Der Schwarze Hund unter Wasser 5

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Jahre, Jahrzehnte lang habe ich versucht den Schwarzen Hund zu ersäufen. Ein fataler Irrtum. Klar, solange ich ihn würge und unter Wasser halte, habe ich Ruhe vor ihm. Aber irgendwann erlahmen die Muskeln und jedes Mal, wenn er wieder seinen Kopf über der Wasseroberfläche hatte, mein Schwarzer Hund, war er ein beträchtliches Stück gewachsen. Für mich natürlich ein Grund ihn möglichst bald wieder zu ersäufen. Und so weiter und so fort.

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Oft traf man sich im „Club der heiteren Schwarze Hunde – Ertränker“. Das jeweilige Haustier war natürlich nie das Thema. Man war ja heiter und der sonnengelben, heilenden und flüssigen Seite der Welt zugewandt, anfangs jubelnd, später dann sklavisch ergeben. Und man war laut, sehr sogar. Wessen Lache am dröhnensten durch den Saal rollte, wessen Witze am schrillsten belacht, heute scheint mir, der war derjenige mit dem dicksten Schwarzen Hund zu Hause in der Badewanne.

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So mancher aber hatte vergessen den Schwarzen Hund zu Hause anzuleinen, so daß dieser durchs gekippte Fenster, zur Not auch durch das Schlüsselloch (Gab es früher noch!) schlüpfen, springen oder diffundieren konnte (zu den verschiedenen Aggregatzuständen des kleinen Kuscheltiers in späteren Beiträgen) und seinem Halter in die Kneipe oder auf die Premierenfeier gefolgt war. Manchmal sogar ins eben bezogene Lotterbett. Dann wurde die Köpfe zusammengesteckt und man raunte: „Der hat heute den Blues!“

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Den Blues zu haben! JA! Man, he got the blues, man! Das war ein bißchen wie das Sportabzeichen in Gold. Damals. Als die Tennisbälle noch gelb und Medizinbälle nicht unter Folterinstrumente gelistet wurden. Und am nächsten Morgen die bange Frage: „War ich peinlich gestern Abend!“ Meist dann die Antwort eines Clubmitgliedes: „Nee! War alles im Rahmen!“ Natürlich wuchs dieser Rahmen mit jeder Zusammenkunft. Unmerklich, aber doch. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis dann mal wer fragte: „Du, Dir geht es aber nicht so dolle, oder!“ In den meisten Fällen waren es Frauen. Und noch tausendmal viel länger dauerte es bis ich antworten konnte: „Ja, mir geht es richtig übel. Und: Keiner ist dran schuld!“ Vom stets bis ewig ausgestrecktem Zeigefinger des Schwarzen Hundes dann in Bälde.

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(Gießen, 25. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Litfass / Freiburg im Breisgau / sehr spät nachts / 25. Juli 2009

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Die Schwarzen Hunde der Anderen 4

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„I see people in the park, forgettin‘ their troubles and woes

They’re drinkin‘ and dancin‘, wearin‘ bright colored clothes

All the young men with the young women lookin‘ so good

Well, I’d trade places with any of ‚em, in a minute if I could

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I’m crossin‘ the street to get away from a mangy dog

Talkin‘ to myself in a monologue

I think what I need might be a full-length leather coat

Somebody just asked me if I’m registered to vote

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The sun is beginnin‘ to shine on me

But it’s not like the sun that used to be

The party’s over and there’s less and less to say

I got new eyes, everything looks far away

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Well my heart’s in The Highlands at the break of day

Over the hills and far away

There’s a way to get there, and I’ll figure it out somehow

Well I’m already there in my mind and that’s good enough for now“

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(Bob Dylan / Highlands)

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Man wechselt gerne die Straßenseite kommt einem der Schwarze Hund (mangy dog) entgegen. Du siehst ihn nicht. Aber du bist, auch wenn du dich gerne blöder stellst als du bist, eben: so blöd bist du nicht. Du ahnst mehr als du zu wissen meinst. Man kennt ihn, man riecht ihn, man spürt ihn und man verleugnet ihn. Dein alter Begleiter lacht laut auf. Du denkst dann: „Dem will ich heute nicht mehr begegnen!“ Eine meiner peinlichsten und stets wiederholten Handlungen: die Straßenseite zu wechseln. Rettende Begegnungen vermeiden wollend. Müssend. Nicht könnend.

