Die Jacketkrone oder: „Ich bin kein direkter Rüpel, aber die Brennnessel unter den Liebesblumen.“ (Karl Valentin)

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Die Nacht von Recklinghausen / Tragikomödie des Erinnerns in 5 Akten

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Prolog:

Letzte Woche fuhr ich nach Recklinghausen. Ruhrfestspiele. Hatte mich sehr gefreut. Reise in die Erinnerungen . Die Schattenspiele. Ein auch für mich persönlich besonderes und aufreibendes Jahr betrachten. 1982. Hadere seit einer Woche damit was und wie ich schreibe davon und dann darüber. Die grundsätzliche Frage: Ist Erinnerung nicht stets ein tragikomischer Ringelpiez? Mit oder ohne Anfassen?

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Erster Akt:

Ich hatte besagtes Spiel alleine gesehen. In meiner damaligen WG am Martin-Luther-Platz. Köln. Südstadt. Schauspielschüler. Warum alleine kann ich nur noch vermuten. Vermutlich stand unsere Premiere bevor. Und unser Regisseur hatte uns Dezenz verordnet. Die meisten Spiele dieser unsere wilden Proben begleitenden WM hatten wir davor gemeinsam angeschaut. Berauscht. Oder ernüchtert. Das Unentschieden gegen Österreich etwa. Algerische Geldscheine fliegen von den Rängen. Deutschland erfindet mal wieder einen Nichtangriffspakt. Man weiß ja wo das endet. Fragt Dschughaschwili. Wenn ich das trügerische Portfolio meiner Erinnerung durchforste, ist natürlich die legendäre 57. Minute noch vorhanden, aber vor allem uns aller Lieblings-Litti, der Fallrückzieher von Klaus Fischer und der heulende Stielike. Dass da ein Breitner mitgespielt hat, habe ich erst wieder letzte Woche erfahren. Und der Schlucksee in der Vorbereitung war natürlich Thema. Wir stießen darauf an. Nachts in den Kneipen, nachdem der Express-Verkäufer uns mit den neuesten Meldungen versorgt hatte.

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Zweiter Akt:

Ich habe mich nie am deutschen Volkssport namens Bahn-Bashing beteiligt. Die Eisenbahn hat mich stets von der Vorstellung zu den Proben, dann nach Hause und wieder zu neuen Ideen und Bühnen gefahren. Gelegentlich musste ich improvisieren, aber auf der Autobahn kommt man eher selten mit Mitreisenden ins Gespräch. Es lebe der Speisewagen! Jedoch letzte Woche! Gewiss, alte, weiße Nerven liegen blanker inzwischen. Aber, nachdem der Zug ein drittes Mal auf offener Strecke stand, der Bordlautsprecher beharrlich schwieg, kein Getränkeverkauf die Synapsen entspannte, da sieht man nicht mehr rot, sondern? Nein! Nein! Nun gut, ich war früher oft im Pott unterwegs, dachte nimm dann halt die S-Bahn. Dortmund statt Essen. Oder gleich über Wanne-Eickel. Leider da eine Streckensperrung. Dann sprach man wieder mit den Fahrgästen. In Dauerschleife. Technische Störung. Technische Störung. Technische Störung. Ich dachte: reden die jetzt vom Mittelfeld der deutschen Nationalmannschaft der letzten Jahre?

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Dritter Akt:

