Nachricht aus dem Nachlösewagen 25

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Der Schlaf ist nicht mein Freund. Schon lange nicht mehr. Aber wir bleiben uns gewogen. Weiterhin. Ich habe mir ein Eckchen eingerichtet. Ein Eckelein. Ein Eckeleinchen. Im Nachlösewagen. Dort lässt sich nachtträumen. Tagträumen. Gewiß vermisse ich das Rattern der Schienen unter dem dahinjagenden – naja – Schienenbus. Aber die Stille. Das Stillestehen. Der stille Steher steht. Wertvoller Tag für Tag. Die alten Decken wärmen noch. Immer. Die Nächte kalt weiterhin. Die Tage nun brennen auf das alte rote Blech herab. Der Schienenbus steht. Will er sich noch einmal bewegen. Ich träume. Oder sehe. Rauhreif. Vereisung der Außenwelt. Stopzeichen. Schranken. Zölle. Gebrüll. Ich schrecke auf. Das Telefon. Klingelt. Im anderen Wagen. Oder doch. In dem Wagen in dem. Ich.

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Ich schrecke auf. Das Telefon. Klingelt. Im anderen Wagen. Oder doch. In dem Wagen in dem. Ich hebe ab. Die Schaffnerin. Ihre Stimme knarzt. Vielleicht betrunken. Sie habe mit dem Lokführer. Konferiert. Fragezeichen. Er grüße. Aus einer Klinik. Zu oft seien in den letzten zwei Jahren vom Leben gemüdete Gestalten auf den Geleisen. Er stieg in die Eisen. Vergeblich. Er würde gerne weiterhin. Er lasse mich grüßen. Unbekannterweise. Und sie käme vorbei. Morgen. Bald. Oder gleich. Aber dann schon. Klick. Klack. Der Hörer noch in meiner Hand. Ich blicke aus dem Fenster. Immer noch Rauhreif. Frostige Ausblicke. Träume wohl. Oder auch nicht. Ach ja. Ich solle mich selber befragen. Die letzten Worte der Schaffnerin. Aber sie käme. Gewiß.

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„Ok. Darf ich was fragen?“

„Wen?“

„Wir kennen uns doch!“

„Die Einen sagen so und die Anderen sagen auch was!“

„Nun denn! Stellen Sie sich vor ich wäre ein Sportberichterstatter!“

„Also eine Dame. Etwas zu schrill gekleidet!“

„Nun denn. Die Frage wäre, ob Sie Ihre momentanen, also eben vorherrschenden Emotionen in Worte …“

„Ich fass‘ es nicht!“

„Aber ich habe doch etwas gefragt!“

„Das Leben ist kein Wintersportwochenende!“

„Bitte! Ich kann auch mit den Wimpern klimpern!“

„Kurz und knapp: Frei aber einsam!“

„Was fehlt Ihnen also? Ein Lokführer!“

„Das auf keinen Fall!“

„Was denn?“

„Ich kann meine Fahrkarte nicht mehr finden!“

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Soweit der Traum. Tag. Oder. Nacht. Ich stehe doch vor der verschlossenen Türe. Sagte ich das nicht. Unlängst.

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 24

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Ich habe einen Auftrag. Der wurde mir aufgetragen. Auch wenn es vielleicht nur Anregung. Bewegen Sie Ihren faulig vor sich hinmodernden Pöter mal wieder Richtung Hirn. Frische Luft. Denke ich. Dachte ich. Erfülle den Auftrag. Und stand. Nicht drinnen wie einst das Bobbele. Draußen aber. Vor meinem Schienenbus. Den ich ins Herz geschlossen. Verschlossen jedoch mein Freund. Ich nun ante portas. Dies gilt es zu dokumentieren. Nach der Empörung ist meistens vor der Empörung. Empört. Was ist geschehen.

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Was ist geschehen. Das war geschehen. Ich weiß nicht mehr. Aber vermute. Man klopfte an eine der beschlagenen Scheiben. Meines Schienenbusses. Ja. Meiner. Ist ja sonst auch keiner. Hier. Post. Post für sie. Streiken die nicht gerade alle. Mein Kopf ruht auf meinen Knien. Es ist wieder kühler geworden. Dennoch viel zu warm. Ja. Ja. Damals. Durch die Ritzen der Türe schiebt sich ein Zettel. Sie haben dem Ablageort Bahnsteig zugestimmt. Dann ein privater Hinweis. Für das Schreiben eines Liedes könnte das Paket sinnstiftend sein. Können. Würden. Werden. Und jetzt stehe ich draußen. Vor verschlossener Türe. Drinnen aber ich. In meinem Kopf. Fragmente.

