„Man sähe manches nicht mehr, sagte Hodriwitzka, wenn man jeden Tag den gleichen Weg ginge.“ (Monika Maron)

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Schloss Friedenstein / Gotha / Thüringen / Deutschland / Anfang Oktober 2021

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Anfang 1992 war ich das erste Mal in Magdeburg. Ich war Ensemblemitglied des LTT Tübingen. Die Magdeburger Kammerspiele waren das damalige ‚Freundschaftstheater‘. Falls man es so nennen darf. Unterwegs mit dem Intendanten, der öfters in der DDR gearbeitet hatte, und mit einem Fühmann-Text. Ein Solo. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir eine Vorstellung hingekriegt haben. Es waren jene Tage, da die anfängliche Euphorie des Zusammenwachsens schon in sich zusammengebrochen war und die Hoffnung auf die blühenden Landschaften im Wesentlichen sich auf Marlboroschirme vor gut frequentierten Trinkhallen reduziert hatte. Nicht auf Theaterbesuche. Jedoch: Lübzer Pils war stets erhältlich. Die Zigaretten hatten zollfreie polnische Banderolen. Billigware. Was tun? Ich wollte mir den hiesigen Dom anschauen. Ging runter an die Elbe. Es roch schweflig. Gelbliche Schaumteppiche trieben vorbei. Die Chemie am Oberlauf war noch nicht stillgelegt. Tschechien schickte seine giftigen Grüße. Alte Genossen.

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Ein paar Monate später waren wir wieder vor Ort. Mit Ensemble. Ich spielte den eingebildet‘ Kranken. Moliere. Noch keine rechten Hotels. Umgebaute Parteischulen. Jugendheime. Recht frugale Unterbringung. Meine murrenden Kollegen. Lübzer war immer noch billig und tröstete sie über die fehlenden Komfortzonen hinweg. Ich floh an die Elbe. Konzentrieren. Den Jammerwessis entkommen. Kein Schaum. Das Flusswasser roch fast nach Wasser. Neben mir am Geländer ein Bürger der Stadt. Die Elbe da unten. Ich teile ihm meine Beobachtung mit. „Nu! Dafür bin ich ohne Arbeit!“ Sagte er.

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Habe das in den letzten Tagen hier oft erwähnte Buch von Ines Geipel zu Ende gelesen. Anstrengend, anregend, überraschend, irritierend teils. Ich weiß es nicht. So ist auch der Text montiert. Die Verzweiflung erinnert sich an alten Jubel und mag das Hoffen nicht aufgeben, welches dem kurzen Glück innewohnte. Sucht also, muss suchen, fast baggert schon, in Tiefen, Untiefen, trägt Halden ab, die sich im nächsten Moment wieder auftürmen, wissende Ratlosigkeit, händeringend. Wortberge. Wortschöpfungen. Ines Geipel ist an der „Busch“ seit langem auch als Professorin für Verskunst tätig. Verskunst! Man müsste dieses Wort noch zwanzigmal in steter Wiederholung hier hin tippen. Ein Verskunstbuch? Das liest man nicht so einfach weg. Neige selber gerne dazu Sprachlosigkeit mit den spekulativen Wortverkleisterungen für mich bisserl greifbar zu machen. Was gelernt.

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Geipels Hoffnung auf den letzten Seiten der Erzählung? Ihre neueste Schauspielschulklasse. Die Mischungen. Querverbindungen. Alles wissen zu wollen und dann wie der Ochs vor’m Berg stehen bleiben. Zusammen? Zusammen! Danach hilft nur die Fleißarbeit. Getriebene Gelassenheit.

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Was mich berührt. Die Mutter. Der Vater. Dresden. Meine Mutter. Dresden. Thüringen. Ihr Vater. IM. Mein Großvater. SS. Die Kriegskinder. Jahrgang 1935. All die Spielarten trüber Erinnerungssuppen. Lose Enden, die keine Schnürsenkel sind. Die nie werden können zur Verschlusssache. Kind! Sieh! So bindet man eine Schleife! Wer zuerst die Schleife gebunden, ist der Erste auf dem Schulhof. Die Geschichte fliegt rückwärts, wenn sie sich nach vorne bewegen will. Was tun? Es lohnt sich stets die Suche, ohne ein altes Ziel seiner Suche vorzeitig mit Ergebnissen beeindrucken zu wollen.

