Der fröhliche Fensterputzer

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Ein alter Klassenkamerad hat einen alten Karton gefunden. Mit Briefen und Karten. Dabei auch ein Brief seiner Mutter, die ihm, dem heimatfernen Studenten, von ihren Begegnungen in der Stadt am See berichtete. Erst der Fensterputzer, darauf ein alter Freund von mir. Ein getippter Brief einer Mutter an den fernen Sohn. Im Oktober 1977 verfasst. Wie ergreifend. Im Rückblick. Damals wohl kaum so recht begriffen.

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Gäbe es den Zeittunnel, heut‘ würde ich eine kleine Reise zurück buchen und elegant das Fensterleder schwingen. Einer meiner schönsten Jobs. Und gut bezahlt. 10 DM auf die Hand. Und fertig. Wenn wir schnell waren, und das waren wir, die Schtudende, gab es am Freitag noch einen Zehner bis Zwanziger Akkordlohn für die Woche dazu. Und ein, zwei Viertele. Ernie hieß der Mann, mit Nachnamen wohlgemerkt, sprach breitestes Mannemerisch und verabschiedete mich nach Köln mit den Worten: „Ei, des is en Zigeune! Dä muss fott!“

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Vor ein paar Wochen, als ich begann diese Erzählseite ins Leben zu rufen, stieß ich in einem Regal auf einen längst vergessenen Ordner. Hunderte beschriebene Zettel. Die frühen Versuche des Schreibens. Ende der Schulzeit. Die „wilden Jahre“. Lieben. Reisen. Schauspielschule. Ob ich mich da ran wage? Uff.

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Alltag

Irgendwann kommt der Punkt

An dem wir die Fähigkeit

Die Zeit zu formen und zu kontrollieren

Verlieren

Und wir werden zu Zeigern auf einer

Der ständig hetzenden Uhren

Selbst Einzigartigkeit und Tiefe

Krachen hohnlachend durch die dünne Eisdecke

Die sie vom Mittelmaß getrennt hatten

Und ertrinken

Und dann wenden wird sehnend den

Blick und über uns gehen Neue

Auf dünnen Eisdecken

(Und so unendlich sicher)

(Konstanz / Oktober 1977)

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Wenn der Anu Branco wüßte …

… wie teuer die Liebe sein mag

Ich wette nie würde er singen

Nie wieder wecken den Tag

(Teil 5)

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In diesem Sommer `82 hatte etwas begonnen, oder es tat nur so, hatte begonnen, um sofort wieder zu enden. Als hätte dieser Anfang stets schon den Virus der Auflösung in sich getragen. War das zu sehen? Zu spüren? Oder ist das einfach nur normal? Ich weiß es nicht. Erinnerung verdichtet und interpretiert ja gerne. Eine Sicht vom damaligen Stand der Dinge von heutiger Warte aus.

