Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 15

…..

Agios Nikolaos / Friedhof / Peratata / Kefalonia / 3. Juni 2023

…..

Besser zu zweit. Verantwortung beginnt beim Gegenüber.

*

„For all these times you said we will go for a walk! But you never came!!! WiR (?)“ Hatte wer an die alten Mauern gesprayt und was wir lasen, als wir den Friedhof verließen. Wer war gemeint? Was war gemeint? Eine Frau? Ein Mann? Die Eltern? Das uneheliche Kind? Die Welt? Die Hoffnung? Der schmerzende Leib? Das geladene Gewehr? Eine wirre Utopie? Der Hund, der sich von der Leine losgerissen hatte? Die erhoffte Revolte? Die verpasste Meisterschaft? Wer ist WiR? Der Friedhof schwieg. Was seine Aufgabe ist.

*

Ist es ein Vorwurf? Ist es eine Klage? Ist es ein Jammern? Oder einfach nur eine Traurigkeit. Sogar eine griechischer Art? Meine liebste Fassung all der Traurigkeiten. Verabredungen einzuhalten ist nicht immer einfach.

…..

…..

Zwo Null Zwo und Drei / Lieb‘ Welt so reim‘ oder ich fress Dich aufs Neue 28

…..

Gießen / Letztes Jahr / Nach dem Abwasch ist vor dem Abwasch / In der Küche

…..

Es ist ein Kreuz mit dem Alter. Schwieriger als das eigene Altern zu ertragen ist es gnädig auf das Altern um einen herum zu blicken. Sprechen wir mal von der Jugend. Dachte ich heute. Dann stirbt wieder ein Mensch. Und alles fummelt in seinem Erinnerungshandtäschle rum. Me too.

*

Tina Turner ist in Gießen aufgetreten. Did you know that? Ich auch nicht.

*

Starke oder schwächere Geschlechter? Wie kommt der schlechter tanzende Bub auf die Idee sein T – Shirt auszuziehen?  Wo ist denn bloß die Tina?

*

Ein japanischer Kurzreim sei noch nachgereicht:

*

am geländer ich

kippt schwer der kopf nach unten

was ich schon vergaß

*

Jetzt aber weg hier. Raus hier. Proud Mary. Nicht nett und netter. Sondern nett und weil man es gerne machte. Kann auch mal schmerzen. Also nett und rauh. Ist das easy? Sonst? Der letzte George Dalaras vor dem Abflug.

…..

…..

Geburtstage? Im Mai? Wir sind dabei!

…..

…..

Meine liebste und (einzige) Schwester hat zwei Tage vor dem Meister Geburtstag. An der Kante der Sternzeichenwende. Eben hatten sich die bockig verbissenen Stiere vom Firmament gemacht und überließen den ambivalent bestimmten und fröhlich verwirrten Zwillingen das Himmelszelt. Es wurde so entspannter. Aber auch etwas uneindeutiger.

*

Ich glaube dieses Sternzeichen wurde für Dylan erfunden. Und für die beste Ehefrau aller Zeiten. Und sogar für den Bruder. Selbstredend wissend von den unzähligen Turbulenzen. Meine erste Ehe war eine in Sachen Stier. Nun, jeder macht und ich das auch gerne mal mit unüberlegter Überzeugung, schwere Fehler. Zahle aber dann ohne lautes Murren alle Rechnungen.

*

Ach und unvergessen die Abende in kölschen Kneipen. Nachts. Alle breit. Letzte Runde. Zahlen. Proteste. Nie habe man 12 Kölsch getrunken. Höchstens 11. Alaaf. Habe ich gerne mal den leeren Geldbeutel gezückt. Machet op minge Deckel. Drissejal. Dat letzte Hemd hätt keine Däsche. Stößchen. Gelle. Und auch für den Kurzen, den Roman. Aber das war schon wieder in Gießen. Wo beginnt und wo endet Humor? Mit oder ohne Galgen?

