Paul Celan hat dieses Gedicht übersetzt, nachgedichtet, von dem ich nur die letzte Strophe kannte, diese letztlich verwurstet als einen vielseitig interpretierbaren und / oder einsetzbaren simplen Merksatz. Oder eben Selbstvergewisserung in den dunkleren Stunden, von denen etliche in den letzten Jahren. Fand ich neulich in der FAZ. Lesenswert. Reim und Artikel.
*
Wes diese Wälder sind, das weiß ich recht genau.
Allein im Dorf erst, drüben, steht sein Haus.
Der Schnee füllt ihm den Wald – steh ich und schau,
dann sieht er mich nicht, macht er mich nicht aus.
*
Mein kleiner Gaul, der findets wohl verquer:
kein Haus, kein Hof – und dahier hält sein Herr;
ein Teich, gefroren, und nur Wälder um uns her;
der Abend heut – im ganzen Jahr kein finsterer.
*
Das Zaumzeug schüttelt er – die Schelle spricht:
Ist das ein Mißverständnis – oder nicht?
Ich lausch und horch – ich hör sonst nichts;
doch, dies noch: leichten Wind, die Flocken, erdwärts, dicht.
*
Anheimelnd, dunkel, tief die Wälder, die ich traf.
Doch noch nicht eingelöst, was ich versprach.
Und Meilen, Meilen noch vorm Schlaf.
Und Meilen Wegs noch bis zum Schlaf.
*
(Aus dem Amerikanischen von Paul Celan)
*
Robert Frost spricht von „der alten Stimme“, welche ihm das Gedicht eigentlich diktierte. Ich – obwohl bei weitem kein Poet – meine sie zu kennen. Ich versuche nicht nachzudenken. Las die Finger machen. Keine Zensur. Keine Selbstzensur. So wenig Korrekturen als möglich. Innerer Monolog. Fehler mitnehmen. Peinlichkeiten. Aus dem Moment heraus. Siehe unten Meister Dylan. Am nächsten Tag stehe ich vielleicht wie der Ochs vor’m Berg vor dem Erguß. Belebend sind die Zweifel. Und niemals ist eingelöst, was ich versprach. Nur wem? Rauf auf den Wachturm. Zwei Reiter in ferner Ferne. Nähern sich. Wissen sie Bescheid? Oder die Wildkatze.
Wahrscheinlich wiederhole ich mich. Aber nun tue ich es aus quasi aktuellerem Anlaß. Die Wiederholung: Wenn ich am Schreibtisch sitze und schreibe, schaut mir der älteste aller Altkanzler über die Schulter, garniert mit seinem „Lieblingsgedicht“, wovon ich wohl mal las und es sogleich verwurstete. Weil es mir gut gefiel stets und noch gefällt. Bisserl Olli Kahn: Weiter! Immer weiter! Schön naiv bleiben. Weniger klagen halt! Dinge tun!
*
Letzte Woche sah ich eine Dokumentation über JFK im TV und guckelte nach. Das Gedicht ist gar kein Gedicht, sondern lediglich die letzte Strophe. Und gewünscht hat sich die Reime Kennedy zur Amtseinführung. Manchmal dauert es halt 60 Jahre, bis man was begreift. Oder nie. The complete poem:
*
Whose woods these are I think I know.
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.
*
My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.
*
He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound’s the sweep
Of easy wind and downy flake.
*
The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.
*
(Robert Frost)
*
Robert Frost? Bob Frost? Seit etlichen Jahren, seitdem Dylan seine Platten selber produziert, was gut so ist, nennt er sein Produzenten – Alter Ego: Jack Frost. Mein zweiter Name ist Hans. Vater eben. Ich mag diese Coincidencien. Mit oder ohne jegliche Bedeutung versehen. Verbindungen.
Regal / Keller / Gießen / Heute nachmittag / September 2023
…..
Aufräumen könnte man. Das Trottoir fegen. Nicht für sich, aber für andere. Also letztlich für sich. Das selige Geben. Remember? Lohnt es sich noch die Fenster zu putzen? Was liegt denn so rum im Gemüsekorb? Bevor es verrottet, noch Einmachgläser kaufen? Wenn der Herbst und der Winter, der diesen schon mal belästigen will, an die Pforte klopfen? Den Bart abnehmen? Oder nun das Gesicht mit Haarbewuchs wärmen vor kaltem Wind? Einmal noch mit der Mistgabel den Kartoffelacker durchwühlen? Und ein gelassener Blick zum Himmel, der dir früher oder später auf den Kopf fallen wird? Die Steine aus deinem Acker heute schon herauslesen oder warten bis zum nächsten Frühjahr? Wird der Winter deine Steine spalten? Alte Träumereien begraben? Mistgabel? Spaten? Man mag sich verzeihen.
*
Vanitas! Vanitatum Vanitas!
*
Wir rechnen jahr auff jahre/
In dessen wirdt die bahre
Vns für die thüre bracht:
Drauff müssen wir von hinnen/
Vnd ehr wir vns besinnen
Der erden sagen gutte nacht.
*
Wie viel sindt schon vergangen/
Wie viell lieb-reicher wangen/
Sindt diesen tag erblast?
Die lange räitung machten/
Vnd nicht einmahl bedachten/
Das ihn ihr recht so kurtz verfast
*
Wach‘ auff mein Hertz vndt dencke;
Das dieser zeitt geschencke/
Sey kaum ein augenblick/
Was du zu vor genossen/
Ist als ein strom verschossen
Der keinmahl wider fält zu rück.
(Andreas Gryphius / Exzerpt)
*
Vom Schreiben auch dies: Es ist tatsächlich eine Freude in den Keller gehen zu können und dort Eingemachtes zu erblicken. Die Mägen sind voller als die Seelen. Ab morgen grüßt nun der Oktober, der liebe Geburtsmonat. Da übernehmen die Genossen wieder. Nach der Rückkehr aus einem Ausflug in die Ardennen. Mitte Oktober. Vanitas aka Eitelkeit benötigt stete Pausen. Zumal Herr September sich als ein recht kindischer Mai präsentierte. Spiegel der Gesellschaft nun. Pubertät bis in die Kiste. Hier Frankie Boy. Wie am Anfang, so am Ende. Als der September noch ein Erwachsener war.