Diese Freundlichkeit. Kaum den Fängen der Beförderung entkommen – ist dies die Entschädigung? – offene Menschen. Ein Blumenhändler, der gerade seinen Stand abbaute und mich auf Nachfrage bis zu meinem Hotel geleitete, der Hotelbetreiber, er tut dies nun in siebter Generation, erklärt mir die Stadt und wie und wo ich laufen solle, der Busfahrer Richtung Festspielhaus unterhält, da sein Gefährt noch Behandlung braucht, die Fahrgäste mit Anekdötchen und da ich im Park vor dem Musentempel sitze, auf Einlass wartend, grüßt mich jeder Passierende. Und dann die Dämlichkeit. Die übliche wahrscheinlich. Festspielhäuser stehen wohl auf Hügeln. Nicht nur in Bayreuth. Ich war früh da gewesen. Vor dem Gebäude Buden und Sitzbänke und viel Platz. Ich drehte noch eine kleine Runde im Park. Zurück. Der gesamte Vorplatz nun zugeparkt mit Dickeiermobilen. Die Politik war angekommen. Iss ja eine Premiere. Der offizielle Parkplatz zwar keine Laufminute entfernt. Leibwächter sind wahrscheinlich zu teuer. Inmitten der alten, weißen Schlipsträger – Darf man mit über fünfzig sich eigentlich noch mit Undercut in der Öffentlichkeit zeigen? –   tanzte eine ältere Dame im unvorteilhaften, groß geblümtem (Rosen!) Konfirmantenkleidchen durch die Herren. Die Stimme schrill. Deren Präsenz den Vorplatz dominierend. Kameras: Klick. Klick. Klick. Es war Claudia Roth. Den größten Lacher in meinem Rio-Reiser-Abend kassierte das Ensemble, wenn Rio der damaligen Managerin der Scherben riet, den Rock’n’Roll sein zu lassen und zu den Grünen zu wechseln. Da meine Blase voll war oder ich dies zumindest vermutete, konnte ich mich nicht mehr fremdschämen. Wir nähern uns also ungeduldig dem Einlaß und der Kunst. Habe noch nie einen „Theaterabend“ erlebt bei dem die Schlange vor den Herrentoiletten länger war als bei den Ander*innen. Es ist die Prostataangst, die uns auffrisst. Wahrscheinlich hat auch dies zu tun mit: Erinnerung.

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Vierter Akt:

Es lässt sich nicht vermeiden. Habe mich bis hier erfolglos um den Kern der Nacht in Recklinghausen herumgetippt. Feigling! Also auf zur Kunscht! Peter Lohmeyer, nicht nur damals nacherzählendes Wunder von Bern, sondern auch ein guter Mime, betritt die Bühne. Raunend. Die Bühne: ein gewollt bescheidener Tisch mit knapp zehn Mikros bestückt. Old School. Keine Werbetafeln. Im Hintergrund zwei Flutmasten. LED bestückt. Da kann man dann die Spielstände einspeisen. Und die Atmo halt. Bisserl Hazer. Für Laien: Nebelmaschine. Der Ton spielt ständig Stadiongeraune ein. Vorspiel halt. Im Hintergrund hängt eine Art von Meisterradkappe. Projektionen braucht es, wo die die Erinnerung schwächelt. Die Bilder zum Text. Die Erklärungen. Lohmeyer fängt an und liest. Der Schwabe Förster schwäbelt. Der Kölsche Schumacher rheinisch oder so. Bayrisch kann er nicht der Peter. Also ist Breitner nicht zu identifizieren. Neben mir sitzt ein Mann. T-Shirt mit Aufdruck: Müngersdorf. Mit über den Waden abgesägten Hosen. Elf Freunde? Man ist schnell im Gespräch. Man kichert rum. Do simmer mr dabei! Die Klimaanlage pustet etwas zu kühl. Dann der Versuch Lohmeyers Litti als Berliner zu gestalten. Weia again! Den damaligen Kommentator  der Fernsehübertragung näselt er indem, wenn der seinen Auftritt hat im Text, seine Hand vor seine Nase hält. Um was geht es? Der Chef des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund hat Zitate von damals Beteiligten zu einer Textcollage zusammen gefriemelt und nennt es Theaterstück. Chuzpe. Lohmeyer jagt durch den Text. Und – weit über 70 % Textanteil – der Einlassungen der Elf der Les Bleus gestaltet er im etwas einfach gestrickten Sound der Achtziger. Entnehmen Sie diesen Züngenschlag dem unten angefügten Leedche. Alle französischen Spieler so leider nivelliert auf eine Witzichkeit. Aber ‚allo! Es ist – für mich – inzwischen unsäglich ermüdend und dennoch ist die Erzählung ergreifend und die Textzusammenstellung liebevoll. Wo war der Regisseur? Gab es überhaupt einen? Die Geschichte ist doch wichtiger als eine vermeintlich unterhaltsame Verpackung. Oder? Was hetzt den gut bezahlten Leser derart durch die Geschichte? Warum sind die ersten drei Reihen von Politiknasen okkupiert? Warum quietscht Frau Roth ständig aus der ersten Reihe rum? Hat sie damals in Fresenhagen mit Rio und Lanrue dieses Spiel gesehen? Darf man Erinnerungen dermaßen billig vergesellschaften? Wo ist eigentlich der Tünn?

