Es gab oder gibt noch in einer Illustrierten eine Kolumne namens „Was macht eigentlich …?“ Eben las ich in der Illustrierten, wo diese Kolumne nicht erscheint, ein Interview mit Martin Schulz. Martin Schulz. 2017. Ich hatte damals in meinen letzten überzeugt sozialdemokratischen Wählerjahren ein Hauch von Hoffnung, daß Angela „Jabba the Hutt“ Merkel, deren alternativfreie Unbeweglichkeit Verantwortung trägt für einige Verwerfungen und Frakturen dieser Tage, Ost oder West, abgelöst werden könnte. Groko go home! Erst Hype. Daraufhin ein beispielloser Absturz, den ich nicht wirklich begriffen habe. Denken Wähler auch weiter als bis zum eigenen Carport in den Vorstädten? Schulz wird befragt zum Rückzug von Kevin Kühnert. Die Hölle Politik? Mein damaliger Nachbar war eine Zeitlang Pressesprecher der von Parteigenossen und einigen Medien und despektierlich als Lügilanti hingerichteten Beinaheministerpräsidentin von Hessen. Keine Experimente hatten geschrien die hinteren Bänke. Wir sprachen gerne und kontrovers befreundet über den Rückblick von Schulz auf diesen fatalen Wahlkampf, den Markus Feldkirchen begleitet und emphatisch beschrieben hatte. Von jenen, die an den Spielfeldrändern am lautesten brüllen. Und wann man alle Hoffnung fahren lässt. Will Sahra lieber als aufgeblasene Linienrichterin enden? Mit dem VAR Oskar im Saarland? Es ist zu befürchten. Besserwissen in den Ecken, statt sich mit Fehlern anzustecken, was ein Handeln stets mit sich bringt.
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Gestern Nacht im Netz. Insomnia. Wie soll man diesen vollkommen absurden Satz überhaupt seiner Tastatur anvertrauen. Achtung, Achtung: hier spricht die Verständnislosigkeit: THOMAS GOTTSCHALK HAT EIN BUCH GESCHRIEBEN. Noch ein dummdreist jammernder Rentner. Selbst wenn er gelegentlich in der Beobachtung masturbativer Wokeness nahe am Punkt. Wer aber dem ausgetretenen Lagerfeuer der abgesoffenen Nation ständig eine Plattform verleiht, wo der Oberfranke, in dessen Sendungen Großkünstler wie Smokie und Scorpions auftraten, davon faseln lässt, daß Jimi Hendrix gleich nach dem Geheimrat Bildungspflicht sei. Charon bitte fahre ihn über den Phlegeton ins Land, wo dumm schmort im eigenen Saft.
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Dante taumelt, gestützt von seinem Urururururvorgänger Vergil hinab in Luzifers Reich. Arbeitet sich gewissenhaft durch die neun verschiedenen Höllengrade. Vorbei an Gewälttätigen, Diktatoren, Mördern und ganz unten dann, wo der eingefrorene Luzifer zwischen den Eisblöcken thront, die Betrüger. Zauberer. Schmeichler. Geschäftsleute. Und die Verräter. Judas. Brutus. Cassius. Wenn es zu heftig wird mit dem Hinschauen, fällt der Schreiber in Ohnmacht. „Und ich sank hin wie der, den Schlaf befällt!“ Ganz unten angekommen gewährt man Dante und Vergil den Ausgang. Den Läuterungsberg ersteigen und gut iss. Deshalb eine Komödie. So Gott will.
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Letzte Lagerfeuer wurden nicht nur in Wounded Knee ausgetreten. Die Frakturen, nicht heilen wollende, könnende Brüche, gerne entzündet, Wohlstandssepsis, neurodermitisches Denken sind Bestandteil unserer Alltage. Der eigene Bauchnabel ist keine Lösung. Und schon gar nicht es sich selbstverliebt in fremden Bauchnäbeln gemütlich machen. Seine eigenen Augenringe mit fremdem Leid aufhübschen. Die eigene Hölle, genug zu tun.
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Mein guter Freund aus Nürnberg gab mir für die Rückfahrt nach Dylan ein großartiges Buch in die Hand. Habe mich ja in den letzten Monaten, Jahren oft genug mit Bekannten hier vor Ort gezankt in Sachen Ost / West und den Arroganzen rechts wie links. Viel Erkenntnis und Empfehlung. Wie stets zu spät. Davon später wohl mehr im Angesicht des Zerberus. Die nächsten Wahlen lauern. Und am Ende Alkmene nur: ACH! Oder mit Fragezeichen?
