Nachricht aus dem Nachlösewagen 19

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Gestern noch. Gestern wollte ich mich nicht mehr erinnern. An nichts. Heute aber. Heute aber kann ich mich nicht mehr erinnern. An nichts. Reines Garnicht. Ich liege. Ich liege zu Füßen eines Tresens. In einem Leichttriebwagen. Wo ich eben noch zu Füßen Alkmenes. Schwamm. Durch mein Leben. Durch ein Mehr. Das Meer. An dessen auf das glänzende Blau hinabblickenden Felsen der Schnaps dieser Nacht destillierte. Immer und immer. Wieder und wieder. Die Kristalle glitzerten in den Eingeweiden weiter. Meinen. Und Alkmene sprach und sprach. Und sie redete nicht.

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Ich habe immer ein paar Reiszwecken in meiner Manteltasche. Vielfältig die Zwecke der Zwecken. Wachstecher beim trübsinnigen Herumkruschteln in alten Behältnissen. Gedankenfixierer. Merkhefter. Zwei ergriff ich meinen anisbefeuerten Zustand vorsichtig bedenkend und pinnte meinen rechten Mantelärmel auf die Holzplatte des Tresens. In der Hoffnung. In der Hoffnung den bevorstehenden Fall hinaus. Hinaus. Hinaus. Zu zögern. Vater unser. Der Du. Und führe uns nicht … Nein. Nicht. Alkmene leuchtenden Auges fiel mir in den nicht komplett abgeschossenen Satz und jetzt lachte sie. Breit wie der Mississippi. Wenn er den Golf von Mexico erreicht. Sie tanzt. Ihr linker Ellenbogen malt Bilder in stickige Schienenbusluft. Ich werde mich nicht verlieben. Schwöre ich mir. Alkmene. Dein das Mikro.

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„Hör auf Dich vor Dir selbst zu tarnen. Folge nicht den Lokführern. Schmeiße Kleingeld in die Parkometer. Wo Deine Sehnsüchte parken. Ähem. Parkten. Die Müllabfuhr streikt heute. Zu behaupten in Dauerschleife Du seist gescheitert ist lediglich das Spiegelbild Deines selbstermächtigten Größenwahns. Yamas mein Jupiter. Aber weil Du mir eben vor die Füße fällst. Das ionische Meer in Deinen Augen. Mein kleiner Provinzodysseus. Es strahlt. Vergisst sich. Das Selbst. Man darf mich lieben. Man darf mich betrügen. Meine Dummheit gestehe ich. Auch Dir. Jetzt gehe ich. Auch ich werde schwanken. Mir den Kopf anschlagen. An der Türe des Schienenbusses. Wenn ich gehen werde. Aber ich werde gehen. Draußen werde ich mich ins Gebüsch hocken. Den Schnaps unserer göttlichen Nacht auf den noch gefrorenen Boden pinkeln. Werde ich. An Dich denken. Werde ich. Und vielleicht sogar weinen. Gewiß werde ich weinen. Ob Deiner Feigheit. Die mir nicht unbekannt. Jetzt decke ich Dich zu. Mit meinem Halstuch. Und gehe. S’agapo. Werde ich. Mein falscher Held. Der Du immer noch an den Weihnachtsmann glaubst. Bussi! Mein Gott. Oh jemine!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 18

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Ich greife in die Wählscheibe. Die Drei. In der Hoffnung auf die Schaffnerin. Zrick hin. Zrick Zrück. Wenig Zeit. Bleibt. Wenn die Drei der Wählscheibe. Zrück kreist. Ich habe aber gewählt. Zumindest. Ich hatte gewählt. Beide Fäuste in den Taschen. Meines Mantels. Wärmer aber da draußen. Letztlich bleibt es kalt. Es klopft. Bevor ich den Hörer in der Hand halte lege ich ihn wieder auf die Gabel. Es hat geklopft. Was ich vernehme. Einvernehmend. Ich habe angeklopft. Es hatte geklopft. Ja. Ja. Iss ja gut. Ich öffnete die Tür‘. Von innen. Hatte ich mich selber eingeschlossen. Oder. FRAGEZEICHEN. Ich erinnere mich nicht. Ich will mich an nichts mehr erinnern. Die Türe steht offen. Sperrangelweit. Ich bleibe drinnen. Die Schaffnerin kommt herein.