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Es sind meist die Schwarzen Hunde der Anderen, deren Begegnung du vermeiden magst. Bringt nichts. Gar nichts. Am nächsten Morgen tut es einfach nur weh.

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(Gießen, 23. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Wo ist die Zeit? / Von Uwe Seeler lernen, heißt siegen lernen! Und verlieren!

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Seltsam, wie der Tod mancher „Lebensbegleiter“ berühren kann. Vor allem, wenn Sie dich begleiteten, als du noch ein Bub‘ warst. Dieses Spiel oben durfte ich schauen, obwohl am sehr späten Abend übertragen. Was heute ja Normalität ist. Die gemeinsame Aussicht auf die Rache für Wembley hat das Herz meines strengen Vaters erweicht.

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Traurig wie ich gestern war, sagte ich zu meiner Frau: „Würde die Welt nach Art eines Uwe Seelers behandelt, es ginge ihr entschieden besser!“

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Der Schwarze Hund plus Begleiterin 3

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Oft tritt der Schwarze Hund auf die Bühne mit einer Begleiterin. Auf den ersten Blick eine attraktive Dame von Welt, eloquent, belesen, schlagfertig. Ihren Blick hatte sie über Jahre geschult beim gerne etwas geringschätzigem Blick auf das allzu Laute, das Hektische, Gierige, Maßlose, Gerenne und Geflenne vor deiner Türe. Doch hüte Dich vor diesem Biest. Anfangs noch wirst du ihr gebannt zuhören, gescheit wie sie nun mal ist, gewachsen am eigenen, wohl als einzigartig empfundenen Schmerz, wie sie die Welt auseinandernimmt und vor deinen Augen wieder zusammensetzt. Aber irgendwann wirst du bemerken, daß die Menschen sich von dir abwenden, wenn du mit dieser Dame im Gepäck auftauchst und du schaust die Begleitung fragend an und sie sagt zu dir, feist grinsend: „Ja, mein Junge. Kennst Du mich nicht? Ich bin es, die Selbstgerechtigkeit!“

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Ich habe immer wieder mal diese Dame an die Hand genommen, den Schwarzen Hund zu Hause oder in den Nächten eingeschlossen, draußen die Welt auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, dem nicht enden wollenden Strom meiner eigenen Worte lauschend und so vergessen genauer hinzuschauen oder zuzuhören. Wer selber redet, der begibt sich nicht in Gefahr. Kam ich dann erschöpft und angetrunken, meist beides, nach Hause, saß der Schwarze Hund am Küchentisch, knurrte mich freundlich an und dachte sich – heute sagt er mir es manchmal – : „Kerle, Kerle. Ich kann warten!“

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Ich glaube, es ist ein riesiger Irrtum anzunehmen, daß ein ordentlicher Weltekel dich von der Welt befreit. Ganz im Gegenteil. Sie rückt dir so immer näher auf die Pelle. Man darf seine Kräfte nicht überschätzen. Denn du weißt von deinem eigenen Schwarzen Hund, wenn du es zulassen willst. Aber die Schwarzen Hunde deiner Gegenüber sieht du meistens nicht. Und selbst erzeugte Einsamkeit ist ein hoher Preis. Ich lerne langsam, sehr sehr langsam, nun das Schwanzwedeln, das Knurren, Ohren aufstellen, Fiepen und Kläffen meines Schwarzen Hundes zu lesen. Man muß geduldig zuhören. Es braucht viel Zeit. Vieles der Zeit, die man liegen hat lassen. Unterwegs. Schiß halt! Und immer wieder aufpassen, wenn die eitle Dame deinen Stift führt. Obwohl man es wohl nie ganz verhindern kann.

