Las heute von Stakebein T. Müller, der immer spielt. Solle er. Meint er. Er mutiere derzeit zum Minutensammler, schrieb es. Schöne Wortschöpfung. Der Minutensammler. Daher der Reim. Minuten sammeln abseits der Spielfelder. Stets auf der Flucht. Wenig gefunden. Viel zu viel gesucht.
Vorgestern hat mir ein lieber Mensch ein Buch zukommen lassen, an dem er mitgearbeitet hat. Seitdem höre oder gucke und lese ich nur noch Rory Gallagher. Keiner hat Schmerz und Freude und die blöde Sau Alkohol dermaßen in eine Form zu gießen (sic!) verstanden. Und wurde seltsamerweise recht schnell vergessen. Auf den Knien meines Herzens wäre ich gerne so Ir(r)e gewesen worden. Er ging, als er so alt war wie mein Vater, der da auch gehen musste. Oder wollte.
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Warum aber im Nachwort des Buches der offensichtlich nicht vermeidbare Wolfgang Niedecken der Leserschaft kundtun muss, dass er auch mal karierte Hemden trug, Südstadt verzäll nix, ach. Steigert wohl die Verkaufszahlen. Unnötig.
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More Rory unten. Dann schon recht übel traurig und er kurz vor dem Ende. Erhobenen Hauptes. Wenn der Blues das Regiment übernimmt. Lachen, um nicht weinen zu müssen. Der Unkenfroschblues bleibt.
Das Gehen zu lernen, es ist nicht leicht. Es sei denn, man stirbt. Und geht. Halt so. Endgültig. Spekuliert danach aber nicht über die Gründe. Oder Abgründe. Gescheit halt. Wissen tun wir eh nichts davon. Jeder Abschied ist entweder Flucht oder Notwendigkeit. Manchmal mal umgekehrt. Auch egal. Und wenn jemand wirklich ganz weg ist?
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Sterbe ich, wenn jemand geht, mit dem, der ging? Die Liebe und der Tod. Vielleicht sind sie enge Verwandte. Oft meinen sie, sie seien Feinde. Die zwei Vögel.
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Was wollte ich noch sagen? Das Gehen zu lernen, es ist nicht leicht. Bob Dylan fällt dazu immer mal wieder was Gescheites ein. Dafür liebe ich ihn.
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(Gießen, 31. Oktober 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)
Über was man so stolpert. Las ich eben im Cafè im SPIEGEL von einer Frau Roshani, die ein Buch darüber geschrieben hat, wie man den Schwarzen Hund mit LSD an die Leine legen könne. Eine Akt der Selbstbefreiung quasi. Schöner Ansatz, gibt er doch die Möglichkeit, mir zumindest, zurück zu schlüpfen in ganz alte Traumbilder. Oder Farbmuster?
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Entsinne mich an die ein oder andere Beleuchtungsprobe, in der die Abteilung Licht zu mir sprach: „Also Lugerth, das ist jetzt schon arg bunt!“ Und ich antwortete: „Gesehen ist gesehen!“ Die „Reisegutsele“, wie sie einst am Bodensee unser Lotse und Meister Backes gerne nannte, waren unter all dem Krempel, den ich im Laufe der Jahre, unter der steten Prämisse der Weltengrauheit zu entfliehen, meinem Körper und Geist zugefügt hatte, meine liebsten Hirn– und Herzbeweger, weil ganz andere Türen als jene zur Verstärkung eigener Blödheit öffnend. Kaufe ich also erst mal das Buch und dann …
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Ein alter Freund und Klassenkamerad, der Einzige neben mir, den es auch an den Musentempel trieb, war Beleuchtungschef und später technischer Direktor an durchaus brauchbaren Bühnen in Ost und West. In den frühen Tagen saßen wir ab und an am Lake of Constanze, der Föhn fiel über die Alpen oder dramatische Nebel krochen übers Wasser oder ein leicht übertriebener Sonnenauf– oder -untergang setzte den Säntis erhaben in Szene und mein Freund – beide waren wir „beflügelt“ selbstredend – sagte dann: „Etz, Lugi, wenn ich so was leuchten würd‘, na würden alle sagen, was isch des etz für ein kitschiger hirnkranker Scheiß! Oder?“ Ich antwortete vielleicht: „So isch es halt!“
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Greife man ins eigene Auge, leihe es einem Fremden und versuche so zu sehen. Und wenn LSD tatsächlich zerbrochene Herz zwar nicht kitten, aber wieder beleben kann? Irgendwo muss ich doch noch die Nummer meines alten Dealers aufgeschrieben haben. Black Dog! Platz jetzt aber, Du Hund!