War in Nürnberg und habe Bob Dylan geschaut. Ich erinnere mich nicht mehr genau, aber wohl zum etwa knapp 20ten Mal dem guten, alten Meister die Ehre erwiesen. Am Ende des Konzerts stand das Auditorium. Ich auch, aber aus anderen Gründen. Und eigentlich schon den ganzen Abend lang.
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Die einen schauen Horrorfilme um sich zu gruseln, mir reicht das Wort MEHRZWECKHALLE. Die Frankenhalle ist so ein Multifunktionsteil. Beton. Lüftungsrohre. Quadratisch, praktisch, mau. Bei der Errichtung war gewiß kein Akustiker zugegen. Wird trotzdem gebucht. Aber warum von Dylan?
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Rough and Rowdy Ways, das Album welches die aktuelle Tour betitelt und den Löwenanteil der gespielten Songs enthält, ist im Grunde ein intimes, nachdenkliches Werk. Textgebirge, die zu besteigen sich lohnt, aber Ruhe, Muße und Gleichmaß fordern. In Nürnberg jedoch legt die Band mit einem absurden Geschrammel los, wahrscheinlich notwendig, um eine Art Soundcheck zu simulieren. Man munkelt, daß der kleine Mann, der dem Publikum den Rücken zukehrt, dabei auch seit hundert Jahren wieder mal Gitarre spielt. Es mündet in eine gewagt verspielte Fassung von All along the watchtower. Hätte ich davon irgendwas hören können, ich hätte mich wohl wieder über den ständigen Veränderungswillen des Alten gefreut. Am Schlagzeug sitzt der ehrwürdige Jim Keltner, was ich erst im Nachhinein las, und haut drauf als begleite er einen sehr, sehr frühen Songs der Beatles. Kaum Bässe, nur sich überschlagende Höhen. Dazu kommt, daß etliche Zuhörer entweder nicht wissen, daß Herr Dylan seine Arbeit pünktlich beginnt oder es mangelt einfach an innerer Haltung, und deshalb jene, der Saal ist inzwischen radikal verfinstert, zusammen mit überfordertem, Taschenlampen schwenkenden Einlaßpersonal ihre Sitzplätze suchen. Und dies gerne laut tuschelnd oder gar empört. Was erlaube Pünktlichkeit?
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Die ersten vier, fünf Songs sind eine blecherne Kakophonie. Ich stehe auf, hole mir draußen einen Silvaner und steige auf einen der Stehplätze über den Seitenrängen. False Prophet kann ich als ersten Song ein bisserl behören, Black Rider ein bisserl genießen. Aber die Decke echot von oben auf mich herab und die ganze Veranstaltung ist einfach sinnfrei zu laut. Und die Klimaanlage pustet nackenversteifend ihr begleitendes Grundrauschen.
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Bob Dylan und seine Band haben sich auf der Bühne eine Art Thing gebaut. Lampen und Verstärker bilden einen Kreis, in dem sich unsichtbare Schatten bewegen und musizieren. Sie scheinen aber Spaß zu haben. Rechts von der Bühne ein fettes Mischpult, welches wahrscheinlich für den gediegenen Sound im Musikantenzirkel sorgt. Dem Rest da draußen im Finsteren bleibt ein ständiges Knarzen und Rumpeln. Und wenn Dylan in die Harp pustet, dröhnt in den Ohren ein Fliegeralarm. (Lieber Joe! Jetzt weiß ich, was Du manchmal gemeint hast, wenn wir probten!) Früher sang Dylan von Dystopien. Letzten Montag schien mir, daß Dylans Auftritte inzwischen zu einer Art eigener Dystopie mutieren. Masked and Anonymous.
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Nach einer langen Weile setze ich mich ins Foyer. Noch ein Sylvaner. Laut genug war es, um draußen vor der Tür alles mitzukriegen. Und ich nahm den kleinen Abschied zu mir. Wenn schon, denn schon. Good bye, Jimmy …? Every day is the same thing out the door, feel further away than ever before? Hä? Das lockte mich wieder ins Haus. Das gute alte Ratespiel. Die Band spielt im Prinzip Highlands und der Sänger singt dazu Good bye, Jimmy Reed. Der Mann am Mischpult hat den Master runtergezogen. Dylan steht auf und trippelt, gebeugt, leicht schwankend nach vorne, stützt sich immer wieder mit der freien Hand auf dem Flügel ab, singt gesenkten Hauptes und schaukelt wie ein angeschossenes Reh wieder zurück zu seinen Tasten. Ein Charlie Chaplin des anderen Blues. Goodbye Bobby Dylan and everything within ya. Can’t you hear me calling from down in Frankonia?
