Vom Alleinsein mit dem eigenen Bild

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Vor oder hinter Gießen / Mal wieder Hochwasser / Irgendwann

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Nachklapp zu Carsten Gansels „Ich bin so gierig nach Leben!“

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Tauwetter nannte man die kurzen Phasen, in denen denkende Menschen der Hoffnung erlagen der Sozialismus ostdeutscher Machart könne sich eine Maske der Freundlichkeit und der Horizonterweiterung überstülpen und diese etwas länger auf den moralinsauren dogmatischen Besserwisserfratzen sitzen zu lassen. Im Westen konsumierte man derweilen masturbativ Revolutionsromantik. Großbürgerkinder killten amerikanische Soldaten und Kleinbürgerkinder applaudierten, des altdeutschen Papa’s Scheck in der Hand. Mama gab’s Trinkgeld bei.

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Immer wieder drehte sich dann die böse Welt andersrum. In wessen Richtung aber? Wessen Richtung ist die Welt? Dann schreibt einer , der unbedingt weiter glauben wollte, als mal wieder ostdeutsche Hoffnung sich verkrümelte: „Sie blieben ihrer alten Überzeugung in gewisser Weise treu, aber das Zutrauen in ihre gemeinsame Kraft war dahin. Sie kämpften noch immer gegen die Karrieristen, fast noch erbitterter sogar, weil diese das Rennen gemacht hatten; aber sie selbst verstanden sich nicht länger als Neuerer, als Pioniere. Lose verbundene Einzelkämpfer, die sie nunmehr waren, deuteten sie ihr Los und ihre Rolle in moralischen statt wie früher in politischen Kategorien.“ (Wolfgang Engler)

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Viel später rückblickend schrieb Herta Müller: „Je eigentlicher, je zuverlässiger Widerstand war, um so mehr war er nichts anderes als eine moralische Geste. Es begann im eigenen Schädel, im Alleinsein mit seinem eigenen Bild. Er kam aus dem Festhalten an moralischen Vorstellungen von sich selbst. Aus dem Bedürfnis, trotz aller lebenslästigen Konsequenzen anständig zu bleiben.“

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Was der Westlinke nie begriffen hat: Es gibt einen kleinen aber wichtigen Unterschied zwischen den Berufsverboten der 70er und Bautzen, Bukarest, Prag oder Hohenschönhausen. Wir möchteten so gerne ein Held sein in warmer Stub‘. Heldinnen gab es da schon. Man schrieb sie anders nur.

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Und was war das gestern in Gießen? Zwischen 13000 und 15000. Sagte die Bullerei (Verzeihung! Reflex! Macht jung! Hihi!), welche ja in der Vergangenheit gerne die Teilnehmerzahlen ungeliebter Demos nach unten korrigiert hatte. Es war arschkalt, aber (Verzeihung! Schmonzette!) ein bisserl warm ums postrevolutionäre Herzelein. Die Mischung macht’s. Lediglich Präzenz zeigen tut schon gut. Und die Jung’schen brüllen die Parolen der gescheiterten Großvatermütter. Auch gut.

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Österreich macht mal wieder Angst. Erst Braunau. Dann Fußball. Dann Handball. Und jetzt Thüringen. Die zwei Sachsen folgen. Aber (Verzeihung!) alle Verbieterei ist kontraproduktiv.

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Schön war‘s gestern, als der nicht enden wollende Zug sich durch den heiligen Seltersweg schob und der Wochenendshopper sich an die Wände gedrückt fühlte oder gar drinnen bleiben musste, glotzend. Man hätte rufen wollen (Verzeihung natürlich!): „Lieb‘ Umland lass das Glotzen, lass das Konsumieren sein, bekämpfe Deine Langeweile und reih Dich ohne Beute ein!“

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Ein guter Strom, der da gestern an mir und anderen vorbeifloss, während ich eine Teilstrecke mitlief.

