„Der Mensch ist für das 21. Jahrhundert nicht geschaffen!“ (Rene Pollesch)

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Konstanzer Hinterhof / März 2022

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Die Schauspielerin

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Vielleicht hatte es geregnet.

Vielleicht lediglich der zähe Nebel draußen, den der See im Winter ausatmet, wenn er seine Ruhe braucht.

Die Tür mit aufgeregtem Knall in den Morgen geschmettert blieb offen.

Stand in ihren Angeln ratlos rum. Da sie den Bus verpasst hatte.

Auf der Suche nach dem Theaterschlüssel in den Seitengängen ihrer Taschen fröstelte es ihr.

Umkehren sei keine Option. Wer immer es ihr gesagt hatte.

Ameisen krabbelten ihr Schienbein hinauf.

Bevor das neue Stück gelernt ist das alte Stück nicht vergessen.

Ich darf mich nicht jucken.

Jedenfalls nicht vor der Premiere.

Ihr Smartphone summte. Heute keine Probe.

Da sie sich abwandte fährt der verspätete Bus um die Ecke.

Bald ein neues Stück das kein Stück werden wird.

Die Haustür noch offen. Der Schlüssel nicht auffindbar.

Ein Müllmann rempelt sie an.

Warum hat Sie ihre Gelbe Tonne nicht rechtzeitig rausgestellt?

Die Bühne wird gewischt. Jeden Morgen.

Vor den Proben. Keine fremden Worte mehr lernen.

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(gießen / heute)

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Mit rechts immer wieder ins linke Eck‘

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Danach im Mittelkreis

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Mit rechts ins linke eck‘ versenkt

Standen wir oft im mittelkreis herum danach

Versunken an fernen gräbern im ICH

Ein mängelexemplar in der linken hand umsonst

Zerfleddert

Aus den öffentlichen buchschränken gezogen

Suchten wir

Den eigenen tod glorioser einatmend denn

Das leben des taugenichts

Gutbezahlt aber

Probleme wälzend

Irgendwann auch mal ein weltmeister

Gewesen zu sein

In der kohorte derer

Die wir nie kennengelernt hatten

Beruhigend angesichts der etlichen

Todesanzeigen dieser tage

Hier statt übermorgen

Zerknüllen wir die Zeitungen

Morgen papiermüll

Tonne rausstellen

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(im moment in gießen)

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Keine Empfänge mehr auf Banketten

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Hauptfriedhof Konstanz / Sommer 2020

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Keine Empfänge mehr auf Banketten oder neben Rettungsgassen stehend

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In jener nacht als man begann

Die leidplanken entlang meiner lebenslandstraße

Abzumontieren

Stand ich auf dem bankett

Eine margerite in der linken hand und

Zählte da die tage leiser wurden

Von unten nach oben

Einer lebt noch

Einer lebt nicht mehr

Einer lebt noch

Einer vielleicht

Morgen dann

Also brach ich auf eine tulpe zu pflücken

Am vorletzten Grab

Weniger blätter

Und leerer der rucksack

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(Gießen / aktueller Anlaß / 20. 02.2024)

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Von der Buchhaltung in der Sache Einst

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Bevor ein längerer Schlaf auf mich zurollte, wachte ich auf. Auf der Brust täglicher Druck. Ein Reim auf dem Fensterbrett. Habe ich ausgeschnitten.

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Buchhalten

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Von der Buchhaltung sprechen danach und nachdem

Wir hatten niemals falsch abgerechnet

Wir hatten die Pflicht abzurechnen mit der anderen Seite

Unsere selbstauferlegte Pflicht im Gefecht mit den Ahnen

Ahnten wir nicht dass jedes Denkbüro auch voller Buchhalter und

Vorzimmern und vor den Zimmern ist nach den Zimmern

Wenn wir erschöpft

Ein Jedes habe seine Zeit murmelnd wir

Auf der Gasse uns nach vorne beugend wir

Die zitternden Knie umfassend

Wir als Nachfolger alter Abgerechneter

Moralsauer selbstversunken

Das gute Tun und nun

Mit Pauken und Trompeten die Anderen jäten

Unsere Rosen als seien sie Unkräuter

Und verteilten wir vielleicht doch nur fremde Güter

Niemand ist ein Hüter

Seiner Buchhaltung denn davor

Steht mit grauer Miene

Kommen Sie rein

Der Herr Revisor klopfte an

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(Giessen / Februar 2024)

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Talking `bout one generation unter Tausenden.