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Welches Lied heute hier? Einfach mal Mainstream. Zwei Brüder brauchen neues Geld und machen einen auf Wiedervereinigung. War einst der Soundtrack zu meiner ersten Ehe. Folgte eine flotte Scheidung. Brauchte lediglich 18 Monate von der intensiv fotografierten Euphorie der ersten Tage bis zur Erzählung ewiger Zerknirschung. Wann war das? Damals.

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Ein Brüderchen sagte dann über das andere Bruderlein: „Er ist ein Mann mit einer Gabel in einer Welt voller Suppe!“ Kann man machen. Oder?

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Halt Dich an Deiner Liebe fest! Oder besser doch nicht? Was sagt Rio dazu?

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Anfang September 2017 / Teatral’naya Ulitsa, 5, Sovetsk, Kaliningrad Oblast, Russland, 238750

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Anfang September 2017 stand ich im Grenzland-Theater in Sovetsk auf der Bühne und sang u.a. „Halt Dich an Deiner Liebe fest!“ und ein paar Songs von Elvis. Was genau, habe ich vergessen. Nicht vergessen aber ist das begeisterte Publikum, welches – es lebe das Klischee – schön sentimental nah an russischen Wässerchen gebaut war und schunkelte und jubilierte. Die gab es danach in rauhen Mengen, die Wässerchen, wobei unsere Übersetzerin uns schon beim Empfangswässerschen am Vorabend gesagt hatte: „Verglichen mit sowjetischen Zeiten wird kaum noch getrunken hier!“ Na dann, nastrowje. Jetzt, wo ich es hinschreibe, vermute ich, dass ich mich wiederhole. Nicht zu vermeiden. Kurz vor 68. Mein nächster Geburtstag.

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Auch wenn ich mich wiederhole, es war eine seltsame Reise. Ich hatte mich gefreut wie Bolle, befeuert auch von alten Klischees. Deutsch-Russische Freundschaft. Seele. Literatur. Wässerchen. Der Große Vaterländische Krieg, der unseren heutigen Wohlstand erst ermöglichte. Rosa- bis knallrot gefärbte Erzählungen meiner Verwandten oder später dann Kollegen in der DDR oder ihren Resten nach 1989. Inklusive der Wut. Subkutan. Das Morbide, das mich als Schwarzen Hund schon immer anzog. Utopie. Träumerei. Die Erinnerung an die jugendliche Verteidigung roter Kugeln.

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Das Mulmige? Das, was ich sah, war nicht morbid mit Charme, sondern einfach kaputt und großräumig verschimmelt. Auf der Fahrt zum Theater wurde uns eingeschärft – Wässerchen hin oder her – auf jeden Fall auf politische Einlassungen aller Art zu verzichten. Den damals noch engen Freund und Erwärmer unserer Ärsche in den deutschen Wintern Putin am besten überhaupt nicht zu erwähnen. Nach dem Auftritt trafen sich die zwei Ensembles sehr intensiv, ich sang dann noch mit dem schwäbischen Theaterdirektor, gut bewässert, „Auf dr schwäbsche Eisebahne“ und als ich trunken ins Hotel fliehen wollte, lief plötzlich jemand neben mir her und lieferte mich ab. Im Hotel. Gerne hätte ich noch ein wenig auf die Memel geblickt und nachgedacht. Oder wäre reingefallen.

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Natürlich habe ich nach Rückkehr stolz von dem Aufenthalt überall herumerzählt. Bisserl geschönt. Man muss ja nicht alles verraten, was einem quer im Halse hängt. Und im Rückblick ist man eh schlau wie der Fuchs, der rote Gefährte. Auch wenn er die Gans nicht gestohlen hat.

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Was war das noch mit den roten Kugeln? Nur noch diese roten Kugeln? Nun gut. Wenn man sich einmal verstrickt hat, hilft es nicht mal rechts, mal links eine neue Masche fallen zu lassen. Fast jeder erlebt über kurz oder lang eh sein blaues Wunder. Was nicht weiter verwunderlich ist.

