Weiße Rücken, die entzücken und die Binden der selbstgerechten Blinden

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Ekhof – Theater / Schloß Friedenstein / Gotha / im Oktober 2021

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Weia! Großes Theater in der Wüste. Dass dies eine absurde Veranstaltung wird, war ja abzusehen, aber dass gleich in den ersten vierundzwanzig Stunden so verbissen um den Oscar in Sachen Peinlichkeiten gefochten wird, hätte noch nicht mal ich als Zyniker vor dem Herrn vermutet. Ein paar Reime plus Nachgedenken. Bis Weihnachten.

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Das Kehren

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Es kehrt der Scheich

Gewohnt nur Sieg

Den Rücken weißbetucht

Und leise dem Propheten flucht

Eventuell der Zweifel voll

War die Idee denn wirklich toll

Doch die Verträge sind gemacht

Das ziehn wir durch wär‘ doch gelacht

Zur Not vor leeren Sitzen

Wir dürfen schwitzen

Doch ihr mit krummen Rücken bettelt

Schrecklich in Moral verzettelt

Was war’s noch gleich

Weshalb besucht

Uns nun seit Wochen

Kommt schleimend angekrochen

Ihr

Wir ham doch gut gezahlt

Und jetzt halt Krieg

Doch noch ein Sieg

Dem Scheich

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Derweilen sucht die Binde

Die früher nur der Blinde

Trug dass man ihn erkenne

Und nicht auf Übergängen

Tät in die Ecken zwängen

Doch diese Sehet! Binde

Tragen nicht mehr Blinde

Sondern die die sehen

Was andere leider nicht

Verstehen obwohl

Doch leider wird die Binde teuer

Das weiß sogar der Dings

Und die anderen sechse auch

Legen sich auf ihren Bauch

Den Kopf im Wüstenwinde

Ach scheiß doch auf die Binde

Das könn‘ wir uns nicht leisten

So kehr’n auch wir den Rücken

Doch leider nicht vor eig’nen

Türen

So kann man nur verlieren

Spricht die Moral im Drittpullover

Katar Alaaf und es isch over

Helau dem DfB

Ach nee

Als letzter Reim

Fahret halt heim!

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Der blinde Schreihals findet nichts

Nicht mal ein Körnchen

Mut

Und lebt denn noch die Lichtgestalt

Oh ja sie lebt sie lebt noch

Doch tief im Wald

Und hat es längst vergessen

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Ungereimt noch dies. In den nächsten Tagen wird wohl eine Peinlichkeit die andere jagen. Und so bescheuert diese durchgeknallte FIFA – Glatze ist, mit der Doppelmoral des Europäers hat er recht. Da muss man nur ein, zwei Minütchen bei ARD und ZDF reinriechen, wenn sie sich im überheizten, grell beleuchteten Studio in den Schritt greifen und gegenseitig an Deutungswucht übertreffen wollen. Denke aus diesen Reihen wird der Favorit (oder das andere Chromosom) in Sachen „Oscar Peinlichkeit / national“ erwachsen. Weltweit? Infantino ist da schon Wettkönig. Aber vielleicht kommen ja noch der Wladimir und der Silvio und der Sepp vorbei. Und wie hieß noch der VW’ler? So ein bisserl Bunga – Bunga im Luxusresort? Da haben die Weißrücken ja nüscht gegen. Oder Olli?