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Ich bin Ende oder Anfang / Franz Kafka

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Meersburg / Jan. 2024 / Links: Fischerboot / Rechts: Zweifler auf der Promenade / Foto: A. Haas

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Wenn das Netz leer bleibt

Ist es pure Eitelkeit auf dem Markt

Seine Aufwartung zu wiederholen

Selbst wenn dem einsamen Angler

Die Aufgabe schmeicheln mag

Den antwortlosen See voller zu fischen

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(Gießen kurz vor Februar 2024)

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Bis nach Ostern übernehmen meine zwei Freunde. Sollte Ihnen ein Gedankenfischle ins Netz flosseln. Hier schweigendes Aufräumen. Lesen.„Wirkungswille ohne Letztbegründung“. Dank an Heinz Bude für dieses Zitat.

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Bald eine bessere Welt. Zum Mitnehmen. / Oder: Vivil sind wir eigentlich?

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An einem der letzten Tage unserer auferstandenen Republik war ich dabei / Januar 2024

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In selbigen untergegangenen Jahren

Als ein Mann kehrte er heim

Nach Zigarre Kurzem Bier und miesem Witz

Schlechten Gewissens und reflexhaft ein Vivil

Einwarf wieviel kostet mein Leben noch

Vivil gilt es zu verbergen

Und wer soll das bezahlen

Die Gattin kriegt dafür Haushaltsgeld

Schnell noch ein Zeichen setzen

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Dieser Tage auf den Plätzen versetzen WIR

Zeichen setzen welche Zeichen und wer ist WIR

Ganz GI hasst die AfD

Schön wär’s gerne und morgen dann

FCK AfD oder FCK PTN

Wie jetzt, FC Kölle oder die alten scheintoten Lauterer

Dachte ich

Die Frosteinlagen im Schuh

Als ich hörte solidarisch latschend zu

Jedoch junge Römer ihr

Auch heute in der Nähe der zu penetrierenden After der Despoten

Kriechen ukrainische Soldaten durch gefrorenen Schlamm

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Die Lokführer – Minderheit beendet den Streik zwei Minuten vor der Zeit

Ein Volk jubelt welches sich mit veröffentlichter Öffentlichkeit verwechselt

Wir reden wieder miteinander

Der Pendler pendelt zwischen zwei nicht vorhandenen Überzeugungen

Drohnen zählen von oben unsere Selbstvergewisserung auf den Plätzen

In Hauptsätzen

Neben der Auflistung deutscher Niederlagen

Glimmen auf in Relativsätzen die verdienten Siege der Nachbarn

IKEA

Hot Dogs

Croque Monsieur

Die auch mal was erfanden

Wir aber

Mercedes, Krauss- Maffei, Nürnberger Trichter und Werthers Kaubonbons

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Es naht der Karneval die Fassenacht oder fast im Net

Der nächste Kommentar

Gerne zynisch

Oder

It’s gonna take a lotta love to change the way things are

Oder

Hyperpolitik während wir Verteilungspolkas in die Tasten stampfen

Oder

Ab morgen nehme ich mir vor auch mal zu kurz

Zu kommen und zu Tieren

Gut zu bleiben

Fütter die Spatzen

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Neben der Bäckerei des Vertrauens fast täglich

Zwei Russinnen Ukrainerinnen schöne bebrillte Frauen

Zeuginnen der letzten Tage Jahwe der Weltuntergang nah

Der Ständer Erwachet Erwachet neben ihrem

Von Passanten unbehelligt friedlichem Geplapper

Und da darüber steht zu lesen:

Bald eine bessere Welt. Zum Mitnehmen.

Oder

Bald eine Bessere. Welt zum Mitnehmen!

Oder

Bald Eine! Bessere Welt zum Mitnehmen!

Noch mehr Zeichen?

Kann man. Setzen!

