„Größer als wir sind nur unsere Schatten!“ (Fred Schreiber)

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Agios Issidoros / Leros / Dodekanes / Hellas / 19. August 2016

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Im Schatten alten Mutes die Flauten und kaum Ufer

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Weh oh Weh Dir Mut

Da unter schlaffen Segeln ich ausharrte auf den Wellen

Da Penelope in mir nicht mal eine Erinnerung blieb

Weh oh Mut der wehte mein Boot gegen die Küsten der Erinnerung

Unzähmbare Gicht nach mir griff und die Ruder glitschig meinen Händen

Entglitten und Dein Schatten Höllenhund glitzerte

Zurück oh zurück zum Weh oh Mutiger

Odysseas Du oh Weh geprüft von bitteren Göttern

Wie wir kein süßer Wein sie sind es nie die Unwirschen

Wehe oh wehe Wind aber vor meinem Bug

Und ich wende nicht den Blick

Das schäumende Wasser wirft mir keinen Schatten zu

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(gießen heute, da ich obiges photo entdeckte in meinen archiven und dachte: da hast du ihn mal vor der linse gehabt, den schwarzen hund)

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Schrieb vor Tagen hier, dass Toni Schumacher seinen Schwarzen Hund als Graue Wölfe bezeichnet hatte im Gespräch mit Litti. Gefiel mir. Einem jedem sein eigenes Lied, wenn das Düstere zupackt. Einer oder die Etlichen. Hat vielleicht damit zu tun, dass der Tünn oft von ganzen Rudeln angefallen wurde. Stürmer. Fans. Presse. Und und und. Ich bleibe beim Schwarzen Hund. Singularität. Ich weiß, wo er entlaufen. Einer reicht mir auch.

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Als ich obiges Photo machte, war der Schwarze Hund mir so fern und so vergessen wie selten überhaupt. Wahrscheinlich hat er sich deshalb ins Bild gemogelt. Der Hund, der gescheite. Wobei ich mich nicht erinnern kann, ob nicht vielleicht sogar die liebste Gattin dieses Bild gemacht hat. Die kennt mich eh besser als ich mich selbst.

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„Humor ist, bei einer Medaille die dritte Seite zu sehen.“ (Zitat / nicht von Dylan)

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Hellas / Kreta / Kreuzung zwischen Matala, Pitsidia und Kommos Beach / September 2009

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Warum Bob Dylan wichtig ist

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Als wir auf jener Kreuzung verharrten

Und Du und Dein Fuchteln

Und ein wenig Wind um meine Nase

Ich müsse mich entscheiden

Endlich

Ende oder Scheiden

Da oder hier lang

Oder schmeiß die Münze

In welche Luft auch

Immer

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Der Teufel hatte keine Zeit uns zu helfen

Also blieb ich stehen

Was Dir missfiel

Ich vergaß wohin Du abgebogen

Obwohl ich mich nicht erinnern mag

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Heute ist unsere Kreuzung ein Karussell

Wir dürfen nur nicht vergessen

Uns

Festzuhalten

Nichts zu wissen aber auch

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(gießen heute / morgen ein auftritt)

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„Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber vor der Sterberei!“ (Harald Nägeli)

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Huy / Wallonien / Belgien / Oktober 2023

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Bitte

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lieber bestattungsunternehmer

ein altes grabloch schreit leise nach mir

es tröpfeln einzelne worte

plopp

fallen stumm hinab

in jenes grab doch

welches ich aushob wütend mal

bannte es auf papier auch

das grab welches ich aushob

jene hinein zu legen meiner ruhe

geschuldet jedoch die

zunge sandpapier

ein lied erflehend

hält offen den mund mir gelegentlich

wund und weh und reibt

den rachen angefüllt mit

müden schreien

warteschleife munchgesicht

dummbatzig heute den kopf zurückgeworfen

steifer nacken

mutiger mal sehnend mich

ab in die kiste

aber es mir dauert

meist zu lange

gott sei dank

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(entwurf vom januar 2022 / gießen / überarbeitet heute)