*

Mein guter alter Mentalmentor wird heute mal wieder älter und alt. Also oben ihn feiern und unten feiert er einen anderen. Schön dies zu sehen.

*

Las die Tage ein wunderbares Buch. Wie man von Okapis träumt und dann wird irgendwo im Dorf gestorben. Und wie die Liebe selbst bis nach Japan reichen kann. Und zurück. Und wie irgendwann jemandem auffällt, daß die Hauptfigur und Mutter und Oma, mit dem herrlichen Namen Selma versehen, aussieht wie Rudi Carrell. Geht das? Ja. Es geht. Und bleibt.

*

Irgendwann in den frühen „Nullern“ hatte ich meine Schwester und ihren Gatten (Einwurf: Hömma! Mach Dich keine Sorgen! Wir werden Maista!) zu einem Dylan – Konzert nach Düsseldorf eingeladen. Die Jugend soll ja was lernen dürfen. Und die Schwester sagte, der Meister sähe aus wie …

*

Meine Mutter ist Krebs. Sternzeichen natürlich. Und da lauern dann schon wieder neue Geschichten. Und Reime. Und bald ist vorbei auch dieser Mai. Als extrem launischer April verkleidet schleicht er laut von dannen. Vom Ruhme kaum bekleckert. Meine Mutter heißt nicht Robert Zimmermann.

…..

…..

*

Nachtrag zwei Stunden später. Da kommt die teure Gattin nach Hause. Etwas zu laut singt das Geburtstagskind von der Katze, der es prinzipiell gut geht, die aber dann doch auch mal schlafen sollte. Eines dieser eher belanglosen Lieder des Meisters. Das sind diese, welche ich liebe. Dann werde ich noch im Vorbeigehen aufs andere Geburtstagskind hingewiesen.

*

Auf den Knien meines Herzens gedenke ich also stante pede des zweiten Mentalmentors und wertvollen Wegweisers zu Zeiten, da ich zwischen und unter den Probebühnen hin und her irrte. Dauernd verwirrt. Aber: Warten ist die wahre Zeit. Hat er gesagt. Als er „Mein Kampf“ schrieb. Der Györgi!

…..

Zwo Null Zwo und Drei / Lieb‘ Welt so reim‘ oder ich fress Dich aufs Neue 27

…..

Eine Küche in Gießen / Zwischen Frühstück und Abendessen / Anfang des Jahres

…..

Nach den Verstellungen

*

Vor Jahren habe ich einen Bumerang

Weggeschmissen und jetzt

Lebe ich in ständiger Angst vor dem Nach

Verstellungen schreibt man können bei Licht betrachtet

Nachgestellt werden

Diese Aufstellungen könnten statt der Reime Beschauung werden

Von Untiefen oder

Irgendwas

Fass!

Wäre dies und jenes heller was tatsächlich gewesen sei vermutlich

Aber wäre nicht die Türe welche

Zu zu gefallen und verhindert die nötigen Worte

Empörung Ächtung labberndes Schweigen Skandalon

*

Den Strukturen bleiben wir fern

Hecheln Oberflächeln und die Wünsche

Packen keine Schwänze mehr

Wenn man keine mehr hat

An Diesen oder Jenen jedoch

Die Erwartungen

*

Stell Dir vor ein Später

Ohne gelernten Text

Dann ruft der Inspizient

Dich ein

Und Du darfst lediglich noch

Die Bühne wischen

Trocken jedoch

Schlechte Träume

Übermüdete Cliffhanger wortlos

*

(Gießen eben am 22. Mai 20 / Zwo / Drei)

*

Traf gestern einen alten Kollegen. Der hat ebenso die Bühne verlassen und kümmert sich nun um wichtige Dinge. Also Menschen, die Hilfe brauchen. Wir hatten so ein bisserl spöttisch bis bitter auf die Vergangenheit geblickt. Die Selbstbestätigungskarusselle statt dem Erzählen von Geschichten. Wie war es denn? Was war das? Und auf all die aktuellen Empörungen und allwissenden Rückblicke. Die müden Bühnen halt. Deshalb der Reim. Oder?