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Ich bemerke. Ich bemerke, daß die Schaffnerin sehr müde aussieht. Violette Augenringe. Krähenfüsse. Rote Flecken im Gesicht. Hektisch. Trockene Luft. Kälte. Aber sie lacht. Lächelt. Versucht es zumindest. Angestrengt leichte Bewegung rund um ihre Mundwinkel. Ich mag sie. Von einem Moment auf den anderen. Ich muß aufpassen. Verlieben will ich mich nicht mehr. Schon gar nicht heute. Und überhaupt. Aber. Was hast Du eigentlich gegen die Schaffnerinnen. Eine kleine Selbstbefragung. Gegenüber des Telefons ein Tresen. Verwaist. Da stehen wir nun. Angelehnt. Rechter Ellenbogen ich. Linker Ellenbogen sie. Die Lächelnde. Mir gelingt es noch nicht. Oder nicht mehr. Meine Lippen bewegen sich. Meine Stimmlippen folgen. Artikulieren.

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„Da sind Sie ja wieder!“

„Wenn man mich ruft!“

„Aber ich hatte doch gar nicht zuende gewählt.“

„Man hat so seine Vorahnungen! Was wollten Sie wissen?“

„Sie sehen sehr erschöpft aus!“

„Das weiß ich wohl selbst. Was wollen Sie wissen?“

„Der Lokführer?“

„Welcher?“

„Irgendeiner welcher diesen verfickten Schienenbus bewegt!“

„Reißen Sie sich bitten zusammen. Ihre Rentnerfahrkarte berechtigt Sie zu rein gar nichts!“

„Wollen Sie diese etwa sperren lassen?“

„Ach!“

„Heißen Sie Alkmene?“

„Vielleicht! Aber Sie sind nicht Jupiter. Heute Nacht bleibe ich trotzdem noch hier. Bei Dir. Ich habe ein Flasche Schnaps mitgebracht, geliebter Amphitryon. Da wir schon am Tresen festgenagelt sind.“

„Yamas! Obwohl noch früh am Tage!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 17

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Ich werde reden. FRAGEZEICHEN. Blödsinn. Ich werde sprechen. Da ist ein Telefon. Über Telefone und mit dem Gegenüber spricht der Zweibeiner. Wir müssen reden. Ich kratze mir meine Glatze wund.  Wir müssen reden. Ich halte mir die Ohren zu. Halt. Halte keine Rede. Gegen Wände. Fenster. Bildschirme. Sonst spreche. Steh auf. Steht endlich auf. Bewege Dich. Da vorne ist ein Telefon. Geh hin. Sprich. Halte keine Rede. Kurbel. Verbinde.

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Hallo Telefon. Hilf mir. Sprechen möchte ich. Da isses. Ein altvorderes Telefon. Wählscheibe. 10 Ziffern. Zkrick. Läuft die Scheibe wieder auf Anfang. Zkrick. Zrück. Neben dem vergilbten Sprechapparat ein Rufnummernverzeichnis. Von Hand hingekritzelt. Ebenso vergilbt.

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Die Telefonliste:

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1 Stellwerk oder Krankmeldung

2 Vorwärts gehen

3 Fahrpläne (in Absprache Schaffnerin)

4 Rotes Kreuz

5 Alle reden vom Wetter

6 Warteschleifenmusik

7 Weichendienststellungen

8 Kontrolle (kein Vertrauen)

9 Wir fahren immer (herzlich vom Lokführer)

0 Amt und Zeit

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Es ist warm geworden heute. Der Waggon heizt sich auf. Gelassen. Bleiben. Nun gut. Ich denke nach. Vor mich hin. Hinter mir her. Alle Nummern durchwählen. Oder nicht. Die Null zuerst. Beim nächsten Ton des Zeitzeichens wählen Sie das Amt. Soweit so gut. Dann die Sechs. Bekämpfe Langeweile, indem Du sie verstärkst. Die Sechs antwortet. Aus dem Jenseits.

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Hör die Wölfe heulen

Wale fallen wie Tränen auf die Strände

Ach, es ist noch nicht zu Ende

Hör die Wölfe heulen

Wale fallen wie Tränen auf die Strände

Ach, es ist noch nicht zu Ende

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 16

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Obwohl ich seit Tagen und Nächten wachliege, frage ich mich ernsthaft, ob ich etwas verschlafen habe. Ich habe die Formeln auswendig gelernt. In den Wolfsstunden bete ich diese vor mich her. Wieder und wieder. Der Frost läßt die Scheiben meiner derzeitigen Behausung knacken und klingen. Der Morgen weckt mich, der ich durchwachte die Nächte gelassen, mit freundlichem, optimistischem Licht. Ein eiskalter Himmel wirft verschmitzt eine Vorahnung hinab. Der Lenz. Der Lenz. Hörte ich unlängst gar Kraniche. Frage ich mich. Was habe ich verpasst. Was habe ich verschlafen. Ist der Schienenbus geschützt. Gesichert. Passwörter. Ich repetiere. Karger Text. Auswendig. Inwendig. Geheimnis. Vielleicht.