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(Gießen, 25. Oktober 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)
Da wird dieser Tage Luis Enrique, der Trainer der kickenden Spanier, zitiert. Sie hatten gerade den inzwischen hüftsteifen CR 7 inklusive Erzkonkurrent Portugal mit Achen und Krachen besiegt in einem – den Fußball neudefinierenden? – Wettbewerb namens Nations League. Weia! Was hat er noch gesagt? „Es ist ein wunderbarer Sport und ein Sieg ist das beste Mittel gegen jede Traurigkeit!“ So übersetzt es die deutsche Medienwelt. Im Original sprach er nicht von der Traurigkeit, sondern von der Depression.
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Er benennt so präzise die Fehlschaltung im Hirn der von den Schwarzen Hunden begleiteten Wesen. Ohne es wohl zu wissen. Oder vielleicht doch, fortgeschwemmt vom erhebenden Augenblick. Dieses kurze Schnuppern am Momentum Sieg hat aber meist keinerlei Wirkung bezüglich ersehnter innerer Ruhe. Der neue Morgen schreit schon wieder nach einem nächsten Sieg. Was immer das auch sei: Siegen. Man ahnt die Sinnesleere dieses Begehrens, blickt man in den Spiegel. Wahrscheinlich reiben sich deshalb so viele Buben und Männlein wollüstig an Bayern München wund und suchen sich folglich Vereinslieben aus, welche ständige Niederlagen garantieren. Eventuelle Siege lassen dann fliegen. Bis zur Rückseite des Mondes. Nicht aber stets zurück.
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Nein, Fußball schauen kann nicht nur sehr traurig machen dieser Tage, sondern tatsächlich depressiv. Hände weg also von der Fernbedienung und den erwarteten Siegen in Katar und sonstwo. Licht aus und Rasen kalt werden lassen. Wobei: das erledigt sich wohl von selbst.
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Mein schwarzer Hund lässt mich zurzeit in Ruhe. Er fordert nichts. Außer auf Siege zu verzichten. Wo er Recht hat. Ähem! Ansonsten liegt er unterm Küchentisch und freut sich, wenn ich was koche. Wenn ich ihn frage, ob ein gelungenes Gericht unter Sieg abgebucht werden darf, gähnt er nur, zeigt seine Lefzen und lässt den Abend unter seinem müd zuckenden Schweif ausklingen. Wie man so sagt, wenn man schon auf dem Sofa eingeschlafen ist. Oder?
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Wenn er wieder aufwacht, gehen wir spazieren. Ohne Leine. Ich lass ihn laufen. Der macht eh was er will, der Hund. Jetzt hier Pause in seiner Sache. Den leeren Bahnsteig genießen. Bis der nächste Zug vorbeikommt. Das Licht brennt noch. Hell genug.
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(Gießen, 30. September 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)
Dass der Schwarze Hund ein grauenhafter Egoist ist, es wurde, wenn ich mich nicht irre, hier schon erwähnt. Sicherlich: es ist ein Leiden, es ist eine Krankheit, wenn der Schwarze Hund dir nicht mehr von der Seite weichen will und dich an seiner Leine um die Teiche zerrt, aber es ist leider meist auch nur ein unseliger Rundweg, den man absolviert. Manchmal musst du hundertmal mal am selben Strauch vorbei, hundertmal über dieselbe Bordsteinkante stolpern, hundertmal in den letzten Haufen deines Begleiters treten, bis dir schwant, dass du Passagier eines Kettenkarussells bist und kein Karussellbremser da unten in der Kabine sitzt, sondern dass du selber Bremser, Karussell und Passagier in Personalunion bist. Kein höheres Wesen wartet ungeduldig darauf dich auf Grund deiner vermeintlich grandiosen Besonderheit zu retten.
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In den düsteren Momenten an der Seite des Hundes bist du leider nicht in der Lage zu begreifen, dass du, außer du sitzt in Einzelhaft, nicht gänzlich alleine bist. Da ist einer, eine, manchmal mehrere, die dich auf den täglichen Runden begleiten. Du starrst auf deine Schuhspitzen und den Nabel und die Kreise werden enger, zu eng. Das Tempo der Drehungen schraubt sich in gefährliche Höhen und so vermag der ein oder andere Begleiter nicht mehr mitgehen. Dann ist es besser den Blick zu heben. Nach rechts zu schauen und nach links. Und nachzusehen, ob deine Briefkästen noch ihre Funktion erfüllen. Vielleicht modern darinnen Briefe, Mitteilungen, die raus zu fischen und zu lesen, mehr als hilfreich sein kann. Das schont auch deine Begleiter. Gib auf sie acht. Das flüstert sogar der Schwarze Hund. Er ist zwar ein fürchterlicher Egoist, aber er ist nicht dumm.
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(Gießen, 29. September 2022 / Von der Depression / Eine Art Tagebuch)