machine Gun. Was ist das denn für ein Instrument? Bass, Gitarre, Drums gemeinsam in einem undurchdringbarem TschakaTschakaRumms. Die Wucht dieses ersten Hörens, die mich noch öfters einholen sollte, habe ich nie mehr vergessen.

*

„Who Knows“

They don’t know

They don’t know

Like I know

Like I know

Do you know

They don’t know

I don’t know

I don’t know

*

Etliche Jahre später las ich mal, dass Hendrix ein großer Dylan – Verehrer war. Er rieb gerne den, dann die Augen verdrehenden Soul Sisters oder Brothers, die drei Zentralwerke Subterranean Homesickblues, Highway 61 revisited und Blonde on Blonde unter die Nase. Las ich.

*

Was für ein schönes Cover der Tränen des Zorns. Und eine Feier der Kraft einfacher Musik. Wenn sie nicht aufhört zu träumen, naiv bleibt und halt Musik macht. Also die Musik. Oder so. Am besten im ewigen Hotelzimmer. Nicht perfekt werden wollen. Was wissen wir schon. And life is brief.

…..

…..

Givin‘ Black Dog a Name / Just Blues 21

…..

…..

Vorgestern hat mir ein lieber Mensch ein Buch zukommen lassen, an dem er mitgearbeitet hat. Seitdem höre oder gucke und lese ich nur noch Rory Gallagher. Keiner hat Schmerz und Freude und die blöde Sau Alkohol dermaßen in eine Form zu gießen (sic!) verstanden. Und wurde seltsamerweise recht schnell vergessen. Auf den Knien meines Herzens wäre ich gerne so Ir(r)e gewesen worden. Er ging, als er so alt war wie mein Vater, der da auch gehen musste. Oder wollte.

*

Warum aber im Nachwort des Buches der offensichtlich nicht vermeidbare Wolfgang Niedecken der Leserschaft kundtun muss, dass er auch mal karierte Hemden trug, Südstadt verzäll nix, ach. Steigert wohl die Verkaufszahlen. Unnötig.

*

More Rory unten. Dann schon recht übel traurig und er kurz vor dem Ende. Erhobenen Hauptes. Wenn der Blues das Regiment übernimmt. Lachen, um nicht weinen zu müssen. Der Unkenfroschblues bleibt.

…..

…..