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In Zeiten leerer Auslagen voll Hoffnung

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Torgau (Sachsen) / Aufgegebenes Ladengeschäft / Sommer 2023

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In den Zeiten leerer Auslagen voller Hoffnung

Den Krieg den Hunger die Schuld

Noch im Profil der abgelatschten Stiefel klebend

In den Sand der Lausitz getreten

Schrieb der junge Schichtarbeiter Volker Braun

Kohlenstaubverschmiert

In seinem ersten Lyrikband

„Provokation für mich“

Den folgenden Reim nieder:

Kommt uns nicht mit Fertigem! / Wir brauchen Halbfabrikate / Weg mit dem faden Braten – her mit dem Wald und dem Messer! / Hier herrscht das Experiment und keine steife Routine. / Hier schreit eure Wünsche aus: Empfang beim Leben.

Heute spiegelt sich vor vollen Schaufenstern

Nicht als verlorene Wut

Auf die dahineilenden Zeiger

Die sich weigern rückwärts zu laufen

Revolutionen finden auf dem Sofa

Statt

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(Hoyerswerda / Sommer 2023)

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Wühle mich in den ersten nervig „positiven“ Tagen des Jahres durch ein großartiges Buch, welches mich ungemein erfreut in diesen Tagen der GROSSEN ANSPRÜCHE und des kleinen mutes zu VERÄNDERUNGEN.

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Auf Brigitte Reimann war ich erst gestoßen – typisch Mann, obwohl mir DDR–Literatur, vor allem Franz Fühmann, immer sehr nah war, blieb doch der größere Teil meiner Familie im Osten – als ich 2019 in Hoyerswerda für meine Gundermann–Abende recherchierte und sofort in Bann gezogen war von dieser Schriftstellerin. Da macht es jemand sich nicht einfach. Mit sich. Mit der Welt. Carsten Gansels Werk hat die Faszination vertieft. Ich lerne viel Neues über die Verfasstheit des Landes, welches meine Mutter mit mir im Bauch 1956 verließ. Es stellen sich über und über neue Fragen. Und die Verunsicherungen schleichen um alle Ecken. Es kippeln und wackeln die Erinnerungen, Einordnungen, Wertungen. Machen Platz für Neues. Gut.

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Wo ist die Zeit? / Countdown JFK Zero

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Gießen / Auf der Hardt / © Angela Haas / Mitte November 2023

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Wir werden einen Mann auf den Mond schicken. So Kennedys Versprechen an die Zukunft. Die Sowjets hatten eben noch Rüdin Laika und dann sogar den ewigen Juri Gagarin einmal um unseren Globus geflogen. Kann gar nicht mehr zählen wie viele DDR – Briefmarken mit des Kosmonauten Konterfei ich von meinen Onkels drüben geschickt bekommen habe.

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Lese dieser Tage ein kleines Büchlein. Gegenspieler. Kennedy versus Chruschtschow. Als die Kriege noch kälter waren. Kubakrise hin oder her. Das waren ja, verglichen mit heute, fast schon kuschelige Zeiten. Vergossenes Blut und verschossenes Blei gewinnen im Rückblick eine fast schon romantische Anmutung. Man verwechselt Italowestern mit Historie.

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Ein paar Jahre später: „Zero! We have a liftoff. Oh Boy, it looks great!“ War natürlich ein einziger Beschiß diese Mondlandung. Hä? Weißmann doch als Rotgesicht. Wie Covid. Oder Lee Oswald. Jack Ruby? Wie die magischen Kugeln, die sowohl Kennedy als auch andere in diesem Cabriolet in Dallas durchschossen. Klar wie die legendäre Kloßbrühe! Was war das eigentlich? Gibt es die heute noch? Klarheit? Verschwören wir uns gegen die Vernunft.