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Für Sahra bleibt ein Abschiedslied von Meister Bob

Oder der

Sagt ein Fisch zum anderen: „Du nervst!“

Sagt der: „Ich bin ein Stör!“

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Manchmal denke ich zurück an Nächte voller mieser Witze

Aber großer Lebensfreude

Besser verwirrt bleiben

Zeichne mir ein

Ein Tier kein Schaf

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Am End‘ ist der Schwarze Hund der Geist vom Berge / Die Nackenstarre

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Kefalonia / Juni 2023

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Am besten ist es eh, du stehst auf der Gästeliste. Man war dabei, kann davon ein Leedche singe, selbst wenn man abgesagt hatte oder, was wahrscheinlicher ist, einfach nicht erschienen war. Das Leben, die Welt, der Zufall, eine Krankheit sprechen gerne mal Einladungen aus. Daraus erwachsen dir aber keine Verpflichtungen. Mal geht was. Mal ist es besser rechtzeitig abzubiegen. Oder?

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Der Schwarze Hund ist ein Hund. Du standest auf der Gästeliste, lange bevor dich die, eben die deine, Einladung rechtzeitig erreicht hatte. Der Umschlag in Deinen Händen knirschte etwas. Man kannte sich und dich ja schon etwas länger. Kann man sich öfters schwer eingestehen. Anderen trotzdem eventuell mal. Sich selbst dann wiederum eher nicht.

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Ich schrieb hier vor einiger Zeit, dass Halter von Schwarzen Hunden, begegnen sie sich, lieber die Strassenseite wechseln. Siehe unten bei 13:50.

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Eben las ich nochmals vom unlängst verstorbenen Luigi ‚Gigi‘ Riva. Als er aufhören musste mit der Kickerei, schenkten die Götter ihm wohl einen besonders dicken Schwarzen Hund. Wusste ich noch nicht. Wundert mich aber nicht. Man begegnet dem Hundesohn meist un(d)erwartet. Tut aber dann professionell überrascht.

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Und wenn man zu lange auf den Boden guckte, rechts oder links, bei Fuß, Sitz, Platz? Jedoch der Dunkle Dackel er machte was er will? Den Blick anschließend nach oben richten? Himmel inklusive Nackenstarre? Dauert länger bis man da was sieht.

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Im Kölner Zoo existiert mein Lieblingsgehege. Recht groß, eigentlich zu groß für zwei Viecher, welche man eh nie zu Gesicht bekommen kann. Beeindruckend die dort aufgebaute Gebirgslandschaft. So ein bisserl Märklin-Eisenbahn-Hintergrund für eingesperrte Wildviecher, die bei uns nicht abgeknallt werden können. Weil sie hier nicht vorkommen. Außer im Zoo. Wir haben ja genug im Kühlschrank. Was so vor sich hin und her schimmelt.

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Man nennt sie die „die Geister der Berge“. Die Schneeleoparden. Es gibt sie tatsächlich. Sagt man. Gewiß? Ich sah mal in Köln eine ihrer Schwanzspitzen wippen. Ziemlich weit da oben in diesem Gehege Kunst statt Natur. Hatte mir damals schon gereicht. Weniger zu wissen. Nichts zu sehen. Ahnen.

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Von der Sinnhaftigkeit versunkener Currywürste im Leben eines Rentners

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Meersburg am Bodensee / Januar 2024

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Mit „Hömma hier getz!“ im Sinne Helge Schneiders mag man diese Blogschwurbelei beginnen. Wobei et umme Ernsthaftigkeiten gehen tut. Der Alltag eines Rentners ist erst ja mal vor allem viel Leere, aber da noch wat Schwung in Stand- und Schussbein rumliegt: man nimmt sich zusammen und jeder Atemzug ist ja von Bedeutung, auch wenn selbige im rasanten Tempo verlustig geht. Haben wir ja begriffen. Oder auch nicht.

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Man tut Dinge. Radio hören. Fragen Sie mich nicht welchen Sender. Man verliert seinen Ruf schneller als man über den Seltersweg strolcht im Rahmen der Sinnhaftigkeit. Beweg‘ Dich bitte auch ab und zu mal, sprach die Gattin, die noch im Erwerbsleben. Bis zum nächsten Wein ist es, Dionysos sei es gepfiffen, nicht so weit. Dazu später, zurück zum Radio.