*

Jetzt noch eine kleine Ärzterunde in Sachen mieser kleiner linker Ringfinger und dann die Koffer gepackt. Erwartungsfroh: Prosdokia! Und die Vorfreude: Prosmoni! Bühne frei: Meister George Dalaras nochmals!

…..

…..

Zwo Null Zwo und Drei / Lieb‘ Welt so reim‘ oder ich fress Dich aufs Neue 26

…..

Pellworm / Mai 2017

…..

Anfängermühen

*

Lebenslang

Anfänger lebenslange die wir bleiben

Voll entmutigter Wütungen

Weidet man aus sich selbst als ein

Dieser oder der Jedermann

Und Woyzeck

Tötet das Leiden zu verkürzen

Auf Papier oder über knarzenden Brettern

Greller funzelt es

So

*

Unlängst sah ich eine alte Schreibmaschine

Mit Namen Gabriele

Die Heimat

Ein Museum

Ein Zeigefingersystem und süß matte Erinnerungen

Einer nur bleibt allein

Der Finger in der Nase

Lebenslang

Jetzt fang ich an und

*

(Gießen eben am 19. Mai 20 / Zwo / Drei)

*

Mein Finger heilt schneller als vermutet und zuckt und ruckt. Ungeduld. Ob er aber wirklich heilt? Jedoch es gibt immer einen Anlasser für einen Reim.

*

Der Präsident der Ukraine in Berlin. Jetzt in Hiroshima. Das Schweigen. Gießen. Alkohol. Oder die Liebe. Die Verzweiflung. Der Regen ewiglich. Die Langeweile. Und dann die Vorfreude. Giorgos Dalaras singt davon.

…..

…..

Resonanz, Räume und Aufstiegshilfen

…..

Hinter Pfronten / 12. Juni 2022

…..

Aufstiegshilfen nennt oder nannte man Lifte. Obiger wurde in der Worte wahrem Sinne abgewickelt. Vielleicht wurde sogar das in sich mehrfach verwundene … huch … verwundete hätte ich fast geschrieben … Drahtseil aufgedröselt und anderer Verwendung zugeführt. Jetzt steht da oben, am ehemaligen Ziel, nur noch der letzte Umlauf der unerbittlich das Seil wieder Richtung Tal rotierte. Als Bub auf Holzlatten war man sich damals sicher, die Entscheidung, wann es abwärts geht hält man immer in den eigenen bestockten Händen und stürzte sich mit kräftigen Schüben mehr Tempo fordernd auf die Piste, den Schnee pflügend erst, immer forscher dann. Und jeder Sturz, die Gosch voller Schnee war nicht Ent-, nein Ermutigung.

*

Draussen schneit es. In kleinen Dosen. Nichts öffnet den Resonanzraum Erinnerung schneller als Schneefall. Zumindest bei mir. Jetzt wo die Republik sich vor dem Frieren fürchtet, ein kurioser Gedanke, schien mir doch die Kindheit (Seegförne!) vor allen in den langen, den kalten und schneebedeckten Tagen ein einziger Genuss und der umkippende Schlitten fast schon Verheißung und Orakel. Ein wilder Ritt solle das Leben werden und man trägt wie die bewunderten Piraten Glasauge, Narben und Holzbein mit Stolz. Dies sollte sich, unzählige durchlebte Jahre danach, nur noch leise nachhallende Resonanzräume spürend und spätestens, nachdem man sein Holzbein ein drittes Mal auswechseln musste, weil es nicht mehr durch den TÜV kam, schmerzhaft ändern. Wie hier unlängst gereimt.