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Fünfter Akt:

Alles hat – dem Schiedsrichter sei Dank – mal ein Ende. Selbst ein Scheißspiel. (Gestern Leverkusen war echt bitter!) Und dann kütt er. Aus dem Hintergrund. Aber nicht so wie einst Netzer. Ein alter Mann isser getz. Wo kommt der jetzt her? Seine Klamotten sehen so aus, als hätte er bis vor Kurzem noch in seinem Kleingarten den Schuppen aufgeräumt. Er braucht seine Zeit bis zum Tisch mit den Mikros. Setzt sich. Lohmeyer rückt zur Seite. Ehrfurcht. Die Ränge jubeln. Frau Roth steht auf. Klick. Klick. Klick. Schuhmacher schlägt einen Collegeblock auf und liest vor. Er liest vor. Ich habe mir im Vorfeld etliche Videos vom Tünn angeschaut. Stets war ich begeistert, wie locker und freudig er in alle Mikrophone dieser Welt gesprochen hat. Und nun sitzt er da, alt an Leib und Seele und seine notierten Erinnerungen wie ein unsicherer Schulbub vorlesend. Es war kein Foul. Hat der Schiri gesagt. Ich war so unsicher. Ich habe Fehler gemacht. Ich hatte einfach nur Angst. Ich hätte wenigstens zu Patrick hin gehen müssen. Aber wenn dann die Gegner durchdrehen. Wahrscheinlich war es das. Hinter mir eine ganze Alterskohorte mit den Trikots der Nationalmannschaft aus dem Jahre 1982 auf dem vorgewölbten Ranzen. Als Schumacher seine sehr bewegenden (natürlich ambivalenten) Worte verlesen hatte, springen die auf. Genauso! Bravo! Als wolle man den Krieg zwischen Deutschland und den Franzosen, der 1982 nochmal aufkochte, endlich zum letzten Sieg umdeuten. Auch Claudia Roth stand. Und neben ihr eine mir unbekannte Kultusministerin aus NRW.  Und dann verbeugte sich Harald Schumacher. Wie oft habe ich als naiver Schauspielschüler die Direktheit des Tünn bewundert, wenn der vor dem Spiel ganz Müngersdorf für sich einnahm, während ich zitternden Knies auf der Probebühne verzweifelte. Und jetzt steht der vorne an der Rampe wie ein Anfänger vor knapp tausend Minsche. Und weiß gar nicht wie man sich so verbeugen tut. Und der Lohmeyer – Schauspieler – tut so, als sei das Festspielhaus Recklinghausen sein Bernabeu. Dann wurde zur Publikumsdiskussion geladen. Die Damen aus der ersten Reihe diskutieren mit dem Intendanten über ihre Fußballerfahrungen. Die Politiker reisen ab. Ich fand eine nette Kneipe in Recklinghausen, des Pottes guter Stube. Beseelt vom Pathos des Verlierers Platini.