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Hundertzwanzig habe ich für die Veranstaltung gezahlt. Das ist mit den Ticketpreisen anderer alter und rastloser Männer verglichen schon richtig preiswert. Die letzten Minuten waren mindestens 80 Mäuse wert. Wenn nicht mehr. Every Grain of Sand. Er schafft es immer wieder mich zu packen. Trotzdem: ab jetzt nur noch seine ehrwürdigen Scheiben an Orten, wo ich selbst entscheiden kann wie laut, wie hell, wie dunkel. Und leiser.
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Wo wir von den Abschieden schreiben. Unlängst gab es eine Anfrage für DieDylanTanten. Irgendwann nächstes Jahr. Ich habe mich auch da jetzt verabschiedet. Irgendwann iss immer gut. Und dann braucht auch Keiner mehr schreiben, daß wenn Lugerth Dylan singe, Dylan gar nicht mehr nach Gießen zu kommen brauche. Mir war ein solches Echo auf gelegentliche Auftritte meist nur peinlich. Wobei? Vielleicht mal ein Dylansoloabend? Ganz zurückspulen auf seine Anfänge? Tarantula und die Sandkörner?
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Auf der Hinfahrt nach Nürnberg las ich im Zug die TAZ. Die Platte habe ich mir gekauft. After Zimmermann. Hat sich gelohnt. Ein Hoch auf die Jugend. Zum Glück ist sie vorbei. War sehr schön. In Nürnberg. Und auch sonst.
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PS: Während ich hier bei offenen Fenster rumtippe – draußen etwas absurde 21 Grad Celsius – fliegen seit ein / zwei Stunden hunderte Kraniche über mich hinweg. Wo sind sie nun zu Hause? In den nordischen Sommern? Im anvisierten südlichem Winter? Oder wenn überhaupt nur unterwegs?
Heute Nacht war ich mal bewusst wach. Sonst gerne meistens ungefragt. Das ist anstrengend, aber halt das Alter und seine schmerzlichen Rechnungen. Ich schaute TV. Das Duell der Vizekandidaten überm Teich. Und gleichzeitig war Jimmy Carter 100 Jahre alt geworden. Ein Grund ein bisserl in die Tasten zu seufzen und im eigenen Bauchnabel rumzupuhlen.
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Einen sehr großen Teil des Jahres 1979 verbrachte ich in den Staaten. Zwei Monate Schauspielschule. Woyzeck über dem Teich.Schrieb unlängst davon. Vieles von dem, was seit etlichen Jahren hier auch Alltag wurde, erlebte ich dort, staunend und kopfschüttelnd, ein erstes Mal. Horden von Adipösen. Das Schimpansengrinsen hinter den Bedientresen, welches dir mit einem „Can I help you?“ ins Gesicht springt. Der inflationäre Gebrauch des Wörtchens „Ich“. Das schreckliche „You’re welcome!“ Heute: GÄRNÄ! Das Entschwinden der Fähigkeit zuzuhören. Monologe und gefletschte weißgestrahlte Zahnleisten. TV rund um die Uhr. Dauerbeschallung in gigantischen Einkaufstempeln. Die Malls, das Glück in den Regalen und Bällebad. Die Tanke ist 24/7. Man kann also Zuckersäfte und Sixpacks und dreitausendvierhundert verschiedene Chipssorten neben den Joint legen.
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Präsident war damals Jimmy Carter. Ich trampte nach der Schauspielschule zwei Monate kreuz und quer durchs Land. Unfassbar viele Begegnungen. Viel Verächtliches. „He’s just a peanutfarmer.“ Das hat ihm wohl auch der damals etwas präpotente Helmut Schmidt – „Ain’t your chancellor a communist?“ (irgendwo in den Südstaaten) – vermittelt, der natürlich wusste wie die Welt funktioniert. Und die Wirtschaft. Also die Welt. Einst.
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In den Tagen meines Hitchhikens schlief ich unten Brücken, in Wäldern, auf Baustellen oder einfach gar nicht. Wurde eingeladen in Villen, Hütten, Mobile homes und miese Motels inklusive Belästigung. Der Dollar war innerhalb weniger Jahre vom Wechselkurs rund um die 4 DM auf 1,80 runtergeschlittert. Die Amis nagten ihre Knochen Vietnam und Watergate ab. Alkohol, Gas (Benzin) und Weed kosteten wenig bis nichts. Jahre später, der Nachfolger des unsäglichen Nixon war – der gute alte immer stets hysterische Unruhestifter Iran wollte die Geiseln nicht freigeben – vom noch unsäglicherem Cowboypräsident und Zweittarzan benachfolgt worden – las ich von Carters musikalischen Lieben. Es war eine gute Zeit. Die Krise.
