Keine Empfänge mehr auf Banketten

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Hauptfriedhof Konstanz / Sommer 2020

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Keine Empfänge mehr auf Banketten oder neben Rettungsgassen stehend

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In jener nacht als man begann

Die leidplanken entlang meiner lebenslandstraße

Abzumontieren

Stand ich auf dem bankett

Eine margerite in der linken hand und

Zählte da die tage leiser wurden

Von unten nach oben

Einer lebt noch

Einer lebt nicht mehr

Einer lebt noch

Einer vielleicht

Morgen dann

Also brach ich auf eine tulpe zu pflücken

Am vorletzten Grab

Weniger blätter

Und leerer der rucksack

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(Gießen / aktueller Anlaß / 20. 02.2024)

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Von der Buchhaltung in der Sache Einst

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Bevor ein längerer Schlaf auf mich zurollte, wachte ich auf. Auf der Brust täglicher Druck. Ein Reim auf dem Fensterbrett. Habe ich ausgeschnitten.

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Buchhalten

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Von der Buchhaltung sprechen danach und nachdem

Wir hatten niemals falsch abgerechnet

Wir hatten die Pflicht abzurechnen mit der anderen Seite

Unsere selbstauferlegte Pflicht im Gefecht mit den Ahnen

Ahnten wir nicht dass jedes Denkbüro auch voller Buchhalter und

Vorzimmern und vor den Zimmern ist nach den Zimmern

Wenn wir erschöpft

Ein Jedes habe seine Zeit murmelnd wir

Auf der Gasse uns nach vorne beugend wir

Die zitternden Knie umfassend

Wir als Nachfolger alter Abgerechneter

Moralsauer selbstversunken

Das gute Tun und nun

Mit Pauken und Trompeten die Anderen jäten

Unsere Rosen als seien sie Unkräuter

Und verteilten wir vielleicht doch nur fremde Güter

Niemand ist ein Hüter

Seiner Buchhaltung denn davor

Steht mit grauer Miene

Kommen Sie rein

Der Herr Revisor klopfte an

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(Giessen / Februar 2024)

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Talking `bout one generation unter Tausenden.

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Ich bin Ende oder Anfang / Franz Kafka

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Meersburg / Jan. 2024 / Links: Fischerboot / Rechts: Zweifler auf der Promenade / Foto: A. Haas

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Wenn das Netz leer bleibt

Ist es pure Eitelkeit auf dem Markt

Seine Aufwartung zu wiederholen

Selbst wenn dem einsamen Angler

Die Aufgabe schmeicheln mag

Den antwortlosen See voller zu fischen

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(Gießen kurz vor Februar 2024)

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Bis nach Ostern übernehmen meine zwei Freunde. Sollte Ihnen ein Gedankenfischle ins Netz flosseln. Hier schweigendes Aufräumen. Lesen.„Wirkungswille ohne Letztbegründung“. Dank an Heinz Bude für dieses Zitat.

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Bald eine bessere Welt. Zum Mitnehmen. / Oder: Vivil sind wir eigentlich?

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An einem der letzten Tage unserer auferstandenen Republik war ich dabei / Januar 2024

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In selbigen untergegangenen Jahren

Als ein Mann kehrte er heim

Nach Zigarre Kurzem Bier und miesem Witz

Schlechten Gewissens und reflexhaft ein Vivil

Einwarf wieviel kostet mein Leben noch

Vivil gilt es zu verbergen

Und wer soll das bezahlen

Die Gattin kriegt dafür Haushaltsgeld

Schnell noch ein Zeichen setzen

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Dieser Tage auf den Plätzen versetzen WIR

Zeichen setzen welche Zeichen und wer ist WIR

Ganz GI hasst die AfD

Schön wär’s gerne und morgen dann

FCK AfD oder FCK PTN

Wie jetzt, FC Kölle oder die alten scheintoten Lauterer

Dachte ich

Die Frosteinlagen im Schuh

Als ich hörte solidarisch latschend zu

Jedoch junge Römer ihr

Auch heute in der Nähe der zu penetrierenden After der Despoten

Kriechen ukrainische Soldaten durch gefrorenen Schlamm

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Die Lokführer – Minderheit beendet den Streik zwei Minuten vor der Zeit