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Epilog:

Am nächsten Morgen fuhr ich wieder nach Hause. Von den erneuten Verspätungen gilt es zu schweigen. Nachhirnen und Bierbüchsen. Ich wusste nicht so recht, ob es sich lohnt wütend zu bleiben. Jeder Text ist ein Kompromiss. Und Erinnerungen bleiben vielleicht lieber privater Natur. Witzbold! Und weshalb wird hier rumgetippt. Gestern las ich, dass die zwei Erinnerer die Veranstaltung auch noch in Gelsenkirchen vorgelesen haben. Zwei Tage später. Hatte ich übersehen. Fehler meinerseits. Meide man besser die Premiere. Eigentlich die letzte Erkenntnis meines Berufslebens. Und jetzt sinn die och noch im Jürzenisch. Ich hann över fünfzich Üros bezahlt. Der Preis sinkt. In Kölle nur noch die Hälfte. Do simmer nit dabei. Verpasst. So ist das mit den Erinnerungen.

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„Wer am Ende ist, kann von vorn anfangen, denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.“ (Karl Valentin)

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Vor einer Woche war meine Nacht in Recklinghausen. Ich hatte es angedeutet im letzten Beitrag. Das ‚Weia‘ hindert mich immer noch, davon zu berichten. Einer alten Liebe pisst man nicht so einfach ans Bein. Gehört sich nicht. Aber trotzdem …

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Jetzt also mal wieder ein bisserl was Sinnbefreites zum Thema Pöhlen, obwohl etliche G’scheitle wie ich dahinter Botschaften vermuten. Und die sind da auch die Hoffnungen. Voran also ge(s)türmt ohne ein ‚Weia.‘

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Ich habe keine Lieblingsmannschaft. Meine diversen Sympathien machten es mir nicht einfacher, da ich mir es mir sowieso stets schwerer machte. Ich bin einer, der mal dort, wo er eine Zeit lang war, gerne emotional ein bisserl länger – gerne zu lange – hängen bleibt. Daraus ergibt sich meine persönliche Bundesligatabelle. Dieses Jahr, warum auch immer, waren sehr viele alte Weggefährten – wie gendere ich jetzt noch korrekt? – dabei.

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Mainz rettet sich. Magdeburg rettet sich. Und Wiesbaden geht in die Relegation. Als Wiesbaden und ich aus Köln in Mainz zusammenzogen, war Mainz kurz darauf dem Abstieg geweiht. Es war ein Rosenmontag voller Schmerzen. Aber Kloppo wurde an jenem Tag als Trainer installiert. Oft war ich danach am Bruchweg. Wiesbaden allerdings floh nach Frankfurt. Ich nach Gießen. Schlimm genug.

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Nach und mit Münster wollte ich damals zusammenziehen mit Köln und gemeinsam arbeiten. Nachdem ich in Düsseldorf gelandet war und sie aber in der Schweiz floh. Als regelmäßiger Stadiongast beim FC Kölle und – vor allem – der Fortuna in der Südstadt – war die längste Altbiertheke der Welt Höchststrafe für mich. Und wenn die jetzt aufsteigen? Mit Bochum wohnte ich lange zusammen in Köln. Und in Tübingen. Aber da spielt Keiner nicht Fußball. Dort dichtet und denkt nach. Fest für Bochum.

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Ich war frisch mit Hamburg verheiratet – Pauli orientiert – und arbeitete sogleich in Rostock im Jahr des ersten Aufstiegs. Pauli folgte nach. Die Ehe war eine sehr kurze Zeit. Pauli oben auch. Jetzt sind sie wieder oben und die zweite Ehe hält. Rostock steigt ab in Dämlichkeit.

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Damals als Köln noch Köln war, stand ich mit Hamburg vor einer Bühne in Köln. Bizarre – Festival. Die ‚Vollen Hosen‘ aus Oldbeertown waren Anheizer für Iggy Pop. Nachmittags hatte der FC Kölle die Düsseldorfer ordentlich nach Hause geschickt. ‚Campelchen‘ rief zwischen jedem Song ins Publikum: „Kein Wort zum Spiel!“ Das Publikum johlte die Berufsjugendlichen in mehrere falsche Akkordwechsel. Campelchen wie immer witzisch, als hätte er damals schon Kloppo als Stiefvater im Portfolio. Man war froh als Iggy Pop die Bühne erstürmte. Heute isses andersheröm. Wird Poldi der nächste Präsident? Klaus Allofs habe ich stets verehrt. Vor allem in Köln-Weidenpesch. Seine Pferde liefen gut. Ich setzte drauf. Wenn ich sage Bremen interressiert mich nicht, riskiere ich die Scheidung.