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„Es gibt keine italienische Musik, auch keine deutsche, und keine türkische – aber es gibt Musik.“ (Giuseppe Verdi)

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Polen / Świnoujście / Nach der EM und während der olympischen Sommerspiele / August 2012

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Wadenmusiken

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aus tiefem raume heute kaum

noch terrierhaft gewadet wird und geglitten

schlammverschmiert in fremde beine

haupthaar wehend oder im mittelfeld

gehend hoch das kinn die stutzen runter

nach dem spiel dann ziemlich munter

dem training kalte schulter leckend nicht

an jedem mikrophone

kein volk dem ward verheißung

serviert auch wenn man doch verliert

und rettung oder regentänze

man wechselt selber sich und

rein mit wut es reißt ein netz

das wetter musste keine märchen erzählen

manche spiele dürfen quälen

wasserball und müller dreht sich

und der trainer mit der mütze

medizinball liegestütze

in der mitte stürmt ein stürmer

ungeheuerlich und macht hütten aus bananen

neben dem grün noch aschebahnen

aufgeschlitzter oberschenkel

geschraubte stollen geschnürte senkel

vokuhila roger milla

keine keller nirgendwo

aus ist hand und sowieso

der fehler bleibe

fragt hans der in wembley

flog

den fang ich mit der mütze doch

wie kann der nur der linienrusse

geschenkt und ausgerechnet der versenkt

dann die blauen hemden

keine fluppen mehr auf trainerbänken

genörgel doch kann ich mir schenken

rolle kugel frei

und rudi der noch lebt

auch mal vorbei

bespuckt von friesischen kamelen

auch die fehlen

diesmal nicht

demnächst verlängerung

und elfmeter

all dies aber später

und vielleicht

wenn was erreicht

egal ob albanien oder österreich

wer dann gewinnt

des wade darf musizieren

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(mittelhessen / arschkalt / 14. juno 2024)

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Gestern Abend wurden wir aus dem Kabelfernsehen rausgeschmissen. Zack! Der heutige Auftakt schien gefährdet. Bei diesen arktischen Temperaturen draußen sitzen? Gott sei Dank hatte meine kluge Gattin, die heute auch noch Geburtstag hat, schon vor Ewigkeiten irgendwie Internet-TV gebucht. Haben wir nie genutzt. Jetzt habe ich mich, der ich gestern noch tönte, froh darüber zu sein die Glotze los zu sein, in einem wilden Akt in die Tiefen der neuen weichen oder harten Ware des neuen Glotzens reingewühlt. Yeah! Geht doch. Die Schotten mochte ich eigentlich schon immer. Die Engländer sind eigentlich immer mein Favorit des Herzens. Wird aber nix. Die haben den Kane. Was wollte ich noch sagen? Übergebe besser an die Fachleute.

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„Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt!“ (Hassan I Sabbah aka Der Alte Vom Berg)

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Mariengrotte / Burgruine Falkenstein / bei Pfronten im Allgäu / 14. Juni 2022

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Altern heißt meist Rückfahrkarten kaufen. Ob man da wieder ankommt, wo und wie man sich einst wähnte, sei dahingestellt. Die Einen sagen so. Die Anderen sagen so.

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Ante scriptum: Was macht eigentlich Thomas Tuchel?

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Bin eben wieder bei einem Helden der Adoleszenz gelandet. WSB. Für die Drogen der Vergangenheit fehlt mir inzwischen der Mut. Es bleibt nur noch der schale Suff der Gegenwart.

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WSB schrieb, was ich eben lese: „Wessen Stimme? Hör zu. Zerschneide und vertausche auf jede mögliche Art. Lese laut. Ich kann nicht wählen, aber hören. Denk nicht darüber nach. Theoretisier nicht.“

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Ich möchte besser nicht zu den Alten auf den Bergen gehören, die hinabblicken, obwohl schon längst beim Abstieg angekommen, die herabwürdigen und vermeintlichen Überblick über gelebte Jahre als Erkenntnis verkaufen. Ein paar Meter nach oben sind immer noch möglich. Den Schlußstrich zu ziehen liegt in des Anderen Hand.