Ein Volk jubelt welches sich mit veröffentlichter Öffentlichkeit verwechselt

Wir reden wieder miteinander

Der Pendler pendelt zwischen zwei nicht vorhandenen Überzeugungen

Drohnen zählen von oben unsere Selbstvergewisserung auf den Plätzen

In Hauptsätzen

Neben der Auflistung deutscher Niederlagen

Glimmen auf in Relativsätzen die verdienten Siege der Nachbarn

IKEA

Hot Dogs

Croque Monsieur

Die auch mal was erfanden

Wir aber

Mercedes, Krauss- Maffei, Nürnberger Trichter und Werthers Kaubonbons

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Es naht der Karneval die Fassenacht oder fast im Net

Der nächste Kommentar

Gerne zynisch

Oder

It’s gonna take a lotta love to change the way things are

Oder

Hyperpolitik während wir Verteilungspolkas in die Tasten stampfen

Oder

Ab morgen nehme ich mir vor auch mal zu kurz

Zu kommen und zu Tieren

Gut zu bleiben

Fütter die Spatzen

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Neben der Bäckerei des Vertrauens fast täglich

Zwei Russinnen Ukrainerinnen schöne bebrillte Frauen

Zeuginnen der letzten Tage Jahwe der Weltuntergang nah

Der Ständer Erwachet Erwachet neben ihrem

Von Passanten unbehelligt friedlichem Geplapper

Und da darüber steht zu lesen:

Bald eine bessere Welt. Zum Mitnehmen.

Oder

Bald eine Bessere. Welt zum Mitnehmen!

Oder

Bald Eine! Bessere Welt zum Mitnehmen!

Noch mehr Zeichen?

Kann man. Setzen!

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Für Sahra bleibt ein Abschiedslied von Meister Bob

Oder der

Sagt ein Fisch zum anderen: „Du nervst!“

Sagt der: „Ich bin ein Stör!“

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Manchmal denke ich zurück an Nächte voller mieser Witze

Aber großer Lebensfreude

Besser verwirrt bleiben

Zeichne mir ein

Ein Tier kein Schaf

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For sentimental reasons / Erzähle Treue

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Hoyerswerda / Früher Sommer 2023

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Und so pinselten sie unter die Füße der eifrigen

Einkäufer ein Meme

Nachdenkasphalt

Wohin gehen die Tage

Wenn sie vorübergehen

Stand da zwischen den Schweizern

Die kaufgierig fluten seit Jahrzehnten die aufgesuchte alte Heimat

Die abhängig

Wer liest was schon unter vollem Einkaufsbeutel

Als ich stehenblieb und bemerkte und ich mich fragte

In meiner schlauen Manteltasche ein Zitat

Das Spiel, das wir Gesellschaft nennen ist zu einer Schlägerei geworden

Patient Gesellschaft Klient Familie

Stets und wieder das Karussell an den Ketten

Dreht und dreht sich

Die Erinnerungen minütlich alt und älter als

Der tote Kaiser angeleimten Armes über Mexikos Rasen schlich

Als der Mann dessen Namen auf meiner pubertierenden Zunge verging

Eine ewige Sonne herbeisehnend

Gigi Riva

Oder rombo di tuono

Das Donnergrollen tauften sie ihn wie ich las eben

An – ausgerechnet – Schnellinger vorbeirauschte

Ausgerechnet Schnellinger

Stahlblonde deutsche Sehnsucht nach Arkadien

Schiffe versenken Admiral Dönitz C 7

Verlierer sind wir alle allemal

Wenn uns die Tage verlassen

Wohin auch immer hin

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Nachklapp: Was ich nicht wusste, dass eben jener Luigi „Gigi“ Riva als Kicker auf Sardinien gelandet war, die Insel dann nie mehr verließ und mit dem Inselclub Cagliari Calcio sogar im Jahre 1970 Meister wurde. For sentimental reasons. Die Erzählung Treue.

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Jo iss scho wieder Weltuntergang? / Das Licht geht für immer / Wer gestaltet es denn nun? / Das Franzbrötchen?