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Ich habe Münster wegen Hamburg verlassen. Riesenfehler. Den ich vor ein paar Jahren fast wiederholt hätte. Obwohl Gießen von der Bundesliga so weit entfernt ist wie von Städteplanung, Bescheidenheit und dem Versuch sich nicht ein Leben lang als berufsjugendlich zu definieren. Preußen Münster macht einen Durchmarsch. Hamburg eins kackt ab.

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So bleibt Leverkusen. Davon schrieb ich schon und von dem nächtlichen Kreuz. Das nächtliche Kreuz leuchtet mir immer noch. Von innen nach außen und wieder zurück. Und Christian Streich verehre ich nit immer. Er lässt sich gerne feiern. Und dann sagt er, alle täten ihn feiern tun und sell isch au ihm nit recht. Eitler Sack scho au ä bissle. So isch der Badener halt.

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Christian Streich bewundere ich aber au sehr. Die fürchterliche Eitelkeit von der Bescheidenheit zwickt halt. Die einen lindern sie öffentlich g’scheit ab, and’re könne des nit. Der Chrischtian, der kann’s. Der Tuchel muß des noch lerne. Der Jogi hätt des nie halt nie g’konnt. 

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Ich war mein Leben lang ein Schauspieler oder Regisseur, der zwischen zweiter und dritter Liga pendelte. Ein oder anderhalb Mal roch ich die Socken der ersten Liga, die in einer frei gewordenen Kabine noch rumlagen. Reichte mir. Aufstieg. Abstieg. Ebenen. Inszenierungen satteln. Den Schuster anrufen. Nur überzeugte Kamele schaffen es durch die Wüste Gobi.

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Jetzt Leverkusen. Weiter. Weiter. Und weiter, wie Olli K. einst ausatmete. Am nächsten Samstag kann Groß-Gießen aufsteigen und am Tag danach Klein-Gießen die Liga halten. Do simmer dabei. Man ist nicht umsonst verheiratet.

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Und dann auch noch die Kieler Störche. Meine letzte überdrehte Aufstiegshoffnung. Geht doch. Aber nur beie Pöhlerei. Nächste Saison tanzen alte Gespenster den nächsten Ringelpiez. Glück auf. Oben. Unten. Und dann noch die alten Recken Kroos und Hummels im letzten Gefecht. Schlußpfiffe bleiben vorläufig.

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„Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und trotzdem den Mund halten.“ (Karl Valentin)

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Vor zwei oder drei Wochen im Kellerwald / Hessen

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Hat er doch gut wegmoderiert seine Entscheidung, der Tuchel Tommy – siehe ganz unten – als erfahrener Leidensmann, der er ist. Feine, intelligente Nadelstiche gesetzt in Richtung HolterdiPolter-Uli. Viel geseufzt und das Haupt nachdenklich hin und her wackeln lassen. Augen reiben. Haare richten. Von der Trauer sprechen. Die plötzlich aufkeimende Liebe der Schreiberlinge und Kickrentner einatmend. Besser kann man seine persönliche doppelseitige Rückhand in der Sache Rache nicht setzen.