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Kann man Passwörter trommeln. Wie aber. Oder singen. Oder auf gefrostete Scheiben mit dem warmen Zeigefinger. Schreiben. Was auch immer. Ich bleibe drinnen. Bin aber nicht drinnen. Dort wo ich wäre gerne. Vielleicht.

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Tagsüber nicke ich stets ein. Ich habe mir es angewöhnt die Helligkeit zum Hüter des Schlafes zu machen. Was hab ich verpasst. Was verschlafen. Ein weiteres Passwort. Der Code. Da Vinci. Leonardo. Wer hat’s erfunden. Wer.

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Welcher dem Tag zugewiesen. Welcher der Nacht. Was geschieht. Wo eintippen. Einfach nur aufsagen. Die Erde draußen gefroren. Der Wind beißt ins Gesicht. Ich bleibe drinnen. Müheloses Warten. Auf nichts mehr. Aber ich sollte vielleicht wieder sprechen. Mit wem. Ich vermisse die Schaffnerin der ersten Tage. Der Paketbote hetzte von hinnen. Gejagt. Andre. Da geht was. Es spricht. Hörst Du’s nit? Wenn der Code stimmt. Einer der beiden. Welcher ruft den Lokführer. Da hinten. Da hinten im anderen Wagen. Ein Telefon. Da steht ein Telefon. Stumm. In der Ecke. Es gibt keinen Durchgang mehr. Von dem Einen in den Anderen. Wagen. Ich muß raus. Will ich raus. Das Telefon. Es ruft. Wer schreibt Formeln auf einen alten Triebwagen. Und warum. Was hat dies mit dem Stillstand zu tun. Still. Da geht was. Spricht.

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„Wer spricht?“

„DU! Selbst!“

„Mit wem?“

„Wem wohl!“

„Still! Es geht was!“

„Es geht hinter dir, unter dir, hörst du? Alles hohl da unten.“

„Ich fürcht mich. S’ist so kurios still. Man möcht’ den Athem halten.“

„Was?“

„Red was!“

„Fort. Sieh nicht hinter dich. Wir müssen fort.“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 14

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Ich erhebe mich. Soweit kam ich nicht. Konnte ich nicht. Wollte ich nicht. Durfte ich nicht. Und dann. Als ich erwachte, eben, lag mein Kopf auf meiner Brust. Wie lange schon. Oder fiel er. Wann auch. Dorthin. Dahin. Wohin. Draußen rieselt der Schnee. Wieder. Wenn der Schnee fällt. Schweigt es wohltuend. Draußen. Wenn Schnee fällt. Rieselt. Nieselt. Pieselt auf die Welt. Mein Kopf auf meinen Knien. Der Hieb in den Rücken. Gestern. Oder wann. Wieviele Tage vorüber. Wochen. Seither. Das Buch. Dieses meine. Wo.

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Ich blicke aus dem Fenster. Der verwaiste Bahnhof. Selbst ein verwaister Bahnhof verfügt über eine Uhr. Auch wenn er über die Uhr nicht mehr verfügen kann. Weil sie steht. Und nicht fährt. Wie MEIN Schienenbus. Hatte ich Fieber. Oder noch. Nöcher. Immer Fieber. Bewegen sich die Zeiger. Noch. Haben sich die Zeiger bewegt. Während ich schlief. Habe ich geschlafen. War ich krank. Bin ich es noch. Ist diese Uhr auf die ich blicke ein Gemälde. Ein Abbild. Momentum. Augenblick und von sich selbst gelangweiltes Mahnmal. Ich schlafe ein. Spreche mich an. Und antworte.