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(Gießen, 22. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Der Schwarze Hund sitzt am Steuer 2

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Die anstrengenden Tage sind jene, an denen der Schwarze Hund nicht mehr nur wie eine Stola dir am Hals hängt, sondern – wie auch immer – sich Zugang verschafft hat zur Kommandozentrale. Dein Hirn. Dein Wille. Dein langsam erkaltendes Herz. Meist tut er das während den üblicherweise unruhigen und vergrübelten Nächten. Du erwachst, unendlich müde, gelähmt. Und dann stehst du auf und tapperst als eine Art von Marionette durch den Tag, der sich furchterregend lang und sinnlos vor dir ausbreitet. Als wäre der Schwarze Hund ein bösartiger Baggerfahrer lässt er dich die Baggerschaufel runterfahren und du schiebst alles, was zu tun, zu erledigen, dir Freude bereiten könnte, vor dir her. Es knirscht und knarzt die Schaufel über den Boden und du schaust einfach nur zu. Stundenlang. Vergisst zu essen. Trinkst. Das Radio dudelt. Google dudelt auch vor sich hin und du hoffst, dieser Sommer möge enden und eine Horde von Tiefs das Land beregnen. Und die hektisch belebten Straßen leer waschen.

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Der Schwarze Hund mag sie nicht die Sonne, die fröhlichen Menschen, die nächtliche Lautstärke, die aufgeheizten Städte. Er mag nicht die meist zu lauten Urlaubsprahlereien. Er mag Gewitter. Er mag dieses trügerische Gefühl allein auf der Welt zu sein. Der Schwarze Hund sehnt sich nach der Welt.

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Ich hatte dem Schwarzen Hund nicht zugehört. Er hatte gejault, gewinselt. Er bat mich auf tausend Arten ihm zuzuhören. Mehr als ein „Ich schaffe das schon!“ habe ich ihm nicht hingeworfen. Einen abgenagten Knochen. Hätte ich dem Schwarzen Hund schon früher zugehört, vielleicht hätte ich folgendes vernehmen können. „Hör mal zu, Alter! Es fließt nicht. Du jagst und treibst das Wasser vor dir her. Es fließt zu schnell. Tritt also über die Ufer. Und erreicht so nicht das Meer.“ Oder: „Deine Flüsse sind übervoll. Deine Deiche sind löchrig und von den Maulwürfen des Zweifels und des ständigen Haderns zerfressen. Irgendwann wird der Damm brechen. Denn der nächste Grauburgunder wird die Löcher nicht stopfen.“

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Ich glaube der Schwarze Hund ist kein Monstrum. Ich glaube der Schwarze Hund kann zu einem freundlichen Gefährten mutieren. Das wird allerdings einiges an Arbeit erfordern. Welche Werkzeuge für diese Baustelle zu erstehen sind: die nächste Zeit wird es weisen. Müssen.

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(Gießen, 21. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Der Schwarze Hund ist von der Leine 1

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Der schwarze Hund war ein Leben lang mein Begleiter. Wahrscheinlich habe ich in an jenem kalten Februartag im Jahre 1973 geschenkt bekommen. Das ist kein billiger Sarkasmus. Oder ein Rumgespiele mit dem eigenen Schmerz. Es ist tatsächlich ein Geschenk, so wie jede Aufgabe, ob man sie nun bewältigt werden kann oder nicht, ein Geschenk ist. Was und ob man begreift liegt aber in Sachen Schwarzer Hund nicht in der eigenen Hand. Dies erfahre ich in den letzten Tagen und Wochen. Mit Macht. Und Wucht.

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Ich wußte stets, daß der schwarze Hund ein gefährliches Biest ist. Lebensbedrohlich. Doch ich bildete mir ein, die Leine um seinen Hals hielte ich straff in der Hand. Ein kurzer Ruck, ein „Platz, Du Sau!“ würde mich verschonen vor seiner knurrenden Wut. Manchmal nahm ich den Schwarzen Hund mit zur Arbeit, band ihn auf der Probebühne an den Regietisch oder an die Heizung oder im Anschluß an die Aufführung saß er friedlich unter dem Kneipentisch. Ich habe ihn meinen Kollegen vorgestellt, jedoch seine wahre Herkunft und seine Gefährlichkeit gerne verschwiegen. Natürlich habe ich auch mit diesem Tag im Februar vor nun bald fünfzig Jahren kokettiert. Sehet, was ein Mensch – seien wir genau – ein MANN so alles überleben kann. Und daraus etwas destilliert. Für die Arbeit. Für das Private eher nicht. Da halfen die Destillate. Vermeintlich.