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Gegenüber von Kiel an der Förde / Ein Pirat / Ein Fischkutter / Januar 2015

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Wir brauchen neue Kanzler*innen oder mit dem Volk nach vorne denken

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Heut‘ ist mal wieder Weltuntergang

Es schiebt leere Stühle

Sein Blicken so bang

Ein Wirt durch die Kneip‘

Hadert mit der Gäste Verbleib‘

Zu Haus‘ in den Nichtorten

Vor den Toren der Stadt

Warum nur mein Gott

Geschneiet es hat

Und blitzgeeist

Was heißt

Dass Straßen leer

Die Germanenseele bitter und schwer

Etliche Minuten ganz ohne Konsum

Der EßYouWie bleibt leider stumm

Seit halben Tagen

In beheizten Garagen

Sowie in des Wirtes Port du Car

Drei Benze schweigen wunderbar

Der Krisen mehr

Kommt bitte her

Dann werden

Woll’n wir wetten

Die Schreiber der Lokalgazetten

Wenn’s taut die Pfützen zählen

Und wird’s dann heiß

Derselbe Tastenscheiß

In kurzen Sätzen

Zum nächsten Weltuntergang hetzen

Give the people what they want

Anders sieht es Meister Kant

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PS1: Dieser Beitrag wurde nachträglich nicht mit KI scheinverbessert.

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PS2: Dieser Blog wird gelegentlich von einem gelernten Schriftsetzer kritisch beäugt. Das begrüße ich. Ernsthaft. Und augenzwinkernd.

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PS3: Ich schaue mir gleich die Trauerfeier in München an. Schlimm genug. „Weniger Licht! Stattdessen gestalten!“ Ist das ein Zitat von Goethe, der nicht für die Feierlichkeiten zur Verfügung stand? Der Uli, der Hoeneß, er war da!

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PS4: Die unfassbar gute Menschendarstellerin, die Thalbach, wird heute 70.

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In Zeiten leerer Auslagen voll Hoffnung

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Torgau (Sachsen) / Aufgegebenes Ladengeschäft / Sommer 2023

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In den Zeiten leerer Auslagen voller Hoffnung

Den Krieg den Hunger die Schuld

Noch im Profil der abgelatschten Stiefel klebend

In den Sand der Lausitz getreten

Schrieb der junge Schichtarbeiter Volker Braun

Kohlenstaubverschmiert

In seinem ersten Lyrikband

„Provokation für mich“

Den folgenden Reim nieder:

Kommt uns nicht mit Fertigem! / Wir brauchen Halbfabrikate / Weg mit dem faden Braten – her mit dem Wald und dem Messer! / Hier herrscht das Experiment und keine steife Routine. / Hier schreit eure Wünsche aus: Empfang beim Leben.

Heute spiegelt sich vor vollen Schaufenstern

Nicht als verlorene Wut

Auf die dahineilenden Zeiger

Die sich weigern rückwärts zu laufen

Revolutionen finden auf dem Sofa

Statt

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(Hoyerswerda / Sommer 2023)

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Wühle mich in den ersten nervig „positiven“ Tagen des Jahres durch ein großartiges Buch, welches mich ungemein erfreut in diesen Tagen der GROSSEN ANSPRÜCHE und des kleinen mutes zu VERÄNDERUNGEN.

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Auf Brigitte Reimann war ich erst gestoßen – typisch Mann, obwohl mir DDR–Literatur, vor allem Franz Fühmann, immer sehr nah war, blieb doch der größere Teil meiner Familie im Osten – als ich 2019 in Hoyerswerda für meine Gundermann–Abende recherchierte und sofort in Bann gezogen war von dieser Schriftstellerin. Da macht es jemand sich nicht einfach. Mit sich. Mit der Welt. Carsten Gansels Werk hat die Faszination vertieft. Ich lerne viel Neues über die Verfasstheit des Landes, welches meine Mutter mit mir im Bauch 1956 verließ. Es stellen sich über und über neue Fragen. Und die Verunsicherungen schleichen um alle Ecken. Es kippeln und wackeln die Erinnerungen, Einordnungen, Wertungen. Machen Platz für Neues. Gut.

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Betonung der Wiederholungen

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Schreibtisch / 4. Januar 2024

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den finger fest auf der repeat – taste

möge sich wiederholen die veränderung

dem scheitern eine vision aus den gebrochenen rippen

leierkastenmann

der rechte arm

bei mir der linke

schwillt an

popeye iss deinen spinat

trotz dieses kommafehlers

mama wußte davon nichts

sie las die falschen zeitungen

eisern treu den eigenen fehlern

gegenüber winken andere

vom ufer drüben dort

dieser see wird nicht mehr zufrieren

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(gießen / anfang `24)

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Positiv möge man in ein Neues Jahr blicken. Gesagt, getan. Uff!

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