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Den unten nannte man den russischen Bob Dylan. Hinweis von Maxim Biller. Danke dafür.

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„Don’t dwell on what has passed away / Or what is yet to be!“ (Leonard Cohen)

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Hoyerswerda / In Gundermanns Schaltzentrale in der Kulturfabrik / 9. Juli 2019

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Es treibt mich um. Das letzte Wochenende. Es wird mich noch länger umtreiben und hat mich schon davor rumgetrieben. Vor sich her. Wie lange wohl schon?

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2022 war ich dabei etliche Koordinaten, die mich halbwegs sicher durch mein bisheriges Leben geführt hatten, zu verlieren. Um ehrlich zu sein, hatte ich Ende 2021 meine seelische Roadmap vollkommen sinnentleert selbst in die Luft gejagt. Ich war von der Richtigkeit meines emotionalen Handelns voll und ganz überzeugt. Hand in Hand mit Genosse Grauburgunder. An meiner Seite war man glücklicherweise – nach meiner reumütigen Heimreise – sehr stark. Jedoch benötigte ich Hilfe. Hilfe in der Not. Der Riss, durch den kein Licht eindrang, sondern nur schwarze Suppe und mich zu spalten drohte, nahm mir gelegentlich den Atem.

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Also saß ich unterm Dach des Instituts in Gießen – Jahre davor hatte ich ein Theaterstück über den Namensgeber zusammengestückelt – nun auf der anderen Seite. Nicht wissend, eher irrend. In einem Nebensatz in einer der knapp zehn Sitzungen sagte die Frau, die mich „betreute“ – sie kam aus der Ukraine – „Wissen Sie, die allererste Heimat, die Heimat der Eltern, Großeltern, selbst wenn man dort nicht mehr aufgewachsen ist, hat viel Kraft in einem!“

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Las ich heute im gestern erwähnten Buch von Ines Geipel, die den Exil-Philosophen und Prager Juden zitiert: „Das geheimnisvolle Heimatgefühl fesselt an Menschen und Dinge. Beide sind in dieses Geheimnis gebadet. Geheimnisvolle Codes, in denen man lebt wie in ausgelatschten Schuhen. Die aber, die gehen, können qua Status nicht anders als den Finger in die Heimatwunde zu legen. Ihr Weggehen sagt: Nichts ist einfach so!“

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Natürlich rührt mich der Blick auf den Bodensee an. Natürlich gibt es dort Menschen, wichtige Menschen. Meine Familie wohnt dort. Aber, schon öfters schrieb ich hier darüber, stehe ich zum Beispiel in Hoyerswerda und fühle ich mehr Heimat als in Dingelsdorf mit Blick auf Überlingen. Das macht die Beheimateten natürlich wütend. Auf mich. Nicht auf ihr Bleiben.

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Wahlen in Baden-Württemberg nehme ich nur peripher wahr. Kretschmanns Wahl ist für mich kein Brustlöser. Da wo die dicke Kohle tanzt, auch wenn sie grün, fluche in gerne in der Sprache der Eingeborenen. Dies wiederum erbost meine liebste Frau, die den See vorbehaltlos lieben kann. Als Hessin.

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Die letzten Wochen ließen mich also nach- und vordenken und zweifeln und verzweifeln und trotzdem hegte ich eine seltsame, schwer zu begründende Nachsicht ob der schmerzlichen Entscheidungen der Menschen dort. Und ihren mehr verzweifelt als peinlichen Liedern. Bescheuert natürlich. Am Bodensee wußte man stets besser Bescheid.

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Halt! Auf Zynismen fortan verzichten.

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Meine Mutter, aufgewachsen und ausgebildet in der DDR, mit mir im Bauch und meinem schon lange toten Vater damals an den See gezogen, hatte sich im Laufe ihres Lebens, gut verankert in der sogenannten Konzilstadt, versucht den dortigen Dialekt zuzulegen. Zumindest Bruchstücke. Es klang in meinen Ohren fürchterlich und peinsam. Ich hatte wenigstens die Chance in der Schule hörend zu lernen, wie mr halt als e Konschtanzer Frichtle schwätze tut. Ich war nie ein solches Tierchen. Habe mich gut angepasst. So wird man aber schneller zum Verräter, als man einen eigenen Dialekt erlernen kann, wenn man später auf dem Bahnsteig steht.

