Ein Schaufenster / Beeskow / Brandenburg / Juli 2014
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Erklärtext machen? Schrieb ich ja gestern von. Ok! Weil ja auch Saskia Ricarda Lindner stets die Wahlergebnisse mit dem gesichert durchdachten Floskelsatz „Wir müssen unsere Politik besser erklären!“ erklären, sehe ich mich heute auch in der Lage zu erklären, was hier manchmal so steht und sogar, wenn man es nicht liest, es nicht versteht. In kleinen Dosen jedoch.
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Mangy? Mangy ist Englisch (Ach nee? Gruß vom Säzzer) und wäre zu übersetzen mit räudig oder schäbig oder von der Krätze befallen.
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Der Reim zum gestrigen Tag. Leider bisserl traurig auch. Begegnungen.
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Als wir begannen Straßenseiten zu wechseln in Sackgassen abbiegend
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Mit meiner Angst ich schlendern ging
An einem kühlen Morgen
Der Sinn stand mir nach Einsamkeit
Besingend meine Sorgen
Statt Heiterkeit nur Darmverschluss
Die Backen eingefallen
Der Sensenmann klopft an die Tür
Und ich kann nur noch lallen
Meine Lieder schenk‘ ich noch
Dem eigenen Gehörgang
Weil mir die Welt zum Rätsel ward
Wen darf man da belangen
Das Schwert zu schwingen lernt ich nie
Doch triller gern den Abgesang
Und schlender weiter
Aber tät es gerne heiter
Am liebsten ohne Angst und Bang
Nun denn
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Schon wieder dieses Morgen
Schon wieder neue Sorgen
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Fick die Waldfee
Mein guter Freund
Und atme ein und aus
Das Leben wirft dich
So oder so
Zum Fenster raus
Von jeder deiner Straßenseiten
Zu früh vielleicht
Oder bei Zeiten
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(gießen heute / über den tod und die nicht mögliche vermeidung nachdenkend wie immer / warum bin ich nicht pastor geworden / starke und wärmere winde draußen / die letzten tomaten geerntet / alles gut / das war die binse zum tag)
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Texte und Lieder auf Autobiographisches zu reduzieren? Kann man machen. Meint der Dylan sich selbst, wenn er singt? Zweifel ich mal. Schlendern. Flanieren. Zufälle. Die Bücher nicht zu Ende lesen muss erlaubt bleiben.
Heute morgen auf einem Schreibtisch in einem Büro zu Gießen
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Gestern ein überraschendes Treffen von Menschen aus meinen sozialen Umgebungen erlebt. Menschen, die sich nicht alle untereinander kannten und dennoch nach kürzester Zeit seltsame Querverbindungen feststellen durften. Hat meine oft despektierliche Sicht auf Heimat aus den Fugen geruckelt. Heute nachdenken drüber. Morgen mehr. Solange ein Reim.
Messer und Macheten, Drohnen und tätige Opfer. Ewige Opfer. Vor allem die Täter. Keiner jedoch hat gehandelt. Das Lärmen über den Lärm gelegentlich lauter als die üblichen Beeinträchtigungen. Die Länge eines Messers wochenlang Thema im Land der „depressiven Duldungsstarre“. Danke SZ für diese Wortschöpfung. Dieser schreckliche Keim wühlt auch in mir. Synapsenstupor. Wie alt sind die Wunden? Wie alt das Land? Wie alt meine Runden, die ich in diesem Land drehte? Wie hinfällig die Brücken zu mir selbst? Meine Frau sagt mir, ich mache mich älter als ich sei. Ich antworte, wenn ich meine berufsjugendlichen Alterskohorten sehe und höre, sei mir dies ein tiefes Bedürfnis. Welche Tat ist ein Opfer, welches Opfer eine Untat? Noch immer und immer mehr fällt es mir schwer und schwerer mich auf eine Seite zu schlagen. Der eine ausgestreckte Zeigefinger löst meist den nächsten ab. Welches Denken macht dich so sicher? Lande dann immer mal wieder beim Franz, dem Woyzeck.
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Woyzeck – Waldweg am Teich. II (Szene 24.)
Nacht. Woyzeck(kommt herangewankt.)