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Bob Dylan war mir damals eher fern. Allman Brothers. Johnny Winter. Ich suchte das Blut der Indianer auf den Highways klebend in memoriam Jim Morrison. Jack Keroucs lange Strassen waren aber lediglich nur noch eine postpubertäre Behauptung. Aber in Ferlinghettis Buchladen im Northend hauchte mich ein paar Stunden eine Ahnung an. Von der Ekstase. Es war vielleicht die beste Zeit. Die sich geflissentlich widersprechende Illusion.
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Die Menschheit schreit dieser Tage immer schneller, lauter auf. Das Vernichten des Gegenüber scheint wieder Spaß zu machen. Carter ließ sich von Andy Warhol porträtieren. Viele Farben in einem Gesicht sind möglich.
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Letzte Nacht? Ein Gescheitle gegen einen Teddybären. Zwei Werbetafeln. Etikettenschwindel. Who cares? Sollte ich demnächst wiedergeboren werden müssen, dann bitte als Erdnussfarmer. Oder blöd ginsender Jack.
Versuch angesichts vergangener Weltuntergänge lose Enden miteinander zu verknüpfen
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„Als Dylan die Bühne betrat, streckte Hilbig seinen Arm mit der zur Faust geballten Hand wie ein Boxer nach vorn. Es sah aus, als würde er bereit sein für die letzte Runde.“ (Michael Opitz / Wolfgang Hilbig – eine Biographie)
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Gelegentlich, in letzter Zeit häufiger, stoße ich beim ziellosen Herumlesen auf mannigfaltig herumbaumelnde lose Enden. Eben jetzt bei und über Wolfgang Hilbig, der gefördert wurde, Heizer noch, schreibendes Prekariat, von Franz Fühmann, jenem Großmeister der Mythenerzählung, da beide verband die Liebe zur Romantik, Counterpart zu jenen scheinbar weltwissenden Aufklärern, ETA Hofmann und vor allem der nun von mir zu entdeckende noch, Novalis, eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, tätig im Bergbau, der erschloss die Braunkohlelagerstätten in der Gegend um den heutigen Tagebau Profen, unweit Hilbigs Geburtsort Meuselwitz, der heiratete und wirkte auch in Freiberg, wohin ich mit der Gattin die erste Reise nach dem ersten Lockdown und dem Verlust aller Tätigkeit antrat, ins Erzgebirge, welches durchlöchert, durchgegraben, ausgehöhlt, entleert, befreit vom Silber, den Erzen und ließ hunderte, tausende Männer zurück in den Stollen, Wiedergänger, Gespenster, unterirdisch rumorende Geschichten.
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Wolfgang Hilbig, der aufwuchs, malochte, boxte, zu schreiben begann in jenen Meuselwitz, halb Sachsen, eigentlich aber Thüringen, mitten in den Abbaugebieten, Profen in der Nähe, wo ich im Sommer 2000 spazieren ging mit einer Liebe, in Leipzig probte ich den Teufel in einen Faust-Projekt, und wir in die gigantischen ausgebaggerten Abgründe blickten, nicht ahnend, zumindest ich, dass dies nur der Beginn war eines unendlich tiefen Falls in schwarze Gruben, ein Einbrechen, was mich 5 lange Jahre begleiten sollte und führte in diese gesichtslose Stadt, in der ich lebe immer noch.
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Jener Franz Fühmann, einer der vielseitigsten Schriftsteller und Kinderbuchautoren der DDR, der beschloss 1974 im Mansfelder Land über Bergbau zu recherchieren, er selbst unter Tage fuhr, arbeitete wie jeder andere Bergmann, für ihn der Schacht war ein Ort der Wahrheit, ein Urerlebnis, ein Tummelplatz von Geistern, die etwas zu erzählen hatten, der dann starb, gebeugt in einer kargen Schreibgarage in Märkisch-Buchholz, wohin ich radelte in brütender Hitze 2014 durch den schlingernden märkischen Sand, über sein Spätwerk „Im Berg“, Fragment, unvollendet, der Bericht eines Scheiterns und dessen Traktat über Georg Trakl, der „Sturz des Engels“, oder wie es ursprünglich betitelt war „Vor den Feuerschlünden“, ich 1991 erst in Tübingen, dann in Thüringen las und spielte als ein schwergewichtiges Solo, den Engel ich dann vergaß, bis ich ihm 2019 wiederbegegnete in Hoyerswerda, im Tagebau Welzow, da ich Texte und Bilder sammelte für meine Arbeit „Die Tankstelle der Verdammten“ über den Sänger, Baggerfahrer und Poet Gerhard Gundermann, meine letzte Inszenierung hier vor Ort unter der Fuchtel der gerne kunstfrei Machtbesessenen.