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Bevor ich jetzt aber auch noch anfange über meinen Wohnort Gießen nachzusinnen, gehe ich besser mal in die Küche, spüle, kaufe dann ein und haue ein fettes Fleischstück in die Pfanne. Dazu Mais und Kartoffeln aus Eigenanbau. Eben noch die öffentlich- selbstgerechtliche Kurve gekriegt.

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Es wird nicht so einfach bleiben, wie es eh nie war. Außer man stellt das Nachdenken ein. Ruft’s Großmaul in mir. Master Cohen! Bitte übernehmen!

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„Niemand hat ein Monopol auf Auschwitz!“ (Carl Laszlo / KZ – Überlebender)

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Gewitter / In Tilsit oder in Sowetsk? / Lenin fällt vor dem Hotel Russland um / 1. September 2017

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Geschichte findet nie ihr Ende. Obwohl eine diffuse Sehnsucht danach weit verbreitet ist. Gerade unter Brüdern und Schwestern. Eheleuten. Und anderen Familien. Je weiter der Ausgangspunkt einer solchen Sehnsucht zurückliegt, um so schrecklicher oder grandioser wird er in der Erinnerung.

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Ich gestehe, obwohl ahnend, dass die Wahlen keine grosse Überraschungen bereithalten werden, sondern die Auguren ausnahmsweise Recht behalten würden, war ich den ganzen gestrigen Tag seltsam aufgeregt. Schon nachmittags saß ich im Hinterhof, die Flasche Wein und wartete auf’s Christkind aka erste Prognose. Und las. Das neueste Buch von Ines Geipel, die sich seit Jahrzehnten an ihrer Ost-West-Geschichte abarbeitet. Das Buch erzählt nichts wirklich Neues, fasst aber überraschend zusammen und leuchtet in etliche Ecken, die so nicht wahrgenommen von mir. Sprachlich ist es mir etwas seltsam überladen. Hochgestochen in überheiztem Ton und händeringend ihre alte Heimat beschwörend, bittet Ines Geipel darum das Glück der vom Osten damals aktiv eingeleiteten Wiederverheiratung nicht zu verdrängen. Weiterlesen! Später mehr davon. Aus dem Buch geklaut die heutige Überschrift und so auf einen faszinierenden, mir bis dato unbekannten Überlebenswütigen getroffen, Carl Laszlo. Meine geliebten Querverbindungen. Da sitzt er mit William S. Burroughs an einem Tisch.

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Ich habe selten einen Menschen so in die Kamera glänzen und strahlen gesehen wie gestern Abend „MADAME von und zu Bündnis mit mir“. Wenn dieses monströse Ego noch weiter aufgepumpt wird und dann platzt, werden die politischen Putztruppen etwas länger brauchen, den Sitzungssaal wieder auf Vordermann zu bringen. Und Simsonpilot Björnie H. erklärte derweil den Mikrophonhaltern, wie Demokratie funktioniert.

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Die Moderatoren und Kommentatoren gaben sich ungewohnt beherrscht, aber keiner war dann doch in der Lage auf die Hülsen „gesichert rechtsextrem“ und „darf Faschist genannt werden“ zu verzichten. Die Ampelmännchen schickten danach ihre zerknirschten Vasallen an die Front. Lindner blieb auf Sylt. Sind wir eigentlich noch zu reich? Und wer ist wir?

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Deutschland ist dem großen Bruder jenseits des Atlantiks stets was hinterher. Mit 10 bis 15 Jahren Verspätung. Jetzt wählen hier viele der von was auch immer Enttäuschten / Desillusionierten / Romantiker / Träumer / Anhänger von Traditionsvereinen / You name it: eben auch Alte und Kranke und Lebensmüde keine Programme, sondern das Glitzern oder Glänzen oder Wüten oder ein ominöses FRÜHER. Manchmal verstehe ich das. Kann es jedoch schwer nachvollziehen. Hypermoral ist nicht die Antwort, sondern nur eine Version der Sehnsucht nach dem Ende der Geschichte.

