„What is so funny about peace, love and understanding?“ (Elvis Costello)

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Prag / John-Lennon-Memory-Wall / Ausschnitt / 29. Oktober 2012

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New York. Madison Square Garden. Ins musikalische Langzeitgedächtnis eingebrannte Erinnerungen. Get Yer Ya-Ya’s Out! The Concert for Bangla Desh! Dylans 30th Anniversary Concert Celebration! Um nur drei zu nennen, die gerne noch gehört. Nicht zu vergessen das Hotel um die Ecke in der 34th Street, in dem ich im Frühjahr 1979 mit meinem Freund H. abstieg und direkt nach der Ankunft uns der „Liftboy“, ein staatlicher älterer Schwarzer – „Listen Boys, that ain’t no elevator! We call it a lift! You’ve crossed the ocean! You’re not in London anymore!“ – als erstes das Zimmer zeigte, in dem Leonard Cohen einst gewohnt hatte. So saßen wir – historisch beglückt und bubenhaft romantisch – abends auf der Feuertreppe und ließen uns von der mittels tausender Filme – schwarz-weiß am liebsten – inhalierten Geräuschkulisse dieser Stadt erregen und einlullen. Sixpack. Rauchend dies und jenes. Einmal sogar durften wir von unserer erhabenen Warte erleben wie zu unseren Füßen im Nebenhaus eine kleine Bankfiliale überfallen wurde. Das erste Mal in meinem Leben hörte ich Schüsse. Echte jetzt.

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Madison Square Garden gestern nun. Der Zombie, den man ab sofort „gesichert faschistisch“ nennen darf oder auch nicht, tritt auf. Inklusive seiner Hofnarren. Hulk. Musk. Melania. Dann läuft vom Band „Paradise City“. Haben die Gunners im Madison Square Garden gespielt? Schrecklich.

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Der Leibsänger der Demokraten schon besser. Durfte gestern lesen, daß das Holzfällerhemd jetzt das neue Outfit derjenigen, da wo der Daumen links ist, geworden ist. Umdeutungen können manchmal ziemlich schmerzen.

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Sonst? Der Fujiyama ist das erste Mal seit Menschengedenken seiner Schneehaube entledigt. Was würde der alte Meister Katsushika Hokusai dazu sagen? Möglicherweise dem Rest der Welt „Die große Welle vor Kanagawa“ senden? Solange aber noch ein altes Hoffnungsliedchen – heute nicht Meister Cave – sondern der andere Elvis. Der Costello. Erst die Worte.

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(What’s So Funny ′bout ) Peace, Love and Understanding

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As I walk through this wicked world / Searchin′ for light in the darkness of insanity / I ask myself, is all hope lost? / Is there only pain and hatred, and misery? / And each time I feel like this inside / There’s one thing I wanna know / What′s so funny ‚bout peace, love and understanding? / Oh / What’s so funny ′bout peace love and understanding? / And as I walked on / Through troubled times / My spirit gets so downhearted sometimes / So where are the strong / And who are the trusted? / And where is the harmony? / Sweet harmony / ′Cause each time I feel it slippin‘ away, just makes me wanna cry / What′s so funny ‚bout peace, love and understanding? / Oh / What′s so funny ‚bout peace, love and understanding? / So where are the strong? / And who are the trusted? / And where is the harmony? / Sweet harmony / ′Cause each time I feel it slippin‘ away, just makes me wanna cry / What’s so funny ′bout peace, love and understanding? / Oh?