Das Messer? — Wo ist das Messer? — Ich habs da gelassen. — Näher, noch näher. — Mir graut’s — Da regt sich was. Still! — Alles still und todt. — Mörder! Mörder! Ha! da ruft’s. Nein — ich selbst. (stößt auf die Leiche.) Marie! Marie! Was hast du für eine rothe Schnur um den Hals? Hast dir das rothe Halsband verdient, wie die Ohr-Ringlein, mit deiner Sünde! Was hängen dir die schwarzen Haare so wild —?! — Mörder! — Mörder! — Sie werden nach mir suchen. Das Messer verräth mich! Da, da ist’s — — Leute! — — fort!
(Am Teich.)
So! da hinunter! (wirft das Messer hinein.) Es taucht ins dunkle Wasser wie ein Stein. Aber der Mond verräth mich — der Mond ist blutig. Will denn die ganze Welt es ausplaudern?! — Das Messer, es liegt zu weit vorn, sie findens beim Baden oder wenn sie nach Muscheln tauchen. (geht in den Teich hinein.) Ich find’s nicht. Aber ich muß mich waschen. Ich bin blutig. Da ein Fleck — und noch einer. Weh! weh! ich wasche mich mit Blut — das Wasser ist Blut … Blut … (ertrinkt.)
(Es kommen Leute.)
Erster Bürger. Halt!
Zweiter Bürger. Hörst du? Dort!
Erster Bürger. Jesus! das war ein Ton.
Zweiter Bürger. Es ist das Wasser im Teich. Das Wasser ruft. Es ist schon lange Niemand ertrunken. Komm — es ist nicht gut zu hören.
Erster Bürger. Das stöhnt — als stürbe ein Mensch. Hans! da ertrinkt Jemand.
Zweiter Bürger. Unheimlich! Der Mond roth und die Nebel grau. Hörst? — jetzt wieder das Aechzen.
Erster Bürger. Stiller, — jetzt ganz still. Komm! komm schnell. (eilen der Stadt zu.)
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(Georg Büchner)
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1979 war ich ein paar Wochen in den USA auf einer Schauspielschule. Obige Szene sprach ich dort vor. Die Bürger auch. Auf Englisch. The Knife. The Knife. Blood. Blood. The moon is red, the fog is grey. Silence! Später dann spielte ich in Münster den Doktor. Woooyyyzeck? Hat er an die Wand gepisst? Nochmal später spielte eine große Liebe von mir die Marie. Wiesbaden. Ich arbeitslos, sie im Nachprobenbett mit dem Franz-Darsteller. Und ich inszenierte dann gar nicht sooo viele Jahre später das Stück in der JVA Butzbach. Mit Tätern. Opfern? Ein Höhepunkt meines Berufslebens. Wo fängt etwas an, was nie enden wird. Oder darf?
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Saß eben im Cafe, welches ich eigentlich meiden will und sollte. Zeitungen lesen halt. Am Nebentisch junge Menschen. Sie sind es gewohnt laut zu sprechen. Wir hätten gern das Frühstück Sowieso drei. Können wir dies ohne das und dies und jenes haben? Dafür aber mit? Denke an Wähler. Könnten wir noch ein Brötchen mit Demokratie haben? Aber bitte ohne selles und jenes und überhaupt! Greife erschreckt an meinen Gürtel. Da hängt mein Messer. Das Opinel für die letzten Tomaten, die ich heute Morgen geerntet hatte. Waffenverbotszonen einrichten wir müssen. Die Köpfe jedoch davon freihalten. G’tt ist eh stets mit sich selbst beschäftigt. Draußen wird es wieder etwas wärmer. Im Osten fällt noch mehr Regen. Der nicht einfach so an uns vorbeifließen wird.
„Von Christoph Daum lernen heißt in Niederlagen einen möglichen Sieg schmecken zu dürfen.“
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Der Zwickauer Daum und der Ulmer Hoeneß waren lange ein Traumpaar gewollt oder inszenierter deutscher Missverständnisse, bevor sie selber davon wussten. Der getriebene Daum zieht sich ab und an ein Näschen rein. Der nicht weniger getriebene Hoeneß verschiebt Millionen, Milliarden. Der dicke Schwoab sägt dem rheinischen Sachsen im entscheidenden Moment das Stuhlbein ab. Wenn sich Alkoholiker über Drogennutzer echauffieren. Tun sie gerne mal. Daum floh gen USA, kehrte dann zurück. Hoeneß saß ein in Bayern und ist auch wieder da inzwischen. Man redet von Versöhnung. Wieviel Feudel braucht man, um all die Krokodilstränen aufzuwischen?