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Das war ja keine Liebesheirat im November 1989. Sprich ein Jahr später. Es war ein heftiger Flirt anfangs. Die Braut OST war am Ende, aber träumte tatkräftig. Dann lag der Freier WEST im Lotterbett und bestand auf sofortige Heirat. Ohne Ehevertrag. Die Braut ein paarmal schick zum Essen ausgeführt, (zwangs)geheiratet, es wächst zusammen und so, Tränen, Krokodile, Helmut Kohl singt schief und kratzt sich kurz darauf zerborstene Eier vom Jackett. Bus verpasst. Und dann wächst über Jahre, Jahrzehnte eine seltsame Erzählung, neudeutsch Narrentief, heran, in der die zwei in einem Eigenheim eingesperrten Ehepartner – die Kinder und Enkel wechselten derweil beflissen die Himmelsrichtungen – nur noch mit dem ausgestreckten Finger aufeinander zeigen und aus der Vergangenheit eine zementierte Wahrheit basteln. Obwohl jedes Einzelschicksal zwischen Ost und West meist filigraner, brüchiger, ambivalenter, müder geschehen war. Loose Ends eben. Kein Ende irgendeiner Geschichte. „Du weisst gar nicht, was ich mit der / dem täglich aushalten muss.“ Das bleibt oft über. Tja.

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Ich kenne etliche solcher verbitterter, griesgrämiger und von der Langeweile des Alltags gehetzter Eheerzählungen in meiner näheren oder ferneren sozialen Umgebung. So sind wir halt. Hoffe ich kann’s vermeiden.

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Gestern war ein 1. September. Am 1.September 1939 überfiel Deutschland. Ja Deutschland überfiel Polen und eben nicht Nazi-Deutschland überfiel Polen. Deutschland überfiel Polen. Später dann aufgeteilt in einen Westteil, der meinte sich via der 68er Aufarbeitung aka Reinwaschung davon frei gemacht zu haben und einen Ostteil, der via eines staatlich verordnetem Antifaschismus seine Teilhabe am Menschheitsverbrechen Number One einfach leugnete. Diese unbeglichenen Rechnungen lagen schon 1990 rum im deutsch-deutschen Lotterbett. Man schob die geflissentlich unter die euphorisch quietschende Matratze. Deshalb die Überschrift und jetzt lese ich mal weiter bei Frau Geipel. Auch wenn ich mich weiterhin ärgern sollte.

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Der Verzicht auf einen G‘TT kann sich auf Dauer als Fehler erweisen. Sonst wird der wild und schickt uns Menschlein, die wir uns gescheit wähnen, die Selbstermächtiger auf die Erde und lässt wählen zwischen sich und denen.

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„Wenn wir einmal nicht grausam sind, dann glauben wir gleich, wir seien gut.“ (Herr Stadlober zitiert Kurt Tucholsky)

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Elbbrücke Torgau / 21. Juni 2023

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Einmal werden wir noch wach, heissa dann wird blau der Tag! Der Westen fährt mal wieder aus seine allwissenden Schwingen über die zurückgebliebenen Brüder und Schwestern Ost. Wen interessiert es wirklich? Falsch! Wen wird es wirklich betreffen? Auf dem Gießener Kirchplatz trifft man sich heute in recht also sprich aufrechter Gesinnung unter dem Motto „Älter werden in Gießen!“ und warnt nebenbei die Wähler in Erfurt, Dresden, Freiberg und Saalfeld vor sich selbst. Chuzpe? Weia!

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Schönes Zitat das oben. Ein ehemaliger Jungschauspieler (42) – alle Schauspieler unter 50 oder 60 sind in der öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung der Pedelec–Boomer eh Jungschauspieler – hat eine Platte gemacht mit Tucholsky-Texten. Wird nicht gehört, aber das Zitat wird gerne geklaut von mir.