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Die Neuigkeit, die aufhorchen ließ heute in der Früh‘: in Hannover ließen sich Schutzleute – Darf man das noch sagen? – mittels Currywurst nicht gerade bestechen, aber dazu bewegen, mal weg zu sehen. Hannover? Hillu, die unserem Bundes-Gerd diese Köstlichkeit einst verboten hatte? Scheidung folgte auf den Fuß. Vollstes Verständnis. Meine Ausbildung zum Mimen in Kölle ohne Currywurst angesichts der Finanzlage schlichtweg unmöglich. Einzige Alternative die Rievkooche-Bud vor dem Kölner Bahnhof. Die schwammen in wahren Pools von Fett. Die Rievkooche. Wohlstand?

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Jeder, aber zumindest jeder dritten bis vierten Ausbildung, folgte im reichen Germanien der 70 / 80er eine damit verbundene Tätigkeit. Ich war irgendwann in Tübingen engagiert. Näher am Geburtssee als an den Genusstempeln in Sachen Currywurst. War schön, jedoch: wir spielten viele Abstecher (Nichtkundige bitte googeln: Abstecher Theater!) und vor der Vorstellung durchstreiften wir, einige in NRW sozialisiert, die Ortschaften des Südwestens auf der Suche nach? Eben. Wir verfassten darauf das viertdünnste Buch der alten BRD. Nach den bundesdeutschen Beiträgen zum Humor, altlinks gelungenen Revolten, den Meisterschaften des S04, punkteten wir mit „Die besten Currywürste südlich des Mains!“ Hömma, die hauen Dir die komplette Wurst auffem Teller und dann muß Du die auch noch selber schneiden tun. Glaub ich dat? Seit Ewigkeiten arbeite ich an dem Werk: „Darf man Brezeln nördlich von Heilbronn verkaufen, geschweige denn backen?“

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Dann saß ich im Café. Der Spaziergang war kürzer als angeordnet worden war, aber – Entschuldigung! – es stürmte heute wie wild. Eben! Wenn da ein Ast auf meinen noch mitdenkenden Schädel? Genau! Las die zwei hiesigen Lokalgazetten, die sich inzwischen etwa 70% der Beiträge teilen tun müssen! Zwischenruf: Denkt an die Bäume und lasst es sein! Aber zwei Perlen, die des Rentners Leere füllten, durfte ich dann doch beäugen tun. Die Prognosen. Sarahs BSW in Umfragen bei 3%. Unter Anmerkungen stand noch: Fehlertoleranz bei 2,5%. Gen unten wie oben. Oskar: gehe schon mal auf den Markt. Rentner kochen ja gerne. Falls noch eine Frau in Herdweite.

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Und: ich bin ein entschiedener Befürworter des Limburger Modells in Sachen Taubenhege. Denn in den Innereien der toten Tauben lasen die alten Römer von der Zukunft, keiner Gegenwart und kaum von einer Vergangenheit. Eh egal. Und gebraten haben sie die Viecher auch, bevor die Viecher dem Germanen späterer Tage ins Maul geflogen waren. Meinen Kaffeesatz benötige ich zum Düngen meines Gemüses.

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Und, ich find‘ ja heut‘ kein End‘, eben den TV-Apparat angemacht. Vielleicht ist ja Wintersport. Die wahre Sinnhaftigkeit des Rentnerdaseins. Und was machen die da „Volle Kanne“? Vier Jahre Covid. Gedenksendung. Die Covidelei, der deutsche que(e)rdenkende Verkehrversuch. Was uns denn alle verbindet, wenn gestorben werden muss? Oder was die Geplagten dann alle trennte im gewiss lauteren Schmerz? Lamentatio pensionario? Der Sinn haftet an den Rändern der eigenen Vergewisserung. Vielleicht!

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Auf zur letzten oder ersten Currywurst. Erinnerung 1982: Eben war es Kohl, der neue Helmut, der traurigerweise der neue Schmidt geworden war, wir spielten in Köln Theater, mit des Sängers leider später verstorbenen wunderbaren Frau saßen wir in der Küche der Regisseurin und erzählten uns in Dauerschleife schlechte Witze. Und lachten. Die besten Witze erzählte – Hömma hier getz! – der junge Bochumer, der fünf Monate älter denn ich und eine ganze Nacht uns durchlachen ließ. Und dann hatte man Appetit auf: andere Würste auch.

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