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Manchmal ist er verspielt der schwarze Hund. Streicht Dir ums Bein, grinst und fordert Dankbarkeit für das letzte Gedicht oder das letzte Lied – „Ohne mich wärst Du genau so ein Langweiler wie die anderen, mein Freund!“ – und dann bestellt er sich ein Bier. Unter den Tisch. Und Dir fünf. Zahlen mußt natürlich Du. Machst Du gerne. Eine lange, lange Zeit lang. Eines Tages ziehst Du den Geldbeutel aus deiner Tasche und der ist leer. Ebenso wie der Platz unter dem Kneipentisch. Der schwarze Hund hat sich losgerissen. Die Leine baumelt vor sich hin. Verlassen. Dann juckt es Dir am Hals. Du schwitzt. Bekommst kaum mehr Luft. Und der schwarze Hund hat sich um Deinen Nacken gelegt wie eine Stola. Und langsam, ganz langsam beginnt er zuzudrücken. Aber er trägt an dieser Situation keine Schuld. Er ist lediglich da. Erinnere Dich.

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An jenem Februartag begann es mittags heftig zu schneien. Als wolle die Welt etwas verschwinden lassen. Morgens noch war es für die Jahreszeit viel zu warm. Der Schneefall – wir liefen durch den Wald, wir, also die anderen Mitbesitzer des schwarzen Hundes – und die Stille war greifbar, heilsam und brach trotzdem die Herzen. Jahrzehnte noch schaute ich aus den Fenstern meiner Sorgen und sah es schneien. Oder ich wünschte es mir. Gnädiger Schnee, bedecke die Felder und laß diesen Moment der Ruhe wieder einkehren, bitte. Die Spuren, welche der schwarze Hund im Schnee hinterlassen hatte, Tag für Tag und vor allem Nacht für Nacht, ich übersah sie. Wollte ich das? Der schwarze Hund hat mich nie angefallen. Inzwischen habe ich begriffen, daß ich ihn schon viel früher hätte kraulen müssen. Hinter seinen traurigen Ohren. Doch ich hatte Angst. Nicht vor dem schwarzen Hund. Vor mir selbst. Sogar ein geduldiger schwarzer Hund wird irgendwann sauer, wenn man seine Existenz stets leugnet.

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(Gießen, 20. Juli 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)

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Wo ist die Zeit? / Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Oder? / Sag an, Genosse!

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Lausitz / Tagebau Welzow – Süd / 11. Juli 2019

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„hier isses heute nicht besser als gestern / und ein morgen gibt es hier nicht“

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Vor drei Jahren weilte ich eine Zeitlang in Hoyerswerda. Ich sammelte dort Material und führte Gespräche für mein Gundermann – Projekt ‚Tankstelle der Verlierer‘. Auf den Tag genau heute vor eben drei Jahren nahm ich teil an einer Exkursion durch den Tagebau Welzow – Süd. Dort hatte Gerhard „Gundi“ Gundermann seine letzten Wochen auf dem Bagger absolviert und später Andreas Dresen Teile des Filmes ‚Gundermann‘ gedreht. Ich hatte damals die Genossen Hoy und Woy davon berichten lassen.

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Denke ich daran zurück, habe ich das Gefühl das war nicht nur eine Reise auf den Mond oder in eine untergehende Welt, nein, das war der Besuch einer anderen Galaxie in einer anderen Zeitzone. Nun vielleicht müssen wir wieder dorthin zurückkehren, wenn unsere Ärsche kalt und kälter werden und letztlich auf Grundeis kratzen. Die Kumpel wird es freuen, daß man sie nun wieder benötigt. Den Genossen Covidel Sarsowitsch auch. Je kälter, desto mehr Verbreitung. Freundschaft! Und Gundi winkt runter von seiner Wolke. Was gestern falsch, wird morgen richtig! Ätsch! Und die Engel über dem Revier müssen dann auch wieder richtig ran. Siehe ganz unten.

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Einschub in Sachen Wolke und Engel: Jener hätte heute Geburtstag.