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Sarah ist eine extrem schöne Frau. Sie hat den bösen Frosch geheiratet. Der aus dem Brunnen sprang. Beide riechen und rochen stets, wo es knistert und knarzt zwischen den sich umarmenden Scheinheiligen und ihren wohlfeilen Versprechungen. Sie waren stets dabei. Sie werden daran weiter verdienen. Wer Dummheit richtig benennen kann, muss aber nicht per se schlauer sein. Gescheiter vielleicht. Ein zu lauter Versuch. Wie immer.

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Manchmal schau ich mir am nächsten Morgen, nachdem ich hier rumtippte, die Worte an. Meistens (97,8 %) nicke ich es dann ab. Das bescheuerte Momentum als ein einkalkulierter Fehler. Unbedingt. Hier darf ich das. Woanders hätte ich es gerne mal mehr. Schnauze! Wobei ich gelegentlich überlege die Texte mit den aktuellen Promillewerten zu unterlegen. Schwankt zwischen nüchtern und hirnfrei. Meist aber bleiben halt die unzähligen Zwischentöne.

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Zurück zum Stück. Auch morgen wird sich die Welt stante pede weiterhin weigern unterzugehen. Vor allem ante portas meiner unbedeutenden „restgermanischen“ Wohnung. Hyperventilierte Journalisten werden am Montag aber zufrieden auf ihr Gehaltskonto blicken dürfen. Nee, Genosse! Nicht Lügenpresse! Diesem Job wohnt inne das Ungeheuer! Call it clickbait!

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Wie cool ist das denn? Mal kurz vor Wahltermin einen Flieger gen Kabul freigeben? Währenddessen lässt sich dat Höckilein auf einer Simson – war doch einer meiner Onkels operativ und weit vorne an der Entwicklung dieses Mopeds beteiligt – mit dämlicher Tom-Cruise-Pilotenbrille auf der westdeutschen Nase ablichten. Und Sarah lässt sich derweilen ihren Pelzmantel abbürsten? Zuhause? Im Saarland? Weimar? Wo man heiratete? Der Spalt-Zwerg macht das schon! Gewiß nicht das Proletariat, mit der MADAME soviel zu tun hat wie Ananas auf Pizza mit Sardellen und Honig!

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Eben! Hä? Wenn ich wählen täte … Uff! … Nee! …. Aber! … Oder? … Fehlt!

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Das Leben bleibt letztlich eine Einzelfallanalyse! Tanzen wir bis morgen die Vermutungen runter! Ruth Underwood übernimmt!

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PS: Selbstredend werde ich wohl morgen ab 17:50 bis spät in die Nacht Wahlberichterstattung glotzen. Oder ist schon wieder Stadtfest ante portas?

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Wie ich in vier Jahren über zehn Chefgärtner kennenlernen durfte und so auch die Reflexe eingerastet verrosteter Strukturen amtlicher Masturbationen / Wer signalgebenden Farben vertraut, kann auf einer belebten Kreuzung gerne mal den Kürzeren ziehen oder biegt eben falsch ab vor der nächsten Urne

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Unlängst / Hinterhof / Gießen

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Uff! Das da oben ist die längste, wahrscheinlich auch blödsinnigste Übertitelung, welche ich hier je geschrieben habe. Aber die letzten zwei Tage waren nicht weniger blödsinnig. Vor allem in Sachen Wiederholung. Lieber Gerhard Gundermann! Übernehme kurz mal.

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Jeden Morgen haben wir die Möglichkeit

Daß wir liegenbleiben oder gehen

Daß wir Blinde bleiben oder sehn

Breiten wir die Flügel aus

Oder stehn wir zögernd auf dem Dach

Halten wir’s mit unsrer Liebe aus

Oder trauern wir ihr nach

Jeden Morgen haben wir die Möglichkeit

Amboß oder Hammer sein

Blumen werfen oder einen Stein

Halten wir den kleinen Finger hin

Oder geben wir die ganze Hand

Wollen wir auf Sparflamme drehn

Oder sind wir bald verbrannt

Fünf Minuten noch liegen

Auf unserm dicken Fell

Die Knochen gradebiegen

Draußen wird es schon hell

Freunde, nun laßt uns fliegen

Wir wollten doch irgendwohin

Wir sind schon zu lange geblieben

Wo wir nur zwischengelandet sind

(Gerhard Gundermann)

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Ich mag sie nicht, diese sinnlosen Karussellfahrten in Sachen Ohnmacht. Vor zwei Tagen hat wieder die Wohnbau Gießen mein tägliches Blickfeld massakrieren müssen. Warum auch immer. Siehe Bilder. Oben wie unten.