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In den Schreibstuben des Boulevards wird schon die nächste Trainersau geschmückt, die durch die Dörfer gejagt werden wird. Vorschlag: da der FCB an einem schweren Burnout leidet, warum nicht ein Sabbatical in Liga Zwo? Freut sich der HSV. Kriegen die auch nochmal etwas hoch oder höher. Und wenn sogar der Harry Kane von dem ganzen Theater Psycho-Rücken kriegt und der Trainer schweren Herpes anne Lippe hat? Nochmals: Pause machen. Die kann man nutzen, um eine große Abschiedsshow für Uli und Kalle zu inszenieren. Regie führt Paul Breitner, der Übergangstrainer. Oder doch Otto Rehhagelos? Quatsch! Nach Olympia das Kopfballungeheuer. Der weiß inzwischen, wie man Mädels zurück auf das Gleis bringt. Verzeihung!

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Die nächsten Tage mehr von der Pöhlerei. Ich war in Recklinghausen. Weia!

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Nach dem Aufstieg ist vor dem Abstieg

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Nach einem Gewitter nahe der Landungsbrücken zu Hamburg / September 2021

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Natürlich habe ich mich gefreut, daß erst Kiel und dann Pauli aufgestiegen sind. Das Hoch im Norden, wie man so rumboulevardt. Und der HSV? Keine Schadenfreude. Unten ein alter sehr sentimentaler Text in Sachen Abstieg.

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Gespräch zweier Mondknoten an einem vielleicht sogar warmen Tag in Hamburg

oder

Es lebe die Unendlichkeit, die mal lebte

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Jahre später saßen sich beide wieder gegenüber. In jenem Café von einst.

Sie, kaum gealtert, lebte allein mit einer neuen Katze in ihrer alten Wohnung.

Er ging am Stock. Das Leben ist nun mal Abnutzung.

„Meinst Du nicht, daß man die Fenster mal wieder putzen sollte?“, fragte er sein Gegenüber.

„Damit die wieder eingetreten werden. Nee! Es lohnt sich nicht!“, antwortete sie und goß sich ein Glas Sekt ein.

Er nippte an seinem Yogatee mit Hafermilch. „Ich könnte Dir auch nicht mehr helfen. Die Hüfte. Du weißt ja!“

„Bist Du alleine?“ Sie brauchte etwas länger, dies zu fragen.

„Ja. Seit wir das letzte Mal die Fenster putzten!“ Sein Kopf nickte vor sich hin. Wackeldackel. „Ja. Seitdem bin ich alleine.“

„Aber ich dachte, also ihr wohnt doch noch zusammen, also dachte ich.“

„Du hast mich gefragt, ob ich alleine bin und nicht wie ich wohne!“

Vor dem Fenster des Cafés zog ein Schar Pauli–Anhänger vorbei. Trauriger Haufen. St Pauli war nach zwei Spielzeiten wieder aus der Liga abgestiegen.

„Und Du? Also?“, fragte er dann. Er brauchte sehr lange dafür. Sie nutzte die Zeit einen zweiten Sekt zu öffnen.

„Na ja. Verheiratet. Zwei Kinder!“

„Du?“

„Hallo! Tu nicht so als seist Du blöde!“

„Kannst Du mir bitte einen Pastis machen?“

„Hattest Du nicht gesagt, Du trinkst nicht mehr?“

„Eigentlich schon, aber wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt darin um!“

Ach ja, sie war inzwischen Besitzerin des Cafés und hatte sich von ihrem eigentlichen Beruf abgewandt. Und er war – schwer fällt es mir dieses Wort in die Tastatur zu klopfen – er war inzwischen Rentner und arbeitete gelegentlich in einem Bioladen und verkaufte sein selbst angebautes Gemüse.

Als sie ihm den Pastis servierte mit der Bemerkung „Aber ich will nicht daran schuld gewesen sein! Gelle, mon ami!“, da schmunzelte er.