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Aber es gibt ja auch die regionale Ausgabe des begehrten Preises. Da wohnt der Geheimfavorit bei mir um die Ecke. Ein Lokalblatt fragte sich die Tage durch die Kneipen, wer zeige und wer nicht. Die einen so. Die anderen anders. Vollkommen in Ordnung. Soll jeder machen wie er will. Schon allein wegen dem Doppelmoralmist. Also mein Favorit, am Hungertuch nagender Großgastronom in Gießen, der mit seinen regelmäßigen Preiserhöhungen die anderen Kruschtler vor sich hertreibt, krokodiltränt, er zeige deshalb Katar, weil er wegen der stressigen Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt sich nicht mit der Lage in der Wüste beschäftigen konnte. Hä? Das muss man erst mal bringen. Seit bald fünf / sechs Jahren kümmert sich der Mann um unsere sogenannte Weihnachtskultur? Weil Glühwein aus riesigen Plastikkanistern verkaufen ist ja eine Art von Gottesdienst? Aber bleiben wir auch hier gnädig. Dumm kann jeder von uns selber. Der große „Si tacuisses“ – Ehren – Santa Claus ist ihm aber gewiss, dem kleinen Provinzpaten. An Weihnachten folgen dann alle Preisträger.

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Mit dem Song unten eröffnet Dylan seine Philosophie der modernen Lieder. Traum: Harry Kane singt es gleich und kehrt. Erst seinen Rücken. Oder vor der eigenen Türe dann. Back home. Andere folgen auch noch. Weia!

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Fast schon wieder eine Bagatelle nur

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Bremen / 13. Juni 2021

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Strategie, Fanta und sie

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Jahrestage Baumringe Augenringe

Du greifst nach Liedern

Jenen Liedern denen du nie richtig zugehört hast

Zwei Zeilen in die Erinnerung gekritzelt bestenfalls

Und alles für wahr befunden

So isses doch so genau und

Auf diesem langen Weg nach Hause

Wenn der letzte Bus ausgefallen war

Dies deine Ausrede für morgen

Summst du wieder und wieder den Namen

Getränkt mit irren Anschuldigungen

Aber wenn doch es ganz anders

Liebeslego Zukunftsscrabble

Oder der Märklinbaukasten Metall

Der Flugzeuge in den Himmel schickt

Heute Nacht jedoch nicht mehr

Heute nur Asche im Mund

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(Gießen / November 2022)

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Für die Asche im Mund danke ich Bob Dylan, der diese Worte in der „Beschreibung“ untigen Songs nutzt. Ans Herz gelegt der erste Kommentar zu diesem Clip. Vielleicht war es Dylan. Unter einem Alias. Und singende Schlagzeuger haben auch schon was.

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https://www.youtube.com/watch?v=rS51wQoRERg

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Ausgerechnet Götze oder von Hoffnung

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Reutte / Tirol / 13. Juni 2022

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Ausgerechnet Götze der kleine dicke Bub

Der des depressiven Schürrle Pass in die Kiste hub

Und alle Pilger unseres Jogis aus Schönau

Hüpften auf dem Sofa hoch

Ich henn`s gewißt! I au!

Löwy au der Besserwissi

Du machsch mir etz direkt der Messi

Dann ward der Bub verschwunden und wurd krank und Bayer

Schmorte dick und dicker auf der Bank

Mal zehn Minuten Einsatzfeier

Heiratete sein Gegenbild zum Wohle seiner … Zukunft

Die nicht mehr lag in Kloppos warmen Arenen

Wo die Nation noch Hoffnung tat wähnen

Dass eben der kleine dicke Bub nochmal

Den Pass von Schürrle hub

Doch jener selbst sich schon versenkt

Ungewollt und aufgehängt

In müder Dauerschleife alten Triumphs

Vergangenheitssumpf und hektisch transferiert

Die Hoffnung gern Gesicht verliert

Und nun aus fernen Hollands Stränden

Kehrt er zurück der Mario

Die Nation schon wieder richtig froh

Er soll nicht enden

Als Bub mit ewig dicken Backen

Noch einmal sich am Schopfe tat er packen

Und adlergleich beflügelt

Aus den Sümpfen er

Zurück zu den Triümphen kehrt

Und Flickens Hansemann

Glaubt dass er es nochmal machen kann

Auch wenn

Dies nun des Reimes Ende

Man Kicker niemals in die Wüste sende

Lasst regnen es aus den Hintergründen

Schwarz – weiße Bilder

Bestraft die Sünden

Dem dicken Bube toitoitoi

Alte Hoffnung ist nicht neu

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PS: Aus aktuellem Anlass. Ein bisserl freu ich mich schon für den Götze mit den gar nicht mehr dicken Backen. Aber gucken deshalb trotzdem nicht. Ähem! Vielleicht habe ich eben hoffnungsfroh gelogen. Hoffentlich nicht.