* In den späten 80ern war ich regelmäßig in Müngersdorf zu Gast. Der Tünn. Litti. Icke. Brüder Allofs. Flemming Poulsen. An der Seitenlinie der Irrwisch. Die entscheidenden Niederlagen? Gegen Waldhof Mannheim. Darmstadt. Unterhaching. Roland Wohlfahrt schießt drei Hütten zu Müngersdorf und mir fällt das Kölsch aus der Hand. Wohlfahrt? Wiederhole mich: Wohlfahrt?
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Kein Trainer war so oft ein umjubelter Zweiter. Sogar ob der Schäl Sick von Istanbul. Weit vor Leverkusen. Meine Sympathien? Sind klar verteilt.
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Sobald jemand dem Ulmer in den Vorgarten pinkelt, pinkelte – Not? Verzweiflung? Die Beulen am Kopp nach dem Rennen gegen schwäbische Mauern? Wut? – holte der, lange vor Einführung des Doppelwumms, die Bazooka raus. Die Gewinnenwollenmüsser jubeln dazu. Wie es hieß im alten Süden: „Der hält sich wohl für dä Käß!“ Oder: „Dicken Eiern hinterher zu laufen, macht dir kein Omelett in deine kalte Pfanne.“ Wer hat das gesagt?
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Wir standen gerne in der Südstadt am Zochweg rum und man bejubelte den Daum, der neben dem Dreijestirn schmiss die Kamelle runter. Vielleicht ist das die Qualität des ersten FC Kölle, dat die nie mehr Meister werden. Wollen? Aber die Hoffnung stets fiere donn. Xavi Alonso hat Leverkusen vom ewigen Fluch erlöst. Das durfte der Daum mit ins Grab nehmen. Schön.
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Ceterum censeo: Es ist natürlich vollkommen sinnfrei barfuß über Scherben oder glimmende Kohlen zu gehen. So den Turbokapitalismus überwinden wollen? Weia! Manchmal sollte man dies jedoch versuchen. Da die Not rief! Nun die beste aller Torhymnen. Sinnfrei! Do stonn mr all parat! Kölle Alaaf!
Kann man so sehen. Muss man nicht. Fremd bleibt dem bekennenden Fremden stets auch die Heimat. Spätestens nach jeder Abreise. Der Bahnsteig ist das Zuhause. Rollende Steine. Taumelkraut. Es ist 12 Uhr mittags. Das Fremde kommt zurück um die Heimaterzählung auf der Mainstreet zum Duell aufzufordern. Die Steppenhexen kugeln lachend herum. Ist es wichtig, ob sie von links oder von rechts ins Bild trudeln?
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Heute keine eigenen Worte. Ein Lied – unten der übersetzte Text – des Lieblingssängers einer Seelenheimat. Das einzige Lied, welches Leverkusen im Titel trägt. Falls Xavi Alonso nicht noch ein neues Kapitel schreiben will.
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Die Zeit hat ihre Höhen und Tiefen
Ich weiß auch nicht, wo ich bin
An Stränden, die zum Horizont passen
Oder in einfachen Gesprächen, die verrückt werden
Eine Nacht in Leverkusen
Direkt vor dem Bahnhof
Ich werde mich daran erinnern, wo du es mir gesagt hast
Hey Alter, ich liebe dich
So sehr ich will, verstecke ich mich
Es fällt mir schwer, es zu ertragen
Wie ich vermisse, was ich brauche
Um sich zu zerstreuen und zu schweigen
Eine Nacht in Leverkusen
Direkt vor dem Bahnhof
Ich werde mich daran erinnern, wo du es mir gesagt hast
Zurück nach Leverkusen oder Gießen. Über den Markt von Mires. Hinter Dingelsdorf abbiegen. Lechts oder rinks Richtung Thüringen. Morgen ein zaghafter Monologentwurf: Der Heimatabschaffeler und die Liebesreste.