„Ja so kenn ich Dich. Merci Cherie!“

„Fuck off!“

„Und ich dachte schon Du willst nichts mehr mit mir zu tun haben!“

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(Im Norden / Januar 2022)

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Bricht ’ne Neuigkeit: Eimol Prinz zo sin

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Vathy / Ithaka / Juni 2023 / Telefonat mit Uli H. / Irrfahrer Odysseus schaute zu / Ich war bereit

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Eimol Trainer zo sin

En Niederösterreich

Su‘ ne Art vun neuer Christian Streich

Jestalten nit verwalten

Isset su verröck

Dä eine sök em Spill si Glöck

Dä andre es op Gold verröck

Doch jeder echte Münchner Stropp

Hät doch nor eins em Kopp

Eimol Trainer zo sin

En nem Dreigesteen voll Sonnesching

Met Uli un Kalle un dem Max

Ich tät et su jerne maache

Schick mir ne Fax

Alaaf mir lache uns all dut

Selbst Klinsi jeit et widder jut

Und alle singe met

An der Nordsee fliecht en Möw‘

Wie wör et dann met …

Tusch un‘ Rakete he em Gürzenich

Wer kann der määt sech …

Dreimol Nordösterreich Alaaf!

Wigger jeit et Jesuchel

Mach dech vum Acker …

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„Ich möchte nicht, dass mich Bekannte erkennen.“ (Karl Valentin)

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Für weniger brennen statt Mindesthohn

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Ohne Grillanzünder denken

Ohne Klagekonzepte mit Buchstaben

Jonglieren die keine Keulen sind

Die Dir und mir auf die Füße fallen

Moralspektakel zu verkaufen

Ist obsolet

Erfinden wir neue Worte

Mentalpudel die wir sind

Gestutzt

Shampooniert

Von Mephisto verlassen

Im Wald der letzten Bäume

Die wir

Siehst Du nix

Blinder Götze des eigenen Griffs

In den Schritt

Rot und

Heil dem

Rest

Verstand

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(Cowbär und Kuhno machen weiter / Streich erzählt kein Seich‘ / Gern im Wald)

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„Grandola, braungebrannte Stadt, Heimat der Brüderlichkeit!“ (Das Lied der Nelkenrevolution in Portugal / 1974)

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Lisboa / Largo di Carmo / Foto vom Foto / Installation 40 Jahre Nelkenrevolution / 15. Juni 2014

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Die Wucht der Jubiläen. Seit Jahresbeginn geistert das Jahr 1974 intensiv in der Gegend rum. 50 Jahre sind vorbei gerauscht. Der erste Golf. Drecksack Günter Guillaume. Willy Brandt gibt auf. Hölzenbein fällt. Stirbt fast schon kitschig fünfzig Jahre später. Ein Landschulheim in Meransen. Meine ersten Finger in fremder Mimi. Gerd Müllers Drehschuss. Kippen drehen lernen. Mit afghanischer oder tunesischer Füllung. Wir lassen uns die Heilkräuter vom Bodensee nach Südtirol liefern. Gegen die DDR verliert man dann. Und die wurde auch noch eben anerkannt durch die Blume. Helsinki. Unser Klassendealer rastet aus. Die Nachwirkungen des Vorjahres, die Ölkrise und der selbstgewollte Abgang meines Vaters mildern sich ab und machen Platz einer Art von Aufbruch. Aufbrechen. Die Nelkenrevolution. Rumble in the Jungle. Der erste nächtliche Boxkampf in der Glotze ohne den Vater. Zypern wird geteilt. Als verantwortlicher Redakteur unserer Schülerzeitung stehe ich kurz vor dem Schulverweis. Schließe mich der Schülergruppe des KBW an. Solschenizyn fährt in die Eifel und findet Asyl bei Heinrich Böll. Wir lesen vom unendlichen Tag im Leben des I. D. im Deutschunterricht. Ich halte weiterhin eine rote Diktatur für eine Form der Befreiung. Helmut Schmidt hält dagegen. Aber in Portugal wird doch so schön gesungen. Mein Mofa ist aus Frankreich. Ab und an sitzt auf dem Lenker oder auf dem Gepäckträger eine verzückende Blondine. Klosterschülerin und Tochter eines Grundschuldirektors. Die nächste Katastrophe naht. Die Amis verlassen Vietnam. Nachdem ich mir von Mutter 100 Mark erbettelt habe, fahre ich mit zwei Freunden nach Amsterdam. Es regnet zu oft und wir liegen im Vondelpark durchnässt unter alten Bäumen. Die Niederländer, frisch entmüllert, finden uns nicht sympathisch. Wir reißen aber auch zu gerne das Maul auf. Die Dealer vor Ort lachen uns Flaumbärtige aus. Damals schon nach zwei Amstel blau. Die Musik wird immer schlimmer. Sugar Baby Love. Selbst meine Mutter wagt sich inzwischen auf die Tanzfläche. Jack Nicholson wird in Chinatown die Nase aufgeschlitzt. Wir sitzen im Kino und lachen uns tot, wenn im Großen Fressen das Scheißhaus explodiert. Der Club of Rome veröffentlicht damals schon seine Warnung. Alles frisst auf mein Kommando. Ich lese ein erstes Mal Kerouacs „On the road“. Bob Dylan geht wieder auf Tour. Man munkelt in den Kneipen, dass es nun ernst werden würde mit unser aller Leben. Als ob es dies nicht schon längst gewesen wäre. Jedoch auch eine große Hoffnung, welche ich zwischen den Fingerspitzen hin und her rieb wie ein Komboloi, tanzte leise Sirtaki. Die Zukunft vielleicht ein Schmirgelpapier.  Nicht wissend was unten und was oben. Was bleiben wird, wird später mal. Viel weiter heute ich? Eher kaum. Sehnsucht und Selbstironie zumindest leben noch. Darauf einen Dujardin.