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„Ich verstehe nur Bahnhof!“

„Bahnhof ist gar nicht so schlecht, wenn einer türmen muß!“

„Die ganze Welt schwingt doch den Hammer!“

„Und Du meinst Du bist der einzige Nagel!“

„Wie steht es gerade?“

„Denke so Nullen gegen Nullen!“

„Lohnt es sich noch zu kämpfen, frage ich.“

„Die meisten Siege sind Niederlagen.“

„Nicht mehr kämpfen also.“

„Ein aufrechter Kampf um eine aufrechte Niederlage.“

„Ich bin müde.“

„Ich ebenso.“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 13

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Ich denke nach, während ich rumsitze. Habe ich mich damit abgefunden, daß dieser Schienenbus steht. So vor sich? Hin und nicht her. Wie die gute alte Raute. Sich nicht bewegen als eine Art von Lebensvortäuschung. Vielleicht müsste man Angst haben vor dem Leben und nicht vor dem Tod. Der Schienenbus wächst mir ans Herz. Eben. Wünsche ich mir noch Besuch. Oder reicht der warme Mantel und die Aussicht. Können Schienenbusse fliegen. Bereitet sich der Wagen, in dem ich sitzend warte lesend, darauf vor zu FLIEGEN. Etwas Großes ante portas. Die eine endgültige Überraschung. Das Buch vor mir aufgeschlagen auf einem Knie. Ich lese nicht. Blättere lediglich hin oder her und zurück. Fetzen. Wortfetzen. Es dämmert. Taschenmesser. Taschenlampe. Stofftaschentuch. Überlebenshilfen.

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Dort, wo der Schienenbus nicht mehr hinfahren mag: Kriege. Kriege von denen ich sah und hörte, bevor ich den Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte. Mit den letzten Zeitungen die verschimmelt stinkenden Gemüsereste umwickelt hatte. Die Küche verlassen. Und in der Flucht mein Heil. Heil. Heil. Wohin. Reime aus einem überfallenen Land. Kriegsreime. Wer entscheidet, ob der Schienenbus stehen und bleiben. Muß! Ein paar Wortfetzen. Trost. Vor mich hinsprechen. Kaum noch zitternd. Trotz der Kälte. Wohlig frierend. Geht das? Wortfetzen. Serhij Zhadan: der Dichter schreibt eine Chronik seines eigenen Atems. Ich beglückt. Frierend wohlig.

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Hier nun macht der Winter dieses Jahr die Bäume fahl.

Was sind das für Menschen, die die Ankunft des Herrn

Feiern?

*

Das sind Menschen, die sich Christen nennen.

Gute Menschen eigentlich, solange es nicht um Vergebung

Geht.

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Umblättern

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Der Himmel ist wie ein Schüler, der zum ersten Mal

Die Odyssee lesen muss,

die Fenster sind warm wie Frauen, die in Liebe geboren

haben,

die Sprache ist wie ein Rasierer:

höchst sicher, höchst nah.

*

Nochmal weiterblättern

*

Doch an den traurigsten Tagen

Kreis über mir –

Vogel des Vertrauens.

Und in den trübsten Zeiten,

inmitten von Lärm und Erstarrung,

bleib bei mir, Sprache –

Sprache des Zweifels,

Sprache der Freude,

Sprache des Dankes.

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Es klopft an die Scheibe. Aus der Dämmerung heraus winkt mir ein Paketbote zu. Ein Paket. Ein großes Paket. Ein sehr großes Paket. Etwas unförmig. Ich erhebe mich. Ein Hieb in den Rücken. Stechend. Zur Tür.

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 12

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Ich muß mich entscheiden. Ich muß mich bald entscheiden. Entscheide Dich. Eins Zwei oder Drei. Du mußt Dich entscheiden. Wer nicht für uns. Gegen uns. Drei Felder sind frei. Finde den Fehler! Entweder oder? Von dem Oder bis zum Wohin? Eins Zwei oder Drei. Letzte Chance. Vorbei. Es ist vorbei, bye bye. Junimond. Auf eine Kreuzung hatte ich mich, auf das Kollar blickend, hinfantasiert. Ich vermisste auf den Wegweisern einen ehemaligen Hinweis. Der eine noch. Eventueller Weg. Der Dritte. Das Kollar grinste ausdauernd. Kniff abwechselnd das eine Auge zu. Dann das andere Auge. And so on. Again and again. Grinste weiter. Und griff sich schließlich an die Nase. Ich war erleichtert. Auch die Nase des Kollars rot. Die Kälteschuld. Heißt Kollar gar Rudolf? Ja iss denn scho wieder Weihnacht?

