Agios Nikolaos / Friedhof / Peratata / 3. Juni 2023
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Was wird auf meinem Grabstein steh’n. Überraschung?
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Wollte er gehen, so stolperte er? Wir hatten uns in ihm getäuscht? Er war einer von uns? Hätte er weniger gedacht, wäre mehr Leben möglich gewesen? Wanderer, verweile nicht länger als nötig? A schöne Leich‘? Da liegt einer (ohne Name!)? Entschuldigung? Es war nicht zu vermeiden?
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Da debattieren sie im Bundestag heute zwei Gesetzentwürfe in Sachen Beihilfe zum Selbstmord. Sie nennen es assistierten Suizid. Was ein grauenhafter Sprech. Sehr zwiespältige Angelegenheit. Erst verlängern wir mit modernster Medizin das Leben ins Unendliche und dann muß eine Abzweigung eingebaut werden. Hatten einst nicht, die die es sich leisten konnten, den Ring am Finger mit dem kleinen Giftbehälter, um sich in der größten Not den Schierlingsbecher selbst zu mixen? Ist man aber tatsächlich Herr seines Schicksals? Ich glaube, obwohl ich nicht wirklich glaube, nicht so recht daran. Gibt es so etwas wie Dankbarkeit für das Geschenk Leben? Lohnen Klagen und Vorwürfe, die man den ungerührten Göttern vor die Füße schleudert? Ersetzt ein Bundesverfassungsgericht den Priester? Die Schuldfragen. Darf man schuldbeladen gehen? Einfach so. Weil man nicht mehr kann? Die Schnauze voll hat? Zurück zur Dankbarkeit. Ich weiß es wirklich nicht. Fällt unser Umgang mit Muttern Erde eigentlich auch unter assistierter Suizid?
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Seit sich mein Vater vor 50 Jahren selbsthändig vom Leben verabschiedet hat – mit gerade mal 48 Jahren und dem Krieg im Körper – bin bei diesem Thema natürlich belastet. Ich weiß immer noch nicht wie tiefgehend das mein Leben beeinflusst hat. Daß dies doch schwierige Startbedingungen waren, war mir nicht immer klar. Mit zunehmendem Alter begreife ich mehr. Es ist jedoch weiterhin nur ein Ahnen, kein Bescheidwissen.
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Sitze ich an der Tastatur schaut mir Helmut Schmidt über die Schulter, wie ihn Bernhard Heisig im Jahre 1986 malte. Darunter Schmidts Lieblingsgedicht von Robert Frost.
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The woods are lovely, dark and deep
But I have promises to keep
And miles to go before I sleep
And miles to go before I sleep
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Bob Dylan sang schon als Jungspund auf seiner ersten Platte mit Altmännerstimme vom selbstbestimmten Tod. Da hatte er noch einige Wegstrecken vor sich. Jetzt ist er „never ending“. Ja, es gibt noch etliche Meilen zu gehen. Besser zu zweit. Verantwortung beginnt beim Gegenüber.
In den Sandkästen schlugen wir uns die Plastikschaufeln auf die Köpp
An der Fasnacht auch mal eine Käpselepistole
Was den Vater nicht erfreute
Der hatte mit kargem Lohn die fordernden Mäuler gestopft
Seine Aktentasche flog durch die Luft und trennte Kain und Abel
Für einen Moment
Biblisch wurde es dann nicht aber blieb kleinlich
Scheele Blicke auf Teller rechts oder links
Selbst ich der ich die 190 cm Lebenslänge anstrebte
Hatte das Gefühl gekommen zu sein
Jedoch zu kurz
Dumme Flecken unter Decken und daß John Wayne am Ende seiner Filme
Oft die Dorflehrerin die dem maßlosen Westen Kultur beibringen sollte
Den Hut ziehend in Schräglage küßte machte Hoffnung
Dann übernahmen Clint and Sergio und man spielte eher Lieder vom Tod
Staubaufwirbelnd einsam stolz
Wir gaben unseren bekifften Fahrrädern die Namen der Pferde Winnetous
Die kargen Berge des Südens nun Verheißung und Erinnerung
Der klammen Träume und an die Decken der Kneipe die Teebeutel
Geschleudert blieben sie hängen und einmal rutschte der Whisky genauso
Elegant über den Tresen wie bei John Ford
Der stete Wind trieb Tumbleweed über die Main Street
In dieser stupenden Langeweile möchte ich Siege feiern
Der Föhn blähte nicht die Segel sondern trieb mich vor mir selber her
Schlingerndes Schiff
Heute klebt man sich an den Dingen fest diese zu bewegen
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Bei uns alten Jungs ist halt – TRIG*GERWARNUNG! TRIGG*ERWARNUNG! TRIGG*ER*WARNUNG! – Hopfen und Malz verloren. Wer mit dem ganzen Wild West Kram sozialisiert wurde, kann nicht anders als hinter jeder der kargen Bergketten die angreifenden Komantschen zu ahnen, in Schluchten das Signalhorn der rettenden Kavallerie zu hören und Nscho-tschi sterbend in den Armen halten zu wollen. Zur Not Rock `n´ Roll auf die Bühne setzen.