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Entwurf eines Textes zum vielleicht nächstem Lied (Auftragsarbeit)

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Der Blues der Beamten

Er klingt selten samten

Der Blues der Beamten

Er klingt meist bemüht

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Der Blues der Verwalter

Besingt nur das Alter

Der Blues der Verwalter

Präcoxt verfrüht

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Der Blues der Lehrer

Wenn ein Blues noch wär‘ er

Der Blues der Lehrer

Im Verborgenen blüht

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Der Blues der Maschinen

Will niemandem dienen

Der Blues der Maschinen

Im eig’nen Saft brüht

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Ich bin ein neugieriger Grübler

Das macht den Blues noch übler

Es wird auf alle Fälle schlimmer

Falls der Blues nicht mehr glüht

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 23

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Ich bin überrascht. Auch. Aber es war zu erwarten. Eigentlich. Es gibt Menschen, die gerne mal vorbeischauen. Vorbeischauen müssen. Dienstlich. Oder auf Grund einer wie auch immer gearteten Prägung. Aber sie müssen. Oft nur einen routinierten Blick vor Deine Füße werfen. Und ab dafür. Jedoch. Kurze wertvolle Momente von Begegnung. Freundliche Bedienungen. Wobei. Freundlichkeit. Senilität feiert Attraktivität. Aufmerksamkeit. Leugnet das eigene Hinwegdiffundieren. Oder. Sonst. Zum Beispiel. Da hat man eine Rentnerkarte erworben. Ich möchte kontrolliert werden. Aufrechter Bürger. Bürge einer längst verschrotteten Moralität. Und ich freue mich. Über Kontrollen. Gelegentlich. Mittlerweile aber.

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Ich bin überrascht. Auch. Aber es war zu erwarten. Da ist sie wieder. Die Schaffnerin. Inzwischen haben die Strähnchen in ihrem fadenscheinigen Haarschopf eine andere Färbung angenommen. Blauer. Ziemlich. Hat sie abgenommen. Vielleicht. Es ist ja mittlerweile Fastenzeit. Sie strahlt. Etwas übertrieben freundlich. Aber immer noch angenehm. Wer beginnt zu sprechen. Mein linkes Bein ist eingeschlafen. Das sollte aber kein Thema werden. Müssen. Ich krame den Geldbeutel aus der Manteltasche. Viel zu warm angezogen für die Temperaturen der letzten Tage. Wo ist die Rentnerkarte. Meine Berechtigung. Falls der Schienenbus. Fährt nochmal.

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„Schön Sie wieder zu sehen. Frau Schaffnerin! Was führt Sie zu mir?“

„Nu!“

„Mein gestriges Telefonat?“

„Nu!“

„Die Pflicht? Ein Reflex? Die Langeweile? Die Ewigliche?“

„Nu!“

„Ich könnte Ihnen meine Rentnerkarte zeigen! Prophylaktisch. Im Falle eines Fahrens.“

„Mein Gudster! Laß er seine Berechtigung stecken. Wollte er nicht eine Weiterfahrt kaufen. Wo er doch eine Karte in seinen Händen hält.“

„Und?“

„Was?“

„Wie geht es dem Lokführer?“

„Er wartet auf den Fahrgastansturm!“

„Aber ich bin doch hier!“

„Ich sprach, mein Gudster, von den Stürmen, nicht von lauwarmen Gebläseleinchen.“

„Und nun?“

„Schreiben Sie mal wieder ein Lied! Bis bald!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 22

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Ich muß aufstehen. Ich sollte aufstehen. Es wäre gut, wenn ich mich bewegte. Und nicht nur deshalb, weil mich in den Träumen der letzten immer noch sehr kalten Nächte ununterbrochen ein Orange angebrüllt hatte. Im Märzen der Denker. Eingespannt. Einspänner. Aus. Asche. Aschenkreuz auf der Stirn. Der Nubbel ist verbrannt. Die Strohmänner namens Winter auch. Trotzdem bleibt es kalt. Ich muß aufstehen. Ich sollte aufstehen. Es wäre gut, wenn ich mich bewegte. Das Telefon klingelt.

