sieben mal wirst du die asche sein, aber einmal auch der helle schein. (karat)

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Vor der Fallmühle (sic!) / Bei Pfronten (Allgäu) / 14. Juni 2022

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Unter dem Kreuz des Wartens

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Als des Esel Ballack gestrecktes Bein

Unterhachingang bringend

Den Kurvendoofen neues Liedgut schlechter

Servierte nur noch

Toppgemüllert zwei Jahre später

Zwei hoch mal drei

Nie nie nie der Brasilianer auf den Knien schrie

In einen bayrischen Samstagnachmittag hinein

Und der Dicke

Heute mal nicht so calmundig

Weinte wie ein Kind

Da half kein Aspirin mehr

Und auch keine Verklappung der ewigen Niederlagen

In den Tiefen der Fortsee

Nur ein Warten auf Godot

Besingen noch geduldigst

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Gestern dann war er aufgetaucht

Als hätte er einen Plan gehabt

Der Junge

Als Esel gescheiter

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(ich habe mich aufrichtig gefreut gestern / der vernünftige schiedsrichter, der rechtzeitig, fast schon rheinisch, der freude, in dem er abpfiff, ihren raum ließ / dieser wirtz und wenn der früher von mir verehrte fc kölle su’nem jong kein perspektiv bieten kann: wat willste maache? / leverkusen meerbusen hängen em rään, loss mich jetz erus he söns hann ich dich noch jään / sang der jächt / kann gar nicht zählen wie oft ich nachts im zug auf der rückkehr gen kölle nach proben oder vorstellungen in essen, düsseldorf, münster, duisburg am leuchtenden bayer-kreuz vorbeirollte / leverkusen alaaf / alter stern mal neu)

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„Ich guck einfach so lange in den Spiegel, bis ich mir mein Leben glaube!“ (Alexander Scheer in Gundermann)

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München / Juni 2016 / Foto: A. Haas

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Lebensflüsse

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Meine Wege waren oft meine Marotten

Keine Wege jedoch und keine Straßen mit Ziel

An deren Rändern lediglich den Daumen rausgestreckt

Und eingestiegen die Wegweiser nicht lesend

Selten wahrgenommen das Gesicht der Piloten

Bewegung nur Bewegung einfordernd

Den Pistolenlauf Vergangenheit im Rücken

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Hastig Genossin haben wir versucht

Den Genuss

Die Strassen rollten unter unseren Füßen rückwärts

Auf der Suche nach dem Ufer des nächsten Flusses

Um dort zu verweilen

Und der Bewegung zuzusehen

Die uns durch die Finger rinnt

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So viel

So wenig

Nie genug

Strudelte das Wasser ins Meer

Die verheißungsvollen Strassen blieben uns

Sanduhren niemals umgedreht

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(gießen heute / kalter wind bricht das genick des absurden vorsommers der letzten tage / morgen dann nochmal der verschwundene text von gestern)

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„Literatur und Adoleszenz“ (AG Literatur / UNI Gießen / Carsten Gansel)

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Hafen / Konstanz / Januar 2024

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Wider die autobiographische Keimfreiheit

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Ab morgen werde ich wissen

Alles

Heute weiß ich alles schon wieder

Was ich gestern noch nicht mal wahr-

Genommen

Nach den Fehlern schreischreibend

In der Buchstabensuppe

Rührend

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Dauerkarteninhaber der ich

Pyrogezeter

Vernebele Abzweigungen

An denen vorbeigerast wir

Eine eigene Vergangenheit

Vergessend

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Bis zum Knöchel im euphorischen

Irrtum ich tanzend

Klaue Hotzenplotz

Die Kaffeemühle der Omama

Zurückwissend

Plädiere ich nicht auf Freispruch

Meine eigene Dummheit scheint mir nicht

Genehmigungspflichtig

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Keine Lebensstraße ohne Maut mehr