Früher Oktober 2011 / Thüringen / Eintritt ins Rentenalter auf dem Rennsteig erwandernd
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In fremden Zimmern
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In den fremden Zimmern
In den anderen Häusern
Manchmal Straßen manchmal entfernt
Aber Welten richtete ich mich ein
In den Erinnerungssuppen rührend
Zwiebackgedanken hineinbröselnd
Den Blick in die angelaufenen Spiegel meidend
Aus den zerborstenen Fenstern lenkend und
Gast an fremden Tischen heimatfrei bleiben
Wer hat von meinem Tellerlein
Mit den Schatten palavernd
Im Kreis tanzend ein alter Lehrer
Der mir die Türe wies in der Heimat einstens
Hinaus Hänschen Klein
Und wie ich ging
Die Zeit zu überholen
Finde ich nichts mehr denn den ewigen
Zweifel und der Herbst legt
Den Finger auf seine bunten Laublippen und
Lässt die restlichen Tage hinabtrudeln von den
Ästen und auch im Winter offen
Bleiben alle Fenster
Vielleicht fährt vorbei ein altes Klavier
Mich wieder aufzunehmen
Aus den fremden Zimmern
Heimspielend
Zwei Seelen alte Brust
Nur noch ein Lied dann
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(gießen / plötzlicher herbsteinbruch / osten? / westen? / jammerwessis? / besserossis? / um mich herum schrillt die welt seit tagen etwas zu laut)
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PS: Gibt es eigentlich ein sprechenderes Bild für den Zustand der deutschen Seelen als die in Dresden eingestürzte Brücke? Das Ufer zu wechseln ist also nur noch unter Lebensgefahr möglich und sowieso nicht mehr erwünscht.
Schloss Friedenstein / Gotha / Thüringen / Deutschland / Anfang Oktober 2021
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Anfang 1992 war ich das erste Mal in Magdeburg. Ich war Ensemblemitglied des LTT Tübingen. Die Magdeburger Kammerspiele waren das damalige ‚Freundschaftstheater‘. Falls man es so nennen darf. Unterwegs mit dem Intendanten, der öfters in der DDR gearbeitet hatte, und mit einem Fühmann-Text. Ein Solo. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir eine Vorstellung hingekriegt haben. Es waren jene Tage, da die anfängliche Euphorie des Zusammenwachsens schon in sich zusammengebrochen war und die Hoffnung auf die blühenden Landschaften im Wesentlichen sich auf Marlboroschirme vor gut frequentierten Trinkhallen reduziert hatte. Nicht auf Theaterbesuche. Jedoch: Lübzer Pils war stets erhältlich. Die Zigaretten hatten zollfreie polnische Banderolen. Billigware. Was tun? Ich wollte mir den hiesigen Dom anschauen. Ging runter an die Elbe. Es roch schweflig. Gelbliche Schaumteppiche trieben vorbei. Die Chemie am Oberlauf war noch nicht stillgelegt. Tschechien schickte seine giftigen Grüße. Alte Genossen.
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Ein paar Monate später waren wir wieder vor Ort. Mit Ensemble. Ich spielte den eingebildet‘ Kranken. Moliere. Noch keine rechten Hotels. Umgebaute Parteischulen. Jugendheime. Recht frugale Unterbringung. Meine murrenden Kollegen. Lübzer war immer noch billig und tröstete sie über die fehlenden Komfortzonen hinweg. Ich floh an die Elbe. Konzentrieren. Den Jammerwessis entkommen. Kein Schaum. Das Flusswasser roch fast nach Wasser. Neben mir am Geländer ein Bürger der Stadt. Die Elbe da unten. Ich teile ihm meine Beobachtung mit. „Nu! Dafür bin ich ohne Arbeit!“ Sagte er.
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Habe das in den letzten Tagen hier oft erwähnte Buch von Ines Geipel zu Ende gelesen. Anstrengend, anregend, überraschend, irritierend teils. Ich weiß es nicht. So ist auch der Text montiert. Die Verzweiflung erinnert sich an alten Jubel und mag das Hoffen nicht aufgeben, welches dem kurzen Glück innewohnte. Sucht also, muss suchen, fast baggert schon, in Tiefen, Untiefen, trägt Halden ab, die sich im nächsten Moment wieder auftürmen, wissende Ratlosigkeit, händeringend. Wortberge. Wortschöpfungen. Ines Geipel ist an der „Busch“ seit langem auch als Professorin für Verskunst tätig. Verskunst! Man müsste dieses Wort noch zwanzigmal in steter Wiederholung hier hin tippen. Ein Verskunstbuch? Das liest man nicht so einfach weg. Neige selber gerne dazu Sprachlosigkeit mit den spekulativen Wortverkleisterungen für mich bisserl greifbar zu machen. Was gelernt.