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Wie die „Welt“ sich in den letzten drei Jahren schüttelte, rüttelte, verbog, belog, sich selbst betrog und was auch immer – ich weiß, das tut und tat sie schon immer, aber die Verdichtung dieser Tage ist schon immens – nimmt mir in stetig kürzer werdenden Abständen den Atem. Man kommt nicht mehr hinterher als alter Sack. Da hilft nur eines, sich an den Straßenrand setzen. Um zu warten. Und zu schweigen.

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Eine meiner liebsten philosophischen Petitessen: Als Indien noch Bestandteil des United Kingdom war. Ein Sadhu, ein heiliger Mann, sitzt am Straßenrand. Vorbei fährt ein englischer Offizier in seinem nagelneuen Auto. Das heißt sein Chauffeur kutschiert den Mann. Der Offizier lässt ihn halten. Bietet dem Sadhu an, ihn ein Stück weit mitzunehmen. Dieser willigt ein, nimmt Platz im Fond. Man fährt los. Nach wenigen Minuten gestikuliert der Sadhu, bittet zu halten und ihn aussteigen zu lassen. Er setzt sich an den Straßenrand. Im Lotussitz. Der Offizier fragt ihn, was er da tue und warum. Der heilige Mann antwortet: „Das ging mir alles viel zu schnell. Ich warte hier bis meine Seele nachgekommen ist! Gute Reise!“

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In diesem Sinne: wenn meine Seele sich wieder in Reichweite befindet … Bis denne! Darauf noch einen letzten Kumpeltod!

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Von den Bruttoregistertonnen und der Verdrängung / Ein Wurf dazwischen

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Bei Kamara / Leros / 19. August 2016

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Früher spielte ich mit meinem Bruder sehr oft Quartett. Autos. Lastwagen. Rennwagen. Ja, auch Panzer und Raketen waren dabei. Tiere und anderer Kuschelkram eher nicht. Nein, Jungszeug halt. Höher, schneller und so weiter. Weit vor der Postmoderne. Das Prinzip war einfach das MEHR. So konnte man zum Beispiel mit den vier Türen eines Ford 17 M (Mittelklassewagen!) locker einen Jaguar E – Typ (Spitzenklasse!) einkassieren. Oder mit dem Kofferaumvolumen eines Ford Stationwaggon die zwölf Zylinder (Hubraum!) eines Rolls Royce Silver Shadow in die Schranken verweisen. Natürlich gab es Diskussionen – manchmal handgreiflich – bezüglich des Gerechtigkeitsfaktors eines solchen Spieles. Zwischen Brüdern eben. Mein liebstes Quartett damals aber war ein Schiffequartett. Noch heute klingelt der Begriff Bruttoregistertonnen / Klammer auf / Verdrängung / Klammer zu / in meinen sich erinnernden Ohren. Dachte heute, alle Supertanker dieser Welt schlüge in einem noch zu erfindenden Quartett diese Karte: deutsche Urlauber im Jahre 2022. Oder doch die Karte: endlich wieder Festivals? Lassen wir uns überraschen!

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Ach, um aus aktuellem Anlaß, falls man nicht eine der oben erwähnten Karten gezogen hat, auf das Quartett mit den Panzern zurückzukommen. Der legendäre T 34 (siehe unten) durfte natürlich nicht mitmachen im Spielblatt der Firma Ravensburger. Sonst hätte man damals mit dem Einwurf: „Der T 34 hat Auschwitz befreit!“ alle anderen Karten einkassieren können. Ganz vorne dabei aber war der amerikanische Kampfhubschrauber Bell UH 1, welcher der schnellste aller Rotorblättler war, in Francis Ford Coppolas „Apokalypse now“ gar mit Wagner UND den DOORS harmonierte und ab und zu Napalm auf die Reisfelder Nordvietnams niederregnen ließ.

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Jede Zeit und Generation huldigt ihren eigenen Verdrängungen. Oder wie ich in letzter Zeit öfters von jüngeren Menschen höre: „Das feier ich jetzt ab!“ Was immer dies bedeuten mag.

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Zurück zum obigen Bild. Manchmal küßt mich die Naivität des Moralisten. Und ich wünsche mir die Verdrängung eines Kaikis würde zum Maßstab erklärt in Sachen Bruttoregistertonnen. Darauf einen Dalaras. Yamas!

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Sowetsk / Kaliningrad Oblast / Denkmal zu Ehren des legendären T 34 / 31. August 2017

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