Schreien sie

Die Delegitimierer vor dem Herrn

Den sie niemals ernst nahmen

Wie das eigene Fehlen

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(gießen heute wieder / niemals würde ich auf einer otfried preußler-schule lernen wollen / wird geschreit / umbenennen also / mein gott / gute zeitung heute / in umfragen teilen sich spd und afd bei die jungwählers platz eins / neverlusen marschiert / alonsos pullover ist inzwischen durchscheinend / die hitzewellen ante portas / immer die eine lange strasse lang / besser nicht)

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„I’m alone here. / With emptiness. / Eagles. / And snow.“ (Deep Purple)

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Nonnenhorn / Oktober 2022 / Foto: A. Haas

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Neverlusen in Mittenwald

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Im verschneiten Landschulheim

Mittenwald Februar neunzehnhundertzweiundsiebzig

Auf dem Weg von der JH Ganghofer zur Kaserne Edelweiß

Das tote Reich der Vorfahren noch schwer im Rucksack

Streckte das erste Mal eine Klassenkameradin ihre Zunge

In seinen Hals die nicht

Die Auserwählte war

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Ossi der Metzgersohn der

Wenige Jahre später nur wie sein Vater

Sich den Strick um den Hals legte

Trennte die Knutscher ein Heft in der Hand

POP aus der benachbarten Schweiz

Verwackelte Bilder einer brennenden Spielbank

Unten am anderen See bei Genf

Lugi do schau des isch es

Der Junge schmiss seine mitgeführte MC

Neben den Weg in den Schnee

Und durfte an Ossis Zigarette ziehen

Ihm ward schlecht

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Im Waschraum zwanzig Waschbecken in Reih und Glied

Ajona zwischen den Borsten kratzte an den Zähnen

Vor angelaufenen Spiegeln

Wo isch Deine T. Rex–Kassette Lugi

Da hätte der Junge gerne geantwortet

Ich werde mich nicht mehr auffressen lassen

Von denen die da so gross mit spitzen Zähnen

Und langen Zungen

Und Neverlusen ab heute

Auch wenn finstere Rauchwolken über dem See aufsteigen müssen

Sie werden es sowieso

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Er war schon mal in Mittenwald gewesen früher

Auf Hochzeitsreise

Knappe sieben Monate alt

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Die erste Frage nach der Heimkehr des

Vaters dem ein Jahr noch blieb

Hast du geraucht

Nein

Geknutscht

Pause und nein

So lernt man das sinnlose Lügen

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(gießen heute / zeitung lesen / fünfzig jahre da da da / da da da da / da da da dada / das eigentliche lied auf der scheibe die wenig später mein kleiner bruder nach hause brachte / er hatte sie einem klassenkameraden aus der tasche geklaut / ein anderes / höre unten / die erinnerungen werden tag für tag milder)

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„The Thrill is gone!“ (B.B.King)

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Ersatz für eine gute alte Kifferbank / Bodanrück / August ’20 / In der Tüte unten links Herr Mahler

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Narrenbehandlung

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Wenn es mich nicht mehr juckt

Man sich lediglich ab und an kratzt

An den stillgelegten Testikeln

Die gepresst werden von gepackten Koffern

Auf denen ich ausharre laut singend

Alle Aufbrüche vermeidend

Aber die Moralhitparaden hoch und

Runter buchstabierend auf der Suche

Nach den Verletzbarkeiten und ich

Ein Stellvertreter meiner Schäden

Profund und blind jubelnd bleibe

Opfer meiner Narben

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Letzte Nacht viele Hunderte

Mit Tüten in der Hand

In den Wiegen immer noch schaukelnd

Mutlos befreit

Durch eine Vergangenheit geadelt

Breit leider nicht die Brust

April April

Man legt sich selber rein

Freudlos

Ins gemachte Bett

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(gießen / heute lese ich bei der physiotherapie auf einem plakat narrenbehandlung statt narbenbehandlung / uli hoeness hatte unlängst sich öffentlich über fliegende punkteraubende tennisbälle beschwert / dann musste er sehen im stadion: für euren scheiß-fußball seid ihr doch selbst verantwortlich, uli / selbst das kiffen ist inzwischen eine langweilige und verantwortungsfreie veranstaltung / den walldorf-schülern und den moral-pianisten sei dank / regnet es noch oder schon wieder in saarbrücken / wurscht / alle lüste flachen sich halt mal ab / in würde hoffentlich / auf alten bänke sitzen später neue)