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Möglicherweise war es der eine Tag, der wie unter einem Brennglas zusammenzufassen vermag, was ich meine. Der 1. Oktober 1982 war ein ziemlich warmer Tag, sagen mir die spärlichen Schnappschüsse meines zurückblickenden Hirns. (Natürlich habe ich meine vagen Erinnerungen googelnd verifiziert und also ja, in Richtung 20 Grad stieg das Thermometer.) In der Fabrikhalle im Hinterhof der Luxemburgerstrasse, in „unserem“ Theater, lief das Radio. Liveschalte nach Bonn. Helmut Kohl hatte es geschafft ein Mißtrauensvotum gegen Helmut Schmidt in die Wege zu leiten. Wir Schauspielschüler, nun beileibe nicht alle glühende Sozis und Schmidtverehrer, aber in Furcht vor dem, was da auf „dieses, unseres Land“ aus der Pfalz zuwalzte, hörten gebannt zu, während wir Bühnenbild, Requisiten, Kostüme und den Text des „Speckhuts“ transportfähig zusammenklaubten. Umzug in die Schlosserei. So hieß die kleine Spielstätte des Schauspiel Köln. Für ein paar Vorstellungen hinaus in die große, weite Theaterwelt. Noch zu Hause, in Vorfreude und Sicherheit: Empörung. Flüche. Gelächter. Zynische Traurigkeit. Hamm – Brücher war mutig, stellte sich gegen ihre Partei. Fanden wir gut. Der schwarze M. und ich mußten vor der Zeit gehen. Proben für „Gerettet“ in eben jener Schlosserei. War es einer der ersten Abläufe? Ich weiß es nicht mehr. Auf alle Fälle herrschte Krisenstimmung. Normal im Rückblick. Die erste Inszenierung einer jungen Frau. Der Intendant JF., ein bundesweiter Platzhirsch, murrte.  Und eigentlich wollten alle sowieso lieber vor dem Radio oder dem Fernseher sitzen in diesen geschichtsträchtigen Stunden. Mitten in die Probe platzte der Inspizient vom Großen Haus. „Die haben den Schmidt gestürzt!“ Das brüllte er von der Empore hinunter. Abbruch der Probe. Die Schauspieler wollen in die Kantine. A., die Regisseurin, protestiert. Ist rechtschaffen empört. Der Ablauf, überhaupt das Theater habe Vorrang, stünde über den Zeitläuften. Hin und her, es wurde laut und wenig später saßen wir in der Kantine, schauten fern, brauchten das ein oder andere Kölsch zur Beruhigung, als wir sahen, wie Schmidt aufstand, um Kohl zu gratulieren und der Berg von einem Mensch senkte sein Haupt wie ein Klosterschüler, voller Ehrfurcht. Geburtsstunde der Birne. In der Schlosserei wartete die Regisseurin auf uns, über den Text gebeugt, beleidigt. Es wurde einer der eher schlechten Abläufe.

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Am nächsten Tag, ein Samstag, Vorstellung „Speckhut“ an selber Stelle. Der Versuch in einem sterilen Raum (Betonfußboden, Metallgeländer, riesige Fensterscheiben, es hallte und knallte, in den Eimer sollte besser nicht gepinkelt werden, da, na ja, frisch durchgewischt) die versiffte Fabrikhallenatmosphäre aus der Luxemburgerstrasse herzustellen mußte scheitern. Genauso wenig gelang es das Vibrieren des vergangenen Sommers – die hohen Außentemperaturen erschienen wie ein letztes laues Gnadenbrot vor dem Einzug des geistig – moralischen Winters der Wende – in uns wieder hervorzurufen. Ich saß in der Maske, ließ mir die Perücke aufsetzen, war nicht mehr ich selbst. Fremdes Haar war mir gegeben, ohne Leben. Noch lange kein Profi. Gott sei Dank? Bei uns allen stieg die Aufregung, einiges an prominentem Publikum, bewunderte „Kollegen“ vom Schauspiel, Bürger der Stadt und die schlimmsten Druckvergrößerer: ELTERN!!! Und es geschah was ich in den folgenden, fast 40 Berufsjahren sehr oft noch erleben durfte (vor allem als zuschauender Regisseur): steigt der vermeintliche Druck, meist sich selbst auferlegt, rücken die Mimen nicht zusammen, vergessen Vereinbarungen und werden zu Solisten, auf der Suche nach dem Glanz, der Zuneigung, buchstabiere mir Erfolg und die Erzählung zerbröselt in unreflektierte Posen. Die Vorstellung war keine gute. Eitel. Ohne Hirn und Herz. Wir waren untröstlich. O., unser Regisseur hatte es kommen sehen und betrank sich nach der Vorstellung mit aller ihm zur Verfügung stehenden Wut.

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Die zweite Vorstellung war, wie unter Schock, um einiges näher an dem was wir erzählen wollten. Leider hat die kaum jemand gesehen. Schon gar keine Wichtigen. Aber – so brüllten die Plakate draußen – ab sofort werde sich „Leistung wieder lohnen.“ In Oggersheim wurde derweil angestossen.