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Las eben ein hübsches Interview mit Peter Sloterdijk im STERN. Eitel ist er halt, wer ist das nicht, aber er denkt wirklich quer und kreuz. Über unsere deutschen Weltrettungsanmaßungen. Die germanischen Moralschubladen, in denen nur alte, ziemlich löchrige Kondome rumliegen. Vom altvorderen Wohlstand und den daraus abgeleiteten Selbstermächtigungen. Der kostenfreien Gastfreundschaft jenseits des eigenen Wohnzimmers und der nicht aussterbend wollenden Arrogancia tedesca. Die wo holpert nun dieser Tage – I werd Narrisch! – gemüdet auf etlichen Spielfeldern herum. Und, selbst selbstredend überheblich, über viele Überheblichkeiten der Nebenschauplatzkrieger. Grund zu lachen. In mich rein. Überheblich natürlich. Was man so macht im Cafe, um sich nicht selbst zu Tode zu langweilen an sich selber. Schön vor allem der Schluß des Interviews. Auf die Frage, welchen Titel er einer eventuellen Autobiographie geben würde, antwortete Sloterdijk mit: „Gebrauchte Hindernisse!“. Er hatte eine Pferdesportmesse besucht und dort konnte man gebrauchte Hindernisse kaufen. Das Leben sei eben kein Flachrennen. Ich bin entzückt. Besser kann ich mich nicht in die nächste Tastaturpause verabschieden. Gebrauchte Hindernisse wird man immer benutzen. Kann man posthum noch so eine Art Lebensaufgabe oder ein Lebensaufgeben daraus basteln. Stets auf der richtigen Seite steh’n wollen! Müssen? Traurig, aber meistens Wahn.

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Die neueste Bootleg – Series vom Meister ist, wie immer, hörenswert. Unten ein Blues über Verluste. Die Schönsten ihrer Gattung. Vielleicht was für die Tanten. Unsere Parzelle – siehe oben – ist abgeräumt. Ein kleines Fähnlein flattert noch rum und trotzt den Winden. Bis ins nächste Jahr!

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 06

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Fundstück / Erinnerungsort Torgau / Stiftung Sächsische Gedenkstätten / 21. Juni 2023

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Und schon gar nicht das inexistente WIR.

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Dann durch Gotha. Blick auf den Busbahnhof. Oben eingeschrieben in die Kante der Überdachung ein Zitat des weltweiten Frankfurter Geheimrats. Tusch! „Denn man reist doch wahrlich nicht, um auf jeder Station einerlei zu sehen und zu hören!“ Goethe heißta, der ahle Maista!

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Der Zug leert sich. Will denn keiner in den Westen weiter? Oder halluziniere ich? Die Gewitter sollen nahen, tun es nicht. Ich krame in meiner Tasche rum. Ach und ach! Eben noch in Torgau im Schloß Hartenfels eine kleine, feine Ausstellung angeschaut. „Die Stasi“. Tatsächlich angekündigt in Anführungszeichen. Mein derzeitiger Wohnort war dem Schild der Partei offensichtlich nähere Betrachtung wert. Wieder nix Neues, aber gut immer wieder daran erinnert zu werden. Siehe das Photo oben. Stift und Reim her.

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Passionen revisited

Ich vertraue nicht mehr den trockenen Worten

Die Schleifen basteln mögen

Und Kurven drehen geradeaus

Statt mit Säure angereichert

Zwischen den Zähnen herauszuschießen

Auch auf die Gefahr hin

Zu schlittern

Herr Oberin

Zahlen bitte

13 48 3 24 8 37

Wir hörten die Gewinnzahlen der Mittwochsziehung

Protokoll

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Dann Eisenach. Mein Hirn wird weich und weicher. Blasen an den überhitzten Füßen. Zeit für einen Limerick.

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Geboren ward der Basti Bach

Vor Jahren einst in Eisenach

Dort lernte er von Flöten

Und auch von den Nöten

Er orgelt seitdem Gottes „Ach“


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Dann schlug mir die Hitze den Stift aus der Hand. Und ich überfuhr die alte Grenze. Ich schau da immer noch aus dem Fenster. Es gibt sie nicht mehr. Sagen die Einen. Und die Anderen nicht! Jeder bleibt vor sich allein. Das WIR ist und bleibt wirrer denn je.

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Peter sagte: „Und es war Sommer.“ / 05

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Erfurt Hbf / Thüringen / 21. Juni 2023

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Was, bitte, wolltest Du eigentlich von mir? Sprich!