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„Father, why are all the women weeping? They are weeping for their men! Then why are all the men there weeping? They are weeping back at them!“ (Nick Cave / Weeping Song)

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Konstanzer Bucht / November oder Dezember 2019

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Am Ende der Kontrollen oder ein Heimatgedicht (keine Gebrauchslyrik)

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Bei dem Versuch fallende Blätter zu fangen

Brach ich mir den Zeigefinger

Der Wind hatte kein Einsehen mit meiner blinden Not

Trieb das Laub vor mir her grinsend meine Wut entfachend

Und ich schlug gegen die schorfige Rinde des alten Baumes

Mit aller Wucht die ich zu erinnern suchte zittriger

Wer hatte mir erzählt man könne die Fallenden mit Tränenflüssigkeit

Wieder binden an die morschen Äste

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(Gießen / Draußen trudeln die bunten Blätter freudig erregt / Unkontrollierbar / Grinsen mich an / Froh drüber, keine Kolumne schreiben zu müssen in der Laubbläser oder der Lebkuchenpraecox vorkommen / Herbst nix für Weicheier)

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„You′re going to reap just what you sow you′re going to reap just what you sow you’re going to reap just what you sow you′re going to reap just what you sow you’re going to sow!“ (Lou Reed)

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Küchentisch in Gießen / Vorvorletzte Ernte / 27. Oktober 2024

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Die Heiligen Drei Kürbisse

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Die heiligen 3 Kürbisse aus fernem Morgenland

Die irren stets gelegentlich was ihnen nicht bekannt

Der Eine sagt er könne, kein Mensch kann dies verstehen

Wenn nötig auch übers Wasser gehen

Der andre ist nicht einer, sondern auch mal zwei

Schiit Sunnit

Iss einerlei

Man haut sich gerne auf die Nuss und dadurch ham wir drei

Die glauben wo die Götter hausen

Damit wir ohne Frackensausen

Das Jammertal durchqueren

Und müssen nicht mehr kehren

Vor eig’ner Tür

Und ab dafür

Man schlurft um schwarzen Quader

Bildet aus die Kader

Die and’re Menschlein sprengen ins Reich der Weiber willig ewiglich

Und ach

Schnell flach

Man sticht und haut

Auch ohne Braut

Dem anderen die Augen aus

Und wundert sich wenn blind

Ach armes Jesuskind

Wo bleibt er denn der Kürbis heilig

Meine Ikonen sind geküsst

Und auch der violette Ring

Der prall gefüllt mit Giften

Hinein in Deinen Becher

Lebenszecher

Oh Krieg oh heilig Du

Sie spielen Blinde Kuh

Und wünschen uns das Licht

Und finden halt den Schalter nicht

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„Unglücklich zu sein, ist ein Luxus für arrogante Idioten, die sonst nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen.“ (Nick Cave)

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Wird hier das Monster aus der Höhle kommen? Oder Messias? Der Stein zur Seite geschoben ward!

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Glücksvögel

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Wir müssen da wir keine Drohnen

Den Wind spüren unter unseren gespreizten Schwingen

Wir sind auf der Flucht

Die Kälte

Angewiesen auf freundliche Lüfte

Rückenwind würde uns in die Auen drücken

Wo wir rasten werden falls notwendig

Dort wo wir tanzten begeistert um uns herum

Die dürren Beine hoch

Oh Lenz mein Lenz

Unsere Schnäbel die Götter beklappernd

Im Gleichschritt

Gelegentlich aus unseren festen Formationen

Stürzen wir ins Chaos orientierungslos

Verirrten uns in den Himmeln

Rast lediglich ersehnend

Unsere Schreie aber Erdenbewohner

Hörst Du immer die und

Alles dauert diese Zeit

Die du nicht mehr hast

Der Frühling stets fern und näher doch

Die Ewigkeiten ohne Garantie

Bis nächstes Jahr

Zurück

Ein letzter Tanz der nächste ist

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(gießen / gestern ein weiterer beeindruckender kranichflug über mittelhessen / jedoch ein bisserl unglücklich ich aus grund / also gescheite zitate sammelnd)

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„Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

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Schloß Büdingen / Eingangshalle / Blick nach oben links / Nach Hause gehend rechts / 11. 10. 2024

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Trophäen und andere Irrtümer

