Wo ist die Zeit / Hendrix beinahe 80

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Das Geld für drei Platten hatte ich zusammengebracht zu meinem 16. Geburtstag. Einmal von Mama, dann erspartes Eigenkapital und noch ein Geschenk von Klassenkameraden, vor allem *innen, die zusammengelegt hatten. Also auf zu Bertelsmann, obwohl die Auswahl da doch leicht eingeschränkt war in Sachen, was wichtig war in jenen Tagen. Aber da gab es auch noch Rabatt, weil die Eltern seit Jahren Abonnenten waren. Lesezirkel hieß das, meine ich mich zu erinnern. Begleitet wurde ich von zwei Klassenkameradinnen. Hinter der Einen war ich schon seit einiger Zeit hinterher. Als sie mich dann im Jahre drauf auf einer Südtiroler Landschulheimwiese erhören sollte? Eigentor. Die Andere war die beste Freundin der Einen. Und dann gab es noch eine Dritte. Und mehr Mädels waren zu der Zeit nicht in unserer Klasse. Dann noch, je nach Lage in Sachen Auf- oder Abstieg, um die zwanzig Buben.

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So eine Art Tresen. Barhocker. Man konnte sich die Platten anhören. Zwei oder drei Hörplätze mit zwei bis drei Kopfhörern. Riesenteile. Weich und manchmal was klebrig und garantiert nicht desinfiziert. Als erstes „Derek and the Dominos“. War klar. Das große Liebesjammern von Eric Clapton. Layla und die anderen klagenden und bettelnden „assorted“ Lovesongs. Auf den Knien. Grauenhafte Selbstentäußerung eigentlich. Aber da konnte sich der Bub in seine unerfüllten Sehnsüchte reinfallen lassen. Immer die schwer bis nicht Erreichbaren im Visier. Als ob er Niederlagen als Ersatz für die Bestätigung herbeirufen müsse. Das manchmal ebenso lange Jahre lang eine Dritte, hier sogar die Dritte, entflammt am Rande der Tanzfläche stand, erfährt der Bub vielleicht beim 30 – jährigen Abiturtreffen. Zu spät und ein bisserl kokett.

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Ok. Aber jetzt musste noch der vermeintlich „harte Kerle“ in dir bedient werden. Black Sabbath. Paranoid. Gleich der erste Song War Pigs trifft. Mehrere Fliegen sind geschlagen. Mit der plakativen Wut auf die Kriegsschweine ist einiges unter den Hut zu bringen. Der junge Maoist. Der Pazifist. Natürlich mit der revolutionären Knarre in der Hand. Der Sohn eines armen Soldaten. Der kleine Träumer. Der Selbstzweifler. Der Klassen(laut)sprecher. Und die noch nicht entdeckte Wut, ein treuer Begleiter später. Man steht aber auf der richtigen Seite. Rein in die Tüte.

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Und dann ist da noch der Schwarze Mann. Der akkurat getrimmte Wuschelkopf. Das schreiend bunte Hemd. Und der verliebt gesenkte, fast schon meditative Blick auf seine Gitarre. Aber die hängt doch falsch rum am Musikus. Warum? „Der ist Linkshänder!“ Ich doch auch. Eigentlich. Aber wir wurden bei der Einschulung umgepolt. „Gib dem Onkel die rechte, nicht die böse Hand!“ Was wissen die schon! Was weiss ich schon? Jimi Hendrix und seine Bande der Zigeuner antwortet. Und dann das damals überhaupt nicht nachvollziehbare Anfangsgeschrammel von Machine Gun. Was ist das denn für ein Instrument? Bass, Gitarre, Drums gemeinsam in einem undurchdringbarem TschakaTschakaRumms. Die Wucht dieses ersten Hörens, die mich noch öfters einholen sollte, habe ich nie mehr vergessen.

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„Who Knows“

They don’t know

They don’t know

Like I know

Like I know

Do you know

They don’t know

I don’t know

I don’t know

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Etliche Jahre später las ich mal, dass Hendrix ein großer Dylan – Verehrer war. Er rieb gerne den, dann die Augen verdrehenden Soul Sisters oder Brothers, die drei Zentralwerke Subterranean Homesickblues, Highway 61 revisited und Blonde on Blonde unter die Nase. Las ich.

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Was für ein schönes Cover der Tränen des Zorns. Und eine Feier der Kraft einfacher Musik. Wenn sie nicht aufhört zu träumen, naiv bleibt und halt Musik macht. Also die Musik. Oder so. Am besten im ewigen Hotelzimmer. Nicht perfekt werden wollen. Was wissen wir schon. And life is brief.

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