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(wird fortgeschrieben)

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Am Aschermittwoch fängt es erst an

oder: Gotta serve somebody

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„Im Zeichen der Asche sehen wir unsere Bruchstückhaftigkeit und Vergänglichkeit. Alles hat Fehler und Mängel – alles hat ein Ende – alles vergeht.“

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„Wie bitte? Als habe man nicht genügend Verzicht geübt im letzten Jahr!“

„Nee, hat man nicht!“

„Was soll das jetzt wieder heißen?“

„Das letzte Jahr war geprägt von bescheidenen Übungen in Vernunft!“

„Sie spinnen doch!“

„Na ja, ich meine nur, Verzicht ist eigentlich eine freiwillige Angelegenheit!“

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„Bedenke Mensch, daß du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.“

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bagatelle neunzehn

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Weil wir die Geschichten vergaßen

Wieder und wieder sangen wir

Die Lieder Perücken auf dem Haar und hielten

Den Frisierspiegel vor das Gesicht uns

Eitel

Sieh ob Deine Lippe sich noch bewegt und die

Umrandeten Augen noch im Glanz als die

Pailletten der Kostüme glitzerten die Schmerzen

Hinaus aus den Geschichten

Die zu erzählen wir

Vergaßen wieder und wieder

Hinter Masken

Die einzig zahlenden Zuschauer

Im Theater des eigenen Lebens blieben wir

Erfreut auf die Schenkel uns schlagend

Über jede Bagatelle die eine Erinnerung

An jene vergessenen Geschichten

Uns schlug ins getriebene Herz

Warum nannten wir uns

Schauspieler

Mimen

Traurige Clowns waren wir

Als Arbeiter an den Erinnerungen

Gescheitert leer gefallsüchtig

Ohne Zorn und Hader

Narren

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Immer wieder Sonntags …

… ein Blick zum Himmel und in den Kopf / fünf

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Seit vier Wochen jeden Sonntag ein Blick in den Himmel im Kopf. Stelle mir vor, ich begebe mich in den Winterschlaf wie ein Bär. Erwache erst, wenn der ganze Mist vorüber. Träume mich durch alte Lieder. Ab und an hebe ich ein Augenlid, blicke in den Himmel und schaue nach, ob es sich lohnt, mich wieder zu bewegen. Jeden Sonntag. Seit vier Wochen.

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ich hatte gestern

immer wieder den zweifel

dieser zweifel

das zweifeln

ob

ob das

oder aber eher nicht

nein

leg dich wieder hin

hinlegen wieder

nicht neues

in der nacht bleiben

haften

haftenbleiben

nichts mehr umlegen

keine schalter

keine bewegung

wohnen bleiben

und godot soll bleiben wo auch immer

weg

ich warte nicht mehr

nichts umlegen kein

kein neuer morgen

keiner mehr mehr

keine neuen pferde

kein ritt in die untergehenden sonnen

kein neues pony

wie lange noch

wieviel länger noch

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Plückebeutels erste + letzte Büttenrede

oder: Merkenau, wie sie singt und lacht

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Wenn Pflückebeutel hinter sich gebracht

Den kalten Tag und für die Nacht

Bezieht die kahlen Schlafesbäume

Ereilen manchmal böse Träume

Ihn von Städten oder Auen

Auf die im Flug hinunterschauen

Er konnte wohl in diesen Tagen

Wie in die Lüfte stiegen Klagen

Ihm unter seine schwarzen Schwingen

Davon könnt er ein Liedlein singen

Die Klage ist ein Elixier

Dem Menschen wohl und darum hier

Ein Reim gereimt zur Fassenacht

Und dann Gut‘ Nacht Habt acht!

