Vom anderen Ufer des Storkower Sees / grüßt das Geläut des dicken Pitter / Von Görsdorf der Blick / hinüber nach Allensbach / Hinter Bad Saarow im Nebeldunst / der Hohentwiel / Vor seinem Schatten ein Kormoran / Von West nach Ost / zieht über Launsbach eine der unzähligen Gewitterfronten / dieses Sommers / Vom Baum hängt das Seil / schwingt im Wind über dem Wasser / Gestern noch schwang und sprang hier / ein Junge / hinab
Ich mag nicht mehr vergleichen / Ich mag dort sein / wo ich war / wo ich sein werde / Der Wind weht mich ins / Nirgends / Überall / Rasche Notizen / Randbemerkungen in Bewegung / Bleibewünsche
Unter der Dorfeiche von Schwerin endet der Tag / Einer Eintagsfliege gleich / unter ihren Jahrhunderten / sitze ich / Ein böiger Nordost fächelt hinüber den Geruch von Pferden / Ein Kleinwagen der Diakonie hält / Ein kurzes grüßendes Nicken / Ein alter Mensch wird zu Bett gebracht vielleicht / Kohlweißlinge tanzen überm Klee / Ein Mädchen streichelt sein Pferd / Wiehern und Lachen / Der Rücken schmerzt nicht mehr / so jung ich unter ihren ausladenden Ästen / Ruhe
Nach einer Nacht die ich mit CNN verbrachte, nach einer Nacht, in der ich auch an Deutschland dachte in der Nacht, an Reichstagtreppen und die Szenen unlängst dort im Bundestag. Aber wie immer schon, die Amis drehen halt die härteren Horrorfilme.
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Ich bin klein
Mein Herz ist rein
Die Politik die ist das Schwein
Der Präsident er labert Stuss
Das Chefin auch
Ab und an und wieder mal
Wer tut das nie verzeih
Was soll ich sagen
Ändert rein und rein
Nichts und nichts ich bin so frei
Es knurrt mein Bauch das Fressen erst und die Moral
Und als ich auf dem Bildschirm heute in der Früh die etwas verspätete Breaking News vom 3. November 2020 las – Ach nee, Biden ist der gewählte Präsident! – nochmal die Bilder der Nacht sah und mir vorstellte, wie das ausgesehen hätte, wenn das Schwarze gewesen wären, die das Capitol geentert haben. Wer zählte die Leichen? Später dann, die Ausgangssperre längst verhängt, hüpft die „erste Rasse des Herrn“ provokant vor der Nationalgarde rum. Tja, sie sind eben nicht ein George Floyd und dürfen weiter atmen. Und dann hörte ich den guten alten FZ singen: Hey, you know something people? I’m not black but there’s a whole lots a times I wish I could say I’m not white!
Alles wandelt sich / Neu beginnen / kannst du mit dem letzten Atemzug / Aber was geschehen ist geschehen / Und das Wasser / das du in den Wein gossest kannst du / nicht mehr herausschütten / das Wasser
Alles kannst du mit dem letzten Atemzug / neu beginnen / es wandelt sich / das Wasser aber / was geschehen ist geschehen / kannst du / nicht mehr herausschütten / aus dem Wein
An den Rand rücken / An den Rand der Welt / rücken / Den Rücken der Welt / zugewandt dir / Welt dir zugewendet / Mein Rücken / Dir zugewandt / suche ich nicht dich / aber einen Spiegel / zu beschreiben die Sache / Nicht rühmen / nicht klagen / Beschreiben / Vor der Ruhe / unvollendet
Über dem Kopf / dem von vorgestern / den zu verlieren ich anstreb‘ / über allem was mir noch fremd / fliegen Schwalben / Die nächtliche Hitze drückt die Mücken / zu Boden
Und die Frage war / warum das sich Bücken / geschmeidig der Schwerkraft nachgibt / während der stechende / Schmerz während des Versuches / sich wieder aufzurichten / hohnlacht / Dieser Hund
Seit Tagen, immermal wieder bass erstaunt oder mit Magenschmerzen lesend von den Washingtoner Kapriolen, geht mir eine Textzeile aus Tom Waits‘ „The piano has been drinkin“ nicht aus dem Kopf. „And the owner is a mental midget with the i.q. of a fencepost“. Es scheint als würden die Götter uns Menschen Dummheit und Rücksichtslosigkeit in Form von Trump und Virus um die überrascht tuenden Ohren hauen. Mit viel Spaß an dr Freud‘.