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Der Himmel draußen hatte sich entschieden wieder tiefer zu hängen. Subjektiv auf Kniehöhe. Himmelhochgrummelnd. Das Töten geübt. Eines meiner Augen juckt. Verengt sich. Rötet sich. Ich kratze reibe jucke. Die Stimme der Mutter. Der Frau. Nicht dies tun. Nicht dies. Was dann? Dulden. Zuschwellen. Lassen. Gelassen. Es seinlassen. Geschehen. Siehst DU? Jetzt hast Du ein schlechtes Gewissen. Nein. Falsch erinnert. Siehst Du jetzt hast Du… Man rüttelt an meinen Schultern. An einer der beiden. Der mittleren.

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„Man muß kein gutes Gewissen haben. Auch wenn es bald zu Ende geht.“

„Habe ich im Schlaf gesprochen?“

„Und wenn?“

„Ist ja manchmal peinlich!“

„Machen Sie sich da keine Sorgen. Die Peinlichkeit ist die conditio sine qua non Deiner Sippe! Verzeihung! Ihrer!“

„So schlimm?“

„Tja! Wer von ganz oben abstammen will, muß dies in Kauf nehmen! Und: besser komplett blind, denn nur auf einem Auge dies und allwissend!“

„Das versuche ich einzusehen!“

„Sie versuchen es mit Humor. Ich schenke Ihnen ein Buch!“

„Die Bibel? Bitte nicht!“

„Entspannen Sie sich. Nehmen Sie dieses. Bis später!“

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Nachricht aus dem Nachlösewagen 11

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Ich warte. Warten ist die wahre Zeit. Warten ist die Zeit vor der Wahrheit. Warten auf den Messias. Er wartet. Sie wartete. Es hat gewartet. Wir hatten gewartet. Ihr wurdet gewartet. Sie sind gewartet worden. Dieser Schienenbus offensichtlich länger nicht mehr. Ich warte. Kälte kriecht von den Füßen her in die Glieder. Höher. Synapsen runtergekühlt. Kollar Zero. Eiswürfel im Hirn. Sollte ich auf meine nächste Reise eine Wärmflasche mitnehmen? Oder alte, leere Batterien und Alufolie. Daraus kann man Handwärmer basteln. Restenergien. Wenn der Stecker gezogen, der über Jahrzehnte zuverlässig. Eine mit einer freundlichen Stimme verbundene Hand legt sich auf meine hochgezogen rinkse oder lechte Schulter.

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Da sitzt es. Mir gegenüber. Ich übe noch. Mich im Gegenüber. Üben. Was ist falsch. Das ist falsch. Wer nicht üben will vielleicht. Ich werde mir schlagartig einer ominös fassbaren Schuld klar. Unfassbar. Wie jede Schuld. Und wir vergeben sie gerne. Unsere statt den Unseren. Sein Kollar leuchtet mir ins frostige Antlitz. Aha. So so. Ja ja. Na ja. Und er schweigt. Geflissentlich. Nicht unangenehm. Keine Forderungen. Das sind meist die Schlimmsten. Die Verständigen. Die Lärmflaschen. Die Zu-Tun-Listen der Guten. Denke ich so. Nichts denkend. Meine fünf Finger bilden etwas. Sie wollen etwas. Sie wollen etwas bilden. Ein Früher. Eine Kampfansage. Fünf Finger waren eine. Mal. Habe nun ach! Jetzt sind sie nichts. Kein Meer. Die fünf Finger. Eine runzlige Orange hat die fünf Finger geentert. Verwurstung. Gebrüll. Habe ich Fieber? Das Kollar kann sprechen.

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„Wir verpassten alle den Bus ins Paradies! Ich nicht minder!“

„Ist das hier jetzt eine Ertüchtigungsmaßnahme?“

„Wie Sie wollen! Inzwischen nennt man sogar die Neugestaltung oder Renovierung eines Daches so.“

„Meinen Sie, ich müßte mal wieder zum Barbier von oben?“

„Sie dürfen duzen! Wenn Du zehn Finger benutzt!“

„Will ich nicht. Stellen Sie sich vor das Glaubensbekenntnis in der Höflichkeitsform.“

Überraschend. Sie überraschen mich.“

„Kriegt man so den gezogenen Stecker wieder rein! Gesteckt? Vielleicht?“

„Beten Sie mal! Lackmustest!“

„Schilt nicht den Haderer, der sonntags nicht zu irgendeiner Kirche geht. Sein zerknirschter Blick zum Himmel ist voller der Hingabe denn jedes laute ‚Ich weiß wie’s geht!‘ Was sagst Du? Dazu? Mein Gott aber auch!“

„Mein Sohn! Erwarte nicht, daß Dein Schienenbus morgen sich setzt in Bewegung!“

„Amen?“

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