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Es klagt und jammert Deutscher Michel

Mal Reichkriegsflagge mit Hammer Sichel

Grün oder schwarz auch liberal

Ach wie schön war’s dunnemal

Lechts oder rinks es ist egal

Germanenleben, welche Qual

Es singen nicht nur Onkels, Tanten

Auch alle and’ren Anverwandten

Selbst Michaela klaget mit

Denn Klagen ist ein Quotenhit

Es netzen ein ins Jammertal

Die Medien sich ach so sozial

Auch Deutschlands Funk und Schlaugazetten

Nicht nur die trivialen Blätter wetten,

Preisen aus, daß eine geile

Lauthals klagend` Titelzeile

Fühlt die Kassen und die Herzen

Singen wir von deutschen Schmerzen

Turbo stampft das Kapital

Der linken Rentner täglich Qual

Die wohl beheizt in großen Räumen

Von Revolutionen träumen

Tun, während die Gegenseite

Der Merkel gern den Gang bereite

An den Galgen heute noch

In vielen Hirnen schärt das Loch

Ich oh ich, ich leide doch

Mal ist`s zu kalt, dann viel zu warm

Und man entdeckt den eig`nen Darm

Dort wüten Pilze, Viren, Sporen

Die Freiheit, die ist auch verloren

Und wegen Schweinchen Corona

Komm ich nicht den Stränden nah

Es stehen an den Hängen Pisten

Dichtgedrängte Skiautisten

Die Kicker dürfen zum Frisöre

Singen uns die Medienchöre

Es klagt der Porsche klagt der Trabi

Es klagt sich mit und ohne Abi

Ausdauernd und tausendmal

Dreimal Helau im leeren Saal

Und ein Alaaf dahin geschmettert

Danach wird weiter dann gewettert

Jetzt auch noch Schnee

Ohjeminee

Keiner sieht mein Herzensweh

Die Welt die ist so ungerecht

Und mir ist schlecht wie weiland Brecht

Als er sprach

Mit Weh und Ach

Des Menschen Schicksal ist der Mensch

Ich aber Keiner niemals Täter

Stets ein Opfer nie Verräter

Aufrecht edel ohne Fehl

Ob Frau, ob Mann

Was bin ich dann

Tja eigentlich bin ich ganz anders

Komm selten nur dazu

Ene mene blinde Kuh

Ein Ho Narro

Ein letztes noch

Es pfeift auf seinem letzten Loch

Germania so wunderbar

Der Klage sei ein Trullala

Trulalla Trullala

Der Klage sei ein Trullala

Trullalaaaaaaaaaaa …

(Pflückebeutel schläft ein und träumt von der holden Merkenau)

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Am nächsten Morgen bitterkalt

Fliegt Pflückebeutel in den Wald

Dort ist es still

So Gott es will

Doch leider nicht gedeckt die Tafel

Zurück zur Stadt trotz des Geschwafels

Es quellen über ohne Zahl

Müllbehälter freie Wahl

Solang trotz Klagen füllen seinen Magen

All die Reste der Klagefeste

Mag er nichts sagen

Und kackt gerne

Unter Menschenbäume weiße Sterne

Und dies nicht nur zur Weihnachtszeit

Allzeit bereit

Und Merkenau

Die krächzt: Genau!

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PS: Plückebeutel ist der Fabelname des Raben. Besserwisserisch, diebisch, dumm, eitel, sagt man, sei er. Nennt man ihn Merkenau, ist es eine Krähe. Die sei naiv und leichtgläubig, behaupten die Fabulierer. Lassen wir das mal so dahingestellt sein.

Gehen müssen. Gehen wollen. Gehen.

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„Der Vater war 44, als er sich aufhängte. Als ich endlich 45 war, war ich froh. Ich hatte ihn nicht umgebracht, doch ich war älter geworden als er, immerhin. Etappenziel erreicht.“ (Bov Bjerg / Serpentinen)

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So empfand ich am 11. Mai 2004. Nun war ich also älter geworden als der, der mein Vater war. Heute ist es 48 Jahre her, daß er gehen musste, gehen wollte, einfach ging, grußlos. Mit 48 Jahren.