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Siehe ganz oben.

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WSB schreibt weiter: „Du wolltest Hilfe. Hier ist sie. Nimm sie dir. Und denk immer dran. ‚Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt.‘ Die letzten Worte von Hassan I Sabbah, der Alte Vom Berg.“

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Gebet 1

Götter

Bitte

Macht aber nicht zu schnell

Daß meine Zunge folge meinen Augen

Jetzt

Daß meine Zunge nicht besinge

Was meine Augen niemals sahen

Nur mein abgeschaltetes Herz imaginierte

Und zwang mich zur Furcht vor der Zeit

Jetztzeit

Ebenzeit

Gesternzeit

Keinzeit

Gleichzeitig

Schenkt mir den unermesslichen Luxus der Fähigkeit

Zu warten von unten nach

Oben

Herabzusteigen

Von den Hügeln der Selbstermächtigung

Auf denen die Feldherren

Einst von uns gehasst

(heute / gewidmet dem inneren feind)

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WSB hatte an Allen Ginsberg geschrieben. Und das noch: „schau hin .. schau hin .. schau hin.“

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Ab morgen fühlen … Blödsinn … füllen sich die Tage mit sinnfreier Kickerei. Ei! Der Gottesdienste sind viele.

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(eben / sonne / ziemlich kühl für die jahreszeit / verzeihung / der mußte noch)

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„In jeder Aufführung muss das Werk neu geboren werden.“ (Gustav Mahler)

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August 2020 / Konstanz / Hauptfriedhof / aufgegebenes Grab

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Da ich an meinem eigenen Grabe stand

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Und wie ich hörte das Poltern der auf meinen Sarg

Von eigener Hand geworfenen

Rosen

Und wie ich hörte deren lautes Vermodern

Und wie ich sprach mit den Regenwürmern Maden Ameisen

Die durch die Furchen meines Hirns

Krabbelten zappelten

Und wie ich versuche mich umzudrehen

Bequemer zu sterben

Wurde es hell

Und der neue Tag nahm mich in die Pflicht

Weiterhin zu atmen

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(heute / gleich regen / hier)

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„Ich taumele durch die Gegend wie ein betrunkener Somnambuler.“ (Fundsache in den digitalen Netzen zu Gießen)

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12. Oktober 2023 / Bank älter / Wallonien in der Nähe von Huy / Unbesessen / Vorbeigewandert

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Da ich einmal sterben werde

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Von den Bänken auf denen mir Plätze angeboten

Nahm ich keine Notiz

Als drohende Drohne über den Weizenfeldern

Der Feinde

Abgestürzt glomm ich vor mich hin

Vermeintlich weise und selten leise voller

Sehnsüchtiges Wüten

Und vergaß die letzten Kartoffeln aus dem Feld

Zu klauben

Die vom letzten Jahrhundert über

Unter der Mütter Röcke

Blechtrommler der ich wurde

Verschließt meinen Sarg

Und meine letzten Klagen

Laßt schmelzen mich

Wie eine überteuerte Kugel Speiseeis

Unter den kalten Sonnen des Wissens Bescheid

Und den Vermeintlichkeiten

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(heute / sonne / hier)

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„Mein Lieblingssound ist der von Schinken in einer Pfanne.“  (Tom Waits)

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Frikes / Ithaka / Taverna Odysseas / 7. Juni 2023

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Da ich einmal stehen blieb

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Auf den Jagden nach den Endergebnissen

Wurde ich ausgewechselt

Die Ersatzbank war überfüllt

So blieb ich stehen

Bis mich die Götter zu sich gewunken

Und mir anboten nun liegen bleiben zu dürfen

Ewiglich

Ich verwies meinen nächsten Klagegesang auf den Nebenplatz

Und machte mir ein Spiegelei schweigend

Die Götter nahmen mein Opfer an

Ohne Worte

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(gießen / sechster juni 2024)

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