That’s how the light gets in, Leonard?

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Sonnenuntergang an der Schlei / 19. Februar 2023

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Da gäbe es diesen Riss. Diesen Riss in jedem Ding. In jedem Gegenstand. Wahrscheinlich ist auch ein Mensch lediglich ein Gegenstand. Vor den letzten Dingen. Ein Gegenstand, der atmen kann zwar, mehr jedoch kaum. Und dieser Riss ermöglicht dem Licht einzudringen. Welches Licht? Erkenntnis? Göttlich? Ängste lindernd? „Mama? Kannst Du die Türe ein bißchen auflassen, damit ich einschlafen kann?“ Oder das Wachstum ermöglichend? Leonard Cohen singt davon. Auch von den ärgerlicheren Rissen? „Entschuldigung! Deine Hose ist gerissen. Am Arsch!“

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Die Ambivalenz. Ein Wort, welches ich, vor allem bei der Theaterarbeit, gerne im Munde führe. Eindeutigkeiten haben mich schon immer erschreckt. Vor allem, wenn diese von mir im Brustton der momentanen Erregung in die Welt gespuckt werden. „So isses doch!“ Nein, eben nicht. Wie einer meiner Regievorbilder – ewiger Leibzischer – gerne rief: „Du musst nei in die Ombiwalens, nei!“ Da sei der Riss, da isser. Notwendig. Wie immer er auch entstand. Zu hoher Innendruck, der ein Gehäuse sprengte. Schläge von außen. Vielleicht sogar bewußt provoziert. Materialermüdung. Baufehler. Der Möglichkeiten viele. Gewiß nur, zieht es nach rechts und links, nach oben und unten gleichzeitig und mit gerecht verteilter Kraft in jede Himmelsrichtung, ist er nicht zu vermeiden, der Riß. Dann trete ein, oh Licht.

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Oh ihr Küchenpsychologen! Oh Spiegelbild! Oh ihr Moralreiszwecken! Es ist ein Abheften, Einordnen, Bewerten in – vor allem unserer kleinen, gerne zu Erkenntnishaftigkeit aufgeblasenen – Wohlstandswelt, daß es einem grauset. Als habe man Thoreau gänzlich falsch verstanden, der da mal schrieb: „Es kommt nicht darauf an, was man betrachtet, nur darauf, was man sieht!“ Als diente, alles was uns ins Auge fällt, lediglich dazu alte Irrtümer in den Äther zu posaunen zum Zwecke allgefälliger Selbstvergewisserung. Nach wohlfeiler Einordnung in bewährte Gedankenschränke selbstredend. Mit sich selbst redend, selbstredend. Und, hübsches Zitat noch von ‚Michl Hol Das Becks‘: „Der Erbmakel der Männer ist die Verallgemeinerung!“ Nicht albern werden. Doch, eben.

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Wird mann eines Risses ansichtig oder habhaft, greift mann gerne zu Nadel und Faden, nee besser zum Kraftkleber oder gleich zum Schweißgerät. Und wundert sich, wenn es dunkel bleibt. Drinnen. Der Riss aber schmerzt weiter vor sich hin. Manchmal ein ganzes langes oder kürzeres Leben. Und wenn nicht, ist er trotzdem da. Der Herr von Riss. Unter Nähten. Gut so. Manchmal gemahnt der Riss die eigenen Selbstgerechtigkeiten daran, daß die eigenen Eltern auch Eltern hatten. Zum Beispiel.

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Zwischen Tür und Engeln. Warten ist die wahre Zeit. Ein Leben unter Zügen. Bretter, die nichts bedeuten, weil sie nur Bretter sind. Drei Seelen, ach, sind mir zu wenig. Und dann fiel ich ab. Als ich ein letztes Blatt riss vom Kalender, brannte die Sicherung nicht durch. Es blieb hell.

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Vor ein paar Tagen hatten sich zwei Junkies auf unseren Hinterhof verzogen. Auf die Frage, was sie da auf fremdem Gelände suchen, antwortete mit schwerer Zunge die Frau: „Da draußen ist es so laut. Wir brauchen mal ein bißchen Ruhe!“ Wieso habe ich sie vom Hof gejagt?

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Auf der Schleibrücke Lindaunis – Rieseby / 19. Februar 2023

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