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Bücher wählt man nicht aus, sie suchen Dich. Davon bin ich überzeugt. In meinem privaten, aber auch dienstlichen Leben (ist eh ein und dasselbe!) liefen mir ziemlich gehäuft Bücher über den Weg, die zum Thema hatten Tod, Schmerz, Trauer, die Unfähigkeit dazu, Erinnerungsversuche der Hinterbliebenen, Verarbeitungsversuche der schmerzlich Alleingelassenen. Es brauchte eine Zeit, bis mir die Gedanken aus fremder Feder zu einer Hilfe werden konnten. Fremder Schmerz kann manchmal als aufdringlich empfunden werden, relativiert er doch das eigene, als einzigartig definierte Leiden. Schnell weist man eine aus tiefem Herzen gut gemeinte Empfehlung – „Das mußt Du lesen!“ – als unangemessen zurück. Igelt sich ein. Das ist nicht nötig. Viele meiner Bücher sind Geschenke guter Freunde. Die meisten Bücher aber erwarb ich auf Grund der Lektüre von Querverweisen. Jedes Buch weist auf ein nächstes hin.

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„Der Vater ging voraus, und ich ging hinterher. Im Esszimmer stand ein Kofferradio. Es spielte ein einziges Lied: „Ja Grüezi wohl Frau Stirnimaa, säged Si wie läbed Si, wie Si Si au so draa? Grüezi wohl Frau Stirnimaa, säged Si wie läbed Si, wie gaht’s dänn Ihrem Maa?“

Das Radio spielte ein einziges Lied, die ganze Zeit, und der Vater ging die ganze Zeit um den Tisch herum, und ich ging die ganze Zeit hinterher.“ (Bov Bjerg / Serpentinen)

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Ich liebe die Koinzidenz. Kurz vor Weihnachten stieß auf Bov Bjergs `Serpentinen`. War mir bis jetzt komplett unbekannt. Zu Weihnachten schenkte mir die Schwester Bjergs `Auerhaus`. Ich las die Bücher mit großer Freude, bewegt und aber auch mit Vergnügen. Eine karge, klare Sprache. Humor. Wut auch. Keine Larmoyanz. Kein Blabla.

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Wie soll man es benennen? Selbstmord? Klingt immer noch die Straftat nach, katholisch verboten. Begrabt den Täter vor den Mauern des Gottesackers. Suizid? Eine technokratisch klingendes Fluchtwort. Man vermeidet den Schmerz. Etwas, was das eigene Leben bedrohen könnte. Kein Ausdruck für Betroffene. Selbsttötung? In meinen Ohren ungelenk. Als sei es ein Unfall, ein Zufall gar gewesen. Hand an sich legen? Wie bitte? Der letzte große Abgang, die ultimative Masturbation? Nee. Vielleicht einfach sagen, wie es geschah. Er warf sich vor den Zug. Sie nahm Tabletten. Er erschoß sich. Sie schlitzte sich die Pulsadern auf. Er erhängte sich. Wahrscheinlich das Beste. Oft sehr oft, wurde ich gefragt, sagte ich, mein Vater starb sehr jung. Oder: er ging mit 48. Je nach Gegenüber. Heute meist: Er hat sich aufgehängt.

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„Frieder dachte den ganzen Tag nach. Wenn er was rausgefunden hatte, sah er mich kurz an, als ob er auf eine Einladung wartete. Dann sagte ich „Und?“, und Frieder sagte, was er rausgefunden hatte.

Ich sagte:“Und?“

Frieder sagte: „Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschied.““ (Bov Bjerg / Auerhaus)

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Was bleibt? Ein Arschloch wie 1 m Feldweg (aus Auerhaus) oder Du fehlst? Es ist gut, wenn man beides aushalten kann.

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„Frieder sagte: „Das Saufen schiebt den Suizid raus. Manchmal so weit, daß man am Saufen stirbt.“

„Ich sagte: „Der Imiglykos.“

„Frieder sagte: „Kann sein.“ (Bov Bjerg / Auerhaus)

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