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„Nächster Halt Erfurt Hauptbahnhof! Der Ausstieg ist links! Next Schtopp is Öhrfut Meenschteschn! Exit iss on the left seid!“ Am linken Ausstieg ein Zettel. „Türe unbenutzbar!“ Der Zug rollt in den Bahnhof. Von der Tür nach links drei Mädel. Eines mit Kopftuch und zwei bauchnabelfreie Instagramfiguren. Die zwei Letzteren heben ihren Blick von den an ihren Händen festgewachsenen Kommunikationsgeräten und ziehen einen Wagen weiter. Ohne der wohl zu analogen Altersgenossin vor ihnen Bescheid zu sagen. Diese scheint verwirrt. Man hört die Bremsen des einfahrenden Zuges quietschen. Ich mache auf mich aufmerksam winkend und weise in Richtung des vorderen Wagens. Sie eilt den zwei anderen Mädels hinterher. Wenige Sekunden die Bühne leer. Dann Auftritt eines Mitfünfzigers. Bier formte seinen Körper. Hat wohl vor sich hingeträumt, mußte aufspringen vom Platz. Die Erkenntnis: „Scheiße, ich muß ja hier raus!“ Steht da wie der Ochs vorm Berg. Rührt sich nicht. Ein Legastheniker? Frühsenile Lesestörung? Winken hilft nicht mehr. Ich rufe ihm zu: „Da hängt ein Zettel!“ Er liest was, Gott sei Dank. Eilt davon, drei Mädels hinterher. Und er hatte noch ein in sich selbst versunkenes „Danke, Danke, Danke!“ in meine Richtung gemurmelt. Ich blicke aus dem Fenster rechterhand und suche die berühmten Buchstaben auf dem Dach des ehemaligen Erfurter Hofs. „Willy Brandt ans Fenster“. Sie sind noch da, rechterhand.

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Heute sitze ich zu Hause und lese, daß in den Umfragen die AfD die SPD überholt hat. In Thüringen, der Heimat meiner Vorfahren, regiert noch der Ex – Gießener Linke Bodo Ramelow. Noch. Mein Trost wäre, führe ich das nächste Mal wieder in den Osten, ist die Türe rechterhand unbenutzbar und linkerhand ruft man Willy ans Fenster. Deutsches Land, was willlst Du eigentlich noch außer einem neuen Bundestrainer und in Ruhe gelassen zu werden?

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Im Westen nichts Neues, dachte ich eben. Und natürlich möchte ich, auch wenn das senil klingen mag, lieber von einem depressiven Alkoholiker und Schürzenjäger regiert werden. Der empfindet wenigstens etwas. Aber ich bin nicht das Volk. Genauso wenig wie Du, Genosse. Und schon gar nicht das inexistente WIR.

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Raus aus dem April / Rein in den Mai / Von Parallelwelten und der Größelsucht

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Vis a vis der Haustür / Anfang Mai / Zwo null zwo drei / Iss ein Reim

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Jetzt auch noch der weltberühmteste Gießener aus Heuchelheim. Am Pranger pranget er. Schauet in den Spiegel! Habe ich heute getan. Währenddessen schaute ich aber auch aus dem Fenster. In unserer direkten Nachbarschaft wird ein Haus auf brutale Art und Weise entmietet. Alte Frau rausschmeissen, die da seit über 30 Jahren wohnt. Auto abschleppen lassen, weil das marode Renditeobjekt eingerüstet werden muß und deshalb vermietete Stellplätze wegfallen. Frei nach Berliner Art. Auch du verzagtes Gießen, eine Großstadt seie und shanghaie so vor dich hin. Wer sogar Mafia kann! Bilde man sich was drauf ein und schreibe drüber ein lokales feines Büchlein. Als Wanderer zwischen den Peinlichkeiten der Erinnerung.

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Aber auch: Es wird wärmer endlich. Plus Nebenwirkungen. Vor unserem Hause jagen sich gut 20 Minderjährige. Hin und her. Zwischen 11 oder 12 sind sie. Martialisch dröhnt es in der Gaß‘. Bewerfen sich mit Steinen aus meinem Vorhausbeet, mit Red Bull Dosen, aber im Wesentlichen mit Worten, welche ein selbst zweistellig bepromillter Til Gernegroß eher nicht in den Nuschelmund genommen hätte. Visavis vor den Toren der anderen Nachbarn, also meiner ehemaligen Arbeitsstätte, dem so called TiL, eröffnet die Abteilung EVENT der Fachhochschule ein semesterliches Öffnen. Man steht gesellig beieinander. Gewiß ist man gendergeschult und allen Überhärtungen im Umgang der diversen Menschinnenheiten miteinander mit offener Tastatur zugetan. Jungs mit Omadutt und lackierten Fingernägeln, Mädels mit Springerstiefeln und Parkas in Übergröße. Sie beobachten das hyperventilierende Kindervolk, welches einen Sprechcode durch die abendlich einsetzende Kühle jagt, für den der Palmer Boris nicht nur zurücktreten, sondern einen Kopf kürzer und so. Gemach aber. Man bleibt gelangweilt. Läuft das unter EVENT? Uppsala! Ist das die neue Qualität des Beobachtens? Das interessierte Ignorieren?