*

Der Meister der sentimentfreien Resonanzräume hat, kaum ist das neue Buch draußen, für Januar eine neue Platte aus seiner Bootleg – Series angekündigt. Fragmente. Thema wird sein das grosse Album „Time out of mind“. Aus dem Jahre 1997, als ich mein erstes Glasauge in Empfang nehmen konnte. Ganz unten ein Vorgeschmack.

*

Seltsam, selbst Dylan vertraut nicht der Qualität einer ersten Fassung und rödelt dann rum. Was dabei rauskommt ist auch gut, doch diese knarzige Frische fehlt dann. Oder ist dies nur die Erinnerung, die trügt? Hätte hätte.

*

Manchmal geht man durch eine Tür. Wohlgemut. Hat aber den Schlüssel drinnen liegen lassen. Und da draussen stehen die Dinge nicht so wie erhofft oder naiv erträumt. Du willst vielleicht wieder zurück. Hinter der Tür wird geheizt. Sie fiel jedoch ins Schloß. Der Kamin raucht noch. Doch niemand mehr zu Hause. Wenn der Schlüsseldienst dir nicht helfen kann oder will, was machst du dann? Die Türe eintreten? Doch weiterzieh’n?

…..

…..

Altes Haus und Ufer gegenüber

…..

Bildstein im Bregenzer Wald / 7. Oktober 2022

…..

Das alte Haus

*

Als ich unlängst

Ich spielte unachtsam und begeistert mit

Sich selbst entzündenden Streichhölzern

Das alte Haus beinahe abgefackelt hatte

Selbstvergessen und erschöpft von den Zeitläuften

Und dem was unvermeidlich

Leises Verschwinden du

Jedoch nicht vergessen konnte wo der Löschteich

Und liebevoller blickte wieder

Auf die Staubmäuse den kleinen Schimmelfleck in der Küche

Den Riß in mancher Fensterscheibe

Fiel hinter einer herabgleitenden Tapetenbahn vergessen

Altes Silber hinab und

Achtlos noch auf dem abgetretenen strapazierten Teppich

Golden glänzend lag es

Obwohl ich gelegentlich auf den Balkon trat

Hinüberblickend zum anderen Ufer

Nicht wissend ob jene Hütte dort

In Flammen schon

Noch bewohnt oder von den

Baggern des Vergessens

Plattgemacht

Mein Erinnern ein

Fliehendes Pferd

*

(Gießen / Anfang November 2022)

…..

Wasserburg am Bodensee (Martin Walser – Town) / 6. Oktober 2022

…..

Novemberstolpern eines Blauen Engels

…..

Kiel / November 2021

…..

Und wie man fiel über den eigenen Unrat

Den lange Müdigkeiten gestapelt hatten unter den welkeren Häuten

Herr Professor und Löwe mähnenlos

Und nicht blickte aufs prangende Kneipenschild

Und nicht dachte ob und wie denn

Wird jemals ein Engel so blau wie Du

Holper die Stolper ins Vergessen

Nicht gerutscht: sondern getanzt

Und tat man dann als sei die Fremde visavis

So eine Art vergangener Zukunft

Die Möwen flogen über die Förde

Die Trawler warteten

Vor dem Grauburgunder mit Hafermilch

Abgeschleppt zu werden

Die Schwebefrau die mit dem Tablett den ungleich besetzten

Nachmittagstisch wohlwollend umkreiste

Blickte

Sehnsüchtig und der Sorgen voll

Dann auftritt die Chefin

Hadesfalten unter den Augen eines langen Lebens

Dienend daran die Engel blau zu machen

Kassierte ab beim Zurückgebliebenen

Der es nicht mal ahnte

Jedoch wußte

Einer geht noch

Nicht nach Hause

Und bleibt ein Geist

*

(Kiel am 3. November 2021 / Gießen am 3. November 2022)

…..

Lindau / Oktober 2022

…..