Altes Haus und Ufer gegenüber

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Bildstein im Bregenzer Wald / 7. Oktober 2022

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Das alte Haus

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Als ich unlängst

Ich spielte unachtsam und begeistert mit

Sich selbst entzündenden Streichhölzern

Das alte Haus beinahe abgefackelt hatte

Selbstvergessen und erschöpft von den Zeitläuften

Und dem was unvermeidlich

Leises Verschwinden du

Jedoch nicht vergessen konnte wo der Löschteich

Und liebevoller blickte wieder

Auf die Staubmäuse den kleinen Schimmelfleck in der Küche

Den Riß in mancher Fensterscheibe

Fiel hinter einer herabgleitenden Tapetenbahn vergessen

Altes Silber hinab und

Achtlos noch auf dem abgetretenen strapazierten Teppich

Golden glänzend lag es

Obwohl ich gelegentlich auf den Balkon trat

Hinüberblickend zum anderen Ufer

Nicht wissend ob jene Hütte dort

In Flammen schon

Noch bewohnt oder von den

Baggern des Vergessens

Plattgemacht

Mein Erinnern ein

Fliehendes Pferd

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(Gießen / Anfang November 2022)

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Wasserburg am Bodensee (Martin Walser – Town) / 6. Oktober 2022

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Eselsohren gelegentlich

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Wertheim / Goldener Ochse / 12. Oktober 2022

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Zwei Finger breit ja

Zwei Finger breit werde ich mir die Butter aufs Brot streichen

Am besten streichen lassen

Schrie er mir hinterher der Schmerbauch reicherer Jahre

Und Du Gemüsespacko kannst mich mal kreuzweise

Mein Auto bleibt hier stehen

Und wenn Du Tofukugeln kotzt

Im Strahl

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Mein Rücken war schon immer nur ein Garderobenständer

Gescheitle

Auf den Sackgesichter ihre vererbten Nerze hängten

Während meine Bandscheiben dahinschmolzen

Und die Kniescheiben mit dem Asphalt der seit dreissig Jahren

Nicht mehr oder weniger

Ausgebesserten Strassen verschmolzen

Und Du labberst mir einen zweiten Pullover in die kalte Wohnung

Lass mich mit dem Scheißkrieg in Ruh

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Hey, Boomer, sei froh, dass ich nur an Dein Haus piss

Und nicht in den verstopften Auspuff

Von Deim Elektrofahrrad

Du schnallst echt nur nix

Aber erst mal Deinen Gürtel enger

Vielleicht mal schnallen

Was soll ich aufheben

Hey, nochmal, was soll aufheben bitte

Ich?

Wenn Du nicht aufpassen tust kleb ich Dir

Deine Selbstgewissheit mit Sekundenkleber

Kannst Du Dir aussuchen wohin

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Biiiittte! Biiiiitte! Speeeende!

Jeden Tag zweimal dreimal Strassenseite wechseln

Das ist nicht Armut das ist doch organisiert so

Sagt Schlaumeierchen und will seine Ruhe und weiß sofort Bescheid

Künftiger oder vergangener Armut ins glasige Auge zu blicken

Dazn aber ein ganz anderes Thema

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Den fremden Lebensbüchern viele Eselsohren

Fügten wir zu

Das Bügeleisen glättete diese alten Hefte zu Poesiealben

Satt und Blatt und Mäh

Schrie die Ziege einst

Überfressen und im wüsten Grimm

Und wo ist mein Haus

Mein altes überheiztes

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Darf ich Sie mal was fragen?