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Wovon ich hörte, dies ist wahr.

Was ich sah, trat mir nicht nah.

Es sei, ich hab‘ davon gelesen.

Leider nicht dabei gewesen.

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Was macht Ulle eigentlich? Hatte ihm nicht einst sein Fincanachbar via Verlag Springer dringend ärztliche Behandlung anempfohlen? Kann Lance vermitteln? Und ist Boris sauer, weil der Spiegel nicht mehr von ihm spricht? Die Welt inszeniert sich als eine Schichttorte. Die verschiedenen Böden suppen ineinander und behaupten Eigenständigkeit. Parallelwelten.

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Was vergaß ich noch aka fiel mir auf und rein ins Kontor …  Stuckrad – Barre und Schweiger döpfern zusammen einen Film über … Scheiße … mein PC … soviel kann der gar nicht … Deutschland … wir haben kein Problem! (Hallo! Wieso schreibscht Du der Spiegel immer klein und nicht so wie … Dein Säzzer!)

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Und sonst? Selbst meinem geliebtem Christian Streich fällt es schwer Niederlagen – Ok! Die war heftig! – zu fressen und auch im masturbativ idyllischem Fußballfreiburg hausen Schwachköpfe. Ach nee?

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Und weiter? Freddy Quinn hat nun geheiratet. Mit 91. Ab ins Abenteuer.

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Dann noch? Komme eben aus der Apotheke. Die neben dem Büdchen, wo ich in fernen Zeiten immer die Fluppen kaufte. Gedenkstein für Frau Asteroth statt des Schlammbeisers bitte! War nur ein Einwurf. Weiter im Text. Neben mir stand die ehemalig langjährige Vorstandsvorsitzende von Little Gießen. Kurzes Fremdeln. Dann ein Freundliches Hin und Her. Man tauscht so die altersbedingte Lage aus und dabei die dazugehörigen Rezepte ein. Was man so tue. Ein bisserl hier. Ein wenig da. Die Rente halt und – lernen wir von den Frauen – dem Bedeutungsverlust augenzwinkernd und – ja – auch weise begegnend. Das Zitat: „Man hat so seine Zeiten und dann sind die auch mal vorbei!“ Der heutige Tag sei damit gerettet. Bis dann.

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Und danach? Morgen muß ich mir im Krankenhaus an einem für die Tastatur und die Gitarre wichtigem Finger rumschnippeln lassen. Auch wenn die Hose voll, das Grundvertrauen bleibt.

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Nehme mir also nochmal den Spiegel vor und lese: „Der war manchmal auch ein richtiger netter Typ und hat für den ganzen Set Champagner ausgegeben.“ Na dann. Ah! Da iss ja noch was REWE – Riesling im Kühlschrank. Und draußen ist es tatsächlich warm geblieben. Kleine Pause die nächsten Tage.

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Und für de Säzzer noch dess. Mir sind die Spiegel lieber, die wo einen etwas verschrumpele lonnt. Schon allein wegem Streich, dem Chrischtian. Etz noch Blümle schaue beim Viertele schlotze. Bis denn.