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„Mal ganz ehrlich! Wie ist es Dir damals gelungen, aus dem Mülleimer rauszukommen?“ (Il mio nome è Nessuno)

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Hafeneinfahrt / Sami / Kefalonia / Auf nach Ithaka / Juni 2023 / Foto: A. Haas

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Rede des Odysseus am Grabe eines alten Widersachers

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Hier stehen wir ins Grab zu legen

Den göttlichen Polyphem

Zu schließen sein Auge

Welches weder rechts noch links blind

Ich selbstgerecht in Not gepfählt

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Keiner zog schneller als er

Nur einer

Niemand

Werden wir meißeln

In den Stein

Über seinem zerfallenden Leib

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Oft trifft es einen

Gerade auf der Straße

Auf der man

Vor seinem Schicksal flüchten wollte

Das war nichts Neues für Ihn

Den Zähler seiner Schafe

Aber für mich

Der ich ihn verhöhnte

Penelope so warten ließ

Lange zehn Jahre

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(karwoche / die klagewoche wie sie heißt / warum heute tanzen wollen müssen / xabi alonso bleibt / gut so / es regnet und regnet manchmal nicht / wenn man mal alte western schaut / unten der andere junge mit der mundharmonika)

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„Die Zisterzienser sagen, dass man sich nicht seiner Verzweiflung hingeben darf. Das nehme ich mir sehr zu Herzen.“ (Karl-Markus Gauß)

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Gießen / Botanischer Garten / Palmsonntag / Foto: A. Haas

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Lob des Alltäglichen / Versuchsanordnung

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Statt sich zu versaufen

Vor lauter Warten

Auf himmlische Chöre und Lobpreisungen

Mag es ausreichend werden nach dem Zähne putzen

Den Tag zu begrüßen

Nicht als Feind

Und die Klinke nicht zu verwechseln

Mit dem Schloß

Hoffen wir

Ohne Gewähr

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(gießen heute / eben hagelgewitter / ostern vor den türen / weihnachtsgeschenke eines alten freundes gelesen in den letzten maladen aua-tagen zwischen wartezimmern, ergo- und anderen therapeuten / eine entdeckung / danke bester thomas / der franke sagt dann: passt scho / in diesem sinne: siehe unten)

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„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ (Karl Valentin)

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Waschwand vor einer der vielen beeindruckenden und besuchten Moscheen / Istanbul / März 2012

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Die halbierte Pommesgabel und andere Scheinreligiösigkeiten

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Warum den Finger richten in die Höh‘

Statt das Haupt senken

Auch wenn Hand und Fuß gewaschen vor dem Gebet

Oder der pralle Klingelbeutel

Eine Wahrhaftigkeit besingen soll

Die Götter tanzen nicht auf der Agora

Lediglich die Götzen sind es

Und die Heimatlosen

Ein Glauben atmet hinter der

Ikonostase erstmal

Durch und

Hält sei Gosch

Gott scheißt auf große Geste

Mein bekennender Zweifel

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(gießen vor ostern / immer noch beten wir die lächerlichkeiten an / pastor reichelt gegen imam rüdiger / real ramadan gegen dfb kreuzabnahme / am wochenende dann bayern gegen borussia / leiser leben plus lauter schweigen vielleicht / zwiebelschalen sammeln / eier färben / ab und an den bart abnehmen / und die hostien in den whiskey der feinde tunken / notfalls chai)

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