Gerne.

Wo ist denn Ihr Haus?

Ich hatte mal eins.

Und wo ist das jetzt?

Weg! Aber ich hätte da noch ein Salatblatt für Sie.

Was soll ich damit?

Basteln Sie sich daraus ein Eselsohr!

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Auf der Hardt / Gießen / Wintersalat / Anfang Oktober 2022

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Novemberstolpern eines Blauen Engels

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Kiel / November 2021

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Und wie man fiel über den eigenen Unrat

Den lange Müdigkeiten gestapelt hatten unter den welkeren Häuten

Herr Professor und Löwe mähnenlos

Und nicht blickte aufs prangende Kneipenschild

Und nicht dachte ob und wie denn

Wird jemals ein Engel so blau wie Du

Holper die Stolper ins Vergessen

Nicht gerutscht: sondern getanzt

Und tat man dann als sei die Fremde visavis

So eine Art vergangener Zukunft

Die Möwen flogen über die Förde

Die Trawler warteten

Vor dem Grauburgunder mit Hafermilch

Abgeschleppt zu werden

Die Schwebefrau die mit dem Tablett den ungleich besetzten

Nachmittagstisch wohlwollend umkreiste

Blickte

Sehnsüchtig und der Sorgen voll

Dann auftritt die Chefin

Hadesfalten unter den Augen eines langen Lebens

Dienend daran die Engel blau zu machen

Kassierte ab beim Zurückgebliebenen

Der es nicht mal ahnte

Jedoch wußte

Einer geht noch

Nicht nach Hause

Und bleibt ein Geist

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(Kiel am 3. November 2021 / Gießen am 3. November 2022)

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Lindau / Oktober 2022

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Übers Wasser gehen und von der Rente

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Nonnenhorn / Freibad / 8. Oktober 2022

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Dem Dilemma

Die Hand geben

Sachte davon schweben

An der Geschichte weben

Die niemand erzählt

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Bleib nicht an Gesten kleben

Versuche eine Feder zu heben

Brich deiner Leiter Streben

Klag nicht über Kleinhirnbeben

Was hatte Hiob schon gequält

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In all den Wüsten

Als alle Tage noch düsten

Und uns nicht verdrießten

Oder vermiesten

Den Mangel an Glut

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Doch letztendlich mussten

Wir röcheln und husten

Jene Tage der bewussten

Stunden und von den Verlusten

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Heute geht es mir besser

Zwar lang noch nicht gut

Doch über Gewässer

Werde ich gehen

Wir werden es sehn

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Und außerdem hat Bob Dylan ein Buch geschrieben

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PS: Die meisten der letzten Photos von und an den Ufern des Bodensees habe nicht ich, aber die Lebensbegleitung gemacht. Danke dafür. Und mehr.

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Herbstlachen

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Costa del Sol / Konstanz / 11. Oktober 2022

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Und wie ich zurückgekehrt

Watte zwischen den Zähnen

Eingeübt Eingeübtes ausspucke

Kein Bild mehr im Portfolio

Zwischen Ausweisen Impfbescheinigungen und

Dem Benutzerausweis der Stadtbücherei

Kein gereimtes Quengeln mehr

Nur mein Kratzen am schuppigen Haaransatz bleibt

Die Trinkerhaut

Ein Reiben ein Schieben

Das Glas in der Hand schwingt singt nicht heute

In der Magengrotte

Das schlingernde Floß

Mühselig die Muskeln um die Knochen schlackernd

Keine Erinnerung an den Tag

Morgen dann vielleicht

Aber zuerst von der Freundlichkeit der Müden

Umkreisen sich nur

Dienen

Keine lauten Volten Funken schlagen

Nicht Manegen bezaubern

Wollen nichts

Auf leiseren Sohlen aber

Die Nägel in die Wand hämmern

Den schwereren Rahmen zu halten bis er verstaubt

Herbstlachen

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(Gießen / 20. Oktober 2022 )

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