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Von oben nur der Kräfte

Halt

Und halten uns im Zaum nicht mehr

Die Kräfte die von oben

Man vergaß zu loben

Als das öffentliche Leben dem Verfall angedient

Die Städte gingen in die Knie

Vor dem großen Ich

Und ich las

Meinen Steuerbescheid trübe beweinend

Von einem Buch aus fernen Tagen

Verbot mir zu toben

Schaffte es nicht mehr zu loben

Das Handwerk welches nie erlernt

Und es hingen die Trophäen

An karg gekalkten Wänden

Keine Lust zu enden

Da ein andrer Stuhl ward nicht gezimmert

Von mir

So gibt mir Zeit

Ein wenig noch

Irrtümlich und verrückt bestückt

Niederlegend die Schreckschußpistole

Großmäuligkeit

Ohne Gewähr

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(25.10. 2024 / fenster offen / sommer? / kraniche hauen ab trotzdem / gut so)

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„lechts und rinks kann man nicht verwechsern werch ein illtum“ (e. jandl)

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Gießen / Hardthöhe / Parzelle / fast abgeerntet / 22. Oktober 2024

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vor einem abgeernteten feld hockend

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du baust keine stühle aus worten

brichst nicht auf böden mit bleistiften

oder wütenden tastaturen

unangenehm riecht die jauche des nachdenkens

welche wohltat gärende brennesseln auf feuchtem herbstboden

die letzten schmeißfliegen schwirren erfreut heran

hier stinkt es erbaulich

auf den gehsteigen der städte zertrümmerte stühle

zum mitnehmen keck bezettelt

feiern die faulheit und die flucht

vor dem denken davor bis

leere kühlschränke tanzen auf den verstopften kreuzungen

und kratzen sich die bauchnäbel wund

die nächte sind zu laut

um einsam zu bleiben

mach dich winterfest

es wird etwas länger dauern

bis du dich wieder hinsetzen darfst

so müde

von deiner ewigen müdigkeit

alter genosse

in den tagen nicht endenwollender

sonnenfinsternisse

und dann ernten kannst was du

einst ausgebracht

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(gestern gedacht / heute getippt)

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PS: Nachträglicher Nachdank meinem wunderbaren Deutschlehrer, der uns mit Ernst Jandl bekanntmachte in den Siebzigern, zu trotzen der denkenden und schreibenden Voreiligkeit. Eine Lehre, welche selbstredend in mancher Sache den ejaculatio praecox meinerseits nicht immer verhindern konnte. Das Gemüse scheint länger nachzudenken, um dann gut zu schmecken.

„My baby, a, just wrote me a letter! My baby just wrote me a letter!“ (Box Tops)

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Schloß Büdingen / Parkplatz / Briefkasten / Links eine Schießscharte / 11. Oktober 2024

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Ode über einen nie abgesandten Brief an den Briefkasten meiner Wahl

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Da die Blätter nicht nur fielen

Sondern trudelten heiter weiter hinab und tiefer

Vergab ich mir meine krämerische Wut

Und faltete alte laute Briefe zu Konfetti

Alles hohl da unten geht es zu Grund

Marie mit spitzer Feder kratzend über alten Papyrus

Ringelreihend her und hin

Kalligraphie und stolze Langeweile

Nirgendwo lauter der Tod denn

Vor der Sehnsucht

Franz tanzt sich müde

Und begreift zu spät

Marie

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(gießen heute / gefühlte 30 Grad Celsius / entschlussfrei / kafka übernimmt / und dann – wie immer – herr dylan)

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„Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren!“ (Dante Alighieri)

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Gießen / Küche / Leere Gläser / Frisch gespült / Links kommt raus – noch – Musik / Oktober ’24