Vielen Dank. Mir aus dem Herzen und dem Hirn gesprochen aka geschrieben, der Essay von Mark Siemons aus der FAS vom 27. Dezember 2020. Teile ich sehr gerne:
Das Jahr der Verdrängung
„Es war ein widersprüchliches Jahr in Deutschland. Auf der einen Seite sah es eine so große kollektive Bedrohung wie seit Generationen nicht mehr, mit so vielen Toten, so vielen Existenzängsten, so vielen außergewöhnlichen Eingriffen des Staates, auch so vielen staatlichen Schulden. Und auf der anderen Seite eine Öffentlichkeit, die von einem gemeinschaftlichen Erleben dieser Bedrohung, von einer gemeinsamen Trauer, Furcht, Vorsicht und Nachsicht nichts wissen zu wollen schien. Je länger das Jahr unter dem Eindruck der Pandemie andauerte, desto zersplitterter wurde dessen Wahrnehmung, aufgelöst in viele, oft gegeneinanderstehende Einzeldispute, die sich von dem Ausgangspunkt, der unerwarteten Erfahrung der eigenen Verletzlichkeit, zunehmend entfernten.
Im März war die Anteilnahme über die vielen in Italien am Virus Verstorbenen noch groß; heute, da im eigenen Land schon höhere tägliche Todeszahlen erreicht sind, stößt das auf kaum Resonanz. Der schon vor Monaten geäußerte Vorschlag des Bundespräsidenten, in einem nationalen Akt der Opfer der Pandemie zu gedenken, wie dies so unterschiedliche Staaten wie China und Spanien getan haben, verhallte. Im Frühjahr wurde noch viel Empathie für das Krankenhauspersonal bekundet, dem die Seuche besonders viel abverlangt. Später verlor sich auch dieses Interesse. Andere Fragen wurden wichtiger: Wer darf sich wo mit wie vielen Menschen treffen, sind die Eindämmungsmaßnahmen überhaupt verhältnismäßig, welche Geschäfte dürfen sich systemrelevant nennen, sind Masken womöglich gesundheitsschädlich? Nicht, dass eine dieser Fragen unbedeutend wäre, aber in der Summe addieren sie sich zu einer im Rückblick fast monströs wirkenden Verdrängungsleistung – vor allem, da ihnen fast vollständig das Gegenüber fehlt, die Verständigung über die allen gemeinsame Verwundbarkeit.
Es ist, als klammere sich die Öffentlichkeit an ihre Debattenroutinen, an vertrautes Kommunikationsterrain, um sich mit dieser Verwundbarkeit und Ungewißheit nicht konfrontieren zu müssen. Jeder rhetorische Winkelzug schien dazu recht. Man stritt sich darüber, ob die Opfer „an“ oder doch nur „mit“ Corona gestorben seien, ob überhaupt von einer „Übersterblichkeit“ die Rede sein könne oder ob man die Diskussion nicht besser auf die „vulnerablen“ Gruppen konzentrieren solle, um die Mehrheit damit nicht weiter zu behelligen.
Selbst vorsichtige Formulierungen wie die der „neuen Normalität“, die Politiker wie Olaf Scholz am Ende des ersten Lockdowns wagten, um das fortdauernd Außergewöhnliche der Situation anzudeuten, wurden brüsk zurückgewiesen. „Wir wollen unsere alte Normalität zurück!“, hieß es trotzig in einem Kommentar. Diese Art Panzerung gegen die Realität hatte auch Folgen für die Wirksamkeit der Eindämmung des Virus. Da keine gemeinsame Sprache für die Bedrohung gefunden wurde, hatten es alle vorrauschauenden Maßnahmen, geschweige denn langfristige Strategien schwer, sich unter den Ministerpräsidenten durchzusetzen. Und selbst das Verhalten derer, die das Virus nicht für eine Erfindung halten, richtete sich weniger an der Gefährdungslage als an Verordnungen aus – die vielbeschworene Eigenverantwortung setzt offenbar erst dann ein, wenn die Wirklichkeit durch Gesetze oder andere Prinzipien beglaubigt ist.
Wahrscheinlich hat die Pandemie auf einer individuellen Ebene bei vielen das Bewußtsein dafür befördert, wie viel mehr das Leben wert ist als die Gewohnheiten, die es in ruhigen Zeiten ausfüllen und die jetzt so schmerzlich unterbrochen wurden. „Daß das Leben nicht gehortet, sondern gelebt sein will“, hielt der britische „Economist“, sonst nicht als Fachmagazin für solche Ergebnisse bekannt, als Lektion dieses Jahres fest. Die große Frage bleibt, warum sich dagegen das kollektive bewußtsein die Lebenserfahrung dieses Jahres so ausdauernd vom Leibe hält. Und was getan werden kann, damit sich das ändert.“
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Und: es sterben vor allem Mitglieder jener Generation, die dieses Land nach dem Krieg aufgebaut haben und auf dem Rücken derer Lebensleistung die Nachgeborenen ihren Wohlstand gefestigt haben. Nachdenkenswert, bevor man wieder das nächste Schlupfloch sucht. Dankbarkeit und so.