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Geipels Hoffnung auf den letzten Seiten der Erzählung? Ihre neueste Schauspielschulklasse. Die Mischungen. Querverbindungen. Alles wissen zu wollen und dann wie der Ochs vor’m Berg stehen bleiben. Zusammen? Zusammen! Danach hilft nur die Fleißarbeit. Getriebene Gelassenheit.
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Was mich berührt. Die Mutter. Der Vater. Dresden. Meine Mutter. Dresden. Thüringen. Ihr Vater. IM. Mein Großvater. SS. Die Kriegskinder. Jahrgang 1935. All die Spielarten trüber Erinnerungssuppen. Lose Enden, die keine Schnürsenkel sind. Die nie werden können zur Verschlusssache. Kind! Sieh! So bindet man eine Schleife! Wer zuerst die Schleife gebunden, ist der Erste auf dem Schulhof. Die Geschichte fliegt rückwärts, wenn sie sich nach vorne bewegen will. Was tun? Es lohnt sich stets die Suche, ohne ein altes Ziel seiner Suche vorzeitig mit Ergebnissen beeindrucken zu wollen.
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Welches Lied heute hier? Einfach mal Mainstream. Zwei Brüder brauchen neues Geld und machen einen auf Wiedervereinigung. War einst der Soundtrack zu meiner ersten Ehe. Folgte eine flotte Scheidung. Brauchte lediglich 18 Monate von der intensiv fotografierten Euphorie der ersten Tage bis zur Erzählung ewiger Zerknirschung. Wann war das? Damals.
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Ein Brüderchen sagte dann über das andere Bruderlein: „Er ist ein Mann mit einer Gabel in einer Welt voller Suppe!“ Kann man machen. Oder?
Vorgipfel / bei Pfronten im Allgäu / 14. Juni 2022
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Hoffe der Sommer endet in Bälde. 30 Grad im September machen mich traurig und mürbe. Warum nicht nur noch Milde, ein blasseres, müderes Licht? Die Kühle? Ein Frösteln? Das Abschiedswinken eines Septembers, der seine Vorgänger nicht übertreffen muss und eigene Geschichten erzählt?
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Heute von leichter Hoffnung. Es gab (und gibt sie hoffentlich noch) milde, sich der Lautsprecherei enthaltende Politiker. Eigentlich erst als Dichter entdeckt, diesen polnischen Sachsen, der in Thüringen studierte. Ilmenau.
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Gipfel 2
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Das ist dein Gipfel, höher gelangst du nicht mehr. Die Sonne, die den Zenit erreicht hat, wandert nur langsam. Unmerklich schwinden die Tage.
Du möchtest ausruhn, möchtest von deinen enttäuschten Hoffnungen abstehn, die du dennoch nicht aufgeben kannst, von all den Erfüllungen, die schal werden, wenn sie vorbeigehen. Du möchtest hier warten: Monate, Jahre, bis der Abstieg beginnt.
Aber du täuschst dich: Es ist nur ein Vorgipfel. Ein Kind kommt, und du musst aufstehn. Eine neue Pflicht fällt dir zu, und du entziehst dich nicht.
Keine Symmetrie kennt dein Leben. Und du siehst es den Wegen nicht einmal am Abendlicht an, daß es Heimwege sind.
Vielleicht mal so? Mehr Dichtende in die Parlamente, denen ihre Sterblichkeit bewusst und sie so den Wählern nicht ewiges Leben und Reichtum versprechen müssen. Menschen, die bereit, wenn nötig, zu gehen, Platzhalter für die, die ihnen folgen werden, wenn die wollen. Diener. Politik und Leben können nicht sein, werden und bleiben ein ewiger Rachefeldzug der vermeintlich Zukurzgekommenen. Da fröstelt es mir. Höret den Rio. Das ist ein Trostlied. Träume ich? Träume wütig als weider.