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Der Nationalpark rund um den Berg Enos, unser Hausberg auf Kefalonia, ist eine der perfektesten Landschaften in Sachen hier kann ein gerne noch mal wilder Westener einer sein können dürfen mögen. Zumindest im Kopp. Meine Frau hielt ungerührt das Lenkrad des Mietautos in den Händen, während ich euphorisiert meine gesammelte Westernfilmhistorie zum Besten gab. Mal wurde zugehört, mal um Schweigen gebeten. Ironische Distanz, eine Gabe die nicht jedem gegeben. Und dann bogen wir um eine der etlichen spektakulären Kurven. „Du musst hier halten. Hier haben sie das Cover von Ace of Spades photographiert.“ Pure Behauptung. Was soll man aber tun, wenn die Assoziationen und Erinnerungen einen überfallen?
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Was ich nie gelernt: Nicht die besten Karten auf einmal auf den Tisch legen!
Mann braucht keine Worte, wenn mann mal sehr müde ist.
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An der Kreuzung in Divarata, gegenüber der Taverne gab es einen der herrlichen griechischen Mini – Markets, kaufte ich mir einen neuen Hut. Meine Frau übernahm meinen alten Hut. Und auf dem Parkplatz ließen wir ihren noch älteren Hut zurück. Zur freien Verwendung. Dann fragte meine Frau den Hutverkäufer, ob es vor Ort einen Geldautomaten gäbe. „No, no. Not here. But soon. May be in three oder four weeks!“ Was heißt? Drei Jahre? Oder vierzig? Braucht man den Geldautomaten? Ach Veränderungen!
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Unter den älteren Hüten brodelt ein seltsames Wüten
Schaut man in den Spiegel sitzt du auf einem Igel
Im fremden Fleisch der Stachel juckt mich nicht
Doch meine Angst die sticht und sticht klare Sache kurz mal Rache
Über’s eigene Versagen stellt uns keine Fragen wir antworten später oder nie
Mundwinkel zucken und verziehen sich wo gestern noch Verlass mich nicht
Heute geh‘ ich selber und auf der Schlachtbank Kälber im Ringelreih’n versammelt
Altes Vertrauen gammelt schweigend vor sich hin sage sage deine Klage auf und lauf
Den abgelaufenen Hut an einen Ständer hänge und ändere die Gesänge oder kreisel weiter
Dann wenigstens ein bisserl heiter
Junge Köpfe alte Hüte meine deine gute Güte hüte oder nicht
Kommst du vorbei der alte Hut ist frei
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Giorgos Dalaras wieder. Pame Gi‘ Allou. Gehen wir woanders hin.
Dann durch Gotha. Blick auf den Busbahnhof. Oben eingeschrieben in die Kante der Überdachung ein Zitat des weltweiten Frankfurter Geheimrats. Tusch! „Denn man reist doch wahrlich nicht, um auf jeder Station einerlei zu sehen und zu hören!“ Goethe heißta, der ahle Maista!
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Der Zug leert sich. Will denn keiner in den Westen weiter? Oder halluziniere ich? Die Gewitter sollen nahen, tun es nicht. Ich krame in meiner Tasche rum. Ach und ach! Eben noch in Torgau im Schloß Hartenfels eine kleine, feine Ausstellung angeschaut. „Die Stasi“. Tatsächlich angekündigt in Anführungszeichen. Mein derzeitiger Wohnort war dem Schild der Partei offensichtlich nähere Betrachtung wert. Wieder nix Neues, aber gut immer wieder daran erinnert zu werden. Siehe das Photo oben. Stift und Reim her.
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Passionen revisited
Ich vertraue nicht mehr den trockenen Worten
Die Schleifen basteln mögen
Und Kurven drehen geradeaus
Statt mit Säure angereichert
Zwischen den Zähnen herauszuschießen
Auch auf die Gefahr hin
Zu schlittern
Herr Oberin
Zahlen bitte
13 48 3 24 8 37
Wir hörten die Gewinnzahlen der Mittwochsziehung
Protokoll
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Dann Eisenach. Mein Hirn wird weich und weicher. Blasen an den überhitzten Füßen. Zeit für einen Limerick.
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Geboren ward der Basti Bach
Vor Jahren einst in Eisenach
Dort lernte er von Flöten
Und auch von den Nöten
Er orgelt seitdem Gottes „Ach“
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Dann schlug mir die Hitze den Stift aus der Hand. Und ich überfuhr die alte Grenze. Ich schau da immer noch aus dem Fenster. Es gibt sie nicht mehr. Sagen die Einen. Und die Anderen nicht! Jeder bleibt vor sich allein. Das WIR ist und bleibt wirrer denn je.