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„Faulheit: Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit!“ (Immanuel Kant)

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Hier ging es zur Oberstadt / Huy / Wallonien / 12. Oktober 2023

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Damit das mal was wird mit dir aber so wird das nix / Eins

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Der lange gelbe Arm der Fleischthekengöttin langte

Über den gläsernen fettverschmierten Tresen

Der Junge auf den Zehenspitzen das Scheibchen Wurst

Wie sagt man

Danke murmelnd

Entgegennahm

Damit das mal was wird mit Dir

Schob sie noch hinterher und

Macht dann 2 Mark 17

Zur Mutter gewandt

Ein Stockwerk höher

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Die gelangweilte Zornesfalte des Jugendtrainers

Vibrierte während der Junge die grasbefleckten Stutzen

Runterkrempelte auf den klebrigen Boden der Kabine blickte

Und hörte er sei lediglich nur noch ein Schatten seiner selbst

Heute gewesen

Wie sagt man

Ich höre Ihnen zu

Und jetzt raus ihr alle

Aber so wird das nix

Man hatte Unentschieden gespielt gegen den Letzten

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Die fünf knöchernen Zeigefinger des traurigen Vaters

Auf seine Backe gezeichnet

Hatte der Junge die von ihm geliebten Tomaten mit der Blechkanne

Ersäuft unaufgefordert von oben

Gutes tun wollend

Wie sagt man

Das Denken solle man den Pferden überlassen

Auf Grund des größeren Kopfes

Nickte dann der kleine schmerzende Kopf Zustimmung

Warum aber

Damit das mal was wird mit dir

Dann musste er Stachelbeeren pflücken

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Die Ausnahme und die Regel stand

So der Lehrplan an am nächsten Morgen

Doch die Nacht davor die Ausnahme

Da im fernen Mexiko Gerd Müller sich rächen durfte

Das rechte Bein bis hin unter die Latte streckend

Für das dritte Schmerztor von Wembley und selbst der

Traurige Vater in Güte

Unter dem Kopfschütteln der Mutter

Setzte aus die Regel

Ab ins Bett und

Keine Widerworte

Morgens an die Türe klopfte dann die Mutter

Zu spät Junge bist Du

Aber so wird das nix

Den Namen des Autors erinnerte er noch

In der Unterrichtung

Mehr schlecht als Brecht

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(wird fortgesetzt / draußen mal zu kalt / bald wieder zu warm / heute buchstabensuppe als gazpacho / morgen wieder aus dem glühenden wok)

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