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Es gab oder gibt noch in einer Illustrierten eine Kolumne namens „Was macht eigentlich …?“ Eben las ich in der Illustrierten, wo diese Kolumne nicht erscheint, ein Interview mit Martin Schulz. Martin Schulz. 2017. Ich hatte damals in meinen letzten überzeugt sozialdemokratischen Wählerjahren ein Hauch von Hoffnung, daß Angela „Jabba the Hutt“ Merkel, deren alternativfreie Unbeweglichkeit Verantwortung trägt für einige Verwerfungen und Frakturen dieser Tage, Ost oder West, abgelöst werden könnte. Groko go home! Erst Hype. Daraufhin ein beispielloser Absturz, den ich nicht wirklich begriffen habe. Denken Wähler auch weiter als bis zum eigenen Carport in den Vorstädten? Schulz wird befragt zum Rückzug von Kevin Kühnert. Die Hölle Politik? Mein damaliger Nachbar war eine Zeitlang Pressesprecher der von Parteigenossen und einigen Medien und despektierlich als Lügilanti hingerichteten Beinaheministerpräsidentin von Hessen. Keine Experimente hatten geschrien die hinteren Bänke. Wir sprachen gerne und kontrovers befreundet über den Rückblick von Schulz auf diesen fatalen Wahlkampf, den Markus Feldkirchen begleitet und emphatisch beschrieben hatte. Von jenen, die an den Spielfeldrändern am lautesten brüllen. Und wann man alle Hoffnung fahren lässt. Will Sahra lieber als aufgeblasene Linienrichterin enden? Mit dem VAR Oskar im Saarland? Es ist zu befürchten. Besserwissen in den Ecken, statt sich mit Fehlern anzustecken, was ein Handeln stets mit sich bringt.

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Gestern Nacht im Netz. Insomnia. Wie soll man diesen vollkommen absurden Satz überhaupt seiner Tastatur anvertrauen. Achtung, Achtung: hier spricht die Verständnislosigkeit: THOMAS GOTTSCHALK HAT EIN BUCH GESCHRIEBEN. Noch ein dummdreist jammernder Rentner. Selbst wenn er gelegentlich in der Beobachtung masturbativer Wokeness nahe am Punkt. Wer aber dem ausgetretenen Lagerfeuer der abgesoffenen Nation ständig eine Plattform verleiht, wo der Oberfranke, in dessen Sendungen Großkünstler wie Smokie und Scorpions auftraten, davon faseln lässt, daß Jimi Hendrix gleich nach dem Geheimrat Bildungspflicht sei. Charon bitte fahre ihn über den Phlegeton ins Land, wo dumm schmort im eigenen Saft.

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Dante taumelt, gestützt von seinem Urururururvorgänger Vergil hinab in Luzifers Reich. Arbeitet sich gewissenhaft durch die neun verschiedenen Höllengrade. Vorbei an Gewälttätigen, Diktatoren, Mördern und ganz unten dann, wo der eingefrorene Luzifer zwischen den Eisblöcken thront, die Betrüger. Zauberer. Schmeichler. Geschäftsleute. Und die Verräter. Judas. Brutus. Cassius. Wenn es zu heftig wird mit dem Hinschauen, fällt der Schreiber in Ohnmacht. „Und ich sank hin wie der, den Schlaf befällt!“ Ganz unten angekommen gewährt man Dante und Vergil den Ausgang. Den Läuterungsberg ersteigen und gut iss. Deshalb eine Komödie. So Gott will.

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Letzte Lagerfeuer wurden nicht nur in Wounded Knee ausgetreten. Die Frakturen, nicht heilen wollende, könnende Brüche, gerne entzündet, Wohlstandssepsis, neurodermitisches Denken sind Bestandteil unserer Alltage. Der eigene Bauchnabel ist keine Lösung. Und schon gar nicht es sich selbstverliebt in fremden Bauchnäbeln gemütlich machen. Seine eigenen Augenringe mit fremdem Leid aufhübschen. Die eigene Hölle, genug zu tun.

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Mein guter Freund aus Nürnberg gab mir für die Rückfahrt nach Dylan ein großartiges Buch in die Hand. Habe mich ja in den letzten Monaten, Jahren oft genug mit Bekannten hier vor Ort gezankt in Sachen Ost / West und den Arroganzen rechts wie links. Viel Erkenntnis und Empfehlung. Wie stets zu spät. Davon später wohl mehr im Angesicht des Zerberus. Die nächsten Wahlen lauern. Und am Ende Alkmene nur: ACH! Oder mit Fragezeichen?

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