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Das Telefon klingelt. Klingelt und klingelt. Penetrant. Ich wohne hier nicht. Ich warte hier nur. Noch nicht einmal auf Godot. Ich habe das ein aus dem Fenster hinausschauen und den Stillstand besingen inzwischen angenommen. Angenommen der Fall. Ich muß aufstehen. Ich sollte aufstehen. Es wäre gut, wenn ich mich bewegte. Das Telefon klingelt. Ohn‘ Unterlaß. Ohn‘ Unterlaß. Darf man fremde Telefone berühren. Notfalls. Wer ruft an. Es hört nicht auf. Es hört und hört nicht auf. Rangehn. Rangehn. Wenn Du scharf bist, mußt Du rangehn. Gehe ran. Ich greife zu. Hebe ab. Meine Finger umkrampfen den Hörer. Welche Nummer meldet sich. Die Fünf. Die Neun. Das wäre Ihr Herzblatt gewesen. Die Gewinnzahlen vom Wochenende. Ich hebe ab. Und gehe in. Wie sagt man doch. Vorleistung.

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„Ich höre!“

„(…..)“

„Hallo! Wer spricht!“

„…..“

„Pronto?“

„….“

„Hello again?“

„…“

„Yes Sir!!!!“

„..“

„Was rauscht mich an?“

„.“

„Ich lege jetzt auf! Das ist eine Drohung!“

„Leer wie stets, mein Freund. Hier spricht Ihr Lokführer. Mir geht es dieser Tage nicht so gut. Ich melde mich morgen wieder. Von der Neun.“

„Wir fahren immer?“

„Oder von der Fünf!“

„Alle reden vom Wetter?“

„Waren ist die wahre Zeit. Schulligung. Mir fehlt noch ein T.“

(ZKRICK RAUSCH NEBEL)

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 21

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Wir lassen den Schienenbus im Bahnhof. Denn dort gehört er hin. Was soll er denn woanders. Das hat doch keinen Sinn. Stellen Sie sich einfach nur vor der Kreml befände sich in der Innenstadt von Köln. Stellen Sie sich vor der Kölner Dom befände sich an der Lahn. Das ergäbe doch gar keinen Sinn. Demnach haben wir entschieden. Wir lassen den Leichttriebwagen vor dem stillgelegten Bahnhof stehenbleiben lassend. Woanders gehört er nicht hin.

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„Do wör für die zwei doch vill ze winnich Platz,
dat wör doch e unvorstellbar Ding.
Do wöss mer üvverhaup nit, wo mer hinjon sullt.“

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Sieben Narren. Sieben Narren waren es gewesen. Sieben Narren. Sie sind eingedrungen in der Mutter Küche. Haben dort die Fasnetkrapfen geklaut. Die Krapfen von der Mama. Hatte sie eben gebacken. Und die ungeschorene Sau ist haarig. Die Katze auch. Hoch den Narren. Und gib mir Haferstreu. Oder Sauerkraut. Das füllt die Hüte der Buben aus. Der Maid den Magen. Und den alten Weibern den Pelzkragen. Narren, oh Narren. Der Lenz rückt ein.

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„Narro, Narro, Giegeboge,
wa de seesch isch alls verloge!
Narro, Narro Lenzio!“

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Sonntags Reime unter Bildern / 03

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Wenn die Städte wieder brennen

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Wir hatten es versäumt

Die Häuser unserer Nachbarn zu pflegen

Wir haben diese nicht beachtet

Nun schlagen sie uns blind wütend

Auf die Schultern

Rechts wie links

Ihre Seelenhäßlichkeiten feiernd

Den Tod besingend

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Wird es wieder Zeit für

Die Hohle Gasse

Der Turm stürzt ein

Und vor den ausgespießten Hüten sich zu verbeugen

Verbietet der letzte Rest eines Gottes

Wer ihn noch finden mag

Im genehmigten Amok der Supermärkte ewiger Langeweile

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Wir hatten versäumt unsere alten Hütten zu pflegen

Zu selbstgewiß

Im Friedensgejaule der Besserwisser

Als die Städte wieder brannten

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