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Kurz danach / Hinterhof / Gießen / Gerne hätte ich ausgeschlafen

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Dann? Die üblichen Reflexe. Ich hüpfe nach unten. Stinksauer. Meine Wortwahl ist nicht edel. Der Ästeabschneider manisch. Auch ich. Verhindere aber den weiteren Verlauf der Exekution unschuldigen Grüns, die für die andere Seite wohl Selbstverständlichkeit, die ich Dämlichkeit nennen will.

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Hatte ich schon mal davon geschrieben? Ja und Ja und Ja! Genau: Ja!

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Und wieder, nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder mit dem jeweiligen „Chefgärtner“ der Wohnbau Gießen sprechen durfte – Wieviele haben die eigentlich? Kann sich die verarmte Stadt die alle leisten? – steht man wie der Ochse vor der massakrierten Hecke und denkt und schreibt Mails und – Tata! Tata! Tata! Wir erinnern uns an die alten Western! – stürmt der alte, gute Troubleshooter mit bezopftem Haupthaar– Klar! Hat alle Mails gelesen! Ist vorbereitet für sein „Gespräch“! Und hat eine Zeugin an seiner Seite! Falls was schiefrennt! – auf die Bühne aka unseren Hinterhof. „Hier hat sich jemand beschwert?“ „Ja! Ich!“ „Warum?“ An dieser Stelle ist es angesagt Texte auch mal abzubrechen. Natürlich ist er einer dieser zehn(tausend) Gärtner. Müde und bemüht. Oder Schreiner?

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Es war, nicht anders zu erwarten, ein höchst sinnfreies Gelaber. Textbausteine versus Wut. Ich bat dann die Gehenden, nicht mehr wirklich höflich, unser Hoftor zu schließen hinter sich und das schnell. Die Begleiterin hatte, kopfnickend und ihrer Rolle etwas unsicher, noch eingeworfen, dass auch sie zweimal im Jahr ihre Hecke schneide! Wahrscheinlich auf ihrem Balkon. Weiß schon! Ist bös‘. Geht aber ums Prinzip der Scheinkommunikation. Es knirschen meine Zähne noch.

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Und dann, das tat mir wirklich weh, die Beschwichtigungsantwort einer jungen Vorzimmerfrau – man googelt Linkedin oder so ein Scheiß – die halt beauftragt wurde …. Entschuldigung und so … die Hecke ist tot … Schluss! Ein Jeder*in muss sein Geld verdienen. Aber so? Wahrscheinlich!

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Wohnen ist nicht billiger geworden. Ein bisserl mehr Grünzeug vorm Balkon? Kann man vielleicht sogar die Miete für anheben. Das Lied dazu.

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„Durch diese hohle Gasse muss er kommen!“ (Friedrich Schiller / Wilhelm Tell)

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Magic bullets klammheimlich

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Der eine Zentimeter

Lincoln JFK Martin Luther King Robert Kennedy

Gestern aber

Der eine Zentimeter nur

Zitternder Mut

Und hinter der Säule

Bürgerbräukeller

Die eine halbe Stunde zu spät

Damals aber gestern

Der eine Zentimeter lediglich

Schafe im Wolfskostüm heulen auf

Geschlossen auf Picknickdecken

Neben offenen Gräbern

Der eine Zentimeter nur vorbei

Hinter Konstanz fassten sie

Georg Elser

Lenken blinde Götter die Kugeln

Klammheimlich

Der eine Zentimeter nur

Weiter rechts

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(gießen / heute)

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„Ich habe gerne einen Kopf wie eine Kristallkugel. Klar und durchsichtig!“ (Karl Lagerfeld)

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Lourdata / Kefalonia / Hellas / 3. Juni 2023 / Sichtbare Klarheit / Foto: A. Haas

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Und dann sagte der oben Zitierte noch, las ich eben, dass er sich meistens mit Trinkern, Drögelern und starken Rauchern umgeben habe, da ihn solche Nüchternen, wie er so preußisch halt gewesen sei, eher langweilten.