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Und immer wieder singen in all den Jahren von den Weltuntergängen, wie auch Hilbig oft umkreiste das Ende aller Enden, als stünden die endgültig letzten Erschütterungen nicht vor der Türe, sondern haben lange schon lange stattgefunden oder ereignen sich tagtäglich, unbemerkt oder Trommelfelle platzen lassend und ein Finger weist hinüber zu Jura Soyfer der, Jude, hundert Jahre ist es her und war schon damals keine Neuheit, aus Charkiw fliehen musste mit den Eltern nach Wien, landete in dieser Stadt des fröhlichen Sterbens, den Heldenplatz vor Augen und schrieb ein monströs komisches Theaterstück: Weltuntergang oder »Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang«
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Und wie sie weiter eiert durch das Universum, die Welt, welche lediglich der Planet Erde ist, krumm, schief, hechelnd, grausam, ignorant, besetzt und gefoltert von einer Spezies, die versucht ihre eigenen Geister, Gespenster, Götter, Ahnen und Erfahrungen zu ignorieren, totzuschweigen, zu übertünchen und ordinär zu schminken, aber dort wo Mondkrater aus der Landschaft gebaggert werden, wurden, atmet es weiter und die Wiedergängerin Brigitte Reimann ruft in die Nacht des Jahres 1957: „Hoyerswerda ist überwältigend, das Kombinat von einer Großartigkeit, daß ich den ganzen Tag besoffen herumlief.“, so hoffnungsbesoffen, wie ein jeder einmal sein sollte.
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Wolfgang Hilbig, vom nahenden Tode markiert, war überglücklich, als er am 3. Mai 2007 von Freunden im Rollstuhl in die Max-Schmeling-Halle geschoben wurde, der alte Boxer, den eine gute Freundin und Begleiterin seiner letzten Tage, Christiane Rusch, als wandelndes Bob-Dylan-Lexikon bezeichnete und mit ihm zusammen ein allerletztes Gedicht verfasste:
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als sie noch jung waren die winde
war ich verworren
und blind und taub
für ihren gesang
jetzt wenn ich das land durchstreife
und nicht mehr weiß
wo ich bin
und nichts mehr wissen will
in meinem herzen
denk ich an die winde
die alt geworden sind
–
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PS: Eines nur bemängelte der begeisterte Dichter, dass Dylan nicht sein Lieblingslied auf die Setlist geschrieben hatte, welches ich nachreiche den Gespenstern zu Ehren.
Die Schlaflosigkeit ist ein böses Tier und kennt etliche Ursachen. Neue Schmerzen. Alte Schmerzen. Drinnen wie draußen. Geld. Liebe. Wetter. Rheuma. Rücken. Das eigene Schnarchen, an dem man gelegentlich meint ersticken zu müssen. Die unruhige Ermahnung des Menschen neben dir, der sich nach Nachtruhe sehnt. Das Absinken des täglichen Pegels in Richtung neues Verlangen. Karussellfahrten. Reue und Trotz. Genetisch eingepflanzte Wut. Wetterwechsel. Wieder trommelt der Regen gegen das Fenster. Die Angst um die frisch gepflanzten Tomaten. Menschen, die nicht mehr in der Lage sind zu antworten. Oder nicht mehr wollen. Türme der Erwartungen, von denen nicht mehr regnet hinab Rapunzels Haar. Alte Matratzen. Alte längst verschorfte Wunden, welche die erneute Nacht wieder aufkratzt.
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Die letzten Nächte boten einen großartigen Mix aus allen Zutaten. Die Cocktailbar des Grauens. So könnte man übertreiben wollen. Des Nachts.
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Heute in der Nacht fiel mir eine Erinnerung vor die schlaflosen Füße. Zufällig. Großes ungarisches Ehrenwort. Warum auch immer. Einer meiner, wenn nicht der Lieblingsfilm, lag neben mir im Bett und ich stand auf und googelte. Lange. Auf einem ungarischen Portal fand ich ihn und schaute an.
„So, the car is kaputt and your girlfriend is gone and dein haus is sold!“
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Und Bruno S. antwortet darauf: „Hier sind meine letzten drei Dollar!“ Und fährt weiter im Kreis herum. Nennt man wohl Leben.
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Wenn dann alles weg ist, kann man einschlafen. Dann jedoch dräut die nächste Nacht. Oder schlimmer noch ein neuer Morgen. Ein bisserl mehr kann man stets noch verlieren im Nachgang. Singt der Meister. Weiter!