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Hinterhof / Blüht statt doof / Wird alles schon / Da noch ein Keim / Oder Reim

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Zwo Null Zwo und Drei / Lieb‘ Welt so reim‘ oder ich fress Dich aufs Neue 25

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Albertschwende / Austria / 9. Oktober 2022

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Drei Knappen stehen vor den Ängsten und keiner ohn` ein HO NARRO / Wer Tags und Nacht stets wiederkäut wird ooch nich froh / Drum dichte

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Hattest Du Was Vergessen Der Kleine

Hat Seine Mütze Falsch Rum

Auf Den Spender Sei Ein Trulalla

Ich War Dort Und Du Warst

Auch Woanders Ist Genauso Schön

Können Wir Jetzt Weiter

Geh‘n

Wir Werden Abgelichtet

Doof Bleiben

Wer Die Macht Der Mir Den Hof Eben Noch

Vor Den Ampeln

Gelassen Hampeln

Auch Ein Ich Ich Bin

Wie Beschreibt Man Eigenes

Fehlen

Muß Ich Mich Noch Quälen

Wiederkäuend

Drizzoschenie

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Wo ist die Zeit? / Boomer entboomern Boomer or Don’t bogart that reactor!

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Und dann kommt alles auf einmal auf den Boomer eingestürzt. Er wird alt, nicht mehr geliebt, sein Therapeut rät ihm sich dem Bedeutungsverlust („Nehmen Sie sich ein Beispiel an Oliver Kahn!“) offensiv zu stellen, seine Eier daher weicher zu dämpfen, Smartphone inhalierende Jungschönheiten würdigen ihn keines Blickes, beleidigen ihn nicht mal mehr und dann stellt der Robbi auch noch, nach Angies Maßgabe, die Atommeiler ab. Endgültig und trotz Kubicki und seiner fidelen Sylter Jungschar. Dabei hatte das Zeugs doch einst identitätsspendendes Potenzial. Über jene Jahrzehnte zwischen Wyhl und Gorleben. Andererseits aber? Keine „Nukes“ mehr, Leute? Wie hätte denn uns Bruuuuuce derart overloaded über die Bühne hüpfen können ohne Brennstäbe im Allerwertesten? Und wie bitte wurden die meterhohen Marshalltürme der verehrten Gitarrenniddler beheizt? Mit veganer Grillkohle? Genau. Es ist nicht fünf vor Zwölf, sondern schon Viertel vor drei und deshalb flieg ich jetzt mit Ryan – Air nach Dings. Oder ins Häusle auf Jamaika. Egal! Und überhaupt: wie krieg ich jetzt den Kleber mit der roten Grinsesonne vor gelbem Hintergrunde von der Heckklappe meines Volvo V90 Cross Country weg? Des dauert wahrscheinlicher länger wie mer braucht, um die Jungspunde vorm Elbtunnel von der Fahrbahn zu flexen. Au! Sorry! Da isch mir einer rausgerutscht. War it so g‘meint! Aber die letschten drei Meiler mal in Ruhe lassen einfach? Der Pole und der Franzos machen des doch auch und mehr. Also ich sag ja nur. Warum schwätz ich jetzt … also schreib plötzlich südlich? Ah: Kretschmann! Der hats kapiert, der Grüne Benz, also wie mer Eier weich kocht und so tut als wär mer der Titan. Aber jetzt was anderes, also: des toppt alles. Der Lauterbach, der sich mit salzfreiem Pfefferminztee ins Delirium jubelt und so als Tischtennisball oder als Weißer Hase reinkarnieren will, hat ein Gesetz gemacht. Das Gute – Laune – Law oder Sow. (Apropos: des wird nix mehr mit der Eintracht dies Jahr! Der Säzzer!) Man darf jetzt kiffen. In Maßen zwar, wie es der kunstseidenen Republik angemessen ist, aber man darf es. Fünfundzwanzig Gramm am Tag. Aber nur zweimal im Monat. Und drei eigene Pflanzen anbauen auf dem Balkon oder im Kofferraum von meinem Volvo. Toll? Nein und nein! Das ist der Skandal, der wahre. Da wird dem Boomer, der selbst als Pensionsbezieher sein revolutionäres Ein – und Ausatmen über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus bewahren konnte, der Dolch der Spießigkeit ins daueremphatische Herz gerammt. Legal kiffen? Ist doch was für Smartphone – Beauties. Also mit der da hinten … Hä? Was hat sie gesagt? „Boomer! Bitte! Zieh Dir das T – Shirt aus!“ (Hechel! Hechel! Gerne! Gerne!) Reichtum verzeiht so manche Peinlichkeit. Lieder aber bleiben.

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