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Miro Klose, einer der sympathischsten Kicker ever, übernimmt die Clubberer.  In unserem Haushalt gibt es nun einen neuen Lieblingsverein.

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Der nicht nur aber eben auch profundeste Dylanvermittler der Republik (außer) Herr Detering wurde in den Orden pour le merite aufgenommen.

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Die Mehrheit der Wählenden in Limburg ist dafür die lästigen Tauben in der Innenstadt zu köpfen, statt auf weggeworfene Lebensmittel zu verzichten. Ich bin auch für das Köpfen. Ich werfe keine Lebensmittel auf die Gass‘.

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Der Nachwuchs reckt im Netz, auf Sylt, anderswo, an den Wahlurnen den rechten Arm ausgestreckt in die Lüfte. Die Boomer lehnen aber ab jede Verantwortung für den fragilen Zustand des Landes, belehren ungebremst weiterhin und mit großer Geste und planen dabei ihren nächsten Urlaub.

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Ein Rudi, den es nur 1x gibt, macht noch keinen Sommer. Traumsteuerung jeglicher Art wurde noch nie patentiert. Der Juni soll verregnet bleiben. Die Gastronomen stellen hektisch Fernseher auf und erhöhen ihre Preise gern.

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Sarah Butler und Oskar Brunnen und die Klagenerheber lachen sich einen weg. Gießen wählt frei nach Nina Hagen und sinnentleert. Alles so schön bunt hier. Ich kann mich gar nicht entscheiden. Was volt Ihr? Die Partei?

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Wenn auf den Dünkelsendern 3Sat oder Arte Kultursendungen laufen, moderiert von feministischen Highheels, möchte ich die Glotze aus dem Fenster werfen. Wie einst die Anhänger der Azzurri, wenn ihr Team verlor.

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Mein Hirn ist leider keine Kristallkugel. War es nie. Mein Hirn ist der quälende Eintopf, indem ich die Reste eines Tages versuche zu verrühren. Meistens aber zu ertränken. Warum das Mantra besingen? Wünsch Dir was?

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William S. Burroughs schrieb mal: „Radiert Das Wort ‚Akzent‘ aus. Radiert Das Wort ‚Klasse‘ aus. Radiert die Alten Seilschaften aus. Radiert die Worte aus.“

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Die Behauptung das Leben des Menschen, der Gesellschaft, einer Ideologie könnte Stringenz, Klarheit oder gar die Möglichkeit einer Einschätzung beinhalten, ist nicht nur obsolet, sondern einfach nur Absurdistan rules ok!

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Das Land der Darbenden feiert jedes Wochenende Feste. Samstags und sonntags und auch sonst wird in den Cafés offensiv gefrühstückt. Viel übrig, was man danach wegschmeißen darf. Die böse, böse Pandemie ist schuld?

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In den Bodensee floß dieser Tage viel Wasser. Habe oft mit meiner Mutter in der Sache telefoniert. Da passt viel rein. Sagte sie gerne. Jetzt läuft er über.

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Schmeiß deine Gedanken in die Luft. Runter kommt das Zeugs immer. Mal so. Mal anders. Mal so. Mal anders. Mal so. Cut up. Es kommt eh. Runter.

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Heute versuche ich mir mal den schwulen Junkie William S. Burroughs und den schwulen Preußen Karl Lagerfeld als ein Paar vorzustellen. Geht doch.

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Unser Gemüse wird tagtäglich von Schnecken angegriffen. Nicht nur unser Gemüse. Sie sind in den Nächten überall. Ihre Schleimspuren sieht man nie.

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Wer sich nicht den eigenen Ängsten überzeugt in die Arme schmeißen will? Frag mich nicht. Die eigene Lächerlichkeit gilt es gelegentlich zu ertragen.

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Manuel Neuer muss weg!

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Ich schaue entschieden zu viel Fernsehapparat. Die Schwäche des Alterns.

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Aus diesem Text komme ich so nicht raus. Außer ich höre einfach auf.

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(eben / weder regen / noch sonne / ewiger april)

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